Entscheidungsdatum
11.02.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2184350-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.12.2017, OB: 62673385000022, mit dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei stellte am 26.07.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO), welcher vom Sozialministeriumservice als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gewertet wurde.
Dem Antrag angeschlossen waren ein ärztlicher Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie vom 10.07.2017, eine ärztliche Bestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin, ein Befundbericht eines Facharztes für Innere Medizin und Rheumatologie vom 07.03.2017 und eine Behandlungsbestätigung einer Psychotherapeutin.
Die belangte Behörde forderte von der Pensionsversicherungsanstalt das ärztliche Gutachten im Verfahren über den Anspruch auf Pflegegeld ein.
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.10.2017, basierend auf einer Begutachtung am 04.10.2017, ergab Folgendes:
"Anamnese:
Fibromyalgie; Hochgradiger V. a. Rheumatoide Arthritis;
Rez.depressive Episoden, Panikstörung; Tinnitus; Adipositas;
Reizdarm; Mischinkontinenz; Allerg Asthma bronch; Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
Derzeitige Beschwerden:
Seit Jahren habe Frau XXXX Ganzkörperschmerzen und benötige immer wieder Cortisontherapie. Vor kurzer Zeit habe sie eine orthopädische Untersuchung gehabt und dabei seien ihre Hände stark bewegt worden. Seither habe die Antragstellerin wieder starke Schmerzen. Vor 1 Woche habe sie deshalb 30 Injektionen bekommen. Ihre Mutter wohne jetzt bei ihr und helfe bei der Hausarbeit, da sie in einem Haus mit 3 Etagen wohne. Auch bekomme Frau XXXX Hilfe von ihrem Sohn, ihrer Tochter und ihre Freundin, die im Pflegebereich tätig ist. Sie habe schon viele Therapien ausprobiert, aber nichts habe ihr geholfen. Sie wolle gerne arbeiten und habe jetzt eine Arbeit bei der Caritas gefunden. Sie hoffe, dass sie diese schaffe, da sie nur je 2,5 Stunden morgens und abends arbeite und sich in der Zwischenzeit erholen könne. Die Antragstellerin müsse vermehrt Schmerzmittel nehmen. Auch ihr Tinnitus verstärke sich bei Stress. Manchmal müsse sie dann Kopfhörer aufsetzen und Entspannungsmusik hören, damit es erträglich werde. Sie leide auch an Schlafstörungen und Panikattacken. Wärme helfe ihr, physikalische Therapie nur eingeschränkt, da es schnell zu viel werde und dann die Schmerzen zunehmen. Gerne würde sie eine Kur im Gasteiner Heilstollen probieren, leider sei ihr 2x der Antrag abgelehnt worden. Wenn Frau XXXX nachdenke, habe sie schon in der Jugend Beschwerden gehabt. Sie habe in einer Bäckerei gearbeitet und konnte sich manchmal abends, nicht mehr bewegen. Auch habe sie in beiden Schwangerschaften Gelenksbeschwerden gehabt und konnte nur schwer aufstehen. Jetzt habe sie Angst wegen der Arbeit. Sie sei jetzt erkältet. Vier Jahre habe die Antragstellerin keine Verkühlung gehabt. Jetzt sei sie gestresst und habe Angst, dass sie die Anforderungen nicht schaffe. Sie sei auch bei einer Psychiaterin in Behandlung und mache Gesprächstherapie. Dies helfe Frau XXXX. Ihre neuen KollegInnen seien sehr nett und sie habe geteilte Dienste. Immer wieder bekomme sie Panikattacken. Dies beginne mit einer Sprachstörung. Sie nehme Atarax bei Bedarf. Wegen ihrer Sprachstörungen habe sie schon viele Medikamente probiert, aber sie haben entweder nichts gewirkt oder sie habe sie nicht vertragen. So habe z.B. Dominal Herzrasen ausgelöst. Sie gehe bis zu 45 Minuten mit ihrem Hund spazieren.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Resochin, Alleron, Escitalopram, Zurcal 40mg, Ibuprofen 600mg, Vitamin D 40gtt. 1x wöchentlich, Omega 3 tgl.; Gesprächstherapie
