TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/20 L517 2198185-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2019
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Entscheidungsdatum

20.02.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L517 2198185-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX, vom 24.01.2018, OB:

XXXX, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1 und 2, § 42 Abs 1 und 2, § 43 Abs 1, § 45 Abs 1 bis 3, § 54 Abs 12, § 55 Abs 4, § 55 Abs 5 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF stattgegeben und festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H. beträgt. Der Behindertenpass ist bis 31.03.2021 befristet.

B) Die Beschwerde wird hinsichtlich der beantragten Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, iVm § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, als unbegründet abgewiesen und aufgrund des ermittelten Sachverhaltes festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG nicht vorliegen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

13.11.2017 - Antrag der beschwerdeführenden Partei (bP) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (belangte Behörde bzw. bB) auf Ausstellung eines Behindertenpasses, Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass und Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO (Parkausweis)

14.01.2018 - Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, GdB 40 v.H., Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

24.01.2018 - Bescheid der bB, Abweisung des Antrages der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses, GdB 40 v.H.

22.02.2018 - Beschwerde der bP

27.03.2018 - Erstellung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, GdB 40 v.H.

25.04.2018 - Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, GdB 40 v.H.

05.05.2018 - Gesamtbeurteilung, Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H., NU 03/2021, Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

09.05.2018 - Parteiengehör

24.05.2018 - Stellungnahme der bP

13.06.2018 - Beschwerdevorlage am Bundesverwaltungsgericht

11.01.2019 - Ersuchen um Gutachtensergänzung

16.01.2019 - Gutachtensergänzung

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP ist österreichische Staatsangehörige, an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft und war im Besitz eines bis 30.11.2016 befristeten Behindertenpasses mit einem GdB von 70% mit den Zusatzeintragungen "D3" und "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel", sowie eines Ausweises gem. § 29b StVO.

Am 13.11.2017 stellte die bP einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass und Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO (Parkausweis).

Das daraufhin im Auftrag der bB am 14.01.2018 nach der Einschätzungsverordnung erstellte Gutachten eines Allgemeinmediziners weist nachfolgendes Ergebnis der durchgeführten Begutachtung auf:

"1 Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren Grades

degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

bestehende Bewegungseinschränkung-Schmerzen-Einstufung 30%

Pos.Nr. 02.01.02 GdB 30%

2 Kniegelenk - Funktionseinschränkung mittleren Grades einseitig

degenerative Veränderungen der Kniegelenke

Aufgrund der subjektiven belastungsabhängigen Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkungen wird eine Einstufung von 30% vorgenommen.

Pos.Nr. 02.05.20 GdB 30%

3 Hernien, Hernien - ein- oder beidseitig mit leichten bis mittleren Funktionseinschränkungen

Narbenhernie-Rezidiv

Derzeit bestehen keine ausgeprägten Komplikationen-keine Ileus-Erscheinungen

Pos.Nr. 07.08.01 GdB 20%

4 Depression

unter Medikation stabil, soziale Integration

Pos.Nr. 03.06.01 GdB 20%

5 Hypertonie, Leichte Hypertonie

mittels Monotherapie ist eine Normotonie erzielbar.

Pos.Nr. 05.01.01 GdB 10%

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Führendes Leiden ist Punkt 2 das durch die positive Wechselwirkung mit Punkt 1 um eine Stufe erhöht wird. Die weiteren Punkte 3 und 4 führen zu keiner weiteren Anhebung.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine zusätzlichen, da alle anderen einen zu geringen Krankheitswert haben

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

gleichbleibend

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

gleichbleibend, da weder in der radiologischen Untersuchungsserie noch die fachärztlichen internistischen und neurologischen Untersuchungen wesentliche körperliche Einschränkungen, welche die alltägliche Belastungen gravierend beeinträchtigen, festgestellt werden konnten.

