TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/8 W240 2132701-4

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Veröffentlicht am 08.02.2019
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Entscheidungsdatum

08.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2132701-4/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2018, Zl. 1024397703/170940315, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.01.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 13.07.2016, Zl. 1024397703/14775070, wurde der Antrag gem. § 3 und

§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Zi 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gem. § 10 Absatz 1 Zi 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Zi 2 FPG 2005 erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Somalia zulässig und ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

Am 12.07.2016 wurde der Beschwerdeführer aufgrund seines unbekannten Aufenthalts bei der GVS- XXXX abgemeldet. Eine neuerliche Abgabestelle konnte nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden und eine Verständigung gem. § 23 Abs. 3 ZustellG wurde aufgrund des unbekannten Aufenthaltes als nicht zweckmäßig erachtet. Am 18.07.2016 erfolgte daher gem. § 25 iVm § 23 ZustellG die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung und Hinterlegung im Verfahrensakt.

Am 02.08.2016 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund persönlicher Vorsprache vor dem BFA der mittlerweile rechtskräftige Bescheid ausgehändigt.

Am 16.08.2016 langte die Beschwerde verspätet beim BFA ein.

Am 08.09.2016 stellte die rechtliche Vertretung des Beschwerdeführers einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 71 Abs 1 Zi 1 AVG und stellte mit selben Schreiben einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 71 Abs 6 AVG.

Mit Beschluss vom BVwG vom 27.06.2016; GZ: W103 2132701-1/6E, wurde die Beschwerde gem. § 16 Abs. 1 BFA-VG iVm § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 08.09.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 07.10.2016 gemäß § 71 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF abgewiesen und gemäß § 71 Absatz 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 09.03.2017 langte die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Die Beschwerde wurde vom BVwG am 11.07.2017 als unbegründet abgewiesen.

Am 14.08.2017 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag. Zu diesem wurde er am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt und gab dabei im Wesentlichen an, seine Fluchtgründe hätten sich nicht geändert. Er könne nicht nach Somalia zurück, da dort Chaos herrsche und die Al Shabaab noch stärker geworden wäre. Die Leute würden verhungern.

In der mit 08.09.2017 datierten Stellungnahme hinsichtlich seines neuerlichen Antrages verwies der Beschwerdeführer auf ausgewählte Judikatur des BVwG und Artikel betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia und führte aus, Somalia sei nicht sicher und der Staat nicht in der Lage die Menschen vor der Al Shabaab zu schützen.

Der Beschwerdeführer wurde im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somali am 12.09.2017 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, gerade nicht nach Somalia zurückzukönnen, da er dort kein Leben habe und keine Sicherheit. Er es ihm wegen der Al-Shabaab, der Dürre und der fehlenden Sicherheit nicht möglich zurückzukehren.

Am 24.11.2017 wurde der Beschwerdeführer abermals im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somali niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Der Beschwerdeführer führte insbesondere wie folgt aus:

"(...)

LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

VP: In den letzten 1 1/2 Jahren hat sich meine gesundheitliche Situation verschlechtert. Ich habe Brustschmerzen Ich bin nicht versichert und kann daher nicht zum Arzt.

Anm. Die VP wird dazu belehrt und gesagt, dass momentan ein neues Asylverfahren läuft und er einen Versicherungsschutz besitzt.

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja, ich bin in der Lage die Fragen zu beantworten und ich möchte heute meine Aussage machen.

(...)

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ich habe die Wahrheit gesagt.

(...)

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Erstbefragung (Folgeantrag) und der Einvernahme vom 12.09.2017 gemachten Angaben, insbesondere zu Ihrer Person etwas berichtigen?

VP: Nein.

(...)

LA: Sie haben erstmals am 08.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, dieser wurde am 29.06.2016 in II. Instanz abgewiesen. Ihr Verfahren wurde somit rechtskräftig negativ entschieden. Am 11.08.2017 stellten Sie einen neuen Asylantrag. Am 12.09.2017 wurden Sie im Zuge einer Einvernahme dazu zu Ihren Fluchtgründen befragt. Hat sich seit Ihrer letzten Befragung etwas zu Ihrem Vorbringen geändert? Haben Sie neue Asylgründe?

VP: Ja, die Dürrekatastrophe in Somalia hat auch meine Familie betroffen. Meine Familie hat zuletzt im Dorf namens XXXX in Puntland gelebt. Meine Familie musste übersiedeln. Seit 6 - 7 Monaten habe ich keinen Kontakt mehr zu Ihnen. Ich weiß nicht, ob sie noch leben oder gestorben sind. Ich habe gehört, dass viele Menschen und Tiere an der Hungersnot gestorben sind.

Woher wissen Sie, dass Ihre Familie umgezogen ist?

Ich hatte früher einen telefonischen Kontakt. Diese Verbindung besteht nicht mehr. Ich habe über Bekannte erfahren, dass dieses Dorf verlassen wurde. Es sind nicht alle verzogen.

LA: Warum ist Ihre Familie dort weggezogen?

VP: Als ich den letzten Kontakt zu meiner Familie hatte, haben sie mich gebeten, dass ich ihnen Geld schicke, da sie sonst nicht überleben werden. Ich konnte ihnen nichts schicken, da

LA: Wie hat Ihre Familie bis zum letzten Kontakt dort gelebt bzw. überlebt.

VP: Mein Stiefvater hat die Familie versorgt. Er war Tagelöhner. Dann kam die Dürre und es wurde immer schlimmer. Es gab keinen Regen.

LA: Haben Sie alle neuen Fluchtgründe genannt?

VP: Ich kam nach Österreich um Unterstützung zu bekommen, jedoch bekomme ich diese nicht mehr.

Anmerkung: Die Länderinformation zu Somalia wurde der VP bereits zur Kenntnis gebracht.