Sozialanamnese:
Konditorin mit LAP, danach immer als Konditorin und Feinkostverkäuferin tätig gewesen, zuletzt wieder Konditorin, dann Anstellung als Pflegeassistentin. Dort wurde das DV, wegen vieler Krankenstände beendet (07/2015), dann befr. BU. Derzeit bei Caritas beschäftigt. Geschieden, 2 Kinder. Wohnt mit ihrer Mutter in einem Haus.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
10.07.2017 Dr. XXXX, FÄ für Psychiatrie
Fibromyalgie, Adipositas permagna, Sonstige rezidivierende depressive Störungen, Tinnitus mit Panikstörung, Sonstige rezidivierende depressive Störungen
Aus fachärztlicher Sich ist die Patientin kurzfristig nicht als arbeitsfähig einzustufen. Eine Rehabilitation auch im Sinne einer Arbeitsrehab unter geschützten Bedingungen, wenn das von Seiten der Fibromyalgie möglich ist, wäre aus fachärztlicher Sicht sinnvoll.
05.07.2017 Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin
Fibromyalgie, Rez.depressive Episoden, Panikstörung, Tinnitus, Adipositas, Reizdarm; Mischinkontinenz, Allerg Asthma bronch;
Anhaltende somatoforme Schmerzstörung;
Meine Patientin leidet an chronischen Schmerzen, die sie in ihrem Alltag massiv beeinträchtigen, dies neben dem ständigen Tinnitus. Frau XXXX ist nicht arbeitsfähig. Sie hat im Sommer 205 ihre Anstellung als Pflegeassistentin aufgrund der Beschwerden verloren und konnte seither nicht mehr Fuß fassen. Sie ist in regelmäßiger psychotherapeutischer und psychiatrischer und rheumatologischer Behandlung.
03.07.2017 Mag. XXXX, Psychotherapeutin
Bestätigung, dass Frau XXXX in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung. Auf Grund der starken und chronischen Schmerzen und der daraus resultierenden psychischen Belastung ist Frau XXXX zurzeit nicht belastbar und nicht arbeitsfähig.
03.07.2017 Dr. XXXX, FA für Innere Medizin
Hochgradiger V. a. Rheumatoide Arthritis, RF-negativ, ACPA-negativ mit deutlich erhöhter humoraler entzündlicher Aktivität
Generalisierte Enthesiopathien im Rahmen eines sekundären Fibromyalgiesyndroms, insbesondere Periarthropathia humeroscapularis bds., Periarthropathia coxae bds., Epicondylopathia ulnaris et radialis humeri bds.
Oberes und unteres Cervicalsyndrom bei Streckfehlhaltung und Rotationseinschränkung der HWS, Aufbrauchserscheinungen und muskulärem Hartspann im Schulter-Nackenbereich Impingementsyndrom beide Schultern
Bursitis subdeltoidea rechts, Bursitis subacromialis bds., Partialruptur der Supraspinatussehne rechts
Polyarthralgien der Hand,- MCP- und PIP-Gelenke beide Hände im Rahmen der Grunderkrankung Dorsalgien bei Hartspann der paravertebralen Rückenmuskulatur
Rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien bei Aufbrauchserscheinungen der LWS und chronisch muskulärer Dysbalance im Hüft-Beckenbereich
Coxalgie bds., Gonarthrose bds.
