Entscheidungsdatum
14.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W240 2187484-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2017, Zl. 1111803307-160542024, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2018 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Die übrigen Spruchpunkte werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte nach Umgehung der Grenzkontrollen im österreichischen Bundesgebiet am 15.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.04.20165 gab er an, seine Ausreise habe USD 5.000,- gekostet und seine Tante habe diese organisiert. Er habe Somalia verlassen, weil seine Volksgruppe diskriminiert worden sei. Sein Bruder und sein Vater seien von der Volksgruppe Hawiye umgebracht worden. Das Land sei nicht sicher. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.
Am 14.12.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA einvernommen.
Dabei gab er insbesondere wie folgt an:
"(...)
F: Welchem Clan und Religion gehören Sie an?
A: Ich gehöre dem Clan Tumaal an. Ich bin Muslim, Sunnit.
F: Welchem Sub und Sub Sub Clan gehören Sie an?
A: Sub Clan ist XXXX .
F: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Dokumente?
A: Nein
F: Welche Angehörigen der Kernfamilie (Großeltern, Eltern, Geschwister) leben noch in ihrer Heimat?
A: Meine Mutter sonst niemand, mein Vater und mein Bruder wurden getötet. Die Großeltern beiderseits sind gestorben
F: Wo leben Ihre Kernfamilienangehörigen?
A: Sie lebt Halgan in Somalia, wo ich immer Jahre lebte. Seit 8 Monaten habe ich keinen Kontakt mehr.
F: Haben Sie weitere Verwandte im Heimatland?
A: Nein, Ich habe keine Tanten und Onkeln
F: Wovon leben Ihre Verwandten im Herkunftsland?
A: Meine Mutter lebt vom Gemüsehandel,
F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund?
A: Nein, wir hatten ein Haus und ein Grundstück, aber es wurde uns weggenommen.
F: Schildern Sie kurz Ihren Reiseweg.
A: Am 1. Dezember 2015 verließ ich mit einem Auto Somalia nach Äthiopien bis nach Addis Abeba. Nach 21 Tagen reiste ich mit einem Reisepass und einem iranischen Visum von Addis Abeba in den Iran in die Hauptstadt Teheran. Anschließend nach 2 Tagen in einem Hotel weiter in die Türkei, wo ich 5 Tage in Ankara war. Von dort nach Izmir und mit dem Schlauchboot nach Griechenland, genauer weiß ich es nicht. Danach fuhr ich in einem Auto nach Serbien und von dort mit einem anderen Auto weiter nach Österreich. Ich ging in Wien zur Polizei und habe um Asyl angesucht.
F: Sind Sie illegal oder legal ausgereist?
A: Illegal, ich hatte vom Schlepper einen Reisepass und ein Visum für den Iran.
F: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt?
A: ich habe ca. 5.000,- US Dollar bezahlt, was meine Tante mütterlicherseits aus Amerika beschafft hatte, und immer mit Geldtransfer von Ihr an die Schlepper in den verschiedenen Ländern geschickt wurde.
F: Wo haben Sie die letzte Nacht vor der Ausreise verbracht?
A: Ich war in einem Dorf an der Grenze zu Äthiopien, die letzten 2 Monate davor verbrachte ich in einem Haus in Halgan aber nicht zuhause.
F: Haben Sie Kontakt mit Ihren Verwandten im Heimatland? Wann war der letzte Kontakt? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien? Nennen Sie Ihre Benutzernamen und Identitäten in den Sozialen Medien
Wie Facebook und ähnliches
A: Ich hatte Kontakt zur Mutter in Somalia, immer nur telefonisch, ich habe den Kontakt über unseren Nachbarn. Der letzte Kontakt mit der Mutter war vor acht Monaten über unseren Nachbarn, jetzt habe ich keinen Kontakt mehr. Ich habe nur Kontakt zur Tante mütterlicherseits in Amerika, die hatte auch keinen Kontakt zur Mutter.
F: Nennen Sie Ihre Benutzernamen und Identitäten in den Sozialen Medien Wie Facebook und Ähnliches!
A: Jetzt nicht mehr, Meine Facebook-Identität war XXXX. Ich hatte viele Freunde aber glaublich unter 100 Freunde auf Facebook
Beantworten Sie die Fragen mit ja oder nein, wenn relevant, können Sie selbst oder über Nachfragen dazu etwas Näheres angeben.
F: Sind Sie vorbestraft oder waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?
A: Nein
F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, etc.?
A: Nein
F: Sind oder waren Sie politisch tätig?
A: Nein.
F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?
A: Nein.
F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Clanzugehörigkeit irgendwelche Probleme?
A: wegen der Religion nicht, wegen dem Clan ja
F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)
A: ja mit den Dorfbewohnern
F: Nahmen Sie in Ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?
A: Nein.
F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß.
Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.