LA: Wie es bereits in der Einvernahme vom 12.09.2017 Ihnen zur Kenntnis gebracht wurde, Ist Ihr erstes Asylverfahren bereits rechtskräftig entschieden worden. Nach der österreichischen Rechtslage wird zum gleichen Fluchtvorbringen nur 1 Mal entschieden. Sie haben heute keine Angaben gemacht, die einen asylrelevanten Fluchtgrund begründen würde. dennoch wird in Ihren Fall bezogen auf die Dürre in Somalia, der Status des subsidiären Schutzes geprüft. Wollen Sie dazu etwas angeben? Anm. Der VP wird genauer erklärt, was der subsidiäre Schutz bedeutet.

VP: Die Situation für mich hier in Österreich ist sehr schwer für mich. Ich bekomme keine Arbeit und habe auch kein Geld. Ich bitte sie mich zu unterstützen.

LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

VP: Ich möchte mich für die Republik Österreich bedanken und schwüre, dass ich nicht mehr Straffällig werde und möchte mich in Zukunft verbessern.

(...)"

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 30.01.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer sei bereits kurz nach seiner Einreise in Österreich straffällig geworden. Er habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland einer konkreten individuellen Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Festgestellt werde, dass ihn in seiner Heimat keinerlei Verfolgung weder von Regierungstruppen noch von der Al Shabaab drohe. Aufgrund der schlechten Versorgungslage in seinem Heimatland könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer einer Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt wäre. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die ausgewiesene Vertretung fristgerecht Beschwerde hinsichtlich des abweisenden Spruchteils I. und wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer dem Minderheitenclan der Sheikhal angehöre und Moslem sei. Der Beschwerdeführer hätte in seinem Heimatland von der Al Shabaab zwangsrekrutiert werden sollen, doch sei ihm die Flucht gelungen, bevor diese ihn in seine Gewalt bringen habe können. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer nunmehr, abgesehen von der humanitär katastrophalen Lage und der ihm dadurch drohenden Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Grundrechte, Verfolgung durch die Al Shabaab. Der somalische Staat sei nicht in der Lage bzw. nicht willens, dem Beschwerdeführer Schutz vor der genannten Verfolgung zu bieten. Unter Verweis auf ausgewählte Judikatur und Artikel wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer zwar darauf hingewiesen, dass das Fluchtvorbringen in einem österreichischen Verfahren nur einmal geprüft werde, hätte jedoch unter Berücksichtigung der aktuellen Länderberichte und der veränderten Sicherheitslage auch ermitteln müssen, inwiefern dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr Verfolgung durch die Al Shabaab aufgrund seiner damaligen Verweigerung der Zwangsrekrutierung bzw. aufgrund seines mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich drohen würde.

Im Akt des Beschwerdeführers befindet sich ein Konvolut an Integrationsbestätigungen.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 21.01.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, einvernommen wurde.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht:

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Somalia, 12.01.2018 (letzte Kurzinformation vom 17.09.2018)

* Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017

* Analyse der Staatendokumentation vom 19.08.2011 zu Somalia:

Sheikhal

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführervertreter die Möglichkeit eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

In der mit 04.02.2019 datierten Stellungnahme der ausgewiesenen Vertretung wurde insbesondere ausgeführt, dass auf das in der Beschwerde erstattete Vorbringen neuerlich verwiesen werde. Verwiesen wurde, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatort 2010 verlassen habe, danach drei Jahre in Mogadishu gelebt habe und aufgrund der immanenten Bedrohung durch die Al Shabaab letztendlich gezwungen gewesen sei, Somalia zu verlassen. Zu seiner Familie habe er keinen Kontakt mehr und auch sonst binde ihn nichts mehr an seine Heimatregion. Im Falle einer Rückkehr würde er wohl versuchen in Mogadishu erneut sesshaft zu werden und würde einer äußerst vulnerablen Gruppe angehören dort. Sein Vorbringen erscheine vor dem Hintergrund der Länderberichte glaubhaft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia, gehört dem Clan der Sheikhal, XXXX an und ist sunnitischer Moslem. Er reiste im Juli 2014 nach Österreich ein und stellte am 08.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser erste Antrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid vom 13.07.2016, Zl. 1024397703/14775070, gem. § 3 und § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Zi 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gem. § 10 Absatz 1 Zi 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Zi 2 FPG 2005 erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Somalia zulässig und ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27.06.2016, GZ W103 2132701-1, als verspätet zurückgewiesen, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid des BFA vom 07.10.2016 abgewiesen, dem Antrag aber die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2017, GZ. W103 2132701-3, als unbegründet abgewiesen.

Am 11.08.2017 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer verneint jegliche aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Probleme und gibt im gegenständlichen Verfahren lediglich an, sich wegen dem Stress nicht so gut zu fühlen und "viel denken" [sic] zu müssen.

Der Beschwerdeführer lebte von 1998 bis 2008 in der Umgebung von XXXX , von 2008 bis 2010 im Dorf XXXX mit seiner Mutter, seinem Stiefvater, seinen beiden Geschwistern und zwei Halbgeschwistern. Der Vater des Beschwerdeführers starb im Jahr 2003. Im Jahr 2010 zog der Beschwerdeführer nach Mogadischu und lebte dort drei Jahre lang. Er besuchte vier Jahre die Koranschule und danach vier Jahre die Grundschule.

Er gibt an zuletzt vor einem Jahr Kontakt zu seiner Familie in Somalia gehabt zu haben, der Kontakt sei aufgrund der Dürre in Somalia abgerissen. Der Beschwerdeführer glaube, dass seine Familie aus Somalia geflüchtet sei.