Arthralgien und Synovitiden der Sprung- und Zehengrundgelenke im Rahmen der RA
OSG-Arthrose rechts
Plantarer Fersensporn rechts mit deutlicher Ansatztendinose der Plantarfaszie, Plattfuß rechts
Asthma bronchiale, COPD, V. a. obstruktives Schlaf Apnoe Syndrom
Extrasystolen (ventriculär), Z. n. Herzkatheter 2010 wegen AP-Symptomatik, GERD
Z. n. Fundoplicatio (Hiatushernie) 2010
Reizdarm
Burn Out Syndrom 2009, Panikattacken seit 1997
Labile art. Hypertonie
Chronische Blepharoconjunctivitis sicca
Tinnitus (höchster Schweregrad 99%)
Migräne ab. 15. Lebensjahr
Gliosespots im periventrikulären Marklager bds. ischämischer Genese
Histaminintoleranz (anamnestisch)
Frau XXXX leidet seit ca. 10 Jahren an Beschwerden am ganzen Körper, sowohl die Gelenke, die Wirbelsäule als auch die Weichteile betreffend. Aus rheumatologischer Sicht handelt es sich dabei um ein äußerst komplexes Krankheitsbild. Im Vordergrund stehen generalisierte Enthesiopathien im Sinne eines Fibromyalgiesyndroms. Weiters und möglicherweise als Mitverursacher des FMS dürfte eine seronegative rheumatoide Arthritis mit zweitweisen Gelenksschwellungen und Schmerzen im Bereich beider Hände, Vorfüße und Sprung- und Kniegelenke als auch Hüftgelenke sowie eine Morgensteifheit von mindestens 30 Minuten vorliegen. Bei sämtlichen Laborbefunden sind deutlich erhöhte Entzündungsparameter zu finden. Trotz regelmäßiger Behandlungen mit antiphlogistischen Mischinfusionen, Infiltrationen mit Celestan Biphase und einer Basistherapie mit Resochin konnte die Entzündung nicht vollständig beherrscht werden. Die Umstellung auf eine neue Basistherapie wird mit Frau XXXX derzeit diskutiert.
Spirometrie: geringgradige Obstruktion
08.05.2017 PVA, Landesstelle NÖ
Ärztliches Gesamtgutachten bzgl. Berufsunfähigkeit:
Angst und Depression gemischt; Unspezifische Somatisierungsstörung; Dorsolumbalgie bei Fehlhaltung und geringen degenerativen Veränderungen; Fibromyalgiesyndrom - keine akuten Entzündungszeichen in den Gelenken; Stärkeres Übergewicht mit statischer Überlastung des Stütz- und Bewegungsapparates Schlafbezogene Atemstörung - anamnestisch keine CPAP Therapie erforderlich; Tinnitus beidseits;
Zustand nach Fundoplicatio 2010; Schultergelenksbeschwerden links (Periarthritis humeroscapularis); Fußfehlstellung bds;
Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung und geringen degenerativen Veränderungen; Panikattacken; Asthma bronchiale/chronisch obstruktive Lungenerkrankung; Anmarschweg von 500m innerhalb von 20 Minuten möglich
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: adipös
Größe: 165,00 cm Gewicht: 101,00 kg Blutdruck: 144/84, f72
Klinischer Status - Fachstatus:
(...)
