TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/20 94/14/0147

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Veröffentlicht am 20.04.1999
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
21/03 GesmbH-Recht;
23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;
KO §44;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des R P in R, vertreten durch Dr. Klaus Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 20. Juli 1994, Zl 156/8-10/Zö-1994, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit Gründung einer GmbH im Jahr 1988 deren Gesellschafter und ab 30. Mai 1990 deren Geschäftsführer. Mit Beschluß vom 6. November 1990 wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet, welcher im Jahr 1994 aufgehoben wurde.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1990 wurde der Beschwerdeführer für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der GmbH (Umsatzsteuer für die Monate April, Mai, Juli und August 1990, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für August 1990, Säumniszuschläge, Zwangsstrafen und Stundungszinsen im Gesamtausmaß von rd S 2,3 Mio) zur Haftung herangezogen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde einer dagegen erhobenen Berufung insofern teilweise stattgegeben, als der Haftungsbetrag auf rd S 1,7 Mio eingeschränkt wurde. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers nahm die belangte Behörde insbesondere deswegen an, weil die vorhandenen Geldmittel nicht zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger (einschließlich des Abgabengläubigers) verwendet worden seien. Dies habe sich schon daraus ergeben, daß auf dem Bankkonto der GmbH zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung ein Negativsaldo von rd S 4 Mio bestanden habe, welcher bis zum 31. Oktober 1990 auf rd S 600.000,-- reduziert worden sei, während gleichzeitig die Abgabenschuldigkeiten von rd S 5.000,-- auf rd S 3,3 Mio angestiegen seien. Im Konkursverfahren seien von der Bank überhaupt keine Forderungen angemeldet worden. Bei Abschluß des Kreditvertrages mit der Bank sei auch ein Mantelzessionsvertrag abgeschlossen worden, welchen neben dem damaligen Geschäftsführer auch der Beschwerdeführer unterfertigt habe. Mit der Bestellung zum Geschäftsführer habe der Beschwerdeführer keine Änderung dieses Vertrages veranlaßt. Werde aber eine Mantelzession vereinbart, ohne Vorkehrungen dafür zu treffen, daß die in den abgetretenen Buchforderungen enthaltenen Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt abgeführt werden könnten, so werde bereits dadurch gegen die Pflicht verstoßen, eine Benachteiligung von Abgabenforderungen zu vermeiden. Der Umstand, daß die Bank einer Änderung des Mantelzessionsvertrages mangels anderer Besicherungsmöglichkeiten nicht zugestimmt hätte, könne daran nichts ändern. Dazu komme, daß alle laufenden Geschäftsunkosten (Kraftfahrzeugkosten, Miete, Leasingraten usw.) bezahlt worden seien. Dem Einwand des Beschwerdeführers, daß es sich bei diesen Gläubigern um Absonderungs- bzw Aussonderungsberechtigte gehandelt habe, hielt die belangte Behörde entgegen, daß auch die behauptete Stellung dieser Gläubiger eine Ungleichbehandlung der Verbindlichkeiten nicht rechtfertige. Den Einwendungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Lohnabgaben hielt die Behörde entgegen, ein Vorhalt, weshalb Lohnabgaben im haftungsgegenständlichen Ausmaß angemeldet worden seien, wenn tatsächlich nur geringere Lohnabgaben rechtfertigende Löhne ausbezahlt worden seien, sei unbeantwortet geblieben. Der Beschwerdeführer habe es auch unterlassen, Konkretes vorzulegen, aus welchem hervorgehe, daß die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern gleichbehandelt worden seien. Da nur er Zugang zu dem Rechenwerk gehabt hätte, wäre es seine Sache gewesen, den entsprechenden Nachweis zu erbringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, daß er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten. Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeutet aber nicht, daß die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Geschäftsführer nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl das hg Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, 95/15/0163).

Im Beschwerdefall bestreitet der Beschwerdeführer im Grunde nicht, daß bestimmte Gläubiger, insbesondere die Bank und die Empfänger von Leasingraten und Mieten, im Ergebnis besser gestellt gewesen seien als der Abgabengläubiger. Der Beschwerdeführer versucht dies aber einerseits damit zu rechtfertigen, daß der Mantelzessionsvertrag zum Zeitpunkt seiner Geschäftsführerbestellung bereits abgeschlossen gewesen sei, und die Bank mangels anderer Sicherheiten unter Berücksichtigung des aushaftenden Kreditrahmens von nahezu S 4 Mio keine Veranlassung gesehen hätte, ihre einzige Sicherheit, nämlich die bestehende Mantelzessionsvereinbarung aufzuheben oder auch nur abzuändern, andererseits damit, daß den Gläubigern von Mieten und Leasingraten eine Absonderungs- bzw Aussonderungsstellung zukomme, weshalb deren Bevorzugung auch außerhalb eines Konkursverfahrens gerechtfertigt sei, und bestreitet deswegen ein Verschulden seinerseits.