Es liegen folgende rechtskräftige Verurteilungen vor:

01) BG XXXX

§ 229 (1) StGB

§ 15 StGB § 127 StGB

§ 27 (1) Z 1 2.u.8.Fall, (2) SMG

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 08.11.2015

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Jugendstraftat

zu BG XXXX

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG F. STRAFS. XXXX

02) BG XXXX

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 22.10.2016

Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

zu BG XXXX

Nachträgliche Anordnung der Bewährungshilfe

BG XXXX

zu BG XXXX

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F. STRAFS. XXXX

03) BG XXXX

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 01.05.2016

Freiheitsstrafe 1 Monat, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf BG XXXX

Jugendstraftat

zu BG XXXX

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F. STRAFS. XXXX

04) LG F. STRAFS. XXXX

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 16.04.2017

Freiheitsstrafe 3 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 06.07.2018

zu LG F. STRAFS. XXXX

zu BG XXXX

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 06.08.2018, bedingt, Probezeit 3 Jahre

LG F. STRAFS. XXXX

zu LG F. STRAFS. XXXX

zu BG XXXX

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG F. STRAFS. XXXX

05) LG F. STRAFS. XXXX

§ 27 (2) SMG

§ 27 (1) Z 1 2. Fall SMG

§ 15 StGB § 27 (2a) 2. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 11.10.2018

Freiheitsstrafe 8 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von Mitgliedern der Al Shabaab aufgefordert worden ist für diese zu arbeiten und/oder von diesen konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht worden ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Somalia Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Al Shabaab droht.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer eine konkrete Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten des somalischen Staates aufgrund seiner Clanzugehörigkeit droht.

Zu Somalia wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

Der "Clan" der Sheikhal taucht in der Literatur in unterschiedlichen

Variationen auf: Sheikal, Shiqal, Shekal, Shiiqhaal, Sheikash, um nur einige zu nennen. Wie diese heterogene Namensgebung bereits vermuten lässt und anhand untenstehender Analyse verifiziert wird, handelt es sich bei dieser somalischen Gruppe keineswegs um einen homogenen Block, sondern vielmehr um mehrere Teilgruppen mit größtenteils einheitlichem Herkunftsmythos.

Dementsprechend ist es durchaus sinnvoll, einen Sheikhal nicht durch die bloße Zuteilung zu dieser Gruppe, sondern mittels Hinterfragung des persönlichen, geographischen und sozialen Hintergrunds sowie der Eruierung der Verortung des Individuums innerhalb der somalischen Clanstruktur zu definieren.

Die bloße Behauptung der Zugehörigkeit zu den Sheikhal unterminiert die Glaubwürdigkeit einer Person. Wie weiter unten zu sehen ist, sollte dieser Zugehörigkeit die Verortung in oberen Clanhierarchien (Hawiye, Hirab) und/oder einer allfälligen Subgruppe (etwa Gendershe) hinzugefügt werden.

Herkunft

Gemeinsam ist allen Sheikhal der mythologische Urahn Fiqi Cumar/Faqi Omar. Dieser arabische Vorfahr war nach Somalia eingewandert, hat das Land als Lehrender durchquert und dabei zahlreiche Frauen in unterschiedlichen Gebieten geehelicht. Dieser mythische Gelehrte stammte aus der Quarayschitischen Linie des Propheten Mohammed. Diese Herkunft und Identität als Lineage mit erblichem religiösem Status rechtfertigt auch die Namensgebung ‚Sheikhal'. Dieser Name bedeutet im Prinzip nichts anderes als die Mehrzahl des religiösen Titels ‚Scheich'.

Diese in der Clanbezeichnung bereits verortete religiöse Sonderstellung und der gemeinsame Urahn sind es auch, welche in der Literatur immer wieder zum Irrtum geführt haben, dass es sich bei den Sheikhal um eine homogene Gruppe handle. Wie weiter unten zu sehen sein wird, sind diese beiden Indikatoren aber auch schon die einzigen gemeinsamen Faktoren der unterschiedlichen Sub-Gruppen.

Verbreitung

Über die Verteilung der Sheikhal gibt es unterschiedliche Angaben.

Nur folgende Fakten können als insgesamt gültig bezeichnet werden:

Sheikhal existieren in allen Teilen Somalias, und es gibt keine Region, in welcher sie die Bevölkerungsmehrheit stellen.

Größere Konzentrationen von Sheikhal gibt es in der äthiopischen Ogaden-Region und in den somalischen Regionen Benadir, Shabelle Dhexe (v.a. Jowhar), Galguduud/Mudug (Hobyo), Juba Dhexe (Jilib), Juba Hoose (Kismayo), Gedo (Luuq) und Hiraan (Beledweyn). In Lower und Middle Juba werden sie zu den größten Gruppen gerechnet. In Juba Hoose werden die Sheikhal ökonomisch als Landwirte und sozial den Hawiye zugehörig erachtet.

Ganz offensichtlich sind die Sheikhal im und vor dem Bürgerkrieg nach Süden expandiert, speziell in das Umland und die Städte von Kismayo und Jilib. Im Konflikt von ‚Jubaland' waren und sind die Sheikhal ein relevanter Akteur. Die Hawiye-Hirab (siehe weiter unten) haben dort die vorher relevanten Benadiri und Biymaal abgelöst.

Speziell den Sheikhal zugeschrieben werden die Orte Gendershe (Lower Shabelle) und Jazeera (Benadir). Siehe dazu weiter unten.

Nord- und Nordostsomalia finden in Zusammenhang mit den Sheikhal vor allem bezüglich der Aw Qutb Erwähnung. Offensichtlich existieren auch in dieser Region Sheikhal-Gemeinden.

Kultur

Über Eigenheiten der Kultur der Sheikhal ist wenig bekannt. Ganz offensichtlich gibt es aber auch hier erhebliche Unterschiede zwischen den Gruppen, die sogar unterschiedliche Dialekte aufweisen.