Thorax: symmetrisch,
Lunge: Vesikuläratmen beidseits, keine Nebengeräusche,
Herzaktion rhythmisch, rein, normocard, mittellaut
Abdomen: über dem Thoraxniveau,
Bauchdecken: weich, ohne Druckschmerz, ohne pathologische Resistenzen, blande Narben nach Fundoplicatio
Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar
Nierenlager beidseits frei
Gesamte Wirbelsäule: klopfdolent und druckdolent,
paravertebraler Hartspann im Bereich der HWS und Hartspann im Schulterbereich
Ileoosacralgelenk beidseits druckdolent,
Halswirbelsäule: endlagig eingeschränkt, Vor- und Rückwärtsbeugen möglich
Finger-Bodenabstand: 10 cm, Aufrichten frei
Zehenspitzenstand beidseits möglich
Fersenstand beidseits nicht möglich
Einbeinstand beidseits durchführbar
Lasegue: negativ
Obere Extremität: Muskulatur gut ausgebildet, Nackengriff rechts mit Ausweichbewegung, links uneingeschränkt, Schürzengriff links uneingeschränkt, rechts endlagig eingeschränkt, Heben der Arme über den Kopf links durchführbar, rechts nur 20° möglich (Bei dem GA 05/2017 zeigte sich eine Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk), grobe Kraft und Feinmotorik normal,
Untere Extremität:
Aktives Heben beidseits im Sitzen und Stehen, Oberschenkelmuskulatur normal kräftig ausgebildet,
Bewegung im Hüftgelenk links und rechts endlagig eingeschränkt, rechts > links
Kniegelenke beidseits frei beweglich, Knacksen beim gehen
Sprunggelenke beidseits keine Einschränkung
Sensibilität, Kraft nicht eingeschränkt, keine Varizen, keine Ödeme, Fußpulse beidseits gut tastbar, grob neurologisch unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gangbild normalschrittig sicher und frei, Straßenschuhe; keine Gehhilfen, eigenständiger Transfer zur und von Untersuchungsliege, selbständiges An- und Auskleiden möglich, Niveauunterschiede unbeeinträchtigt realisierbar.
Status Psychicus:
Orientiert, bewusstseinsklar, Gedankenductus zusammenhängend, Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit gut, Sprache unauffällig, Stimmung weinerlich, verzweifelt.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Fibromyalgie, hochgradiger V. a. Rheumatoide Arthritis Unterer Rahmensatz bei schwer beeinflussbarer Krankheitsaktivität und Bewegungseinschränkung in wechselnden Gelenken. Stärkeres Übergewicht mit statischer Überlastung
02.02.03
50
2
Degenerative Wirbelsäulenerkrankung Oberer Rahmensatz, da laufende Schmerztherapie erforderlich.
02.01.02
40
3
Depression mit Panikstörungen Oberer Rahmensatz, da Schlafstörungen, aber unter Medikation stabil und sozial integriert. Tinnitus berücksichtigt.
03.06.01
40
4
Chronisches Schmerzsyndrom Oberer Rahmensatz bei Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Analgetika.
04.11.01
20
5
Reizdarm Unterer Rahmensatz, da keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes. Mischinkontinenz berücksichtigt.
07.04.04
10
6
Asthma bronchiale, COPD Unterer Rahmensatz, da unauffällige Lungenfunktion und keine Dauertherapie erforderlich. Allergien berücksichtigt.
06.05.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch die Leiden 2 bis 4 um eine Stufe erhöht, da wechselseitig negative Leidensbeeinflussung. Leiden 5 und 6 erhöhen nicht weiter, da ohne maßgebliche funktionelle Relevanz.
[...] Dauerzustand [...]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Die medizinische Voraussetzung für den Zusatzeintrag "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" wird nicht erfüllt. Unter Berücksichtigung der körperlichen Defizite ist es trotzdem möglich, eine kurze Wegstrecke und ein paar Stiegen selbstständig zu bewältigen, da ausreichend Kraft und Beweglichkeit in beiden Beinen und ein flüssiges Gangbild zu verzeichnen ist. Einsteigen, Aussteigen und das Festhalten im ÖVM ist problemlos möglich, sodass der Transport ohne Gefahr durchführbar ist. Es besteht kein Hinweis auf maßgebliche Einschränkung der Herzpumpleistung und der Lungenfunktion.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Keine erhebliche Einschränkung der Funktion des Immunsystems dokumentiert."
Der Beschwerdeführerin wurde sodann ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt. Dieser wurde nicht bekämpft.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 05.12.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten vom 09.10.2017 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde ausgeführt, dass sich der Zustand der Beschwerdeführerin während der letzten Wochen verschlechtert bezüglich der Mobilität hätte. Es gebe Tage, da falle ihr das Gehen leichter und dann wisse sie gar nicht mehr, wie sie sich fortbewegen solle. Leider sei durch ihre Erkrankung nie ein Tag wie der andere. An schlechten Tagen wisse sie nicht einmal wie sie aus ihrem Bett kommen solle. Jede Stiege würde zu einer Herausforderung werden. Angeschlossen war der Beschwerde ein MRT-Befund der Lendenwirbelsäule.
