Entscheidungsdatum
28.02.2019Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
W228 2205170-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Mag. XXXX , vertreten durch XXXX OG, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 24.08.2018, Zl. XXXX , wegen Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 24.08.2018 wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: NÖGKK) hat Mag XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Bescheid vom 17.07.2018, Zl. XXXX , gemäß § 410 Abs. 1 Z 5 nach § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 1.300 vorgeschrieben, weil die Anmeldung für XXXX VSNR XXXX , zur Pflichtversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen der am 13.03.2018 erfolgten Betretung durch die Finanzpolizei Team 24/für das Finanzamt Hollabrunn-Korneuburg-Tulln in 2100 Korneuburg, XXXX , festgestellt worden sei, dass für die genannte Person die Anmeldung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer als Bevollmächtigter der XXXX GmbH mit Schriftsatz vom 23.07.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass ohne Überprüfung seitens der NÖGKK hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Meldung des Bevollmächtigten kein Melde-, Anzeige- oder Auskunftsverstoß dem Bevollmächtigen angelastet werden könne. Eine solche Überprüfung habe die NÖGKK jedoch unterlassen. Im Falle des XXXX sei die Lohnverrechnung des Beschwerdeführers um 09:23 Uhr erstmals seitens der Firma XXXX laut Telefonprotokoll verständigt worden, die Anmeldung für diesen Dienstnehmer durchzuführen. Die tatsächliche Anmeldung sei unverzüglich um 09:28 Uhr über ELDA erfolgt. Der Beschwerdeführer sei sohin seinen Verpflichtungen vollinhaltlich und fristgerecht nachgekommen.
Mit Bescheid vom 24.08.2018, Zl. XXXX , hat die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen, im Zuge derer die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass die Übertragung der Meldeverpflichtung der XXXX gemäß § 35 Abs. 3 ASVG auf den Beschwerdeführer erfolgt sei und jener die Anmeldung des XXXX zur Sozialversicherung nicht rechtzeitig vorgenommen habe.
Mit Schreiben vom 28.08.2018 stellte die nunmehrige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers fristgerecht einen Vorlageantrag. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer lediglich eine Vollmacht der XXXX GmbH gehabt habe, ihn gegenüber der belangten Behörde zu vertreten. Dass mit der Vollmacht auch die Erfüllung der Pflichten nach den §§ 33 und 34 ASVG an den Beschwerdeführer übertragen wurde, ergebe sich aus der Vollmacht nicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Übertragung der Erfüllung der dem Dienstgeber gemäß § 33 und 34 ASVG obliegenden Pflichten in der Vollmacht klar zum Ausdruck kommen, wenn eine Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 ASVG vorliege. Eine berufsmäßige Bevollmächtigung eines Steuerberaters, der auch mit der Lohnverrechnung beauftragt sei, könne niemals die mit § 35 Abs. 3 ASVG verbundenen Rechtsfolgen auslösen, ohne dass konkret die dort geregelten Haftungsbereiche dem Bevollmächtigten ausdrücklich zur alleinigen Verantwortung übertragen und von ihm angenommen werden. Eine Bevollmächtigung gemäß § 35 Abs. 3 ASVG sei im gegenständlichen Fall nicht erfolgt, weshalb eine Bestrafung des Beschwerdeführers auf Basis des § 35 Abs. 3 ASVG nicht möglich sei.
Die Beschwerdesache wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 07.09.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 24.09.2018 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers aufgetragen, die im Vorlageantrag erwähnte Vollmacht datierend auf 23.05.2013 vorzulegen.
Mit Urkundenvorlage vom 26.09.2018 wurde die Vollmacht der XXXX GmbH vom 23.05.2013 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 01.10.2018 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers aufgetragen, alle früheren Vollmachten zur XXXX GmbH vorzulegen sowie um die Beantwortung diverser Fragen zu der Bevollmächtigung ersucht.