Unklar ist auch die Praxis bezüglich Mischehen. Prinzipiell scheint es solche zu geben, jedoch existieren Lineages, welche Mischehen mit sekularen Clans negativ bewerten. Eine Erklärung für die Unterschiede liegt sicherlich in einer differenten sozialen Verortung. So haben einzelne in Zentral- oder Nordsomalia lebende Sheikhal nur geringe Optionen, um Mischehen zu vermeiden. Die konzentriert zusammenlebenden Sheikhal des Benadir oder anderer Orte haben größere Chancen, Ehepartner des gleichen Clans zu finden.

Ein interessanter kultureller Aspekt der Sheikhal ist, dass sie das christliche Kreuz als Markierung für Gräber und Tiere verwenden. Dies gilt insbesondere für die Aw Qutb.

Das Grab des Gründers der Sheikhal Lobogi, Sheik Said, befindet sich in Geledi.

Religiosität - der Status des Wadaad

Wie in der Literatur wiederholt geäußert wird, handelt es sich bei den mit religiösen Titeln bezeichneten Clans um Gruppen mit erblichem religiösen Status. Dies betrifft neben den Sheikhal auch die Ashraf, die Sheikh Mumin oder die Aw Hasan Kalweyn. Es handelt sich um mehr oder weniger kleine Gruppen deren Spezialisierung ganz auf der Religion und auf der Mythologie liegt. Aufgrund ihres - für eine Nomadengesellschaft - überragenden Wissens (etwa Beherrschung der Schrift) kommt den Geistlichen ein spezieller Status zu, der in Somalia allgemein als Kaste der ‚Wadaad' bekannt ist, aber durchaus auch als Sheikh, Faqi oder Qadi aufscheinen kann. Im Rahmen größerer Gruppen derartiger Personen werden diese Titel als Clannamen oder als Zusatz zum Clannamen verwendet.

Der spezielle Status der Wadaad umfasst auch die Zuschreibung mystischer Kräfte und den nicht zuletzt damit verbundenen privilegierten Zugang zu allen Teilen Somalias. Beides resultiert auch in einer speziellen Mittlerrolle, welche den als neutral erachteten Wadaad und auch den religiösen Clans zugeordnet wird. Sie galten historisch als nicht einem Clan oder einer ethnischen Gruppe zugehörig, und wurden oftmals als Mediatoren herangezogen oder in wichtigen religiösen Belangen konsultiert. Dementsprechend hoch war auch der Status dieser Gruppen und Einzelpersonen, berühmt für ihre religiösen Lehrer und Friedensstifter, die von den Clans, bei welchen sie sich aufhielten, Schutz und Respekt erhalten haben.

Diese Spiritualität stellt die Wadaad also auf eine andere Stufe, als die ebenfalls beruflich spezialisierte niedrige Kaste der Waable (z.B. Midgaan, Tumaal, Yibir). Sie sind keineswegs ‚Unberührbare'.

Das Schwinden des "Wadaad-Bonus"

Wie gezeigt wurde, ist ein grundlegender Bonus des Wadaad seine apolitische und ethnisch-clanische Neutralität. Diese in Somalia seltenen und geschätzten Eigenschaften begannen - die Sheikhal betreffend - langsam zu erodieren.

Eine frühe Betätigung eines Sheikhal im Rahmen eines Reiches war die Einbindung eines Faqi/Quadi dieser Gruppe in der Führung des im 16. Jahrhundert entstandenen Imamats der Hiraab. Die Allianz der Hiraab umfasste zahlreiche Gruppen (darunter offensichtlich auch die Sheikhal) und beherrschte lange Zeit das Territorium von Mogadischu bis Hobyo.

In der Kolonialzeit wurden Wadaad wie z.B. die Sheikhal in Verwaltung und Politik von den Kolonialherren eingebunden. Sie begannen sich in verschiedenen Feldern in säkularen Berufen zu betätigen - und tun dies auch heute.

Hervorgetan haben sich die Sheikhal auch in der Organisation al Islah, die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sowohl religiöse als auch gesellschaftspolitische Ideologien und Ansichten vertrat. Vor allem der Subclan der Qutb war überproportional an der Führung der Organisation beteiligt.

Überhaupt erlangten die Sheikhal im Regime Siad Barre ein bestimmtes Maß an Prominenz. So war etwa der Sheikhal-Führer General Mohamed Ibrahim Liiqliiqato u.a. Parlamentssprecher. Diesen Einfluss haben sie sich etwa bezüglich Bildung oder in ökonomischer Hinsicht bezüglich des Handels mit arabischen Ländern auch im Bürgerkrieg gesichert. Es sind heute die Sheikhal, die den Bildungssektor in Mogadischu beherrschen, teils unter Rückgriff auf die al Islah, teils mit der Schaffung einer Schirmgesellschaft für private Bildung (Formal Private Education Network in Somalia - FPENS). Außerdem hatten sie mit Sundus die Kontrolle über eines der größeren Hawala-Netze Somalias. Mit Hinblick auf diese ‚Verweltlichung' der Sheikhal kann also von einem Schwinden der üblichen Privilegien für Wadaad ausgegangen werden.

Unterschiedliche Gruppen der Sheikhal

Wie weiter oben bereits erwähnt, sind die einzigen Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Sub-Gruppen der Sheikhal, der Gendershe, Lobogi und Aw Qutb, der Herkunftsmythos und die mit dem Clannamen konnotierte Religiosität.

Insgesamt geben sich die Sheikhal also sehr vielfältig. Dies betrifft einerseits die ethnische Definition, die geographische Verortung und andererseits die Art der Lebensführung. Einige Sheikhal sind Nomaden, andere leben im Küstenland um Gendershe. Ein drittes Clan-Segment lebt in Ostäthiopien. Virginia Luling geht davon aus, dass es sich bei den Sheikhal nicht um eine, sondern um mehrere Gruppen handelt, die nicht notwendigerweise in Verbindung stehen.