A: Ich habe Somalia verlassen, weil wir seit ca. 15 Jahren große Probleme hatten, mein Vater hatte eine Plantage und ein Haus. Mein Vater wurde von Dorfbewohnern überfallen und sie wollten ihm mit Gewalt die Plantage wegnehmen. Mein Vater war bewaffnet mit einem Gewehr und die Dorfbewohner waren auch bewaffnet, es gab einen Schusswechsel. Mein Vater hat jemanden von den Dorfbewohnern getroffen und danach wurde er von den Dorfbewohner getötet, nachgefragt erschossen, nachgefragt, ich habe damals das nicht selbst mitbekommen, meine Mutter hat es mir erzählt. Nachgefragt, meine Mutter hat mit erzählt, dass das im Jahr 2000 war, als mein Vater getötet wurde. Meine Mutter hat mich alleine großgezogen. Ich ging in die Schule und war ein guter Schüler, aber ich wurde diskriminiert in der Schule, es wurden mir immer schlechte Noten bekommen, obwohl ich ein guter Schüler war. Nachgefragt zuerst war ich der Beste mit den Noten und dann haben sie mich nach hinten geschoben bis ich der letzte war. Ich wurde diskriminiert, weil ich ein guter Schüler war. Ich konnte nicht verstehen, warum ich diskriminiert wurde. Ich konnte dann nicht mehr in die Schule gehen, weil mich die Mitschüler auch unterdrückt haben, durch diese Diskriminierungen habe ich psychische Verletzungen, ich wurde täglich von den Angehörigen des Hawiye- Clan in meinem Ort beleidigt. Nachgefragt ich wurde in der Schule beleidigt und auch als Haareschneider wurde ich diskriminiert. Ich haben den Kunden die Haare geschnitten, aber ich wurde oft nicht bezahlt dafür sondern nur beleidigt. Eines Tages wurde ich dann von der Familie, die meinen Vater getötet hatte, überfallen, nachgefragt ich glaube das war 2015, genauer kann ich es nicht sagen, nachgefragt sie haben mich überfallen und bedroht und sie haben gesagt, dass sie mich aus Rache töten werden, weil mein Vater jemanden von ihnen getötet hätte bevor sie meinen Vater getötet hätten. Mich erzählte meiner Mutter von dieser Drohung und meine Mutter hat mit der Tante in Amerika Kontakt aufgenommen. Nachgefragt die Familie, die mich bedroht hatte, hat mich dann eines Tages an der Stelle überfallen, wo ich mit meinem Bruder Haare geschnitten habe. Sie haben sofort das Feuer eröffnet und mein Bruder wurde von einer Kugel getroffen und er war tot. Nachgefragt mein Bruder wurde am 5. Oktober 2015 erschossen. Meine Mutter erzählte das meiner Tante in Amerika und meine Tante sagte mir, dass Sie meine Flucht organisieren wird, aber ich müsste in ein sicheres Land kommen. So verließ ich die Heimat und begann die Reise nach Europa.
F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Somalia haben?
A: Nein.
Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.
Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.
F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat oder Heimatstaat zurückkehren müssten?
A: Ich gehöre einer Minderheit, es kann sein, dass ich etwas Schlimmes erlebe.
F: Wie bezahlten Sie die Reise von Somalia bis Österreich und wo und wann mussten Sie an die Schlepper welchen Betrag bezahlen?
A: Meine Tante bezahlte in den Ländern an unterschiedliche Schlepper, was sie jeweils dort verlangten und sie schickte das Geld an die Schlepper.
F: Warum stellten Sie nicht bereits nach der Einreise in Griechenland einen Asylantrag?
A: ich hatte nicht die Möglichkeit, der Schlepper hat mich in ein Haus gebracht und ich wurde von den Schleppern bis Österreich gebracht. Nachgefragt ich wollte in ein sicheres Land, der Autofahrer sagte mir, dass ich sicher sei hier in einem Teil von Deutschland, und so suchte ich um Asyl an, das war aber in Österreich.
F: Haben Sie bis zur Ausreise zuhause alleine für Ihren Lebensunterhalt sorgen können?
A: Ja. Ich hatte keine Probleme, ich konnte gut leben.
F: Schildern Sie die Diskriminierungen und Beleidigungen, die Sie erfahren haben, genauer mit einem Wortlaut, der nachvollziehbar ist?
A: Sie haben mir gesagt, dass ich ein Tumaal bin und dass ich nichts wert bin. Nachgefragt sonst haben Sie nichts gesagt. Sie haben mich nur als wertlos beschimpft, nachgefragt es waren die Hawiye. Nachgefragt es gab noch 2 weitere Tumaal- Familien, die auch diskriminiert und beschimpft wurden, die Tumaal werden überall in Somalia diskriminiert und beschimpft.
F: Sie haben Ihren Fluchtgrund bisher nur allgemein, oberflächlich, vage und für den Referenten keinesfalls glaubwürdig und nachvollziehbar erklärt. Schildern Sie den Vorfall, als Sie und Ihr Bruder überfallen wurden, detailliert und chronologisch, nennen Sie die genaue Zeit und Örtlichkeit, die Situation, die Anzahl der anwesenden Leute, der Zeugen, der Angreifer, deren Bewaffnung und einen Handlungsablauf, der schlüssig und nachvollziehbar ist?