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Das Ein- und Aussteigen und der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln seitens der körperlichen Leistungsfähigkeit ist möglich. Der übliche Niveauunterschied kann ohne Fremdhilfe bewältigt werden. Das selbständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke beträgt mehr als 300-400 Meter. Weiters ist die Benützung von Haltegriffen- und stangen möglich. Es konnte keine Einschränkung der Standhaftigkeit erhoben werden.

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

[X] Erkrankungen des Verdauungssystems GdB: 20 v.H."

Mit Bescheid der bB vom 24.01.2018 wurde der Antrag der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigenbeweises mit einem GdB von 40 v.H. abgewiesen.

Aufgrund der dagegen am 22.02.2018 erhobenen Beschwerde sowie der dabei vorgelegten psychologisch-psychotherapeutischen Stellungnahme einer Psychologin und Psychotherapeutin vom 12.02.2018 erfolgten im Auftrag der bB am 27.03.2018 die Erstellung eines psychiatrischen und am 25.04.2018 eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, sowie am 05.05.2018 die allgemeinmedizinische Gesamtbeurteilung.

Die Gesamtbeurteilung des Allgemeinmediziners weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:

"...

Zusammenfassung der Sachverständigengutachten

Psychiatrie Gutachten vom 27.03.2018

Allgemeinmedizin Gutachten vom 25.04.2018

Die genannten Gutachten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbeurteilung. Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs

Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes: 1 Rezidivierend depressive Störung - mittelgradig

Hauptsächlich infolge von verschiedenen Komplikationen nach Operationen - Entwicklung einer depressiven Symptomatik. Er ist nun fachärztlich in Kontrolle, in Psychotherapie und antidepressiv entsprechend eingestellt. Bisher nur mäßige Teilremission der Symptomatik.

Pos.Nr. 03.06.01 GdB 40%

2 degenerative Wirbelsäulenerkrankung

Einschätzung entsprechend der röntgenologische Veränderungen der Brustwirbelsäule, kein radikuläres Defizit Pos.Nr. 02.01.02 GdB 30%

3 geringe Gonarthrose beidseits

Einschätzung entsprechend dem entzündlichen Reizzustand rechts, verminderte Belastbarkeit Pos.Nr. 02.05.19 GdB 30%

4 Narbenhernien Rezidiv

Einschätzung vom Letztgutachten übernommen Pos.Nr. 01.01.02 GdB 20%

5 arterielle Hypertonie

Einschätzung vom Letztgutachten übernommen Pos.Nr. 05.01.01 GdB 10%

6 Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk geringe funktionelle Beeinträchtigung Pos.Nr. 02.06.01 GdB 10%

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das Leiden unter Nr.1 wird durch die Leiden unter Nr.2 und 3 um insgesamt eine Stufe auf einen Gesamtgrad der Behinderung von 50% gesteigert, da das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht verschlechtert wird. Die restlichen Leiden wirken aufgrund der geringen funktionellen Beeinträchtigung nicht steigernd.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Das Leiden unter Nr.4 des LGA wird aufgrund der fachärztlichen Einschätzung durch Dr. XXXX höher eingestuft

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Durch die höhere Einschätzung des psychischen Leidens wird auch der GdB erhöht.

[X] Nachuntersuchung 03/2021 - Nachuntersuchung von Dr. XXXX empfohlen, da eine Besserung des psychischen Leidens möglich ist.

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Das Leiden unter Nr.3 schränkt durch die belastungsabhängigen Schmerzen im rechten Kniegelenk die Mobilität ein; eine kurze Wegstrecke kann mit einer Pause aus eigener Kraft zurückgelegt werden; das Überwinden des Niveauunterschiedes beim Ein-und Aussteigen sowie der sichere Stand und Platzwechsel in einem öffentlichen Verkehrsmittel können selbstständig unter Benützung der Haltegriffe durchgeführt werden und sind nicht erheblich erschwert (am rechten Schultergelenk besteht eine nur geringe Bewegungseinschränkung durch mäßige degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette).

..."

