TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W169 2172717-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §17
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W169 2172717-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2019,

Zl. 1157686908-181060316, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 23.06.2017 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.06.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus dem Bundesstaat Haryana, aus der Stadt Rohtak, stamme und der Glaubensrichtung des Hinduismus sowie der Volksgruppe der Lohar angehöre. Seine Muttersprache sei Hindi; er habe sieben Jahre lang die Grundschule besucht und zuletzt als Landwirt gearbeitet. Seine Mutter sowie sein volljähriger Bruder und seine volljährige Schwester würden nach wie vor in Indien an der Heimatadresse leben.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass sein Bruder und sein Onkel seinen Anteil an der Landwirtschaft in Besitz hätten nehmen wollen. Sie hätten ihn daher auch angegriffen und wären ihm mit dem Traktor über sein rechtes Bein gefahren. Sie hätten ihn töten wollen, weshalb ihn seine Mutter fortgeschickt habe.

2. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.07.2017 gab der Beschwerdeführer, dass sein Bruder und seine drei Onkeln ihm ein Stück Land wegnehmen hätten wollen, welches im Fall seines Todes ihnen zugefallen wäre. Sie hätten versucht, ihn mit dem Traktor zu überfahren und hätten ihm dabei das Bein zwei Mal gebrochen. Er sei nicht im Krankenhaus gewesen, sondern habe sich zwei Jahre lang bei einem Freund aufgehalten und sich von diesem behandeln lassen. Danach sei er in sein Heimatdorf zurückgegangen. Da seine Mutter ihm gesagt habe, dass seine Onkel planen würden, ihn umzubringen, habe er Indien verlassen.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich keine Verwandten oder Freunde habe.

Am Ende der Einvernahme wurden mit dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt erörtert. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass er keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben wolle. Er wolle nicht nach Indien zurück.

Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer Fotos in Kopie vor, die Narben an der Hand und am rechten Bein zeigen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 07.07.2017 persönlich zugestellt.

4. Am 02.08.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand samt Beschwerde ein.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2017 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurückgewiesen.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2017, Zl. W220 2172717-2/2E und W220 2172717-1/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2017 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG, § 9 BFA-VG und § 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2017, mit welchem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zurückgewiesen wurde, gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen unglaubwürdig sei. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine inländische Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Aus der allgemeinen Situation allein würden sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre. Der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären und privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich sei aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrages geschützt habe, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht habe und die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht als sehr lange zu bezeichnen sei, sei davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Familienangehörigen (Mutter, Geschwister und Onkeln) leben und der Beschwerdeführer auch die Sprache des Herkunftsstaates beherrsche. Somit stelle die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in eine gemäß der EMRK geschützte Rechtsposition dar.

7. Am 07.11.2018 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer zum Grund für die Stellung des Folgeantrages an, dass er sich bei seiner letzten Einvernahme nicht habe konzentrieren können und aufgrund seiner Nervosität keine vollständigen Angaben gemacht habe. Im Jahr 2015 sei er zum Vorsitzenden seiner Volksgruppe "Lohar" gewählt worden. Es sei dann zu einer Streiterei mit der Volksgruppe der Jat gekommen. Diese hätten gewollt, dass Personen seiner Kaste keine öffentlichen Arbeiten mehr bekommen würden. Er habe sich dem widersetzt, weshalb am 11.02.2016 sein Geschäft von den Jats in den Brand gesteckt worden sei. Da er deshalb eine Anzeige bei der Polizei habe erstatten wollen, sei am 22.02.2016 ein Anschlag auf ihn ausgeübt worden. Dabei sei ihm sein Bein gebrochen und es seien ihm etliche Narben zugefügt worden. Nach dem Anschlag habe er seinen Freund angerufen und habe ihn dieser daraufhin nach Uttar Pradesh gebracht, wo er sich medizinisch behandeln habe lassen. Diese Behandlung habe acht bis neun Monate gedauert. Zirka elf Monate habe er dann bei seinem Freund gelebt, der auch die Kosten für seine Behandlung bezahlt habe. Seine Mutter und dieser Freund hätten ihn finanziell unterstützt, damit er aus Indien hätte flüchten können. Sollte er nach Indien zurückkehren, wäre sein Leben in Gefahr, zumal die "Jats" in Indien regieren würden. Er habe sein Land im Februar 2017 verlassen und sei im Juni 2017 nach Österreich eingereist. Diese Fluchtgründe seien ihm bereits bei seinem ersten Asylantrag bekannt gewesen. Er habe aber nicht alles angeben können, da er gedacht habe, die Dolmetscherin wäre "bei den Jats".

8. Am 07.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien ausgehändigt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, bis zum Einvernahmetermin schriftlich bzw. in der Einvernahme mündlich Stellung zu beziehen.

9. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.11.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er im Erstverfahren gelogen habe. Dies deshalb, da er von einer Dolmetscherin einvernommen worden sei, die zur Kaste der Jat gehöre und sein Leben durch diese Kaste gefährdet sei. Anschließend wiederholte der Beschwerdeführer seine bereits im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.11.2018 getätigten Angaben.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich nicht berufstätig sei, sondern von der Caritas Hilfe erhalten würde. Er sei nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen, verstehe ganz wenig Deutsch und habe keine Verwandten in Österreich bzw. lebe er auch mit niemanden in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Er halte sich seit seiner Einreise im Jahr 2017 durchgehend in Österreich auf. In Indien würden seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester sowie drei Onkel väterlicherseits leben.

Nach Vorhalt, dass sein erstes Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er im ersten Verfahren nicht die Wahrheit gesagt habe. Er habe einfach erzählt, was ihm eingefallen sei, jetzt habe er die Wahrheit gesagt. Auf die Frage, ob er an eine inländische Fluchtalternative gedacht habe, gab der Beschwerdeführer an, dass im ganzen Land Jats leben würde. Im Falle einer Rückkehr sei er in Indien nicht in Sicherheit, sein Leben sei dort in Gefahr.

Zu dem ihm ausgehändigten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation führte der Beschwerdeführer aus, dass arme Menschen in Indien kein Leben hätten. Sie hätten auch keine Möglichkeit, sich für Regierungsjobs zu bewerben. Auf die Frage, warum er in seinem ersten Asylverfahren nicht die Wahrheit gesagt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er gedacht habe, dass auch hier indische Leute Einfluss hätten.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde von der Erteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG abgesehen. Unter Spruchpunkt VII. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Begründend wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. ausgeführt, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei. Ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine anderslautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, liege somit nicht vor. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis V. wurde festgehalten, dass eine der Rückkehr entgegenstehende Integration des Beschwerdeführers ebenso wenig erkannt werden könne, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation nach Indien. Schließlich wurde die Verhängung des Einreiseverbotes damit begründet, dass der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht habe.

Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Folgendes fest:

(...)

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

(...)

Ethnische Minderheiten

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 22.12.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 16.12.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): India, Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 21.12.2016

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 23.12.2016

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 7.12.2016

(...)

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

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UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

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11. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und nach Wiedergabe der Fluchtgründe ausgeführt, dass entgegen der Behörde ein neuer Sachverhalt gegeben sei. Unter Berücksichtigung der Berichtslage seien jedenfalls besondere Gründe glaubhaft gemacht worden, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes von unmenschlicher Behandlung in Indien sprechen würden. Schließlich habe der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Aufhebung bzw. Verkürzung des über den Beschwerdeführer verhängten Einreiseverbotes in der Dauer von zwei Jahren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten. Die Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ergibt sich aus den dem Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG),

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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