A: das war so 2 Uhr nachmittags, ca. 14:00 Uhr, das ist üblich, dass um diese Zeit die Leute schlafen, sie haben gemerkt, dass wir beide alleine sind, sie haben einfach das Feuer eröffnet und eine Kugel hat meinen Bruder getroffen, mir ist die Flucht gelungen und ich bin weg, nachgefragt, unser Friseurgeschäft war ein Raum mit Spiegel und hatte 2 Türen eine vorne und eine hinten, es war eine Blechhütte, sie haben angefangen zu schießen von vorne und ich bin nach hinten gelaufen, nachgefragt das Geschäft war etwa halb so groß wie dieser Raum (Anm: AW zeigt danach die Größe anhand der Einrichtung mit ca. 2,5 x 2,5 Meter), nachgefragt mein Bruder ist ca. 2 Meter vor mir gesessen, nachgefragt ich habe die Haare zusammengekehrt, nachgefragt alle Kundschaften waren schon weg, nachgefragt ich habe mit der Schaufel am Boden die Haare weggekehrt, nachgefragt, die Leute sind ganz überraschend gekommen, ich habe sie nicht gesehen, mein Bruder wurde getroffen und ich lief weg, nachgefragt ich habe nicht gesehen wieviele Leute es waren, nachgefragt ich habe die Schaufel und Haare auf den Boden geworfen, als ich die Schüsse hörte, nachgefragt ich lag auf dem Boden und bin gleich weggelaufen, nachgefragt ich bin nach 4 Schüssen weggelaufen, nachgefragt ich habe gesehen, dass mein Bruder stark blutete, nachgefragt die Eingangstür war offen, nachgefragt ich habe aber keinen Schützen gesehen, nachgefragt ich habe auch nicht gehört, dass ein Angreifer etwas gesagt hätte, nachgefragt mein Bruder fiel seitlich auf den Boden, als ihn der Schuss traf, nachgefragt das passierte so schnell ich habe Blut gesehen und lief weg, nachgefragt, ja mein Bruder hat geschrien, nachgefragt er hat geschrien "Gott vergib mir" (Anm.: ein Ausruf, wenn man etwas schweres sieht oder wenn man das Gefühl hat, dass man sterben wird.), nachgefragt ich wurde von den Leuten nicht erschossen, weil ich auf dem Boden gesessen bin, nachgefragt sie haben vorgehabt uns beide zu töten, nachgefragt ich bin so schnell bei der Hintertür geflüchtet, ich kann nicht genauer erklären, warum ich nicht erschossen wurde, ich habe Glück einfach gehabt, Nachgefragt ich habe nicht bemerkt, dass mir jemand gefolgt wäre, nachgefragt, es hat auch niemand mehr nachgeschossen, nachgefragt beim Weglaufen habe ich keine Schüsse mehr gehört. Nachgefragt ich bin bis nach Hause durchgelaufen, nachgefragt ich schätze es war ca. 7 Minuten, nachgefragt das Geschäft ist vom Haus weit weg, nachgefragt ich kann es nicht schätzen, nachgefragt es ist ca. 15 Minuten Fußweg, wenn man normal geht. Nachgefragt die Straße war leer, als es passierte, alle Leute schlafen zu dieser Zeit, nachgefragt mein Bruder und ich konnten nicht schlafen, weil wir ein Geschäft hatten, wir mussten arbeiten, nachgefragt ich muss immer warten, ob vielleicht doch Leute ins Geschäft kommen, es kann sein, dass nicht alle Leute schlafen am Nachmittag.
V: Es ist nicht nachvollziehbar, dass Sie und Ihr Bruder mit Schusswaffen getötet werden sollten, und dabei Sie in der geschilderten Situation in dem kleinen Raum, unverletzt bleiben, während Ihr Bruder erschossen wird, und Ihnen auch niemand gefolgt wäre?
A: Es ist so abgelaufen wie ich gesagt habe. Ich habe die Wahrheit gesagt.
V: Ihre Schilderungen sind für den Referenten auch aufgrund Ihres Ausdrucks und Ihrer emotionalen Haltung in der Erzählung unglaubwürdig, es erweckt den Eindruck, dass Sie die Geschichte für die Asylantragstellung zusammengestellt haben. Was sagen Sie dazu?
A: Was heißt das, Sie glauben mir nicht, ich habe das so erlebt, wenn ich das Problem nicht erlebt hätte, wäre ich in Somalia geblieben bei meiner Mutter.
(...)"
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2017, Zl. 1111803307-160542024, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchteil IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer somalischer Staatsbürger, muslimischen Glaubens sei, seine Identität habe nicht festgestellt werden können. Ebenso nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer am lebensbedrohlichen, behandlungsbedürftigen Krankheiten leide. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Somalia einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer Somalia einer ethnischen Verfolgung unterliege.
3. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Tumaal ein Leben lang diskriminiert und schikaniert worden sei von den Hawiye. Es drohe ihm Rache, weil in der Vergangenheit wegen seines Vaters ein Hawiye-Mitglied umgekommen sei. Es sei ein Mordattentat verübt worden, dabei sei sein Bruder tödlich getroffen worden. Das BFA habe festgestellt, dass das Vorbringen unglaubhaft sei. Dies sei nicht nachvollziehbar. Die beweiswürdigenden Ausführungen seien nicht geeignet die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens zu begründen. Bei hinreichender Ermittlungstätigkeit, richtiger Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung hätte das BFA dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft aus ethnischen Gründen und der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie zuerkennen müssen. In Ansehung der Dürre und der damit zusammenhängenden katastrophalen Versorgungslage hätte subsidiärer Schutz zuerkannt werden müssen. Aus diesem Grund habe zwischenzeitlich auch die Mutter des Beschwerdeführers Halgan verlassen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer bereits deshalb nicht offen, da gerade die schlechte Versorgungssituation auch den Norden des Landes treffe. Aufgrund der dargestellten Situation sei jedenfalls auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich zu der von der Dürre und ihren Folgen betroffenen nicht vermögenden Bevölkerungsgruppe.
4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 17.10.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Vertreter, einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde insbesondere zu seinem Fluchtvorbringen, seiner Herkunft, der Lage in Somalia und zu seiner Integration befragt und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt alle seine Gründe für die Ausreise aus Somalia sowie seine Rückkehrbefürchtungen darzulegen.
Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend weitere aktuelle Länderberichte zur Herkunftsregion und zu Minderheitenclans in Somalia und der humanitären Lage in Somalia zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
In der am 02.11.2018 eingelangten Stellungnahme wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, der Beschwerdeführer habe glaubhaft in der Verhandlung dargelegt, dass ihm aufgrund der Zugehörigkeit zum Minderheitenclan der Tumaal im Falle einer Rückkehr nach Somalia asylrelevante Verfolgung durch Mitglieder des Hawiye Clans drohe. Dem Beschwerdeführer drohe im Falle seiner Rückkehr in Somalia im schlimmsten Fall die Ermordung durch Mitglieder des Hawiye-Clans, denen bereites der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers zum Opfer gefallen seien. Der somalische Staat sei nicht in der Lage, dem Beschwerdeführer ausreichend Schutz vor der Verfolgung durch die Mitglieder des Hawiye-Clans zu bieten. Die Sicherheitslage sei landesweit volatil. Dem Beschwerdeführer sei jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren, da er als Angehöriger eines Minderheitenclans besonders von der äußerst prekären Versorgungslage betroffen sei. Er habe zu seiner Mutter seit April 2017 keinen Kontakt mehr, da diese aufgrund der Hungersnot höchstwahrscheinlich Somalia verlassen ahbe. Der Beschwerdeführer könne im Fall der Rückkehr ohne Kernfamilie nicht den notdürftigsten Lebensunterhalt erwirtschaften und würde binnen kürzester Zeit in eine humanitäre Notlage geraten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm mangels familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte nicht zur Verfügung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia, stammt aus Halgan in der Region Hiiran und hat dort bis zur Ausreise gelebt. Er stellte nach Umgehung der Grenzkontrollen im österreichischen Bundesgebiet am 15.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Er gehört dem Clan der Tumaal - XXXX an. Seine Identität konnte nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist sunnitischer Moslem. Die angegebene örtliche Herkunft und seine Schulbildung erscheinen glaubhaft. Er besuchte in Somalia vier Jahre lang die Schule und hat ab 2008 seiner Mutter bei ihrer Arbeit als Gemüseverkäuferin geholfen und als Friseur gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht die somalische Sprache auf muttersprachlichem Niveau.
Er gibt nachvollziehbar an, keinerlei Kontakte mehr mit seiner Familie oder Freunden in Somalia zu haben und auch nicht zu wissen, wo sich diese derzeit aufhalten. Der Beschwerdeführer verfügt in Somalia über kein Eigentum und hat auch keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in Somalia.
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
Es kann weder festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers von Angehörigen des Hawiye-Clans bedroht worden sei, dass dieser sein Grundstück hergebe und als der Beschwerdeführer drei jahre alt gewesen sei, sei der Vater ermordet worden von Hawiye-Männern. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder in deren Friseurladen im Oktober 2015 angegriffen hätten und dabei der Bruder ums Leben bekommen sei. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Somalia eine konkrete und individuelle Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt droht.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Somalia droht.
Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Rückkehr nach Somalia dort Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität droht.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und gesund.
Zu Somalia wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
Zur maßgeblichen Situation in Somalia betreffend die Minderheit der Tumal:
1. Auf den Seiten 23 bis 24 eines im Dezember 2010 veröffentlichten Berichts des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) und der BAA-Staatendokumentation (seit 1. Jänner 2014 BFA-Staatendokumentation) zu den berufsständischen Kasten in Somalia findet sich ein detaillierter Überblick zu den Tumal:
"Eine der am häufigsten genannte Gruppe der Waable bilden die Tumaal (auch: Tumal, Tomal). Schon ihr Name weist auf eine enge Verbindung zum Berufsstand der Schmiede hin. Sie fertigen traditionellerweise Pfeilspitzen, Lanzen, Messer, Schwerter, Hacken, Pflüge und Nadeln, betätigen sich jedoch auch als Feinschmiede in der Verarbeitung von Gold und Silber zu Schmuckstücken, Schutzamuletten und Talismanen. Hinzu kommt eine Evolution, die innerhalb der vergangenen Jahrzehnte stattgefunden hat, und den gemeinen Schmied auch zum Schweißer oder Mechaniker gemacht hat, der nunmehr Wassertanks herstellt oder Reparaturen durchführt. Schließlich betätigen sich Tumaal auch in anderen Berufsfeldern, etwa in der Lederverarbeitung oder als Händler. Über die Herkunft der Tumaal existieren unterschiedliche Angaben. Zum einen sehen sie sich als Abkommen des ‚noblen' Clans der Ajuraan, zum anderen verorten sie ihren Ursprung in der Mischehe eines ‚noblen' Somali und einer Midgaan-Frau, während dritte von der Verstoßung eines Vorfahren aufgrund des Bruchs religiöser Vorschriften sprechen. Diese unterschiedlichen Auslegungen und die weit weniger ausgeprägte Verfolgung patrilinearer Herkunft lässt die Tumaal im somalischen Gesellschaftssystem bereits als minderwertig erscheinen. Die Ausübung eines ‚unedlen' bzw. ‚unreinen' Berufes komplettiert die negative Außenwahrnehmung. Schätzungen gehen davon aus, dass nicht ganz ein Viertel aller Waable von den Tumaal gestellt werden. Eine genaue Unterteilung ist aufgrund spärlicher Informationen kaum möglich. Sie dürften in Nordwestsomalia den Clan der Cusman (Osman) bilden. Weitere potentielle Clans der Tumaal sind Oisse Adde, Cumar, Warabeeye, Galgalo, Reer Cumbuure und Reer Iidle. Bei aller Einheitlichkeit, welche der berufsbezeichnende Name vermuten ließe, wird das Verlangen nach Homogenität enttäuscht: es existieren einerseits weitere Namen für die Tumaal (etwa Geymala, Angalay, Gacansibir, etc.) und andererseits wird der Beruf des Schmiedes auch von anderen Minderheitengruppen ausgeübt (etwa den Musa Dheryo bei den Rahanweyn)." (ÖIF & BAA-SD, Mag. Andreas Tiwald, Dezember 2010, S. 23-24)
Ein von ACCORD im Dezember 2009 veröffentlichter Bericht zu Clans in Somalia (basierend auf einem Vortrag von Dr. Joakim Gundel) erwähnt Folgendes zu den Tumal:
"Zu den Gabooye/Midgan gehören unter anderem die Gruppen Madhibaan, Muuse Dhariyo, Howleh, Hawraar Same und Habar Yaquup. Im Norden setzen sich die Gobooye aus den Tumaal (Schmiede), Midgan (Schuster, Jäger und Sammler, Giftmacher und Haarschneider) sowie den Yibir [...] zusammen." (ACCORD, 15. Dezember 2009, S. 17)
Die Norwegian Organisation for Asylum Seekers (NOAS), eine NGO, die sich für die Interessen von AsylwerberInnen in Norwegen einsetzt, erwähnt in einem Bericht zu einer Fact-Finding-Mission vom April 2014, mehrere Quellen hätten angegeben, dass unter anderem die Tumal zu den besonders gefährdeten Minderheiten ("particularly vulnerable minorities") in Somalia zählen würden:
"Several sources stated that particularly vulnerable minorities in Somalia include Midgan/Gaboye, Bantu, Tumal, Reer Hama, Ashraf and Yibir. VOSOMWO [Voices of Somaliland Minority Women Organisation] added Bajuni, Eyle, and Tunni, and INGO (G) also included Madhiban."
