Entscheidungsdatum
11.02.2019Norm
BBG §40Spruch
W173 2211676-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 21.8.2018, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) beantragte am 12.1.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der BF legte dazu medizinische Unterlagen vor. Die belangte Behörde holte medizinische Sachverständigengutachten ein. Im Gutachten vom 8.5.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF durch den medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX , FÄ für Augenheilkunde, wurde die Augenerkrankung des BF mit einem Grad der Behinderung von 40% eingestuft. Im Gutachten führte die medizinische Sachverständige Nachfolgendes aus:
"..................
Anamnese:
mit 15J Verletzung re Auge durch einen Pferdetritt - 3x Op im AKH, danach Augapfelschrumpfung, trägt re eine Skleraschale, li angeborene Irisdystrophie
trägt seit der Kindheit eine Brille wegen Hyperopie, ztw auch KL
hat jetzt eine Gleitsichtbrille wegen Leseproblemen
Derzeitige Beschwerden: ist re blind
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Hylocomod AT iB
Sozialanamnese: ...... Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl.
Datumsangabe):
Dr Crammer vom 28.11.18
Visus re Amaurose
li corr 0,8p Jg 1p
Anophthlmus re
Linkes Auge: VBA Irissynechien temp und nasal, Irisatrophie
Fundus Papille und Macula oB
Augendruck li 20mmHg
Untersuchungsbefund: ...............
Klinischer Status - Fachstatus:
Augenbefund:
Visus rechts Amaurose: links +4,0sph +1,25cyl75° 0,7 add +1,0sph Jg 1
Rechtes Auge: Augapfel stark geschrumpft, HH in toto getrübt,
Skleraschale in situ Linkes Auge: VBA BH bland, HH klar, Pupille weit und queroval entrundet, keine LR, Irisatrophie, vordere Synechien temp
Linsensklerose
Fundus Papille und Macula oB
Gesamtmobilität - Gangbild: .....................
Status Psychicus: nicht beurteilt.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB%
1
Augenapfelschrumpfung rechts, angeborene Regenbogenhautdystrophie Links, Erblindung rechts, Sehverminderung auf 0,7 links Tabelle Kolonne 9 Zeile 2
11.02.01
40
Gesamtgrad der Behinderung
40 v.H.
Begründung für den
Gesamtgrad der Behinderung: .........................
X Dauerzustand
..........................."
Im Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , FÄ für
Psychiatrie und Psychiatrie, vom 29.6.2018, wurde auf Grund der
persönlichen Untersuchung des BF Nachfolgendes ausgeführt:
".......................
Anamnese: 39 Jahre alter Mann, der alleine zur Untersuchung kommt. Er habe ursprünglich das Gymnasium besucht, die 6. Klasse wiederholt und dann abgebrochen, eine Lehre als Automechaniker begonnen, sei aber schon in der Probezeit darauf gekommen, dass das nichts für ihn sei. Habe dann 7 Jahre als Einzelhandelsverkäufer tätig gewesen und habe es bis zum Abteilungsleiter gebracht. Dies sei so bis 2014 gegangen und dann sei er nur mehr kurzfristig tätig gewesen, Callcenter, dann wieder krank, dann wieder kurze Arbeiten, dann wieder krank, usw.
Die letzte Beziehung sei auch 2014 gewesen, seither lebe er alleine. Ohne Freunde, ohne Partnerin. Er habe einen 6 Jahre alten Sohn aus der letzten Beziehung, mit dem Kontakt besteht. Von einer früheren Beziehung 3 Töchter, 17, 16 und 3 Jahre alt. Keine Kontakte.
2 Jahre sei er in Berufsunfähigkeitspension gewesen, von 2008 bis 2010. Dann sei es nicht mehr gewährt worden. Jetzt lebe er von der Notstandshilfe.
Frühere Erkrankungen:
+Blinddarmoperation als Kind
+ Mit 15 Jahren Unfall, dabei rechtes Auge verloren, Jochbein, Kieferfraktur, sei von einem Pferd getreten worden. Es sei ein junges Pferd gewesen und dies sei bei einem Urlaub passiert. In Tunesien. Sei ins AKH geflogen worden. Aber man habe das Auge nicht mehr retten können.
+Diverse Knochenbrüche.
+Seit 2004 Panikattacken, Agoraphobie, dies käme in Wellen, manchmal sehr arg, manchmal besser, sei 5 mal stationär gewesen, 1 x im AKH 6 Wochen, 2005, 2008 in Ybbs 12 Wochen, 2011 in Eggenburg 8 Wochen, 2013 noch mal 4 Wochen. Lange Zeit in Psychotherapie. Jetzt beginnt er eine neue seit 12/2017.
