TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/1 W173 2208931-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.2019
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Entscheidungsdatum

01.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2208931-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 28.9.2018, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) beantragte am 5.4.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der BF legte dazu medizinische Unterlagen vor. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Im Gutachten vom 17.8.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF durch den medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, wurde unter dem Punkt "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung" ein Gesamtgrad der Behinderung von 40v.H. festgestellt. Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte - in weiterer Folge zusammengefasste - Gutachten enthält auszugsweise Folgendes:

"......................

Anamnese:

Traktorunfall im August 2018

Weichteilverletzung der rechten Hüfte bis zum rechten Knie

großer Bluterguss der linken Hüfte

immer noch starke Schmerzen beider Hüften

VAC-Behandlung für 2 1/2 Monate im UKH Meidling

Zum Gehen braucht er für weitere Strecken immer noch die Krücke.

Arbeitsunfall

Entfernung der Schilddrüse bei Kropf vor vielen Jahren.

Bandscheibenoperation 1995 C5/C6 bei Prolaps, da hat er immer noch Probleme.

Sehnenverletzung des rechten Daumens vor vielen Jahren, erfolgreich operiert.

Derzeitige Beschwerden: siehe oben

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Carvedilol, Olmetec, Euthyrox, Novalgin

Sozialanamnese:

Gartenarbeiten, Personalleasingfirma; seit 2007 AMS, Nebenerwerbslandwirt - davon kann er aber nicht leben.

Pensionsantrag wurde gestellt

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Krankengeschichte der AUVA, UKH Meidling: stationär 14.8.-25.10.2017, ambulant bis 6.11.2017

Contusio et excoratio coxae dext.

Seroma reg. coxae et glutealis utriusque

analgetische Therapie und schmerzadaptierte Mobilisierung

mehrfach Incision, Hämatom- bzw. Seromentleerung

VAC-System

Sekretion bis Oktober

Aquacel Silver Streifen

6.11.2017: Wunde jetzt in Abheilung, minimale Sekretion, Reinigung, Octenilingel Schutzverband; Weiterbehandlung beim Hausarzt

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: normal, Ernährungszustand: adipös, Größe: --cm,

Gewicht: -- kg, Blutdruck: --

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut: Rosiges Kolorit,

Sichtbare Schleimhäute: feucht, gut durchblutet

Kopf: Capilitium unauffällig

Augen: unauffällig

Gehör: unauffällig

Hals: Schilddrüse entfernt, blande Narbe, keine Lymphknoten palpabel

Thorax: symmetrisch,

Herz: normofrequent, Herztöne rein und rhythmisch

Lunge: Vesikuläratmen

Abdomen: über Thoraxniveau, weich, kein Druckschmerz, Leber am Rippenbogen, Milz nicht palpabel, Darmgeräusche unauffällig

Nierenlager: nicht klopfdolent

Wirbelsäule:

Becken- und Schulterstand gerade

Halswirbelsäule: Nacken-Trapezius- Hartspann, Kinn-Jugulum-Abstand 3 QF, Rotation bds. 40°, Seitneigen bds. 20°

Brustwirbelsäule: Seitneigen bds. bis 20 cm über die Kniegelenke

Lendenwirbelsäule: nicht klopfdolent

Vorbeugen: FBA 70 cm bei durchgestreckten Kniegelenken,

Obere Extremitäten:

Schultergelenke: Arme vorhalten und seitlich 100°, Nacken- und Schürzengriff bds. möglich

Ellenbogengelenke: Beugung, Streckung und Unterarmdrehung unauffällig, Handgelenke und Finger: unauffällig, Grob- und Spitzgriff bds. durchführbar, Faustschluss bds. vollständig möglich, Kraftgrad 5 bds.

Untere Extremitäten:

Keine Beinödeme, Fußpulse gut palpabel, Beinlänge seitengleich

am Gesäß beidseits noch subcutane "Polster" vermutlich Reste des Seroms bzw. Hämatoms, rechts unterhalb des Trochanters narbige Einziehung, keine Sekretion mehr

Hüftgelenke: rechts 0-0-70 bei Abwehr, links S 0-0-100, R 40-0-20

Kniegelenke: bds. S 0-0-120

Sprunggelenke: bds. S 30-0-40,

Zehen- und Fersenstand bds. als nicht möglich angegeben, Kraftgrad 5 bds.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt alleine, selbst gehend mit normalen Schuhen mit Krücke rechts zur Untersuchung.

Gangbild: mit Krücke, leicht hinkend, flüssig

Status Psychicus: wach, voll orientiert, gut kontaktfähig, Stimmung und Affekt unauffällig, Antrieb normal, Ductus kohärent, Gedächtnis unauffällig, emotionale Kontrolle gut, soziale Funktionsfähigkeit gut

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Degenerative und posttraumatische Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates Wahl dieser Richtsatzposition bei maßgeblichen morphologischen Veränderungen (Zustand nach ausgedehnter Weichteilverletzung der Hüft- und Glutealregion beidseits; Zustand nach Operation der Halswirbelsäule) aber Fehlen von neurologischen Ausfällen, oberer Rahmensatz bei eingeschränkter Beweglichkeit, erhöhtem Leidensdruck, Verdacht auf Konversionsreaktion.

02.02.02

40

2

Arterielle Hypertonie Wahl dieser Richtsatzposition bei einfachem Bluthochdruck, fixer Rahmensatz.

05.01.01

10

3

Schilddrüsenunterfunktion Wahl dieser Richtsatzposition bei leichter endokriner Störung, unterer Rahmensatz bei komplikationsfreier Substitutionstherapie.