Grundsätzlich lebten die Sheikhal in kleineren Gruppen geographisch verstreut bei größeren Clans, von denen sie adoptiert wurden. Dabei kam ihnen auch aufgrund ihres Status als Wadaad eine Sonderrolle zu:

"They existed more as sections of Somali culture rather than as sub-clans, and live within most of the sub-clans."

Dabei waren sie von dem Gastgeberclan sicherheitspolitisch abhängig, vor allem in der Beziehung zu anderen Clans. Gleichzeitig übernahmen sie auch den Status des Gastgeberclans - allerdings unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der privilegierten Rolle des Wadaad.

Wie eng die Bindung zwischen den Sheikhal und ihrem Gastgeberclan wurde, war unterschiedlich. Wenn keine Mischehe vorkam, entwickelte sich eine separate Gruppe mit eigenem Stammbaum. Kamen Mischehen vor, wurden die Sheikhal enger an die Gastgeber gebunden. Oft aber blieb die Gruppe der Wadaad auch gegenüber den Gastgebern autonom.

Wie weit sich eine derartige Beziehung entwickeln kann, wird im Folgenden anhand der Sheikhal Lobogi beschrieben.

Die Sheikhal Lobogi als Teil der Hawiye

Interessant ist die Einbindung der Sheikhal in das Imamat der Hiraab im 16. Jahrhundert vor allem bezüglich der Inklusion dieser Gruppe in eine Clan-Allianz. Der Verbund der Hiraab - eindeutig den Hawiye zugeordnet - umfasst Gruppen unterschiedlicher Abstammung und Herkunft (siehe Kasten nächste Seite). Dementsprechend spielt die Frage der ethnischen Zugehörigkeit offensichtlich keine Rolle, wenn ein Clan einer Allianz beitritt bzw. adoptiert wird. Dies belegt z. B. auch die Adoption, Integration und Assimilierung von Bantu/Jareer durch Sheikhal.

Außerdem zeigt das Beispiel des Imamats eindeutig, dass es schon frühe Beziehungen zwischen Sheikhal und Hawiye gegeben hat und diese Gruppen nicht erst seit Ausbruch des Bürgerkrieges in ein Naheverhältnis kamen.

Lewis definiert die Verortung der Sheikhal Lobogi bei den Hawiye folgendermaßen: "The Sheikhal Lobogi are a priesterly group scattered among the Hawiya generally, sometimes appearing as autonomous sections in other tribes, as for instance in the Herab."

Und: Die Sheikhal Lobogi seien die "priesterly section of the Herab tribe of the Hawiya confederacy".

Dies bedeutet, dass Sheikhal Lobogi sowohl - in traditioneller Form - als adoptierte Teile bei diversen Subclans der Hawiye leben, andererseits aber auch ganze Sub-(sub-)Clans bilden können - wie etwa bei den Hirab.

Insgesamt sind die Sheikhal Lobogi bei den Hawiye relevante Akteure und sicher nicht ein kleiner oder kleinster Clan, wie manchmal dargestellt wird. Lewis, aber auch Prendergast nennen sie in einem Atemzug mit den Habr Gedir und den Abgaal, und auch andere bewerten ihre Stellung hoch.

Wie genau es zur - auch in Herkunftslinien verankerten - Einbindung der Sheikhal ins System der Hawiye kam, ist nicht ganz klar. Nach dem Imamat der Hirab wurde die mündliche Geschichtsüberlieferung der Hawiye von der somalischen Mythologie zugedeckt, bis sie gegen Ende des 20. Jahrhunderts während der Rebellion gegen Diktator Siad Barre eine Renaissance erlebte. Beträchtliche Teile der Geschichte der zentralsomalischen Hawiye-Stämme wurden revidiert. Darunter fällt auch die Inklusion der Sheikhal, bis dahin als mittelmäßig und ethnisch neutral erachtete religiöse Vermittler. Für die neue Genealogie gibt es keine Belege - ein neuer Mythos entstand.

Vieles hängt sicherlich mit der alten Hirab-Allianz zusammen. In dieser Allianz wurden ‚von Außen' kommende Stämme im Subclan der Martile Hirab zusammengefasst. Die Bedeutung dieses Namens entspricht ‚Gäste der Hirab'.

Von manchen Autoren wird behauptet, dass dieser enge Zusammenhang mit den Hawiye in den frühen Jahren des Bürgerkriegs von Führern der Sheikhal Lobogi (etwa General Mohamed Ibrahim Liiqliiqato) konstruiert worden sei, um nicht nur Schutz zu erhalten, sondern selbst Macht zu erlangen. Der Grundtenor lautet, dass die Sheikhal bis zum Bürgerkrieg kaum als Hawiye identifiziert worden waren.

Wie dem auch sei, falls die neue Identität der Sheikhal einer machtpolitischen Planung unterlag - was unwahrscheinlich ist, da auch in älteren Quellen die Sheikhal den Hawiye zugeordnet werden - so war diese erfolgreich. Einerseits profilierte sich eine eigene Sheikhal-Miliz, andererseits wurden den Sheikhal Lobogi auch Sitze der Hawiye in den unterschiedlichen Übergangsparlamenten zugeteilt (Transitional National Assembly 2000-2004, 3 von 49 Hawiye-Abgeordneten; Transitional Federal Parliament 2004 - heute, 3 von 61 Hawiye-Abgeordneten).

"Dies ist ein interessantes Beispiel dafür, wie ein "schwacher" Clan politisch seine Clanverbindungen ändern kann, um Einfluss, Schutz und Stärke zu erlangen."

