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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1974 geborenen Z H in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Dezember 1996, Zl. 304.465/5-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die über eine Aufenthaltsbewilligung vom 17. Dezember 1994 bis 17. Juni 1995 verfügte, beantragte am 15. Mai 1995 die Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin beantragte am 6. August 1996 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) durch ihren Rechtsanwalt neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. August 1996 abgewiesen. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Dezember 1996 wurde diese Berufung gemäß § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden. Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet eingebracht habe. Ein Antrag auf Verlängerung der bis 17. Juni 1995 gültigen Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Oktober 1995 abgewiesen und die dazu eingebrachte Berufung von der belangten Behörde mit Bescheid vom 15. Dezember 1995 "wegen Eingehens einer Scheinehe" abgewiesen worden. Aus diesem Grund könne nur eine Antragstellung vom Ausland aus erfolgen und sei daher der Antrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG abzuweisen.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiters aus, es stehe fest, dass sich die Beschwerdeführerin seit Ablauf ihrer Aufenthaltsberechtigung unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Sie sei seit 26. April 1996 aufrecht polizeilich an einer näher bezeichneten Anschrift in Wien 5 gemeldet und gebe diese Adresse auch als alleinige in ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an. Die Beschwerdeführerin belege weiters den Bezug von Karenzgeld und gebe auch in ihrer Berufung bekannt, dass sie sich nach wie vor im Bundesgebiet aufhalte. Diese Tatsache stelle eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar, da das Verhalten der Beschwerdeführerin auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könnte und "eine Billigung ihres Verhalten jegliche fremdenrechtliche Bestimmungen obsolet" erscheinen lassen würde.
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG finde durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung.
Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, dass durch den Aufenthalt einiger Familienangehöriger im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und § 6 Abs. 2 AufG gestützten Entscheidung auf die privaten und familiären Interessen kein Bedacht zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 12. März 1997, B 451/97, ab und trat sie in weiterer Folge antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (17. Jänner 1997) hatte die belangte Behörde das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 heranzuziehen. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes haben folgenden Wortlaut:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
§ 6. (1) ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig. ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
§ 4 Z. 4 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stehenden Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, hatte folgenden Wortlaut:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
§ 11 Mutterschutzgesetz, BGBl. Nr. 221/1979 idF BGBl. Nr. 434/1995, lautet:
"§ 11. Der Ablauf der Beschäftigungsbewilligung, der Arbeitserlaubnis oder des Befreiungsscheines (§§ 4, 14a und 15 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975) einer Ausländerin wird im Falle der Schwangerschaft und der Entbindung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, in dem ihr Dienstverhältnis nach den §§ 10 Abs. 1, 3 und 4, 10a Abs. 1, 15 Abs. 4, 15a Abs. 1 Z. 4, 15b Abs. 5 und § 15c Abs. 10 und den dafür sonst geltenden gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen rechtsgültig beendet werden kann."
Die Beschwerdeführerin hat zwar rechtzeitig vor Ablauf ihrer letzten Aufenthaltsbewilligung einen Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung eingebracht. Allerdings wurde dieser Antrag vom 15. Mai 1995 mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1995 abgewiesen. Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist der nach rechtskräftiger Abweisung dieses Antrags gestellte neuerliche Antrag der Beschwerdeführerin vom 6. August 1996. Die belangte Behörde wertete den vorliegenden Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten.
Für die Frage der Zulässigkeit der Inlandsantragstellung ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).
Die Beschwerde bringt vor, die Beschwerdeführerin befinde sich schon seit 1990 im Bundesgebiet und sei bis zur Geburt ihres Kindes am 31. August 1995 einer Beschäftigung nachgegangen. Seither sei sie in "Karenz". Der Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach Anträge auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vom Ausland her zu stellen wären, sei nur in jenen Fällen beizupflichten, in denen erstmals um Aufenthaltsbewilligung angesucht werde. Im gegenständlichen Fall habe sich die Beschwerdeführerin bisher im Inland aufgehalten, sodass ein gesetzlich nicht geregelter Fall vorliege. Bei verfassungskonformer Auslegung hätte der Beschwerdeführerin auch bei Antragstellung im Inland die Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden müssen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Die Beschwerdeführerin bestreitet weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, dass sie den Antrag vom Inland aus gestellt hat. Eine derartige Vorgangsweise wäre nur dann rechtmäßig, wenn der Beschwerdeführerin eine ausnahmsweise Antragstellung vom Inland aus offen gestanden wäre. Dazu führte die belangte Behörde aus, "aus diesem Grund" (gemeint: wegen der Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung wegen Eingehens einer Scheinehe) könne nur eine Antragstellung vom Ausland aus erfolgen. Verfügte die Beschwerdeführerin jedoch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über eine aufrechte Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), zu deren Beginn oder danach innerhalb deren Gültigkeitsdauer die ihr erteilte Aufenthaltsbewilligung noch aufrecht war, wäre die Beschwerdeführerin zur Stellung ihres Antrages vom 6. August 1996 im Inland berechtigt gewesen. Diese Voraussetzung erscheint hier nach der Aktenlage, insbesondere der mit dem Antrag bereits vorgelegten, am 4. Juni 1994 ausgestellten, ursprünglich bis 3. Juni 1996 erteilten Arbeitserlaubnis, deren Ablauf gemäß § 11 MSchG bis 27. September 1997, also bis nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, gehemmt war, keinesfalls ausgeschlossen. In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde hiezu Feststellungen zu treffen, weshalb sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0902).
Aber auch die Auffassung der belangten Behörde, der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Anschluss an die rechtskräftige Abweisung ihres rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages begründe den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG - die von der belangten Behörde zitierte Scheinehe wurde nicht als Versagungsgrund herangezogen -, erweist sich aus dem im hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/2066, genannten Gründen (bei allfälligem Recht auf Antragstellung vom Inland aus) als unzutreffend.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt, weil von der Beschwerdeführerin keine Kosten verzeichnet wurden.
Wien, am 20. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190589.X00Im RIS seit
02.05.2001