In einer Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 04.10.2018 wurden die mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2018 gestellten Fragen beantwortet und wurde ein Firmenbuchauszug mit historischen Daten vorgelegt. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers gab an, frühere Vollmachten (vor 23.05.2013) nicht zu haben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 16.10.2018 der XXXX GmbH das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.09.2018, die Urkundenvorlage vom 26.09.2018, das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2018 sowie die Fragebeantwortung vom 04.10.2018 übermittelt und um Nachschau ersucht, ob sie frühere Vollmachten noch dokumentiert habe.
Am 30.10.2018 langte beim Bundesverwaltungsgerichts ein Schreiben der XXXX GmbH ein, in welchem bekanntgegeben wurde, dass ihr keine andere Vollmacht vorliege.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Schreiben vom 05.12.2018 an die NÖGKK Ausführungen getätigt und wurde der NÖGKK der mit der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und der XXXX GmbH getätigte Schriftverkehr übermittelt.
Am 14.12.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben der NÖGKK vom 13.12.2018 ein, in welchem auf die Ausführungen im Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.12.2018 repliziert wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 19.12.2018 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers den mit der XXXX GmbH und der NÖGKK getätigten Schriftverkehr übermittelt und hat um Auflistung des (kumulierten) Gesamtbetrages der jährlichen Zahlungen für die Mühewaltung des Steuerberaters für die Lohnverrechnung, die die XXXX GmbH an diesen geleistet hat, ersucht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 19.12.2018 Frau XXXX als damalige Gesellschafterin der XXXX GmbH um Nachschau ersucht, ob sie frühere Vollmachten dokumentiert habe.
Am 14.01.2019 langte ein Schreiben von XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welchem mitgeteilt wurde, dass sie keinerlei Unterlagen betreffend die XXXX GmbH habe.
Am 22.01.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine mit 21.01.2019 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein. Darin wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der erbetenen Auflistung des gesamten Betrages der jährlichen Zahlungen für die Mühewaltung des Steuerberaters für die Lohnverrechnung keine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht vorliege, weshalb eine solche Auflistung nicht vorgelegt werden könne.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.02.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung sowie die NÖGKK teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 13.03.2018 wurde um 08:50 Uhr durch Organe der Abgabenbehörden des Bundes (Finanzpolizei Team 24) eine Kontrolle in 2100 Korneuburg, XXXX , am Betriebsgelände der Straßenmeisterei durchgeführt. Im Zuge dieser Kontrolle wurde XXXX , VSNR XXXX , beim Lenken eines LKW im Auftrag der XXXX GmbH angetroffen, ohne dass diese genannte Person zur Sozialversicherung angemeldet war.
Herr XXXX nahm am 13.03.2018 um 05:00 seine Beschäftigung auf. Für seine Tätigkeit erhielt er € 10,00 pro Stunde. Die Erteilung der Weisungen und die Kontrolle der Einhaltung der Weisungen erfolgte durch den Geschäftsführer der XXXX . Der LKW wurde Herrn XXXX von der XXXX GmbH zur Verfügung gestellt.
Der Betretene war in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die XXXX GmbH tätig.
Herr XXXX wurde am 13.03.3018 um 09:28 Uhr mittels ELDA zur Sozialversicherung gemeldet.
Der Beschwerdeführer ist seit August 2005 in der zentralen Partnerverwaltung der österreichischen Sozialversicherungsträger (ZPV) als Bevollmächtigter nach § 35 Abs. 3 ASVG der XXXX GmbH eingetragen. Er erhielt von der NÖGKK keine Information darüber, dass eine Eintragung nach § 35 Abs. 3 ASVG vorgenommen wurde.
In der vorgelegten Vollmacht vom 23.05.2013 ist eine Bevollmächtigung des Beschwerdeführers nach § 35 Abs. 3 ASVG jedoch nicht enthalten. Die Vollmacht aus dem Jahr 2005, auf der die Eintragung in der zentralen Partnerverwaltung basiert, hat sich inhaltlich von der Vollmacht vom 23.05.2013 nicht unterschieden.