(NOAS, April 2014, S. 46)
Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht vom Juni 2015 (Berichtzeitraum: 2014), dass unter anderem die Tumal zu den Minderheitengruppen des Landes zählen würden. Da Minderheitengruppen meist über keine bewaffneten Milizen verfügen würden, seien sie überproportional von Tötungen, Folter, Vergewaltigungen, Entführungen und Plünderungen durch Milizen und Mitglieder von Mehrheitsclans betroffen. Viele Minderheitengemeinden würden weiterhin in bitterer Armut leben und seien zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt:
"Minority group clans included the Bantu (the largest minority group), Benadiri, Rer Hamar, Brawanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub, and Gabooye. Custom restricted intermarriage between minority groups and mainstream clans. Minority groups, often lacking armed militias, continued to be disproportionately subjected to killings, torture, rape, kidnapping for ransom, and looting of land and property with impunity by faction militias and majority clan members. Many minority communities continued to live in deep poverty and to suffer from numerous forms of discrimination and exclusion." (USDOS, 25. Juni 2015, Section 6)
In einem Bericht der Weltbank von 2014 wird erwähnt, dass Minderheitengruppen während Konflikten zum Ziel von dominierenden Clans geworden seien und in der Folge oftmals Vermögen, darunter Land, verloren hätten. Zu diesen Minderheitengruppen würden unter anderem die Tumal zählen:
"Minority groups have been targeted by dominant clans during conflict, and, as a result, they have frequently lost assets, including land. These minorities include: the Bantu, Eyle, Galgala, Tumal, Yibir, Gaboye, Bajuni, Benadiri and Bravanese (see below under economic factors, land grabbing of rich agricultural land in the Middle and Lower Jubba). Consequently, a majority of IDPs are from minority clans." (Weltbank, 2014, S. 12-13)
Die Minority Rights Group International (MRG), eine in Großbritannien ansässige internationale Menschenrechtsorganisation, die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, erwähnt in einem Bericht vom Jänner 2015, dass die Minderheiten der berufsständischen Kasten, zu denen unter anderem die Tumal zählen würden, bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert von anderen Clans als Aussätzige betrachtet worden seien, was zu deren Segregation geführt habe, obwohl ihre Sprache, ihr physisches Aussehen und ihre Bräuche großteils die gleichen gewesen seien. Diese Stigmatisierung sei teilweise auch in einem unbegründeten Mythos verwurzelt, dem zufolge diese Gruppen unreine Nahrungsmittel konsumieren würden:
"The occupational minorities in Somalia, consisting of Gaboye, Tumal and Yibir, include weavers, potters, smiths, hunters, tanners, and others, with each group having its own name: for example, Tumal derive their name from the Somali word tum , meaning 'to beat' or 'to hammer'. As far back at the early 1900s, the occupational minorities were considered as outcasts by other clans, resulting in their segregation, even though their language, physical appearance and customs were largely the same. This stigmatization is also partly rooted in a groundless myth that associates these groups with the consumption of unclean food." (MRG, 29. Jänner 2015, S. 10)
Die MRG schreibt in ihrem Jahresbericht vom Juli 2015, dass unter anderem die Tumal zu den verletzlichen Gruppen unter den berufsständischen Minderheiten zählen würden. Obwohl die Minderheitengruppen schätzungsweise zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Bevölkerung in Süd- und Zentralsomalia ausmachen würden, gestehe die "4,5-Formel zur Machtteilung" den vier größten Clans den gleichen Anteil hinsichtlich politischer Vertretung zu, dem Rest der somalischen Bevölkerung jedoch nur einen halben Teil. Der begrenzte Einfluss der zentralen Behörden in vielen Gebieten werte die Wichtigkeit von clanbasierten Sicherheits- und Herrschaftsstrukturen auf. Diese würden auf "Xeer" basieren, einem komplexen System traditionellen Gewohnheitsrechts, zu dem viele Minderheitengruppen jedoch keinen Zugang hätten:
"With increasing instability inside Somalia, minority groups such as Bantu and Banadiri continue to face vulnerability and exclusion. Other vulnerable groups include occupational minorities or clans that are associated with specific trades, such as Gaboye, Tumal and Yibrow, who work as blacksmiths, carpenters, tanners, barbers and in other trades. The importance of the clan governance system in the different regions of Somalia is reflected in lower levels of political representation. In South- Central Somalia, for example, though minorities are estimated to make up anything between a fifth and a third of the total Somali population, the parliament's 4.5 power-sharing formula provides equal political representation to the four major clans while leaving only a half share for the rest of the Somali population. However, the limited reach of central authorities in many areas enhances the importance of clan-based security structures and governance through xeer, the complex system of traditional customary law from which many minority groups are sidelined." (MRG, 2. Juli 2015, S. 80-81)
Die Ausgrenzung von der dominanten Clanstruktur oder die Mitgliedschaft in einem schwächeren Clan bedeute laut MRG, dass Minderheitengruppen verletzlicher hinsichtlich der Wegnahme von Eigentum, physischen Übergriffen, Tötungen und allgemeiner Diskriminierung seien:
"This exclusion from the dominant clan structure, or membership in a weaker clan, leaves minority groups more vulnerable to property-grabbing, physical attacks, killings and general discrimination."(MRG, 2. Juli 2015, S. 80-81)