Das Bundesverwaltungsgericht holte in weiterer Folge ein Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie ein, welches Folgendes ergab:
"[...] Vorgeschichte: OP: 2010 Fundoplikatio, AE; Asthma bronchiale/Chronische obstruktive Lungenerkrankung; Cervicalsyndrom, Dorsolumbalgie, Schultergelenksbeschwerden links; Verdacht auf rheumatoide Arthritis, Rheumaf. negativ, Antikörper negativ; generalisierte Enthesiopathien im Rahmen eines sekundären Fibromyalgiesyndroms; degenerative Veränderungen des Stütz-und Bewegungsapparates; 2009 Burn-out-Syndrom; seit 1997 Panikattacken
Zwischenanamnese seit 4.10.2017:
Keine Operationen, kein stationärer Aufenthalt.
Befunde:
Abl. 14, Befund Dr. XXXX, Facharzt für Psychiatrie vom 10.7.2017 (Fibromyalgie, Adipositas permagna, sonstige rezidivierende depressive Störungen, Tinnitus, Panikstörung, nicht stresstolerant, Escitalopram wird gut vertragen. Therapieempfehlung: Escitalopram, Resochin, Allernon, Atarax bei Bedarf)
Abl. 15, Bestätigung Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin vom 5.7.2017 (Fibromyalgie, rezidivierende depressive Episoden, Panikstörung, Tinnitus, Reizdarm, Mischinkontinenz, allergisches Asthma bronchiale, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, chronische Schmerzen, nicht arbeitsfähig, regelmäßige psychopathische, psychiatrische und rheumatologische Behandlung)
Sozialanamnese: Geschieden, 2 Kinder (25, 19 Jahre), lebt mit Tochter und Mutter in Einfamilienhaus
Berufsanamnese: Pflegeassistentin, teilweise berufstätig
Medikamente: Resochin, Magenschutz, Pille, Mometason Spray, Atarax bei Bedarf, lbuprofen bei Bedarf
Allergien: Hund, Katze
Nikotin: 0 seit 5 Jahren, zuvor 40 pro Woche
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX, XXXX, XXXX
Derzeitige Beschwerden:
‚Seit 2009 ist eine Fibromyalgie bekannt, war 2009 zur Rehabilitation in Sankt Radegund, seither keine weitere Rehabilitation, eine Behandlung im Heilstollen wurde abgelehnt. Habe schon zahlreiche Injektionen in Muskelansätze bekommen. Es besteht der Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis, Schmerzen habe ich auch in den Fingerendgelenken.
Seit der Ernährungsumstellung habe ich in den letzten 2,5 Jahren 18 kg abgenommen.
Die Ernährungsumstellung hat eine Besserung bzgl. Reizdarmsyndrom gebracht. Zweimal im Jahr bin ich bei Dr. XXXX, Lungenfacharzt, wegen meines Asthma bronchiale und COPD l, seit ich nicht mehr rauche, ist es besser. Eine Dauermedikation für die Lunge habe ich nicht. Panikstörung habe ich nicht mehr, derzeit psychiatrische Behandlung bei Bedarf. Beantrage den Parkausweis, da ich unmöglich so weit gehen kann, manchmal geht es leichter, dann geht es wieder gar nicht, manchmal überwinde ich Stufen auf allen Vieren.'
STATUS:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand adipös, BMI 37,5
Größe 165 cm, Gewicht 102 kg, RR 130/80, 48 a
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Gänslen negativ. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, retikuläre Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Druckschmerz über den Hüftgelenken, sonst unauffällig. Gänslen negativ. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, Druckschmerz untere BWS, ISG und
Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar
Positive Tenderpoints: Schultern, Hüften, sonst unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel ohne Begleitung, Tochter im Warteraum, das Gangbild hinkfrei, etwas behäbig, Schrittlänge physiologisch. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage weinerlich.