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der bP mit Schreiben der bB vom 09.05.2018 zur Kenntnis gebracht. In ihrer Stellungnahme vom 24.05.2018 führte die bP aus, dass die ärztliche Bestätigung des Gemeindearztes vom 08.11.2017 außer Acht gelassen worden sei, sie höchstens 150 Meter gehen und 10 Minuten in einem ÖVM stehen könne und es ihr daher unmöglich sei, ein ÖVM zu benutzen. Laut ärztlicher Bestätigung leide der Patient an einem durch Schmerzmittel bedingten Schwächezustand, der ihm eine Wegstrecke von über 150m nicht ermögliche.

Dem Ersuchen seitens des BVwG um Gutachtensergänzung kam der allgemeinmedizinische Sachverständige mit Schreiben vom 16.01.2018 nach, worin er wie folgt Stellung nahm: "Bezüglich eines Schwächezustandes beim Gehen hat Hr. XXXX bei der Untersuchung nichts verlauten lassen; er müsse wegen eines brennenden Ziehens in den Waden nach ca. 150 Metern stehen bleiben. Bezüglich Schwächezustand durch Schmerzmittel, wie vom Gemeindearzt Dr. XXXX angegeben (Bestätigung von 11/2017): Bei der Einnahme von Noax wird im Beipacktext unter den seltenen Nebenwirkungen weniger als 1 von 1000 Behandelten) u.a. das mögliche Auftreten einer Muskelschwäche beschrieben. Bei Deflamat wird im Beipacktext unter den seltenen Nebenwirkungen (1-10 von 10.000 Behandelten) bei den Nebenwirkungen, die das Nervensystem betreffen, Müdigkeit beschrieben. Nachdem diese Nebenwirkungen nur selten auftreten können und Hr. XXXX selbst keine Schwäche als Ursache der Pause beim Gehen angegeben hat, gehe ich davon aus, dass seine Einwendung und auch die Bestätigung des Gemeindearztes keinen Einfluss auf meine Feststellung bezüglich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben."

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister bzw. den im Akt befindlichen sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)". Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg. Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, sind das psychiatrische und allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten, welche aufgrund der Beschwerde der bP eingeholt wurden, sowie die darauf fußende Gesamtbeurteilung und die Gutachtensergänzung, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen sie die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die eingeholten Sachverständigengutachten, die Gesamtbeurteilung - in Zusammenschau mit der Gutachtensergänzung - stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

In den Gutachten wurden alle relevanten von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.

In der angeführten Gesamtbeurteilung, sowie der Gutachtensergänzung, wurde vom allgemeinmedizinischen Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen, schlüssig und nachvollziehbar das Ergebnis der durchgeführten Begutachtung dargelegt und begründet, worin die gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten und damit einhergehend die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung bestehen. Im Vergleich zum Vorgutachten wird die Depression mit 40% höher und nun als führendes Leiden eingestuft. Die degenerative Wirbelsäulenerkrankung, eingeschätzt mit 30%, sowie die geringe Gonarthrose beidseits, ebenfalls mit einem GdB von 30%, steigern um eine Stufe auf 50%. Der Allgemeinmediziner führt begründend aus, dass das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht verschlechtert wird.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie bereits im Erstgutachten festgestellt, zumutbar, da das Leiden unter Nr.3 (geringe Gonarthrose beidseits) zwar durch die belastungsabhängigen Schmerzen im rechten Kniegelenk die Mobilität einschränkt, eine kurze Wegstrecke aber mit einer Pause aus eigener Kraft zurückgelegt werden kann, und sowohl das Überwinden des Niveauunterschiedes beim Ein-und Aussteigen sowie der sichere Stand und Platzwechsel in einem öffentlichen Verkehrsmittel selbstständig unter Benützung der Haltegriffe durchgeführt werden können und nicht erheblich erschwert sind, da am rechten Schultergelenk eine nur geringe Bewegungseinschränkung durch mäßige degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette besteht.