Insbesondere Minderheitengruppen hätten auch in Lagern für Binnenvertriebene oftmals keinen Zugang zu grundlegenden Diensten wie Wasser, Nahrungsmittel und Gesundheitsversorgung, so MRG weiter. In städtischen Gebieten könne die "Clanpolitik" besonders intensiv sein, da dominante Gruppen die örtlichen politischen Strukturen monopolisieren würden:
"The clan networks dominating residential patterns in Mogadishu also extend to the displaced people's settlements around the city. Accordingly, those who fall outside the clan structures, specifically minority groups, often cannot access basic services provided for displaced people in the camps, such as water, food and health care. Clan politics in urban areas can be especially intense as dominant groups monopolize local political structures. In Mogadishu, for instance, municipal government positions are occupied almost exclusively by Hawiye. The common perception among clan members that Mogadishu and surrounding areas, as territory traditionally inhabited by Hawiye, belong solely to their clan has left them reluctant to share land and other resources with other communities, despite the fact that, as the capital, it now accommodates a wide variety of groups." (MRG, 2. Juli 2015, S. 80-81)
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 3. Februar 2016)
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Clans in Somalia - Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15. Mai 2009 (überarbeitete Neuausgabe), 15. Dezember 2009 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf
· MRG - Minority Rights Group International: Looma Ooyaan - No One Cries for Them: The Predicament Facing Somalia's Minority Women, 29. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1422888544_mrg-report-somalia-jan2015.pdf
· MRG - Minority Rights Group International: State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2015, 2. Juli 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1440493883_8-mrg-state-of-the-worldsminorities-2015-africa.pdf
· NOAS - Norwegian Organisation for Asylum Seekers: Persecution and Protection in Somalia, April 2014
http://www.noas.no/wp-content/uploads/2014/04/Somalia_web.pdf
· ÖIF & BAA-SD, Mag. Andreas Tiwald: Die Parias Somalias: Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung - ÖIF-Länderinfo no 8, Dezember 2010 (veröffentlicht von ÖIF, verfügbar auf ecoi.net)
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· USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2014 - Somalia, 25. Juni 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/306286/429668_en.html
· Weltbank: Analysis of Displacement in Somalia, 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
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2. Ein von ACCORD im Dezember 2009 veröffentlichter Bericht zu Clans in Somalia (basierend auf einem Vortrag von Dr. Joakim Gundel) geht folgendermaßen auf die Obergruppe der sab ein, zu denen auch die die Midgan/Gabooye gehören würden:
"Traditionell stellen die sab Leibeigene der nomadisch-viehzüchtenden Clangruppen dar, die nur über einen abbaan (einen somalischen Schirmherrn) Beziehungen zu Somali unterhalten können. Intern können die sab segmentäre Lineage-Systeme nach somalischem Muster haben. Mischehen zwischen diesen Minderheitengruppen bzw. -untergruppen und den ‚noblen' nomadischen Clans sind weder erlaubt, noch werden diese akzeptiert. Die sab haben traditionell weder das Recht auf Eigentum an Land und Vieh noch das Recht, sich an lokalen Geschäften, Marktwirtschaft oder Politik zu beteiligen. Die sab besitzen und praktizieren verschiedene, allgemein verachtete, berufliche Fertigkeiten und werden daher häufig auf Basis ihrer beruflichen Funktion identifiziert. Das einzige den sab zur Verfügung stehende Mittel, sich der Vorherrschaft der somalischen Nomaden zu widersetzen, besteht darin, dass sie ihre beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse geheim halten, da dies - beispielsweise in Belangen des Hausbaus und der Durchführung diverser handwerklicher Tätigkeiten - zu einer Abhängigkeit der Nomaden von den sab führt. Die sab sprechen eine eigene Sprache, die heutzutage jedoch im Verschwinden begriffen ist." (ACCORD, 15. Dezember 2009, S. 16)
"Folgende Gruppen zählen zu den sab:
Gabooye / Midgan
Zu den Gabooye/Midgan gehören unter anderem die Gruppen Madhibaan, Muuse Dhariyo, Howleh, Hawraar Same und Habar Yaquup. Im Norden setzen sich die Gobooye aus den Tumaal (Schmiede), Midgan (Schuster, Jäger und Sammler, Giftmacher und Haarschneider) sowie den Yibir (Details siehe unten) zusammen." (ACCORD, 15. Dezember 2009, S. 17)
Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum: 2013), dass unter anderem die Madhiban und Gabooye zu den Minderheitengruppen zählen würden. Mischehen zwischen Minderheitengruppen und Hauptclans seien traditionell nur eingeschränkt möglich. Minderheitengruppen, die oft über keine bewaffneten Milizen verfügen würden, seien unverhältnismäßig oft von Tötung, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Plünderung durch Milizen und Angehörige von Hauptclans betroffen, die von diesen ungestraft verübt würden. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein:
"Minority group clans included the Bantu (the largest minority group), Benadiri, Rer Hamar, Brawanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub, and Gabooye. Custom restricted intermarriage between minority groups and mainstream clans. Minority groups, often lacking armed militias, continued to be disproportionately subjected to killings, torture, rape, kidnapping for ransom, and looting of land and property with impunity by faction militias and majority clan members. Many minority communities continued to live in deep poverty and to suffer from numerous forms of discrimination and exclusion." (USDOS, 27. Februar 2014, Section 6)
