TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/7 W173 2212793-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2212793-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid vom 27.12.2018 des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Am 24.8.2018 beantragte Frau XXXX , geb. am XXXX , (in weiterer Folge: BF) die Ausstellung eines Behindertenpasses. Als ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen nannte die BF Zöliakie und Beschwerden im Enddarm. Dazu legte die BF medizinische Unterlagen vor. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte - in weiterer Folge zusammengefasste - Gutachten vom 23.11.2018 von Dr. XXXX , FA für Urologie und Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der

BF enthält auszugsweise Folgendes: "......................

Anamnese: 04/2018 ED Zöliakie;

Weitere Erkrankungen und operative Eingriffe sind nicht erhebbar.

Derzeitige Beschwerden:

Sie selbst hält glutenfreie Diät, berichtet, dass die Stuhlfrequenz und die Stuhlkonsistenz besser würden, aber noch immer 2 - 3 x Stuhl, manchmal auch Durchfälle, vor allem wenn sie in ein Restaurant gehe (auch wenn sie es sage, dass sie streng glutenfreie Speisen haben möchte), das Gewicht dzt. zunehmend (bei der Diagnosestellung 52 kg), sie berichtet über ein Kribbeln in den Beinen, sie meint, sie habe gelesen, das könne auch von der Zöliakie sein, Blutbefunde bzgl. Vitamin-D-Mangel oder NLG gibt es keine.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

glutenfreie Diät; Medikation keine

Sozialanamnese: AHS-Lehrerin, ledig, keine Kinder, Lebensgemeinschaft

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

20180823 Laborbefund - CRP 0, Hb 11,9, HK 35,9, MCV 84, MCH 27,7, (Originalbefund)

20180713 histologischer Befund - Duodenum: beträchtlich autolytisch veränderte

Dünndarmschleimhautfragmente mit deutlicher Kryptenhyperplasie, subtotaler

Zottenatrophie und Vermehrung von intraepithelialen Lymphozyten, das histologische Bild bei entsprechender Klinik vereinbar mit Zöliakie (Typ Marsh IIIB)

20180525 Laborbefund - Transglutaminase IgA >200, Transglutaminase IgG 60,8 U/ml, (Anmerkung: Gesamt-IgA nicht vorliegend)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut; Ernährungszustand: gut, Größe: 168,00 cm,

Gewicht: 56,00 kg, Blutdruck: --------

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf, Hals: Brillenträgerin, sonst unauffällig

Stamm:

Thorax symmetrisch, seitengleiches Vesikuläratmen über beiden Lungen, Eupnoe, Herztöne rein, Herzaktion rhythmisch, normfrequent, Bauchdecken weich, nicht druckschmerzhaft, ohne pathologische Resistenzen

Obere Extremitäten:

Muskelmantel symmetrisch kräftig ausgeprägt, Schultern stehen gleich hoch, Schürzen- Nackengriff seitengleich problemlos, Beweglichkeit in den Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenken altersentsprechend unauffällig, Faustschluss komplett und kräftig, Feingriff fest, Daumenopposition bds. bis zum Kleinfinger möglich, Durchblutung oB

Untere Extremitäten:

Muskelmantel symmetrisch kräftig ausgeprägt, Becken steht gerade, Zehen-, Fersen- und Einbeinstand bds problemlos, Beweglichkeit in den Hüft-, Knie- und Sprunggelenken unauffällig, Zehenbeweglichkeit frei, Durchblutung oB

Wirbelsäule:

Achse im Lot, paravertebrale Muskulatur symmetrisch seitengleich ausgeprägt, ohne Hartspann oder Druckdolenz, Kopfrotation nach beiden Seiten 70°, KJA 2/20 cm,

Reklination flüssig, Rumpfdrehung und -seitneigung nach beiden Seiten ohne

Einschränkung, FBA 0 cm, Schober 10/15, Lasegue bds. negativ

Neurologie:

MER seitengleich lebhaft auslösbar, keine sensomotorischen Defizite

Gesamtmobilität - Gangbild:

trägt Konfektionsschuhe, das Barfußgangbild harmonisch, flott, frei, mit unbehinderter Abrollbewegung, An- und Auskleiden zügig und selbstständig, Bewegungsabläufe flüssig

Status Psychicus: allseits orientiert, Gedankengang geordnet, nachvollziehbar, erreicht das Ziel, Mnestik unauffällig, Stimmung ausgeglichen, Antrieb im Normbereich, Affekt stabil, gute Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Zöliakie eine Stufe über dem unteren Rahmensatz berücksichtigt das noch eingeschränkte Ansprechen auf die diätischen Maßnahmen bei sonst stabilem Erkrankungsverlauf und uneingeschränktem Ernährungszustand

09.03.01

20

Gesamtgrad der Behinderung

20v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

X Dauerzustand

...................................