Derzeitige Beschwerden: Anfallsartig Panikattacken, Angstzustände, entsprechendes Vermeidungsverhalten. Behandlung(en) / Medikamente /
Hilfsmittel:
Duloxetin 60 mg 1, Seroquel retard 100 mg 1
Sozialanamnese: siehe oben
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
+Befund Eggenburg vom 25.7.2017: Diagnosen: Angst, Panik, Agoraphobie, Bipolare Störung, Emotional instabile Persönlichkeitsstörung,
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, Nikotin: 1-10, Alkohol: kaum, Drogen: 0
Ernährungszustand: gut
Größe: 174,00 cm, Gewicht: 93,00 kg, Blutdruck: ------------
Klinischer Status - Fachstatus: Neurologisch bis auf fehlendes Auge rechts keine Auffälligkeiten. Sonst seitengleiche Verhältnisse und keine Pathologien.
Gesamtmobilität - Gangbild: unauffällig.
Status Psychicus: Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotischen Symptome. Befindlichkeit im Gespräch gut und gut affizierbar. Anamnestisch aber häufige Panikattacken und anfallsartige Angstzustände. Getriggert durch Menschenansammlungen und dem Gefühl, nicht weg zu können. Keine Suizidalität.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB%
1
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit Agoraphobie und bipolare affektive Störung 1 Stufe unter oberem Rahmensatz, da nach Reha-Aufenthalt noch berichtete Instabilität, jedoch ohne aktuellere ärztliche Therapieberichte.
03.04.01
30
Gesamtgrad der Behinderung
30 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
..............................X Dauerzustand
............................."
Im zusammenfassenden Gutachten vom 6.7.2018 führte Dr. XXXX , FÄ für
Augenheilkunde, Nachfolgendes ausgeführt:
".............................
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB%
1
Augenapfelschrumpfung rechts, angeborene Regenbogenhautdystrophie links, Erblindung rechts, Sehverminderung auf 0,7 links Tabelle Kolonne 9 Zeile 2
11.02.01
40
2
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit Agoraphobie und bipolare affektive Störung 1 Stufe unter oberem Rahmensatz, da nach Reha-Aufenthalt noch berichtete Instabilität, jedoch ohne aktuellere ärztliche Therapieberichte.
03.04.01
30
Gesamtgrad der Behinderung
40 v.H.
Begründung für den
Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht weiter erhöht, da keine
maßgebliche ungünstige Leidensbeeinflussung
..............................X
Dauerzustand.............................."
2. Die eingeholten medizinischen Gutachten wurden von der belangten Behörde dem Parteiengehör unterzogen. Der BF sah von einer Stellungnahme ab. Mit Bescheid vom 21.8.2018 wurde der Antrag des BF vom 12.1.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf die eingeholten ärztlichen Gutachten, die einen Bestandteil der Begründung bilden würden. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden nicht vorliegen, da ein Grad der Behinderung von 40 % festgestellt worden sei.
3. Mit Schreiben vom 20.9.2018 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 21.8.2018. Der BF bezog sich auf das Gutachten von Dr. XXXX , wonach ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Dies treffe jedoch nicht zu, da er auf Grund seiner psychischen Einschränkungen größtenteils auf Taxis bzw. Transporte durch Verwandte und Freunde angewiesen sei. Anfang des Jahres sei er einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen. Diese habe er aber nach wenigen Wochen wegen der psychischen Verfassung verloren, sodass die Ausführung der genannten Sachverständigen, wonach er mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Seine Einschränkung sei mit 40% zu gering eingeschätzt. Befunde wurden keine angeschlossen.
4. Am 21.12.2018 legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1.Auf Grund des Antrages des BF vom 12.1.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses erfolgte eine persönliche Untersuchung des BF durch die medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX , FÄ für Augenheilkunde, und Dr. XXXX , FÄ für Psychiatrie und Neurologie. Im Zuge dieser Untersuchung wurden die oben wiedergegebenen Gutachten vom 8.5.2018 und 29.6.2018 basierend auf der Einschätzungsverordnung erstellt. Zusammenfassend ermittelte Dr. XXXX , FÄ für Augenheilkunde, im Gutachten vom 6.7.2018 einen Gesamtgrad der Behinderung von 40.v.H. Dieser ergab sich aus folgenden Leiden: 1. Augenapfel-schrumpfung rechts, angeborene Regenbogenhaut-dystrophie links, Erblindung rechts, Sehverminderung auf 0,7 links (Pos.Nr. 11.02.01 - 40% GdB) und 2. Emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit Agoraphobie und bipolare affektive Störung (Pos.Nr. 03.04.01 - 30% GdB). Das führende Leiden wurde durch das Leiden 2 wegen der fehlenden maßgeblichen ungünstigen Leidensbeeinflussung nicht erhöht. Diese Gesundheitsbeeinträchtigungen wurden als Dauerzustand gewertet.