Die Minority Rights Group International (MRG), die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, erwähnt in einem Bericht vom Jänner 2015, dass eine von der Organisation interviewte Person angegeben habe, dass sich die gesellschaftliche Integration und Inklusion von Angehörigen der Gaboye in Somaliland im Vergleich zu ihrer Lage früher gebessert habe. 25 weitere interviewte Personen hätten jedoch angegeben, dass es weiterhin Ungleichheiten gebe und es zu Diskriminierung komme. Eine Organisation hätte beispielsweise angegeben, dass von insgesamt bis zu 10.000 Gaboye in Hargeisa nur zwischen 30 und 40 Angehörige der Gaboye an einer Universität studieren würden oder studiert hätten:
"While one interview respondent stated that Gaboye people in Somaliland have experienced improved social integration and inclusion compared to their situation before, 25 others have reported that inequalities and discrimination are still apparent. For example, one Somali organization has estimated that only between 30 and 40 Gaboye - out of as many as 10,000 in Hargeisa - are studying or have studied at university." (MRG, 29. Jänner 2015, S. 10)
Ein Bericht des UNO-Menschenrechtsrats (UN Human Rights Council, HRC) vom Februar 2011 zitiert einen unabhängigen Experten, dem zufolge es weiterhin zu Diskriminierung von und Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheitengruppen wie unter anderem die Midgan (Gaboye) komme:
"The independent expert stated that discrimination and abuses against minorities and vulnerable groups continued unabated. Somali minorities such as the Benadir/Rer Hamar, Midgan (Gadoye) and Tomal, in particular the African Bantu/Jarir population, who had been traditionally discriminated against in Somali society, continued to face abuses and human rights violations." (HRC, 21. Februar 2011, S. 11)
Eine örtliche NGO habe laut einem Bericht des Danish Immigration Service vom Jänner 2013 in Mogadischu angegeben, marginalisierte Gruppen wie etwa die Midgan hätten größere Ängste als Angehörige der größeren Clans. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Polizei und die Sicherheitskräfte bislang "schwache Einrichtungen" seien:
"Regarding clan protection a local NGO in Mogadishu (A) stated that the unarmed marginalized groups have more fears than people belonging to the major clans and this will continue as long as the police and security forces are weak institutions. The marginalized groups in this context are the caste groups, i.e. the Midgan, Tumal, Benadiris and Jareer. The NGO also mentioned the Arabs still residing in the city as being part of the marginalized groups."
(DIS, Jänner 2013, S. 51)
Die MRG berichtet im Juni 2012, dass Minderheitengruppen, wie etwa die Gaboye und Madhiban, zu Tausenden in Binnenvertriebenenlager in Somaliland, Puntland und Kenia ziehen würden, wo sie erneut von Diskriminierung betroffen seien. Minderheitengruppen würden außerhalb der traditionellen somalischen Clanstruktur stehen und deshalb über kein Schutzsystem verfügen. Aufgrund sozialer Segregation, Existenznot und politischer Manipulation seien Minderheitengruppen in größerem Ausmaß von Vergewaltigung, Angriffen, Entführung, Beschlagnahmung von Eigentum und den Konsequenzen von Dürre bedroht:
"Although it is difficult to find statistics on how different ethnic groups have been affected by the conflict, Somalia has repeatedly topped MRG's 'Peoples Under Threat' ranking, which rates countries according to where civilian populations are most at risk. Minority groups are estimated to constitute one-third of the total Somalian population of approximately 3 million people, according to MRG's research. They include Bantu, who are the largest minority, occupational groups (comprising the Gaboye, Madhiban and Musse Deriyo), Benadiri and religious minorities. All these minority groups are diminishing in size, as thousands move to IDP camps in Somaliland and Puntland and refugee camps in Kenya, where they face renewed discrimination MRG research has shown that minority communities in Somalia fall outside the traditional clan structure of the majority and also therefore the protection afforded by such systems. Because of social segregation, economic deprivation and political manipulation, minorities are more vulnerable to rape, attack, abduction, property seizure and the consequences of drought." (MRG, 28. Juni 2012, S. 69)
Laut einem weiteren Bericht der MRG vom November 2010 hätten Minderheiten in Fällen von Rechtsverletzungen oder Anschuldigungen gegen sie nur eingeschränkt Zugang zur Justiz:
"The clan structure of the majorities continues to exclude minorities from significant political participation and employment; limits their access to justice where abuse has been perpetrated against them or they stand accused of a crime; denies them their rights to development, education and sustainable livelihoods; and prevents and punishes inter-marriage with members of majority groups." (MRG, 23. November 2010, S. 3)
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 12. Juni 2015)
· Abby, Abdi: Field Research Project on Minorities in Somalia, Oktober 2005
http://www.oxfordhouse.org.uk/download/Minorities_report.PDF
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Clans in Somalia - Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15. Mai 2009 (überarbeitete Neuausgabe), 15. Dezember 2009 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf
· DIS - Danish Immigration Service: Update on security and human rights issues in South-Central Somalia, including in Mogadishu; Joint report from the Danish Immigration Service's and the Norwegian Landinfo's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia; 17 to 28 October 2012, Jänner 2013
http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/68C10A22-BFFC-4BD6-899D-60FB6B0F7AC5/0/FFMSomalia2013Final.pdf
· HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights): Compilation prepared by the Office of the High Commissioner for Human Rights in accordance with paragraph 15 (b) of the annex to Human Rights Council resolution 5/1; Somalia [A/HRC/WG.6/11/SOM/2], 21. Februar 2011 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1314297449_g1110950.pdf
· IRB - Immigration and Refugee Board of Canada: Somalia: The Gabooye (Midgan) people, including the location of their traditional homeland, affiliated clans, and risks they face from other clans [SOM104239.E], 4. Dezember 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/233725/342466_en.html
· MRG - Minority Rights Group International: State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2012, 28. Juni 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1343132118_africa.pdf
· MRG - Minority Rights Group International: Looma Ooyaan - No One Cries for Them: The Predicament Facing Somalia's Minority Women, 29. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1422888544_mrg-report-somalia-jan2015.pdf
· MRG - Minority Rights Group International: No redress: Somalia's forgotten minorities, 23. November 2010
http://www.minorityrights.org/download.php?id=912
· NOAS - Norwegian Organisation for Asylum Seekers: Persecution and Protection in Somalia, April 2014
http://www.noas.no/wp-content/uploads/2014/04/Somalia_web.pdf
· ÖIF& BAA-SD, Mag. Andreas Tiwald: Die Parias Somalias: Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung - ÖIF-Länderinfo no 8, Dezember 2010
http://www.integrationsfonds.at/fileadmin/Integrationsfond/5_wissen/Länderinfos/Länderinfo_n8_Somalia.pdf
· USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013 - Somalia, 27. Februar 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/270777/399508_de.html
Passage zu Blutrache aus dem Bericht Focus Clans und Minderheiten, 31.05.2017
4.2.3. Verpflichtung zum Beitrag zu Kompensationszahlungen (Mag/Diya)
Im somalischen Kulturraum ist es auch heute üblich, Mag zu bezahlen. Das Zahlen und Empfangen von Mag/Diya ist eine der wichtigsten Aufgaben des Jilib. Im Falle der Nicht-Zahlung von Mag/Diya ist mit Konsequenzen - bis hin zur Blutrache - seitens des betroffe-nen Clans zu rechnen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kom-pensationen üblicherweise auch ausbezahlt. Begünstigt wird dieser Umstand durch die Tat-sache, dass es auf dem Territorium der Bundesrepublik Somalia bis heute keine vollständig funktionierende Rechtsstaatlichkeit gibt.219
Der fällige Betrag wird traditionell in Kamelen angegeben, aber in einen Geldbetrag umge-rechnet bezahlt.220 Im engeren Sinn steht Mag für die Kompensationszahlung bei einem Mord - meist ungefähr 100 Kamele.221 In einer moderneren Version hat ein Gesprächs-partner der Fact-Finding Mission in einem Beispiel die Zahlung von 1 Million Kenya-Shilling als Kompensation für einen Verkehrstoten genannt.222 Manchmal kommt es zum Zusam-menspiel von staatlicher und traditioneller Justiz: "There was a case of murder on a pharma-cist who had taken the wife of another guy. He just entered the pharmacy and killed him in front of everybody. He was then taken into prison, but more for custody. Then the clans can negotiate the payment, and once this is done, he will be released. "223
manotat Somalia: Sikkerhet og beskyttelse i Mogadishu. 12.06.2013. S. 11. http://landinfo.no/asset/2417/1/2417_1.pdf (18.05.2017).
216 Lifos (Migrationsverket), Norrköping. Government and Clan system in Somalia. Report from Fact Finding Mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Hargeisa and Boosaaso in Somalia in June 2012. 05.03.2013. S. 20.
http://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=29575 (18.05.2017) / Landin-fo/Udlændingsstyrelsen, Oslo/Kopenhagen. Security and human rights issues in South-Central Somalia, in-cluding Mogadishu. April 2012. S. 73-74, 76.
http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/68C10A22-BFFC-4BD6-899D-60FB6B0F7AC5/0/FFMSomalia2013Final.pdf (18.05.2017).
217 Landinfo/Udlændingsstyrelsen, Oslo/Kopenhagen. Update on security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu. Januar 2013. S. 50.
http://landinfo.no/asset/2319/1/2319_1.pdf (18.05.2017).
218 Landinfo/Udlændingsstyrelsen, Oslo/Kopenhagen. Update on security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu. January 2013. S. 50-51.
http://landinfo.no/asset/2319/1/2319_1.pdf (18.05.2017).
219 Vertreter einer in Somalia tätigen internationalen NGO, Hargeysa. Gespräch im April 2017 / Gundel, Joakim, Nairobi. The predicament of the 'Oday'. The role of traditional structures in security, rights, law and develop-ment in Somalia. November 2006. S.
20.
http://logcluster.org/sites/default/files/documents/Gundel_The%2520 role%2520of%2520traditional%2520structures.pdf (18.05.2017).
220 Lewis, Ioan M., Oxford. A Pastoral Democracy: A Study of Pastoralism and Politics Among the Northern So-mali of the Horn of Africa. 1999. S. 4 / Gundel, Joakim, Nairobi. The predicament of the 'Oday'. The role of traditional structures in security, rights, law and development in Somalia. November 2006. S. 6, 20. http://logcluster.org/sites/default/files/documents/Gundel_The%2520role%2520of%2520traditional%2520structures.pdf (18.05.2017).
221 Lokaler NGO-Mitarbeiter (2), Hargeysa. Gespräch im April 2017 / Somalische Mitarbeiter einer internationalen NGO, Addis Abeba. Gespräch im April 2017 / Gundel, Joakim, Nairobi. The predicament of the 'Oday'. The role of traditional structures in security, rights, law and development in Somalia. November 2006. S. 20. http://logcluster.org/sites/default/files/documents/Gundel_The%2520role%2520of%2520traditional%2520structures.pdf (18.05.2017).
222 Somalische Mitarbeiter einer internationalen NGO, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.
223 Internationale Organisation, Hargeysa. Gespräch im April 2017
224 Lokaler NGO-Mitarbeiter (2), Hargeysa. Gespräch im April 2017.
2. Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2