Die Stellungnahme der bP und die ärztliche Bestätigung, wonach die bP an einem durch Schmerzmittel bedingten Schwächezustand leide, der ihr eine Wegstrecke von über 150m nicht ermögliche, würdigend, führte der allgemeinmedizinische Sachverständige mit Schreiben vom 16.01.2018 aus, dass die bP bei der Untersuchung einen Schwächezustand beim Gehen, wonach sie wegen eines brennenden Ziehens in den Waden nach ca. 150 Metern stehen bleiben müsse, nicht erwähnt habe. Bezüglich des vom Gemeindearzt in der Bestätigung angegebenen Schwächezustandes durch Schmerzmittel, führt der Sachverständige aus, dass bei der Einnahme von Noax im Beipacktext unter den seltenen Nebenwirkungen u.a. das mögliche Auftreten einer Muskelschwäche beschrieben wird, bei Deflamat wird bei den Nebenwirkungen, die das Nervensystem betreffen, Müdigkeit beschrieben. Der Sachverständige geht, nachdem diese Nebenwirkungen nur selten auftreten können und die bP selbst keine Schwäche als Ursache der Pause beim Gehen angegeben hat, davon aus, dass deren Einwendung und auch die Bestätigung des Gemeindearztes keinen Einfluss auf ihre Feststellung bezüglich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben.

Nach der Rsp des VwGH (vgl. z.B. VwGH vom 11.07.2006, 2001/12/0194) kann ein mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten eines (Amts-)Sachverständigen in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten, somit auf gleicher fachlicher Ebene (durch Einholung eines Gutachtens eines Privatsachverständigen), bekämpft werden. Widersprüche zu den Erfahrungen des Lebens und zu den Denkgesetzen, sowie zu den von der sich erst herausbildenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes akzeptierten Bewertungen können aber auch ohne sachverständige Untermauerung aufgezeigt werden. Auch Hinweisen auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Gutachtens muss nachgegangen werden.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Die aufgrund der Beschwerde der bP eingeholten Sachverständigengutachten wurden der bP zur Kenntnis gebracht, und erfolgte aufgrund der Stellungnahme eine erneute Befassung des Allgemeinmediziners im Sinne einer Gutachtensergänzung. Es lag aufgrund der Erfüllung der an ein Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen durch die gegenständliche Gesamtbeurteilung im Zusammenschau mit der Gutachtensergänzung kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen abzugehen.

Die Sachverständigengutachten, die Gesamtbeurteilung sowie die Gutachtensergänzung wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

Laut diesen Gutachten besteht somit, in Abänderung zur Einschätzung des Erstgutachtens, ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. Der Behindertenpass ist bis 31.03.2021 befristet. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegen nicht vor.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

-

Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

-

Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.

Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 2 Abs 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a. VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).

Weiters wird in dem Gutachten auch festgestellt, dass die Behinderung iSd § 1 Abs 2 BBG mehr als 6 Monate gegeben sein wird.

Das Sachverständigengutachten wurde im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in der Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.

Die vom ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.

3.5. Soweit von der bP auch der nach § 29b StVO beantragte Parkausweis in Beschwerde gezogen wird, wird darauf hingewiesen, dass sich das BVwG in seinem Prüfungsumfang auf das - als Vorfrage zur Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO - zu klärende Vorliegen der Voraussetzungen der beantragten Zusatzeintragung zu beschränken und mangels Zuständigkeit keine Entscheidung über den noch offenen Antrag gem. § 29b StVO zu treffen hat (vgl. VwGH Erkenntnis vom 21.09.2018, Ro 2017/02/0019).

Das BVwG vertritt die Ansicht, dass die bB bescheidmäßig über die Abweisung des § 29b StVO Antrages abzusprechen gehabt hätte. Mangels bescheidmäßiger Erledigung durch die erste Instanz liegt keine meritorische Entscheidungsbefugnis des BVwG diesbezüglich vor und ist dieses unzuständig. Es wird auf den dazu ergangenen verfahrensbezogenen Beschluss L517 2198185-2 verwiesen.

3.6. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.

Gemäß Abs. 2 gilt jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

Gemäß Abs. 3 hat jede angeklagte Person mindestens folgende Rechte:

a) innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;

b) ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;

c) sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;

d) Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;

e) unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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