09.01.01.

10

Gesamtgrad der Behinderung

40 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die führende funktionelle Einschränkung wird durch die anderen funktionellen Einschränkungen nicht erhöht mangels nachteiliger wechselseitiger Beeinflussung.

..............................

X Dauerzustand

..........................."

2. Das eingeholte Gutachten vom 17.8.2018 wurde von der belangten Behörde dem Parteiengehör unterzogen. Der BF sah von einer Stellungnahme ab. Mit Bescheid vom 28.9.2018 wurde der Antrag des BF vom 5.4.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden nicht vorliegen, da ein Grad der Behinderung von 40 % festgestellt worden sei.

3. Mit Schreiben vom 30.10.2018 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.9.2018. Begründend wurde vorgebracht, wegen der Behinderung bei Amtswegen und Einkäufen nur mühevoll vom Parkplatz bis zum Zielort zu kommen. Er ersuche daher nochmals, einen Behindertenparkplatzausweis auszustellen. Es sei ihm sonst unmöglich, längere Autofahren zu absolvieren, da er beim Aussteigen aus dem Auto extreme Schmerzen im Bein habe, das er auf den Boden stelle müsse.

4. Am 6.11.2018 legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.Auf Grund des Antrages des BF vom 5.4.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses erfolgte eine persönliche Untersuchung des BF durch den medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin. Im Zuge dieser Untersuchung wurde das oben wiedergegebene Gutachten vom 17.8.2018 basierend auf der Einschätzungsverordnung erstellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 40.v.H ermittelt. Dieser ergab sich aus folgenden Leiden:

1. Degenerative und posttraumatische Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates (Pos.Nr. 02.02.02 - 40% GdB), 2. Arterielle Hypertonie (Pos.Nr. 05.01.01 - 10% GdB), 3.

Schilddrüsenunterfunktion (Pos.Nr. 09.01.01 - 10% GdB). Das führende Leiden wurde durch die übrigen Leiden 2 und 3 wegen der fehlenden nachteiligen wechselseitigen Beeinflussung mit dem Hauptleiden nicht erhöht. Diese Gesundheitsbeeinträchtigungen wurden als Dauerzustand gewertet.

1.2. Mit Bescheid vom 28.9.2018 wurde basierend auf dem eingeholten Gutachten vom 17.8.2018 aufgrund des festgestellten Gesamtgrades der Behinderung von 40 % der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Dagegen erhob der BF Beschwerde.

1.3. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt beim BF 40 v.H. Der BF erfüllt daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben wiedergegebene, von der belangten Behörde eingeholte schlüssige Sachverständigengutachten vom 17.8.2018 (Dr. XXXX ) verwiesen. Im genannten Gutachten - basierend auf einer vorhergehenden persönlichen Untersuchung des BF - wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden des BF auseinander.

Diese Einschätzungen finden auch Deckung in dem vom Gutachter erhobenen Status des BF im Rahmen der persönlichen Untersuchung des BF durch Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin. Er stützte sich bei der Einschätzung des führenden Leidens 1 nachvollziehbar auf die morphologischen Veränderungen der Hüft- und Glutealregion beidseits sowie die Halswirbelsäule, die bereits operiert wurde, bei der aber keine Anzeichen für neurologische Ausfälle vorlagen. Wegen der eingeschränkten Beweglichkeit verbunden mit einem erhöhten Leidensdruck und einem Verdacht auf Konversionsreaktion ist die Subsumtion unter dem oberen Rahmensatz mit der Pos.Nr. 02.02.02 und einem Grad der Behinderung von 40% gerechtfertigt. Für das Leiden 2 (arterieller Bluthochdruck) ist schlüssig der fixe Rahmensatz bei einer einfachen Konstellation dieser Erkrankung mit der Pos.Nr. 05.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 10% heranzuziehen. Wegen der leichten endokrinen Störung der Schilddrüse ist die Einstufung mit dem unteren Rahmensatz unter der Pos.Nr. 09.01.01. mit einem Grad der Behinderung von 10% gerechtfertigt. Auf Grund der fehlenden nachteiligen wechselseitigen Beeinflussung von Leiden 2 und 3 auf das führende Leiden 1 erfolgte auch zu Recht keine Erhöhung des führenden Leidens 1. Die übrigen Leiden erhöhten nicht, sodass sich nachvollziehbar ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% ergab.

Der BF ist auch dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 17.8.2018, das von der belangten Behörde eingeholt und dem Parteiengehör unterzogen wurde, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. VwGH 17.2.2017, Ra 2017/11/0008, 27.06.2000, 2000/11/0093). Vielmehr hat der BF von einer Stellungnahme abgesehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Der beigezogene medizinische Sachverständige Dr. XXXX hat die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Im schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 17.8.2018, das von der belangten Behörde eingeholt wurde, und auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Die Ausführungen in der Beschwerde des BF vom 30.10.2018 konzentrierten sich ausschließlich auf den Erhalt eines Parkausweises, der jedoch nicht Beschwerdegegenstand war. Vielmehr wurde im angefochtenen Bescheid über die Ausstellung eines Behindertenpasses abgesprochen, der vom BF beantragt wurde. Das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten vom 17.8.2018 wurde von BF nicht in Zweifel gestellt. Der BF hat auch keine gegen das schlüssige Sachverständigengutachten vom 17.8.2018 sprechende medizinische Unterlagen vorgelegt. Es steht dem BF, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, das im Auftrag der Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß von 40% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß erreichen, welches für die Ausstellung eines Behindertenpasses erforderlich ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2.Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W173.2208931.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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