1.2. Mit Bescheid vom 21.8.2018 wurde basierend auf den eingeholten Gutachten aufgrund des festgestellten Gesamtgrades der Behinderung von 40 % der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Dagegen erhob der BF Beschwerde.
1.3. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt beim BF 40 v.H. Der BF erfüllt daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.
2. Beweiswürdigung
Es wird auf die oben wiedergegebenen von der belangten Behörde eingeholten schlüssigen Sachverständigengutachten vom 8.5.2018 (Dr. XXXX ) und vom 29.6.2018 (Dr. XXXX ) und zusammenfassende vom 6.7.2018 (Dr. XXXX ) verwiesen. In den genannten Gutachten - basierend auf einer vorhergehenden persönlichen Untersuchung des BF - wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzten sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden des BF auseinander.
Diese Einschätzungen finden auch Deckung in den von den Gutachtern erhobenen Status des BF im Rahmen der persönlichen Untersuchung des BF.
Die medizinische Sachverständige Dr. XXXX stützte sich bei der Einschätzung des führenden Leidens 1 nachvollziehbar auf die Augenapfelschrumpfung rechts mit angeborener Regenbogenhautdystrophie links verbunden mit Erblindung rechts und einer Sehverminderung auf 0,7 links schlüssig auf die in der Tabelle angeführten Werte mit der Pos.Nr. 11.02.01 mit einem Grad der Behinderung von 40%. Für die emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit Agoraphobie und bipolarer effektiver Störung wurde von der Sachverständigen Dr. XXXX nachvollziehbar die Pos.Nr. 03.04.01 mit einem Grad der Behinderung von 30% heranbezogen, da nach einem Reha-Aufenthalt des BF zwar Instabilität besteht, aber dazu kein aktueller ärztlicher Therapiebericht vorliegt. Dies wird auch in den Ausführungen des BF bei der persönlichen Untersuchung des BF bei der genannten Sachverständigen bestätigt, nach dem Reha-Aufenthalt in Psychotherapie gewesen zu sein, aber jetzt erst neu seit 12/2017 zu beginnen, wofür ein Beleg fehlt. Auf Grund der fehlenden maßgeblichen ungünstigen Leidensbeeinflussung von Leiden 2 auf das führende Leiden 1 erfolgte auch zu Recht keine Erhöhung des führenden Leidens 1, sodass sich nachvollziehbar ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% ergab.
Der BF ist auch den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 8.5.2018, 29.6.2018 und zusammenfassend vom 6.7.2018, die von der belangten Behörde eingeholt und dem Parteiengehör unterzogen wurden, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. VwGH 17.2.2017, Ra 2017/11/0008, 27.06.2000, 2000/11/0093). Vielmehr hat der BF von einer Stellungnahme abgesehen.
Die Ausführungen in der Beschwerde des BF konzentrierten sich primär auf Einwendungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. auf das Nachgehen einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb, die jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens sind. Es wurde im angefochtenen Bescheid nämlich weder über die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, noch über die Zuerkennung der Begünstigteneigenschaft nach BEinstG abgesprochen. Dazu hat die BF auch keine Anträge gestellt. Beschwerdegegenstand ist ausschließlich die Ausstellung eines Behindertenpasses und damit der Gesamtgrad der Behinderung nach dem BBG. Der BF hat dazu lediglich in einem Satz in seiner Beschwerde die von ihm in allgemeinen vertretene Meinung vorgebracht, seine Einschränkungen seien mit 40% als zu gering eingestuft. Gründe für die von ihm vertretene Meinung führte er jedoch nicht an. Er unterließ es auch, für die von ihm vertretene Meinung sprechende aktuelle medizinische Unterlagen vorzulegen. Mit diesem sich in einem Satz erschöpfenden Beschwerdevorbringen kann der BF jedoch nicht überzeugen. Vielmehr wird den oben angeführten, schlüssigen Ausführungen der von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen gefolgt, aus denen sich nachvollziehbar eine Gesamtgrad der Behinderung von 40% ergibt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).
3.1.Zu Spruchpunkt A)
3.1.1.Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
3.1.2. Schlussfolgerungen
Die beigezogenen medizinischen Sachverständigen haben die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010 idgF, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.
Die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 8.5.2018, 29.6.2018 und zusammenfassende vom 6.7.2018, die von der belangten Behörde eingeholt wurden, und auf die sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen. Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Gegen die von der belangten Behörde eingeholten genannten schlüssigen Gutachten hat der BF auch keine dagegen sprechende medizinische Unterlagen vorgelegt. Es steht dem BF, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, das im Auftrag der Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß von 40% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.
3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß erreichen, welches für die Ausstellung eines Behindertenpasses erforderlich ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurden diese als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
3.2.Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W173.2211676.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.04.2019