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen

Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

X Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder

eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03.

GdB: 20 v.H.

........................"

2. Mit Bescheid vom 27.12.2018 wurde der Antrag der BF vom 24.8.2018 abgewiesen. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung 20% erfülle sie die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 20% ergeben habe und einen Bestandteil der Bescheidbegründung bilde. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden daher nicht vorliegen.

3. Mit E-Mail-Mitteilung vom 9.1.2019 erhob die BF Beschwerde gegen den am 8.1.2019 zugestellten Bescheid. Die BF brachte begründend vor, dass das eingeholte Gutachten nicht dem Parteiengehör unterzogen worden sei. Die am 13.7.2018 erhaltene Diagnose Zöliakie -Typ Marsh IIIB - sei für sie ein großer Schock gewesen. Zugleich habe sie nunmehr eine Erklärung für die sie schon 13 Jahre begleitenden Schmerzen und Beschwerden sowie für ihren schlechten seelischen Zustand und den dauerhaften Durchfall gehabt. Sie habe ihre Ernährung umgestellt und eine Besserung ihres Gemütszustandes feststellen können. Allerdings habe für sie die Ernährungsumstellung erhebliche Zusatzkosten sowie soziale Einschränkungen zur Folge gehabt. Beispielsweise habe sie sich eine Brotbackenmaschine samt Zubehör, etwas für die getrennte Lagerung der Lebensmittel und Spezialprodukte anschaffen müssen. Die Zubereitung der Lebensmittel sei mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Bei gesellschaftlichen Treffen sei sie gezwungen, selbst Essen mitzunehmen oder Speisen zu verweigern, sollten glutenfreie Speisen nicht bereitgestellt werden können. Sie betrachte sich als sozialer Außenseiter, der zum Treffen von Vorbeugungen gezwungen sei, damit die Krankheit nicht noch zu schlimmeren Folgen führe. Um dem vom Finanzamt pauschalierten Freibeitrag für die Diätverpflegung von Zöliakie zu erhalten, bedürfe es einer Bescheinigung eines Behindertengrades von mindestens 25 %. Die Beantragung eines Behindertenpasses habe ihr viel Überwindung gekostet. Der ermittelte Grad der Behinderung von 20 % sei zu niedrig. Sie habe immer noch täglich mindestens zwei bis dreimal Stuhlgang, der sich seit November wieder verschlechtert habe trotz Einhaltung ihrer glutenfreien Diät. Beispielsweise habe sie bereits heute siebenmal Stuhlgang hinter sich, der sich seit Mitte Dezember in dieser Form zeige. Binnen eines halben Jahres habe sie zehn Kilo abgenommen. Während sie zum Zeitpunkt der Untersuchung bei einer Größe von 1,68m 56 kg gewogen habe, habe sich ihr derzeitiges Gewicht (9.1.2019) wieder auf 54 kg verringert. Da sie nie wieder normal leben und uneingeschränkt an sozialen Aktivitäten teilnehmen könne, handle es bei ihr um einen Dauerzustand. Sie sei gezwungen, nunmehr lebenslänglich glutenfrei zu essen, was mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden sei. Die Einstufung von 20 % widerspreche dem Antwortschreiben von Dr. XXXX . Die Stoffwechselstörungen unter der Position 09.03 der Einschätzungsverordnung sei Gegenstand informative Gespräche der leitenden Ärzte des Sozialministeriumservice gewesen. Es sei die Einschätzung aufgrund des Einzelfalles vorzunehmen. Selbst bei Vorliegen häufiger Durchfälle und gering- bis mittelgradiger Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes werde ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt. Auch sie leide aufgrund ihrer Zöliakie-Erkrankung und den häufigen Durchfällen an einer geringen bis mittelgradigen Beeinträchtigung des Allgemein - und Ernährungszustandes. Dies ergebe sich aus der drastischen Ernährungsumstellung, der Einschränkungen im Bereich des sozialen Lebens und daraus resultierender Auswirkung auf ihr psychisches Wohlbefinden. Diese Folgen würden einen Grad der Behinderung von 30 % rechtfertigen. Zum Zeitpunkt der ärztlichen Begutachtung habe sie mindestens 2 bis 3 Mal täglich Stuhlgang gehabt. Es handle sich dabei um einen Zustand, der an sehr seltenen Tage bestehe. Seit Mitte Dezember habe sich ihr Zustand trotz glutenfreier Ernährung wieder stark verschlechtert. Derzeit sei jeder ihrer Toilettengänge mit Stuhlgang verbunden. Dazu sei sie fast täglich durch Stechen im Bauch und durch häufig mulmiges Gefühl sowie Krämpfen beeinträchtigt. Seit Ende Dezember seien Schmerzen im Bereich des Enddarms/Afters aufgetreten, die sie bereits von März bis August 2018 gequält hätten. Sie könne kaum 100 m bewältigen. Trotz Einhaltung aller ärztlichen Ratschläge seien Schmerzen wieder aufgetreten, was sie besorge. Neben der Diagnose Zöliakie hätten ihre Diätologinnen und ihre Hausärztin den Verdacht auf eine zusätzliche Laktoseintoleranz und Probleme bei der Verdauung von fettreichen Speisen geäußert. Laktoseintoleranz sei jedoch nicht mittels eines H2-Atemtests überprüfbar. Sie habe daher bei ihrer glutenfreien Ernährung auch auf laktosehaltige Produkte verzichtet sowie versucht, fettarme Speisen zu konsumieren. Testergebnisse zu einer bestehenden Laktoseintoleranz könnten nachgereicht werden, sobald sie über solche verfüge. Sie verweise zudem auf den histologischen Befund der "geringgradigen chronischen Antrumgastritis" sowie den Schmelzdefekten ihrer Schneidezähne, der auf Zöliakie beruhe. Außerdem habe sie seit mindestens zwei Jahren immer wieder trockene Hautstellen um den Mund, den Unterkiefer und den Oberschenkeln sowie den Oberarmen und gerötete Armbeugen, die teilweise auch Juckreiz auslösen würden. Ihr Vater habe Jahrzehnte an einer Stoffwechselerkrankung gelitten, jedoch nie eine konkrete Diagnose erhalten, was sie beunruhige. Er sei bereits im Alter von 54 Jahren an einem Gallengangkrebs gestorben. Diese genetische Komponente sowie die jahrelang unerkannt gebliebene Zöliakie beunruhige sie zutiefst. Befunde waren dem Beschwerdevorbringen nicht angeschlossen.