Jedenfalls verdecken die Sheikhal Lobogi und ihre Aktivitäten während des Bürgerkrieges das heterogene Gesamtbild, welches eine nähere Analyse der Sheikhal ergibt. Dementsprechend werden die Sheikhal als Gesamtheit oberflächlich von vielen Autoren den Hawiye zugeordnet. Auch die UK Border Agency wertet die Sheikhal in ihrer Clanhierarchie als seit dem Jahr 2000 gänzlich (als Subclan) in den Hawiye aufgegangen.

Trotz aller Macht, welche eine Zugehörigkeit zu den Hawiye vermuten ließe, muss hinzugefügt werden, dass dieser große Clan einerseits untereinander zerstritten ist (dies gilt auch für die Hirab) und andererseits auch innerhalb einer Clanallianz wie den Hawiye das Recht des Stärkeren gilt. Gleichzeitig können innerhalb der Allianz wechselnde Bündnisse entstehen, deren geschickte Nutzung auch kleineren Subclans zum Vorteil verhelfen kann.

Die Sheikhal Lobogi im Bürgerkrieg

Neben der Einflussnahme in Bildung und Ökonomie wendeten die Sheikhal Lobogi im Bürgerkrieg also eine zweite ‚Überlebensstrategie' an, indem sie sich eng an die Hawiye ketteten. Dies führte schlussendlich soweit, dass sie von unzähligen Autoren nunmehr als Gesamtheit den Hawiye zugerechnet werden.

Offensichtlich ist, dass die Sheikhal aber auch offensiv vorgingen. Sie gründeten, finanzierten und bewaffneten ihre eigenen Milizen, nicht zuletzt, um Territorium in Südsomalia zu erobern. Diese Milizen wurden Kutuba xoor ("die mit dem heiligen Buch werfen") oder Aakharo moog ("die das Paradies kennen") genannt. Diese ursprünglich respektlos gemeinten Bezeichnungen drücken umso mehr aus, dass Wadaad den Status von Waranle (den Kämpfern; ‚Speerträger') einnehmen konnten.

Hauptakteur und Motor der Sheikhal-Miliz war der Warlord General Mohamed Ibrahim Liiqliiqato, dem unterstellt wird, für die endgültige Eliminierung des Wadaad-Bonus der Sheikhal verantwortlich zu sein. Er forcierte eine enge Bindung an den - im Westen berüchtigten - General Mohammed Aideed, und stellte sich mit seinen Kämpfern unter das Dach des United Somali Congress (USC). Auch nach dem Tod von Aideed dauerte das Bündnis mit dessen Sohn weiter an. Die Sheikhal kämpften also gemeinsam mit einigen anderen Hawiye-Clans, mit den Mohamed Zubeir, Galgaal und Habr Gedir.

Im Jahr 1996 wurde der Sheikhal-Warlord Liiqliiqato sogar als möglicher Kompromisskandidat für die Führung des USC genannt. Der USC ist ursprünglich eine Hawiye-Allianz, die sich in unterschiedliche pro- und contra-Aideed-Fraktionen aufspaltete. Im Juni 1999 wiederum wurde der Sheikhal Mahomed Haji "Lugadheere" zum Vizevorsitzenden des Hawiye Political Committee ernannt.

Dass auch die Sheikhal im Bürgerkrieg Schuld auf sich geladen haben, ist dementsprechend unumgänglich. Berichtet wird etwa von der Plünderung von Bantu-Dörfern im Juba-Tal 1995. Sie beteiligten sich an der Besetzung und Okkupation fruchtbarer Landstriche, insbesondere in Lower Juba, das über lange Zeit von der Hirab-Allianz (Abgaal, Murosade, Sheikhal, Mudulod, Habr Gedir/Ayr, Gugundabe und Dudble) kontrolliert wurde, welche die Biymaal und Benadiri als relevante Akteure abgelöst hatten.

Berichte über Kämpfe unter Beteiligung von Sheikhal-Milizen gibt es auch aus Lower Juba (Jamaame; gegen die Biymaal; Kismayo - gegen die Galj'el; Gesgud - gegen die Galj'el; Jilib - gegen die Galj'el; Jilib - gegen Habr Gedir Hawiye; Juba-Tal - gegen Tunni), Mogadischu (innerhalb der Sheikhal), Middle Juba (gegen die Suleiman), Lower Shabelle (Jilib bis Brava - gegen die Juba Valley Alliance) und Hiraan (Beletweyn - gegen die Hawaadle).

Dabei dürften die Allianzen fliegend gewechselt worden sein. Während aus Kismayo von Kämpfen gegen die Galj'el berichtet wurde, scheinen die Sheikhal in Beletweyn mit ebendiesen verbündet gewesen zu sein. Und während Gebiete der Bantu besetzt wurden, wandte man sich gemeinsam auch gegen Feinde.

Die Sheikhal von Gendershe und Jazeera

Vorweg bleibt anzumerken, dass dieser speziellen Subgruppe der Sheikhal, welche an der Küste des Benadir und Lower Shabelle beheimatet sind, vor allem in der Flüchtlingsliteratur Aufmerksamkeit geschenkt wird. Rein wissenschaftliche Quellen geben kaum Auskunft über diese Subclans und dementsprechend kann angenommen werden, dass es sich um zahlenmäßig kleine Gruppen handelt. Ihre Hauptaufgabe ist die Verbreitung religiöser Lehren.

Gleichzeitig besteht eine große Diskrepanz bei der geographischen Verortung von Gendershe: Eine UN-Quelle berichtet von einem Dorf südlich des Bezirks Medina in Mogadischu, eine somalische Doktorandin von einem armen Küstendorf bei Mogadischu. Der geachtete Somalia-Spezialist Cassannelli bestätigt diese Version. Hingegen sprechen anderen Quellen gegen diese Lokalisierung und verorten Gendershe in der Region Lower Shabelle. Dies gilt etwa für den - ebenfalls als Somalia-Experten bekannten - Professor Samatar Das Asylum and Immigration Tribunal wiederum verortet beide - Gendershe und Jazeera - zwischen Mogadischu und Merka.