Die Eintragung der Bevollmächtigung durch die NÖGKK in die zentrale Partnerverwaltung erfolgt derart, dass zuerst die vollständige Vollmacht in einem Untermenü der zentralen Partnerverwaltung gespeichert wird. Die Eintragung des Vollmachtsumfanges erfolgt durch ein Dropdown-Menü. Die im Systeme eingegebenen Daten werden direkt vom zuständigen Mitarbeiter gespeichert und es erfolgt keine Freigabe und keine Qualitätssicherung. Ein internes Kontrollsystem hinsichtlich der Erfassung von Bevollmächtigungen ist nicht eingerichtet. Es erfolgt auch keine Kontrolle der eingegebenen Daten bevor die Originalunterlagen vernichtet werden. Im gegenständlichen Fall wurde seitens der NÖGKK eine Bevollmächtigung des Beschwerdeführers nach § 35 Abs. 3 ASVG in die zentrale Partnerverwaltung eingegeben, obwohl eine solche Bevollmächtigung in der der Eintragung zugrundeliegenden Vollmacht nicht enthalten war.
Festzustellen ist weiters, dass dem Beschwerdeführer die in der zentralen Partnerverwaltung eingetragene Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 ASVG nicht auffallen musste.
Außerdem wird festgestellt, dass die NÖGKK aufgrund eines E-Mails einer Mitarbeiterin des BF vom 30.01.2019 bei drei weiteren Mandanten die Speicherung in der ZPV geändert, ohne dass mit diesem E-Mail seitens des BF eine neue oder die ursprüngliche Vollmacht vorgelegt wurde. Die Zeichnungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 3 ASVG waren in diesem E-Mail nicht erfüllt.
2. Beweiswürdigung:
Es ist unstrittig, dass die genannte Person im Zeitpunkt der Betretung (13.03.2018) durch die Organe der Abgabenbehörden des Bundes in 2100 Korneuburg, XXXX arbeitend für die XXXX GmbH angetroffen wurde und zu diesem Zeitpunkt nicht zur Sozialversicherung angemeldet war.
Die Feststellungen zu der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit der betretenen Person ergeben sich aus dem Strafantrag der Finanzpolizei vom 02.05.2018, aus dem Personalblatt sowie aus den vorliegenden Fotos und sind unstrittig.
Die Tätigkeit des Betretenen am 13.03.2018 in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die XXXX GmbH wurde im gesamten Verfahren nicht bestritten; die Dienstnehmereigenschaft des Betretenen ist unstrittig geblieben.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer seit August 2005 in der zentralen Partnerverwaltung der österreichischen Sozialversicherungsträger als Bevollmächtigter nach § 35 Abs. 3 ASVG der XXXX GmbH eingetragen ist, ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, wonach sich die Vollmacht aus dem Jahr 2005 inhaltlich nicht von der dem Bundesverwaltungsgericht am 26.09.2018 vorgelegten Vollmacht vom 23.05.2013 unterscheidet, ergibt sich aus dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist glaubhaft, dass der Beschwerdeführer sein Vollmachtsmuster, welches er im späteren Geschäftsbetrieb dann dauerhaft einsetzte - einmal erstellt hat, ohne die Haftungsbestimmung des § 35 Abs. 3 ASVG in dieses Muster aufzunehmen, da er nicht beabsichtigte diese Haftung jemals zu übernehmen. Der Beschwerdeführer legte zudem glaubhaft dar, dass er sich um eine Freigabe für die Verschwiegenheitspflicht betreffend die Honorarabrechnungen, zwecks Plausibilisierung seines Vorbringens über die monetäre Schiene, bemüht habe, die XXXX GmbH ihn jedoch nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden habe.
Die Feststellung betreffend den Ablauf der Eintragung einer Vollmacht in das System der zentralen Partnerverwaltung ergibt sich aus dem Vorbringen der NÖGKK in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus dem vorgelegten Ausdruck der Auswahlmöglichkeiten "ZPV".