4. Die belangte Behörde legt den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht am 11.1.2019 zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Die BF leidet an einer Zöliakie-Erkrankung, die erst 2018 diagnostiziert wurde. Sie muss Diät halten, um dem Leiden entgegenzuwirken. Um vom Finanzamt einen pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung für die Zöliakie-Erkrankung zu erhalten, strebte die BF einen Behindertenpass an. Dazu stellte die BF am 24.8.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Es wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Gutachten von Dr. XXXX , FA für Urologie und Arzt für Allgemeinmedizin, eingeholt. Im Zuge der persönlichen Untersuchung wurde das oben wiedergegebene Gutachten vom 23.11.2018 erstellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit

20. v.H festgestellt. Dieser beruhte auf dem Leiden Zöliakie (Pos.Nr. 09.03.01 - 20% GdB). Es war von einem Dauerzustand auszugehen.

1.2. Auf Grund des eingeholten Gutachtens mit dem ermittelten Gesamtgrad der Behinderung von 20% wurde mit Bescheid vom 27.12.2018 der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gegen den abweisenden Bescheid erhob die BF Beschwerde, ohne ihr Vorbringen durch weitere, aktuelle Befunde zu belegen.

1.3. Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 20%. Die BF erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben auszugsweise wiedergegebene, von der belangten Behörde eingeholte schlüssige Sachverständigengutachten vom 23.11.2018 (Dr. XXXX ) verwiesen. Basis für die Einschätzung des Leidens der BF war die Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010 idgF.

