TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/4 L511 2118140-1

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Veröffentlicht am 04.03.2019
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Entscheidungsdatum

04.03.2019

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L511 2118140-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte Dr. GALLER und Dr. HÖPFLINGER, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 31.08.2015, Beitragskontonummer:

XXXX , XXXX , zu Recht erkannt (mitbeteiligte Partei: XXXX , XXXX ):

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren vor der Gebietskrankenkasse

1.1. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird einleitend auf das dem gegenständlichen Verfahren vorangegangene Verwaltungsverfahren hg. GZ L504 2005580 verwiesen.

1.2. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 31.08.2015, Zahl:

XXXX , zugestellt am 03.09.2015, stellte die SGKK fest, dass XXXX ,

XXXX , [HK] von 22.11.2012 bis 23.12.2012 auf Grund der für den Beschwerdeführer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten, entgeltlichen Tätigkeit der Pflicht(Voll)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG iVm § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlag.

In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit selbst sei nicht bestritten worden. Verwiesen wurde auf die Pflicht von HK zur persönlichen Arbeitsleistung, seiner Weisungsgebundenheit, das Fehlen wesentlicher eigener Betriebsmittel sowie auf die fehlende Dispositionsmöglichkeit.

1.3. Mit Schriftsatz vom 01.10.2015 wurde gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben.

In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit werde nicht bestritten, es liege jedoch keine Dienstnehmereigenschaft vor.

2. Die SGKK legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] die Beschwerde samt nicht durchnummerierten Auszügen aus dem Verwaltungsakt am 01.12.2015 vor (Ordnungszahl des hg. Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1).

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Anlässlich einer Kontrolle durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes am 10.12.2012 um 16.24 Uhr wurde HK im Verkaufsstand des Beschwerdeführers am " XXXX " [im Folgenden: Adventmarkt] arbeitend angetroffen (FP S1).

1.2. Der Beschwerdeführer betrieb am Adventmarkt einen Verkaufsstand auf eigene Rechnung. Der Adventmarkt war im November 2012 von Mittwoch bis Freitag, jeweils von 13.00 bis 20.00 Uhr und am Wochenende von 10.00 bis 20.00 Uhr und ab 01.12.2012 täglich zu den bereits genannten Uhrzeiten geöffnet. Der Verkaufsstand des Beschwerdeführers wurde während der gesamten Marktöffnungszeiten betrieben. Neben HK haben die Ehegattin des Beschwerdeführers fallweise und weitere vom Beschwerdeführer bzw. seiner Ehegattin beauftragte Personen regelmäßig am Verkaufsstand gearbeitet (LVwG-VHS 5-6, 8, 10).

1.3. HK verfügt seit 01.09.2012 über einen Gewerbeschein "Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe" (GISA-Zahl XXXX ). Zwischen HK und dem Beschwerdeführer wurde ein als Werkvertrag bezeichneter Vertrag abgeschlossen. Vertragsgegenstand war die Betreuung des [Verkaufs-]Standes XXXX an drei Tagen in der Woche beginnend mit 21.11.2012 und endend mit 23.12.2012. Als Entgelt war ein Betrag von EUR 892,00 brutto vereinbart. Laut Werkvertrag konnte sich HK eines qualifizierten Vertreters bedienen, musste dies jedoch dem Beschwerdeführer vorab bekanntgeben (WV S1-2). Mündlich vereinbart war, dass für den Fall der Vertretung, die Schwiegermutter von HK für diesen einspringen würde (LVwG VHS 6, 11).

1.4. Die Arbeitszeit von HK war wochentags an 3 Tagen, welche jeweils in Absprache mit der Ehefrau des Beschwerdeführers, welche auch die übrigen Verkaufspersonen organisierte, festgesetzt wurden. An diesen drei Tagen war die Anwesenheit zu den Öffnungszeiten des Adventmarktes erforderlich. Der Beschwerdeführer erhielt ein vorab vereinbartes Entgelt von EUR 8,50 pro Stunde in Summe EUR 892,00. HK hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Tätigkeit immer selbst durchgeführt und nie von der im Vertrag festgehaltenen Vertretungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (LVwG-VHS 8, 11).