Nun ist jedoch weder der eine noch der andere Versuch, die Benachteiligung des Abgabengläubigers zu rechtfertigen, geeignet, eine Rechtswidrigkeit der behördlichen Beurteilung, der Beschwerdeführer habe durch die Benachteiligung des Abgabengläubigers schuldhaft seine ihm als Vertreter auferlegten Pflichten verletzt, aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte Personen gehindert sieht, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der ungehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden hat. Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt aber auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw eine solche Beschränkung in Kauf genommen hat, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht (vgl abermals das oben zitierte Erkenntnis vom 23. Jänner 1997). Der Umstand, daß der Mantelzessionsvertrag zum Zeitpunkt der Geschäftsführerbestellung bereits abgeschlossen war und die Bank mangels anderer Sicherheiten auch nicht bereit gewesen wäre, einer Änderung dieses Vertrages zuzustimmen, ist allein daher kein das Verschulden des Beschwerdeführers ausschließender Grund. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, daß bzw welche Maßnahmen er gesetzt hat, um allenfalls in Zusammenwirken mit den Gesellschaftern sicherzustellen, daß trotz bestehender Mantelzession alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden. Hinsichtlich der unbestritten ungeminderten Bezahlung von Leasingraten und Mieten (abgesehen von den anderen "Geschäftsunkosten") ist darauf hinzuweisen, daß § 44 KO eine Regelung nur dahin normiert, daß das dingliche und persönliche Recht auf Aussonderung nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen ist, wenn sich in der Konkursmasse Sachen befinden, die dem Gemeinschuldner ganz oder zum Teil nicht gehören. Damit werden im gegebenen Zusammenhang aber nur allfällige, nicht im Eigentum der Gemeinschuldnerin stehende Leasinggüter angesprochen; inwieweit sich aber daraus ergeben soll, daß Leasinggeber hinsichtlich der Leasingraten und Vermieter hinsichtlich der Mieten im Konkursfall bevorzugt zu behandeln wären, ist nicht nachvollziehbar. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß bei im Beschwerdefall unbestrittener und aus den angeführten Gründen nicht entschuldbarer Benachteiligung des Abgabengläubigers es keiner Beurteilung bedarf, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Fälligkeit von Abgabenverbindlichkeiten - wenn sie nicht zumindest anteilsmäßig beglichen wurden - von deren endgültiger Uneinbringlichkeit Kenntnis gehabt hat oder zumindest haben konnte. Entsprechender Feststellungen bedurfte es daher auch im Beschwerdefall nicht, weshalb die diesbezügliche Verfahrensrüge zu Unrecht erhoben wurde. Verfehlt sind auch Betrachtungen zur Frage, ob die Abgabenverbindlichkeiten - weil gewisse Beträge auch an das Finanzamt entrichtet worden seien - mehr oder weniger ungleich behandelt worden seien. Entscheidend ist die schuldhafte Ungleichbehandlung als solche.

Das Vorbringen, selbst bei Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung sei eine Haftung des Beschwerdeführers nur in Höhe der Quote, welche der Abgabenbehörde bei anteilsmäßiger Befriedigung der Gläubiger zugekommen wäre, gerechtfertigt, weshalb der angefochtene Bescheid mangels entsprechender Feststellungen mangelhaft sei, ist ebenfalls nicht geeignet, eine Rechtsvertretung aufzuzeigen. Wie bereits ausgeführt, trifft ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungpflicht der Behörde denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt die Verpflichtung, die Gründe anzugeben, warum es ihm unmöglich gewesen sei, seine Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Wenngleich diese besondere Behauptungs- und Beweislast einerseits nicht überspannt und andererseits nicht so aufgefaßt werden darf, daß die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre, obliegt es dem (potentiell) Haftungspflichtigen, nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, etwa auch im Hinblick auf die Quote aufzustellen (vgl das hg Erkenntnis vom 29. Jänner 1993, 92/17/0042). Die bloße Behauptung, Abgabenverbindlichkeiten nicht - ungerechtfertigt - schlechtergestellt zu haben, stellt ein derartiges Vorbringen nicht dar.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gem § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994

Wien, am 20. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1994140147.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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