Die Feststellung hinsichtlich der nicht vorhanden Qualitätssicherung bzw. internen Kontrolle ergibt sich ebenfalls aus dem Vorbringen der NÖGKK in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus der Stellungnahme der NÖGKK vom 13.12.2018.
Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer die in der zentralen Partnerverwaltung eingetragene Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 ASVG nicht auffallen musste, ergibt sich einerseits daraus, dass er seitens der NÖGKK keine Information darüber erhielt, dass eine Eintragung nach § 35 Abs. 3 ASVG vorgenommen wurde und somit einen Verdacht eines Fehlers bei ihm nicht aufkommen konnte. Aus der im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten "Abfrage WEBEKU" ergibt sich zwar, dass seitens des Beschwerdeführers oder einer seiner Mitarbeiter am 08.03.2016 auf die "Ansicht Kontoinformation" zugegriffen wurde. Hierzu ist jedoch auszuführen, dass diese Kontoinformation (ein Ausdruck vom 14.02.2019 wurde in der Verhandlung vorgelegt) eine Vielzahl an Details zu dem jeweiligen Klienten, im gegenständlichen Fall zur XXXX GmbH, enthält und vom Beschwerdeführer oder seinen Mitarbeiter nicht verlangt werden kann, jedes Mal ohne konkreten Verdacht sämtliche Details zu lesen, wenn er diese Kontoinformation beispielsweise nur öffnet, um zum Beispiel Informationen betreffend das Datum der letzten GPLA zu erhalten.
Der Umstand der Änderungen der Vollmachtseinträge bei 3 Mandanten des BF in der ZPV auf Basis eines E-Mails ohne entsprechende Nachweise und ohne entsprechende Zeichnung nach § 35 Abs. 3 ASVG ergibt sich aus den vom BF vorgelegten Unterlagen (E-Mail Ausdruck und Ausdrucke aus WEBEKU).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die NÖGKK.
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Da über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 5 entschieden wird, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 113 Absatz 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder
2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder
3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.
Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben] aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf € 500,00 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf € 800,00. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf € 400,00 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
Im Beschwerdeverfahren betreffend die Vorschreibung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ist als Vorfrage ist zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung des Betretenen vorlag.
Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist (VwGH 19.02.2014, 2013/08/0267; vgl. verstärkter Senat 10.12.1986, 83/08/0200).
Im gegenständlichen Fall ist hinsichtlich der Feststellung der Umstände der Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Nach dieser gilt, dass die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 21.04.2004, Zl. 2003/08/0182; VwGH 08.08.2008, Zl. 2008/09/0119). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte. (vgl. auch VwGH 26.05.2014, Zl. 2013/08/0165) Weiters kann bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitere Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. VwGH 20.09.2006, Zl. 2003/08/0274).
Verfahrensgegenständlich steht unbestritten fest, dass der Betretene im Zuge einer Kontrolle durch die Finanzbehörde beim Lenken eines LKW im Auftrag der XXXX GmbH angetroffen wurde und zu diesem Zeitpunkt nicht bei der Sozialversicherung angemeldet war. Bei diesen Arbeiten handelt es sich um solche einfachen manuellen Tätigkeiten, bei denen nach der Lebenserfahrung kein ins Gewicht fallender Gestaltungspielraum des Dienstnehmers vorhanden ist und die nach der Lebenserfahrung üblicherweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG erbracht werden. Demnach war ohne weiteres vom Vorliegen einer Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen. Es ist außerdem festzuhalten, dass die Dienstnehmereigenschaft des Betretenen zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens bestritten wurde.
In einer Gesamtschau ist daher im gegenständlichen Fall vom Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG von XXXX zur XXXX GmbH - jedenfalls am 13.03.3018 - auszugehen.
Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Materialien (EBRV BlgNR 23. GP 77) ist Zweck der Beitragszuschläge, den wegen der Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwand in der Verwaltung ("Bearbeitungskosten") auszugleichen, sohin einen Kostenbeitrag demjenigen vorzuschreiben, der diese Kosten auch verursacht hat ("Verursacherprinzip") und damit als Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten (vgl. VwGH 07.08.2002, 99/08/0074).