1.5. HK wurde zu Beginn des Adventmarktes vom Beschwerdeführer in die Tätigkeit eingewiesen. Zum Aufgabenbereich von HK gehörte der Verkauf von Schokoladewaren und die dazugehörige Kontrolle des Lagerbestandes. Die Waren wurden täglich vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt und waren mit Preislisten versehen. HK übermittelte die Liste zum Wiederauffüllen des Verkaufsstandes dem Beschwerdeführer, der dafür sorgte, dass die benötigte Ware durch ihn oder ein Familienmitglied zum Verkaufsstand gebracht wurde. Die Tageslosung sowie die Aufzeichnungen über die verkaufte Ware händigte HK täglich nach Kassaschluss dem Beschwerdeführer aus. Weitere Tätigkeiten waren die abendliche Reinigung des Trinkschokoladeautomaten und die Regulierung der Nachtheizung für den Verkaufsstand (LVwG-VHS 6, 8, 10-11).

1.6. Die am Stand verkaufte Schokoladeware, sowie die notwendigen Mittel für die angebotene Trinkschokolade, Milch, Zucker, Becher, ..., wurden vom Beschwerdeführer organisiert, der auch die Verkaufspreise vorgab. Die Preise für die Schokolade war dabei bereits von den Produzenten vorgegeben. HK wollte auf Kundenwunsch hin zusätzlich Kaffee auf eigene Rechnung verkaufen, was der Beschwerdeführer erlaubte.

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1).

Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG folgende Unterlagen herangezogen:

* Anzeige und Strafantrag der Finanzpolizei vom 17.12.2012 (FP)

* Niederschrift vom 04.03.2013 (NS)

* Werkvertrag vom 20.11.2012 (WV)

* Beschwerde (Bsw) und Stellungnahmen (StN)

* Bescheide und Beschwerdevorlage

* Gewerbeinformationssystem-Auszug (GISA-Auszug)

* Strafverhandlungsschrift vom 05.03.2014 zu LVwG XXXX (LVwG-VHS)

2.2. Die Feststellungen ergeben sich aus den im Rahmen der Feststellungen jeweils zitierten Unterlagen aus dem vorliegenden Verwaltungsakt. Die getroffenen Feststellungen zur Tätigkeit, dem Aufgabenbereich, der Arbeitszeit und dem Entgelt basieren auf den in den wesentlichen Kernbereichen übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und HK im Rahmen der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG-VHS). An der Richtigkeit der Niederschrift besteht aus Sicht des BVwG kein Zweifel. Die Beschwerde rügt in diesem Zusammenhang zwar, dass die SGKK dem Beschwerdeführer zur (auch dem Beschwerdeführer bekannten) herangezogenen Verhandlungsschrift nicht vor Bescheiderstellung Parteiengehör gewährt hatte, tritt der Richtigkeit der Verhandlungsschrift inhaltlich aber nicht entgegen (Bsw).

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde darauf hinweist, dass laut Vertrag HK alles mit eigenen Betriebsmitteln zu erbringen hatte, so ist ihm seine eigene Aussage entgegenzuhalten (LVwG-VHS 8), wonach "HK hat für seine Tätigkeit am Verkaufstand keine eigenen Betriebsmittel benötigt; es bedurfte nur seiner Arbeitskraft bzw. solcher Produkte, sie seinen persönlichen Bedarf abdeckten."

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

3.2. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.3. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG].

4.1.2. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.3. Die Beschwerden sind rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.1.4. Verfahrensgegenständlich maßgebliche Rechtsgrundlagen des ASVG

Gemäß § 4 Abs. 1 Z1 ASVG sind aufgrund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß Z14 leg.cit. sind auch die den Dienstnehmern im Sinne des Abs. 4 gleichgestellten Personen in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 4 Abs. 4 ASVG stehen den Dienstnehmern Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe (Z1) oder eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit) (Z2), wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, es sei denn dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind (lit.a) oder dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt (lit.b) oder dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird (lit.c) oder dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes (lit.d), handelt.

Gemäß § 4 Abs. 6 ASVG schließt eine Pflichtversicherung gemäß Abs. 1 für dieselbe Tätigkeit (Leistung) eine Pflichtversicherung gemäß Abs. 4 aus.

4.2. Werkvertrag oder Dienstvertrag

4.2.1. Der Beschwerdeführer begründet das Nichtvorliegen eines der Versicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses im Wesentlichen damit, dass HK die Verkaufstätigkeit im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung und auf Basis des Werkvertrages in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit getätigt haben.