Tatsächlich dürfte mit dem Ort direkt südlich von Mogadischu nicht Gendershe, jedoch Jazeera gemeint sein, wo sich offensichtlich zahlreiche Sheikhal Gendershe aufhalten. Gendershe hingegen wird nicht zuletzt auch auf Karten der WHO etwa auf zwei Drittel des Weges von Mogadischu nach Merka an der Küste gezeigt.

Wahrscheinlich ist, dass im Zuge des Bürgerkrieges Bewegungen zwischen den Orten, aber auch bis nach Mogadischu hinein stattgefunden haben. Offensichtlich wurden die Sheikhal Gendershe seit Beginn des Bürgerkrieges auf ihren traditionellen Wohngebieten von Invasoren (v. a. Hawiye) bedroht. Einige wurden auch von ihrem Land vertrieben. Die Sheikhal Gendershe waren nicht in der Lage bzw. war es ihnen aufgrund ihrer spirituellen Identität versagt, sich zu bewaffnen und eine Miliz zu gründen. Dementsprechend wurde diese Gruppe als gefährdeter Minderheitenclan erachtet, der sich bemühte, mit den dieses Gebiet besetzenden Hawiye Schutzabkommen einzugehen.

Dieser Status als Minderheitenclan gewinnt insofern an Format, als einige Faktoren die Annahme untermauern. Erstens kann die Einstufung als Minderheit Gültigkeit erlangen, da es sich um eine zahlenmäßig kleine Gruppe handelt. Zweitens wird der Stamm nicht zwingend den Hawiye, sondern auch den Geledi (wahlweise Rahanweyn oder Benadiri) zugerechnet. Und drittens erachtet die Expertin Virigina Luling die Sheikhal Gendershe als ethnisch den hellhäutigen Benadiri arabischer Abstammung zugehörig.

Allerdings darf trotz dieser Einstufung nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei den Sheikhal Gendershe aus soziologischer Sicht um keine Unberührbaren handelt, also um keine Angehörigen einer niedrigen Kaste, und dass ihnen aufgrund ihrer Tätigkeit als spirituelle Lehrer grundsätzlich ein privilegierter Status zukommt. Allerdings ist dieser im Zuge des Bürgerkriegs einerseits aufgrund machtstrategischer Überlegungen (als Teil der Hawiye) und andererseits aufgrund ideologischer Differenzen (mit der al Shabaab) sicherlich erodiert.

Die Sheikhal Aw Qutb

Über diesen Subclan ist nur wenig bekannt. Ganz offensichtlich zählen sie sich keineswegs zu den Hawiye und sind eher in Nordsomalia lokalisiert. Burton beschreibt die Sheikash oder Aw Qutb als Abkommen des Aw Qutb ibn Faqih 'Umar, der mit seinen sechs Söhnen Umar der Ältere, Umar der Jüngere, zwei Abdillahs, Ahmed und Siddik von Arabien nach Somaliland gekommen sei - also genau jener Mannes, den alle Sheikhal als Urvater angeben.

Es kann angenommen werden, dass die Aw Qutb noch am ehesten das ursprüngliche, traditionelle Leben der Sheikhal führen und als Wadaad in kleinen Gruppen bei Gastgeberclans leben, deren Schutz sie genießen.

Allerdings kann ob des Namens auch nicht ausgeschlossen werden, dass ‚Aw Qutb' nichts anderes als ein weiterer Name für die Sheikhal als Gesamtheit ist.

Exkurs: Die Sheikash im Ogaden

Interessanterweise haben sich Sheikhal nicht nur in Somalia, sondern auch in Äthiopien von ihrem Status als Wadaad entfernt. Aus der äthiopischen Somali Region (Ogaden, Region 5) gab es in den letzten Jahren wiederholt Berichte über die Beteiligung von Sheikhal - in Äthiopien Sheikash genannt - an Kampfhandlungen. Dabei standen in erster Linie administrative Grenzen und politischer Wettbewerb zum Disput.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Sheikash um Sheikhal, dieser Name findet vor allem in Äthiopien, Nordsomalia und Dschibuti Verwendung. Die Sheikash sind eng mit der Bevölkerung der heiligen Stadt Harar - den Hararis - verbunden.

Ob die Verlinkung der äthiopischen Sheikhal mit den Hawiye ein ähnliches Ausmaß erreicht hat, wie jene auf somalischer Seite, bleibt zu bezweifeln. Anbetrachts der unterschiedlichen Macht- und Clanstruktur im Ogaden können sich die Sheikash dort keinen Vorteil von einer derartigen Allianz erhoffen. Vielmehr stünden gegen die Ogadeni Teile der Isaak zur Verfügung - ein Bündnis, das sich auch gegen die Rebellen der ONLF (Ogaden National Liberation Front) richten würde.

Situation heute

Bedrohungslage

Es ist ein simples Fazit, dass sich aus dem fest in der Sufi-Tradition (also eines gemäßigten, mythischen Islams) verankerten religiösen Status bzw. den Praktiken der Sheikhal und der radikal-islamischen Ideologie der Al Shabaab (AS) eine erhebliche (ideologische) Diskrepanz ergibt. Tatsächlich bedeutet dies aber keineswegs, dass damit eine generelle Verfolgungshandlung der AS gegen Angehörige der Sheikhal verbunden ist. Es gibt keinerlei Berichte über diesbezügliche Zusammenhänge und Vorfälle.

Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass AS im Falle von priesterlichen Angehörigen der Sheikhal, welche in ihrer Funktion als Wadaad etwa der Ideologie der AS widersprechende Predigten halten, sicherlich Einhalt gebieten würden. Dies gilt allerdings nicht nur für Sheikhs und Wadaad der Sheikhal, sondern allgemein für Ausübende religiöser Berufe und Funktionen in von AS gehaltenen Gebieten.

Einem Sheikhal hingegen, der einem weltlichen Beruf nachgeht, hängt nur aufgrund seiner Clan-Zugehörigkeit kein irgendwie geartetes erhöhtes Risiko in AS-Gebieten an.

Die Sheikhal Gendershe profitieren unter Umständen wie auch Angehörige von Minderheitenclans insofern von der Anwesenheit der AS, als diese die Unterschiede zwischen den diversen Gruppen innerhalb der somalischen Bevölkerung zu nivellieren sucht.

Außerdem muss festgehalten werden, dass es eine irrige Annahme ist, dass sich die Sheikhal aufgrund ihrer Geschichte ganz dem traditionellen mythischen Sufismus des somalischen Islam verpflichtet hätten. Dies belegt unter anderem die Kooperation von Sheikhal-Teilen mit al Shabaab und die Tatsache, dass mit Moheddin Mahamed 'Umar ein Sheikhal auch eine der höchsten Positionen innerhalb der radikal-islamischen Organisation besetzt.

Auch in Somaliland wurde der bekannte religiöse Führer, Sheikh Mohammed Sheikh Ismael - ein Sheikhal - aufgrund vermuteter radikalislamischer Aktivitäten im Jahr 2005 verhaftet und verurteilt.

Insgesamt gesehen ist bei Sheikhal Lobogi kaum von einer Verfolgungsgefahr auszugehen, da diese nunmehr traditionell-rechtlich, politisch und sozial den Hawiye zugerechnet werden. Dies bedeutet auch Schutz innerhalb der Gemeinschaft dieser Clan-Allianz (allerdings kommt es selbstredend auch zu rechtlichen und militärischen Auseinandersetzungen innerhalb der Allianz).

Auch die Sheikhal Gendershe werden ein gewisses Maß an Schutz von den Hawiye erhalten, jedoch ist dies in von der al Shabaab besetzten Gebieten von geringerer Relevanz.Der Schutz durch den Gastgeberclan betrifft insbesondere auch die Aw Qutb, diesbezügliche Problemlagen konnten in keinerlei Berichten gefunden werden.

Minderheitenstatus

Irreführend bei der Definition des Status von Gruppen in Somalia ist immer wieder die Bezeichnung ‚Minderheit'. Dieses in der westlichen Hemisphäre wohl definierte Konstrukt ist im somalischen Kontext im Sinne einer ethnischen Minderheit nur beschränkt einsetzbar. Tatsächlich existieren zwar ethnische Unterschiede - etwa Bantu und aus dem Mittleren Osten stammende Benadiri - doch ist dies nur ein Indikator unter mehreren, welche den Status einer Gruppe im Sozialsystem Somalias festlegen.

Neben der Frage der ethnischen Zugehörigkeit existieren noch folgende maßgebliche Merkmale: Adoption durch einen Clan (und freilich durch welchen Clan) und/oder Kastenzugehörigkeit (Waranle, Wadaad, Waable) und/oder Lebensführung/Beruf.

Wie gezeigt wurde, lassen sich die zahlenmäßig relevanten Sheikhal Lobogi keineswegs als klassische Minderheit identifizieren. Vielmehr scheint mittlerweile universell zur Kenntnis genommen worden zu sein, dass sie sich als eigener Clan in die Hawiye/Hirab/Martile assimiliert haben.

Wenn also von Diskriminierung von und Menschenrechtsverletzungen an den Sheikhal die Sprache ist, und diese gar als Minderheit bezeichnet werden, so kann gemeinhin nur die Gruppe der Sheikhal Gendershe gemeint sein. Dass damit - also mit dem Status als Minderheit im westlichen Sinne - eine generelle Verfolgungshandlung verbunden ist, kann nicht bestätigt werden. Vielmehr scheinen die Sheikhal als solche Zugang zu traditionellem und islamischem Recht zu haben, das sie als Quadi ja selbst vertreten. Freilich gilt zu beachten, dass beide Rechtsformen diskriminierende Faktoren umfassen, welche vor allem gegen den im Zweifel Schwächeren gerichtet werden können (siehe Artikel vorige Seite).

Conclusio

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die alleinige Zugehörigkeit zu einer Gruppe der ‚Sheikhal' keine negative Konnotation mit sich bringt. Die detaillierte Angabe gibt den Ausschlag, ob eine Person als mehr oder weniger gefährdet erachtet werden kann. Dabei sind es selbstredend die kleinen Gruppen - hier also die Sheikhal von Gendershe und Jazeera - welche größere Mühsal haben, sich in Somalia Recht zu verschaffen.

Die Sheikhal Lobogi hingegen, mittlerweile universell als den Hawiye zugehörig erachtet, können sich auf allen drei Ebenen des Rechts (traditionell, islamisch, staatlich) wie jeder andere Somali bewegen. Als aktiv am Bürgerkrieg teilnehmender Clan sind die Sheikhal als Gruppe auch nicht als schutzlos zu erachten. Der Preis für das ‚Eintreten' in die Allianz der Hawiye-Hirab war das Einbüßen des noch vorhandenen Restes der den Sheikhal insgesamt zugerechneten ethnischen Neutralität.

Eine Problemlage in Bezug auf die al Shabaab ist möglich, richtet sich aber ganz auf das Verhalten der Einzelperson und nicht gegen eine bestimmt Gruppe der Sheikhal als solches.

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan

Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).

Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Ko

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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