Gemäß § 35 Abs. 3 ASVG kann der Dienstgeber die Erfüllung der ihm nach den § 33 und 34 obliegenden Pflichten auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigung sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekanntzugeben.
Den oben getroffenen Feststellungen folgend wurde seitens der NÖGKK eine Bevollmächtigung des Beschwerdeführers nach § 35 Abs. 3 ASVG in die zentrale Partnerverwaltung eingegeben, obwohl eine solche Bevollmächtigung in der der Eintragung zugrundeliegenden Vollmacht nicht enthalten war und musste dem Beschwerdeführer die in der zentralen Partnerverwaltung eingetragene Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 ASVG nicht auffallen.
Aufgrund der mangelnden Qualitätssicherung, die sich in der Handhabung von Originaldokumenten, der mangelnden Information der Betroffenen betreffend Änderungen der Daten in der ZPV und der mangelnden Kontrolle im Vier-Augen-Prinzip manifestierte und abschließend in den festgestellten Änderungen der Vollmachtseinträge in der ZPV auf Basis eines E-Mails des BF ohne die gesetzmäßig verlangte Zeichnung der jeweiligen Dienstgeber bzw. Mandanten gipfelte, konnte sich die belangte Behörde nicht auf den mit Qualitätsmängeln behafteten Datenbestand, für den es keine Originalunterlagen mehr gibt, berufen und somit auch nicht auf die in der ZPV gespeicherte Vollmacht des BF nach § 35 Abs. 3 ASVG. Dieses Vorgehen auf Basis des E-Mails wiegt besonders schwer, da die gesetzliche Vorschrift des § 35 Abs. 3 ASVG der Unterschrift des Dienstgebers bzw. Mandanten und des Steuerberaters den Zweck verfolgt, die Mahnung an die Unterschreibenden darzustellen, dass somit die Haftung übergeht. Somit muss aber auch bei einer Änderung oder Rücklegung der Vollmacht im Sinne des Haftungsübergangs und der Mahnung diesbezüglich, eine Unterschrift von Dienstgeber bzw. Mandanten und Steuerberater vorliegen. Sonst könnte sich der Steuerberater jederzeit durch ein Schreiben an die belangte Behörde aus einer übernommenen Haftung einseitig befreien, ohne dass der Dienstgeber bzw. Mandant davon erfährt.
Eine verpflichtende Kontrolle aller Daten eines Mandanten bei jedem Aufruf der Kontoinformationen in WEBEKU durch den BF ohne entsprechenden Anfangsverdacht einer Falscheintragung, würde die Sorgfaltspflichten des BF als Steuerberater maßlos überspannen und kann ihm daher nicht entgegengehalten werden.
Eine wirksame Übertragung der Meldeverpflichtungen der XXXX GmbH gemäß § 35 Abs. 3 ASVG auf den Beschwerdeführer ist sohin nicht erfolgt.
Die belangte Behörde hat daher dem Beschwerdeführer den Beitragszuschlag zu Unrecht vorgeschrieben, zumal der Beschwerdeführer nicht zur Anmeldung der betretenen Person zur Sozialversicherung verpflichtet war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur hier entscheidungserheblichen Frage hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur - soweit ersichtlich - noch nicht Stellung genommen. Die Lösung dieser Frage hat zudem nicht nur Bedeutung für den vorliegenden Beschwerdefall, weshalb auch insoweit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Es konnten weder Entscheidungen gefunden werden, die sich mit den Verpflichtungen der Behörde bezüglich der Qualität der Daten in der ZPV beschäftigen, noch Entscheidungen zum Thema der Zeichnungsverpflichtung nach § 35 Abs. 3 ASVG.
Schlagworte
Beitragszuschlag, Erkennbarkeit, Meldeverstoß, Revision zulässig,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2205170.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.04.2019