Zunächst kommt es bei Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG im Sinn des § 539a ASVG und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (primär) auf die vertragliche Vereinbarung bzw. auf die Bezeichnung des Vertrages, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit an (VwGH 16.05.2017, Ra2017/08/0047 mwN).

4.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof verweist in ständiger Rechtsprechung (für viele VwGH 21.08.2017, Ra2016/08/0119) auf das Erkenntnis VwGH 20.05.1980, 2397/79, in dem er sich grundlegend mit der Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits beschäftigte. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es beim Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Letzteren zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit, ankommt. Dabei unterscheidet sich der freie Dienstvertrag von einem abhängigen Dienstverhältnis durch die persönliche Unabhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber.

4.2.3. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind beim Werkvertrag ausschließlich auf das Endprodukt als solches gerichtet (VwGH 23.12.2016, Ra2016/08/0144 mwN; 21.09.2015, Ra2015/08/0045 mwN; 01.10.2015, Ro2015/08/0020 mwN; sowie Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG8 (2017) §4 Rz87).

Bei der verfahrensgegenständlichen Verkaufstätigkeit handelt es sich um kein Endprodukt im genannten Sinn eines Werkvertrages, sondern um an bestimmten Tagen zu erbringende, durchschnittlich qualifizierte Dienstleistungen. HK verfügte über keine unternehmerische Organisation, weder die Standanmietung noch der Warenverkauf wurden auf seine Rechnung oder in seinem Namen durchgeführt, so dass er - mag er sich für die Tätigkeit auch eigener Betriebsmittel (I-Pad, Kaffeemaschine) bedient haben - letztlich nur über die eigene Arbeitskraft disponierte. Die Verkaufstätigkeit stellt daher keinen Werkvertrag dar, sondern es liegt vielmehr eine Vereinbarung über eine Dienstleistung - Anwesenheit am Verkaufsstand - vor (vgl. insbesondere zur Verkaufstätigkeit VwGH 20.09.2006, 2003/08/0274 mwN).

4.3. Zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses

4.3.1. Es bleibt somit zu prüfen, ob HK die Verkaufstätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Beschwerdeführer (Dienstgeber gemäß § 35 ASVG) oder im Rahmen eines freien Dienstvertrags erbracht hat. Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber (vgl. VwGH 24.01.2006, 2004/08/0101 mwN).

4.3.2. Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG schon deshalb nicht vor. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind weiters die Bindung des Beschäftigten an (1) Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden (2) Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (3) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (VwGH 01.10.2015, Ra2015/08/0020, Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG8, § 4). Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Absatz 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, etwa aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages - nur beschränkt ist (VwGH 21.09.2015, Ra2015/08/0045 mwN; 31.07.2014, 2013/08/0247 mwN).

4.3.2.1. Im Hinblick auf die Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten ergibt sich aus den Feststellungen, dass HK ausschließlich im Verkaufsstand des Beschwerdeführers seine Tätigkeit versah. Sämtliche Verkaufswaren sowie die dafür notwendigen Betriebsmittel - Verkaufsstand, Wechselgeld, Strom, Heizung, Reinigungsmaterial, ...

- wurden vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt. HK war verpflichtet Lagerbestandslisten zu führen und an seinen Arbeitstagen die Tageslosung nach Abrechnung dem Beschwerdeführer zu übergeben. Er musste an den vorab vereinbarten Tagen jeweils zur Öffnungszeit des Adventmarktes anwesend sein. Es war damit zwar ein gewisser Freiraum und Einfluss von HK auf die Arbeitszeitgestaltung gegeben, diese orientierte sich im Kern jedoch an den Bedürfnissen des Beschwerdeführers (vgl. dazu VwGH 11.12.2013, 2011/08/0322 mwN). Auch kommt einem - wie gegenständlich vorhandenen - terminlichen Mitspracherecht dann keine maßgebliche Bedeutung zu, wenn die Arbeitsleistung während des unter Mitspracherecht bestimmten Zeitraums zu erbringen war (VwGH 21.09.1999, 97/08/0486).

Im vorliegenden Fall ist daher eindeutig, dass HK, selbst wenn er auf Eigeninitiative hin auch zusätzlich zur Trinkschokolade Kaffee ausschenkte, bei der Ausübung seiner Tätigkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum (vgl. dazu konkret VwGH 20.09.2006, 2003/08/0274) hatte und somit an Ordnungsvorschriften gebunden war.