Der genannte medizinische Sachverständige hat die BF persönlich untersucht und ist auf die Art des Leidens der BF und dessen Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den Leiden der BF und den vor ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen auseinander.

Für das maßgebliche Leiden (Zöliakie-Erkrankung Typ March IIIB) wurde eine Einstufung dergestalt vorgenommen, dass eine Stufe über dem unteren Rahmensatz der Position 09.03.01. der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20% herangezogen wurde. Dabei wurde das noch eingeschränkte Ansprechen auf die Diätmaßnahmen bei sonst stabilem Erkrankungsverlauf und uneingeschränktem Ernährungszustand berücksichtigt. Diese Einstufung stimmt auch mit den Ergebnissen der persönlichen Untersuchung der BF beim genannten Sachverständigen überein, die die BF auch nicht in Frage stellte, und im Einklang mit den vorgelegten Befunden steht. Diese bescheinigen die Diagnose Zöliakie Typ March IIIB.

Die BF sprach selbst bei der persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen davon, dass sie Diät halten muss. Die vom Sachverständigen vorgenommene Einstufung mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz (20%) der Pos.Nr. 09.03.01 der Einschätzungsverordnung stimmt auf ausschließlich diätetische Maßnahmen ab, die die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen ermöglichen. Dass die Erkrankung bei der BF weitgehend stabil ist, geht auch aus ihren Aussagen bei der persönlichen Untersuchung hervor, wonach sich sogar bei glutenfreier Diät ihre Stuhlfrequenz und ihre Stuhlkonsistenz bessern. Sie verwies auch auf ihre Gewichtszunahme. Dafür spricht auch, dass die BF bei der persönlichen Untersuchung bei einer Größe von 1,68m 56 kg wog, während bei der Diagnoseerstellung ihr Körpergewicht nur 52kg betrug. Medikamente wurden von der BF im Hinblick auf ihr Leiden nicht konsumiert. Dass die BF zusätzlicher therapeutischer Maßnahmen - neben ihrer Diät - bedürfe, die für eine Einstufung mit einer Stufe unter dem oberen Rahmensatz mit 30% erforderlich wären, hat die BF auch nicht mit entsprechenden medizinischen Befunden - auch nicht im Rahmen ihres Beschwerdevorbringens - belegt. Insofern kann auch das Vorbringen der BF in ihrer Beschwerde nicht überzeugen, zumal sie es auch unterlassen hat, ihre Darlegungen durch entsprechende medizinische Unterlagen zu belegen. Soweit sie sich auf ein Antwortschreiben von Dr. XXXX bezieht, so wird darauf verwiesen, dass selbst darin bei der Einstufung von Stoffwechselstörungen von einer Abstimmung auf den Einzelfall gesprochen wurde. Diese wurde in der gegenständlichen Fallkonstellation vom beigezogenen Sachverständigen Dr. XXXX nachvollziehbar im oben angeführten schlüssigen Gutachten vorgenommen.

Die Einschätzung des genannten Gutachters ist - wie aufgezeigt - schlüssig begründet und entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen der BF. Es steht auch der BF, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093). Die BF hat aber gegen das schlüssige Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 23.11.2018 auch im Rahmen ihrer Beschwerde keinen dagegensprechende, aktuelle, aussagekräftige medizinische Befund oder ein medizinisches Gutachten mehr vorgelegt.

Das von Dr. XXXX erstellte Gutachten vom 23.11.2018 steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Das Beschwerdevorbringen der BF konnte nicht überzeugen. Die vom Gutachter herangezogene Einstufung der Erkrankung der BF ist - wie oben dargestellt - nachvollziehbar und zutreffend.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Der beigezogene medizinische Sachverständige hat die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010 idgF, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Der ärztliche Sachverständige Dr. XXXX , FA für Urologie und Arzt für Allgemeinmedizin, hat sich eingehend aus medizinischer Sicht mit dem Leiden der BF auseinandergesetzt. Die BF ist diesen schlüssigen Ausführungen des genannten Sachverständigen im Gutachten vom 23.11.2018 nicht mit neuen aussagekräftigen Befunden oder einem Sachverständigengutachten im Rahmen ihrer Beschwerde auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0033).

Das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß von 20% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, welches Ausmaß die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF erreichen und ob dieses für die Ausstellung eines Behindertenpasses hinreichend ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2.Zu Spruchpunkt B) (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W173.2212793.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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