STELLUNGNAHME:
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten.
Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich des Bewegungsapparates im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
ad 1) Diagnosenliste
1) Abnützungserscheinungen des Bewegungsapparates, Fibromyalgiesyndrom
2) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
3) Depression mit Panikstörungen
4) Chronisches Schmerzsyndrom
5) Reizdarm
6) Asthma bronchiale, COPD
ad 2) In welchem Ausmaß liegen die angeführten Leidenszustände vor und wie wirken sich diese auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus?
Leiden 1, 2 und 4 liegen in geringem Ausmaß vor. Im Bereich des und der Wirbelsäule konnten keine höhergradigen Funktionsdefizite objektiviert werden. Die angegebenen Beschwerden im Sinne einer Fibromyalgie bedingen eine Bedarfsmedikation, eine analgetische Dauermedikation ist nicht etabliert. Hinweise für eine entzündliche Gelenkserkrankung mit entsprechenden laborchemischen Veränderungen und Schwellungen oder Überwärmungen der Gelenke sind nicht objektivierbar.
Depressionen und Panikstörungen liegen in geringem Ausmaß vor, Bedarfsmedikation ist ausreichend.
Reizdarm liegt in geringem Ausmaß vor, Besserung durch Ernährungsumstellung, insbesondere wird auf den guten Ernährungszustand hingewiesen.
Eine höhergradige Lungenfunktionseinschränkung ist nicht dokumentiert, Bedarfsmedikation ausreichend.
ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?
Eine höhergradige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt nicht vor, es konnte weder eine Einschränkung der Herzleistung noch eine maßgebliche Einschränkung der Lungenfunktion festgestellt werden, Bedarfsmedikation ist für die Lungenerkrankung ausreichend.
ad 4) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?
Nein.
Art und Ausmaß der von der BF angegebenen Schmerzen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind zu klären, mit welchen Schmerzen ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere das Gehen bei der BF verbunden?
Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, können nur indirekt erfasst werden.
Anhand des beobachteten Gangbilds mit hinkfreiem, etwas behäbigem Gehen, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und des derzeitigen Therapieerfordernisses (analgetische Bedarfsmedikation) ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten.
ad 5) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen vor?
Nein, derzeit psychiatrische Behandlung bei Bedarf.
ad 6) Liegt eine hochgradige Immunschwäche vor?
Nein.
ad 7) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis (AS 37 - 44) abweichenden Beurteilung
Keine abweichende Beurteilung.
ad 8) Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."
Die Beschwerdeführerin gab in dem ihr zum Gutachten gewährten Parteiengehör keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 60 von Hundert.
1.2. Die Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Klinischer Statuts - Fachstatus:
Thorax: symmetrisch, elastisch
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Gänslen negativ. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.
Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, Druckschmerz untere BWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar
Positive Tenderpoints: Schultern, Hüften, sonst unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel ohne Begleitung. Das Gangbild ist hinkfrei, etwas behäbig. Die Schrittlänge ist physiologisch.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage weinerlich.
Funktionseinschränkungen:
Abnützungserscheinungen des Bewegungsapparates, Fibromyalgiesyndrom, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Depression mit Panikstörungen, Chronisches Schmerzsyndrom, Reizdarm, Asthma bronchiale, COPD.
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind zwar belastungsabhängige Probleme im Bereich des Bewegungsapparates im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Jedoch ist die Gesamtmobilität ausreichend, um eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen und um Niveauunterschiede zu überwinden.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.10.2017 eingeholt worden. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die festgestellten Leiden führen laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Demnach liegen zwar Defizite, insbesondere degenerative Abnützungen vor, jedoch mit erhaltener Kraft aller Extremitäten, sodass weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt sind und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar und gewährleistet sind.