4.3.2.2. Dass Weisungen im Hinblick auf die Verkaufstätigkeit von HK nicht täglich erteilt wurden, sondern die einmalige Anweisung zu Beginn der Tätigkeit ausreichend war, liegt in der Natur der Sache, da es sich bei der Verkaufstätigkeit um eine einfache manuelle Tätigkeit handelt, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung keinen großen Gestaltungsspielraum eröffnet. Das persönliche Abhängigkeitsverhältnis wird hier weniger durch die ausdrückliche Erteilung von persönlichen Weisungen als vielmehr durch die "stille Autorität" des Arbeitgebers indiziert (VwGH 01.10.2015, Ro 2015/08/0020 mwN).

4.3.2.3. Im Werkvertrag war vertraglich eine generelle Vertretungsbefugnis eingeräumt. Dieses kann - unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) - die persönliche Arbeitspflicht nur dann ausschließen, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt worden wäre oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde (vgl. VwGH 14.07.2017, Ra2016/08/0132 mwN). Gegenständlich wurde vom Vertretungsrecht kein Gebrauch gemacht. Die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen, stellt jedoch keine generelle Vertretungsberechtigung (etwa VwGH 11.06.2014, 2012/08//0157 mwN). Es bestand daher für HK grundsätzlich persönliche Arbeitspflicht.

4.3.2.4. Zusammenfassend ergibt sich aus dem Gesamtbild der Beschäftigungen nach Abwägung der maßgeblichen Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems (VwGH 11.06.2014, 2012/08/0157), dass HK seine Dienstleistung ausschließlich persönlich erbrachte, dabei in die betriebliche Organisation des Beschwerdeführers eingebunden war und auch dessen "stiller Autorität" unterlag, so dass nach Ansicht des BVwG im vorliegenden Beschäftigungszeitraum die Bestimmungsfreiheit von HK durch die Beschäftigung nicht nur beschränkt, sondern weitgehend ausgeschaltet war (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra2016/08/0011). Gegenständlich überwiegen daher aus Sicht des BVwG die Merkmale persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG somit jedenfalls jene, persönlicher Unabhängigkeit.

4.3.2.5. Dass HK eine einschlägige Gewerbeberechtigung für die Verkaufstätigkeit innehatte, steht nach der ständigen Rechtsprechung der Beurteilung der Tätigkeit als abhängige unselbständige Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG selbst dann nicht entgegen, wenn die beschäftigte Person bereits nach dem GSVG aufrecht pflichtversichert war, was verfahrensgegenständlich jedoch ohnehin nicht der Fall war (vgl. dazu VwGH 02.09.2015, Ra2015/08/0078).

4.3.3. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit bleiben die außerhalb der Erwerbstätigkeit bestehenden Vermögensverhältnisse eines Dienstnehmers außer Betracht. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist daher nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein eines Beschäftigten auf ein Entgelt zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden. Sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist daher bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Folglich kann wirtschaftliche Abhängigkeit zwar bei persönlicher Unabhängigkeit bestehen, nicht aber persönliche Abhängigkeit ohne wirtschaftliche Abhängigkeit (VwGH 24.11.2016, Ra2016/08/0011 mHa die ständige Rechtsprechung).

4.3.4. Gegenständlich lag somit bei HK ein abhängiges Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zum Beschwerdeführer vor, welches die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG idF BGBl. II Nr. 398/2011 idH von EUR 376,26 pro Monat überschritt, weshalb die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen war.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 ASVG. Zur Abgrenzung Dienstvertrag und Werkvertrag insbesondere VwGH 21.08.2017, Ra2016/08/0119 mit Verweis auf VwGH 20.05.1980, 2397/79. Zur Verkaufstätigkeit insbesondere VwGH 20.09.2006, 2003/08/0274 mwN. Die vorliegende Entscheidung weicht bei der Betrachtung des gegenständlichen Einzelfalls von dieser Rechtsprechung auch nicht ab, sondern stützt sich maßgeblich auf diese Judikatur, sowie die in der Entscheidung jeweils unmittelbar zitierten VwGH-Judikate.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Dienstnehmereigenschaft, Dienstverhältnis, persönliche Abhängigkeit,
Pflichtversicherung, wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2118140.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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