In dem - aufgrund des vorliegenden Beschwerdevorbringens - vom BVwG in Auftrag gegebenen Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie vom 30.06.2018 ist unter Beachtung sämtlicher bis dahin vorgelegter Befunde darüber hinaus ausführlich dargelegt worden, dass im Bereich des Bewegungsapparates und der Wirbelsäule keine höhergradigen Funktionsdefizite objektiviert werden konnten. Die angegebenen Schmerzen im Sinne einer Fibromyalgie bedingen eine Bedarfsmedikation, eine analgetische Dauermedikation gegen Schmerzen ist nicht etabliert. Zudem sind keine Hinweise für eine entzündliche Gelenkserkrankung mit entsprechenden laborchemischen Veränderungen und Schwellungen oder Überwärmungen der Gelenke objektivierbar. Die Depressionen sowie Panikstörungen liegen nur in einem geringen Ausmaß vor und somit ist eine Bedarfsmedikation ausreichend. Eine höhergradige Lungenfunktionseinschränkung ist ebenfalls nicht dokumentiert, da eine Bedarfsmedikation ausreichend ist.
Darüber hinaus hält die befasste Sachverständige glaubhaft fest, dass das das Leiden 5 (Reizdarm) lediglich in einem geringen Ausmaß vorliegt und eine Besserung durch eine Ernährungsumstellung erreicht werden konnte und kann.
Überdies hält die befasste Sachverständige fest, dass keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten vorliegen. Im Rahmen der Begutachtung war die Beschwerdeführerin in der Lage, einen Zehenballen- und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchzuführen. Zudem war ein freies Stehen, ein Einbeinstand und eine tiefe Hocke sicher möglich. Die Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Darüber hinaus ist das Abheben der gestreckten unteren Extremität beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Aufgrund dessen kann das jeweilige Ausmaß des Leidens jedoch keine erhebliche Einschränkung der Mobilität begründen, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m nicht erheblich erschwert ist. Niveauunterschiede können demnach überwunden werden. Das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dadurch nicht erheblich erschwert. Aufgrund des Vorliegens einer ausreichenden Gangsicherheit, ist der sichere Transport mit Sitzplatzsuche und bei Fortbewegung im Verkehrsmittel möglich.
Zudem hält die Sachverständige ausdrücklich fest, dass keine erheblichen Einschränkungen der oberen Extremitäten vorliegen. Im Rahmen der Begutachtung waren der Grob- und Spitzgriff sowie der Nacken- und Schultergriff uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, das Fingerspreizen beidseits unauffällig. Die Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Aufgrund dessen ist das sichere Anhalten während des Transports in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet.
Die Sachverständige hält des Weiteren nachvollziehbar fest, dass keine Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule vorliegen, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Es war demnach im Rahmen der Begutachtung ersichtlich, dass die Halswirbelsäule in allen Ebenen frei beweglich und die Rückenmuskulatur symmetrisch ausgebildet ist. Hinsichtlich der aktiven Beweglichkeit der Wirbelsäule zeigte sich in der Untersuchung, dass der Fußbodenabstand 10 cm beträgt sowie die Brust- und Lendenwirbelsäule in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich sind.
Ebenso hält die befasste Sachverständige schlüssig fest, dass keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen vorliegen. Ebenso liegt keine hochgradige Immunschwäche vor.
Dem Beschwerdevorbringen wird im Gutachten vom 30.06.2018 nachvollziehbar entgegengehalten, dass sich anhand des beobachteten Gangbildes mit hinkfreiem, etwas behäbigem Gehen, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und dem derzeitigen Therapieerfordernis kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände ergibt, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.
Zusammenfassend ergibt sich daher, dass ein sicherer Transport gegeben ist. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen körperlicher Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems.
Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der unteren Extremitäten kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung der schlüssigen ärztlichen Gutachten bei der Beschwerdeführerin nicht erkennen.
Aus den Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.
In den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand der Beschwerdeführerin ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welche zum gleichen Ergebnis gelangen, nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde und vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor: