Entscheidungsdatum
07.03.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W237 2156238-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018, 1108294607-181174346, zu Recht:
A)
I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß
§ 68 AVG als unbegründet abgewiesen.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG sowie § 53 Abs. 1 und 2 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.03.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
1.1. Anlässlich der am selben Tag abgehaltenen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, in Äthiopien geboren und äthiopischer Staatsangehöriger zu sein. Er bekenne sich zum islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung, gehöre der Volksgruppe der Ogaden an und habe die Grundschule von 2007 bis 2014 besucht. Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater sei Regierungsmitglied gewesen und deshalb von der Rebellengruppe ONLF umgebracht worden. Folglich wäre die gesamte Familie der Spionage bezichtigt worden, weshalb der Beschwerdeführer mit seiner Familie geflohen sei.
Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde in der Folge zugelassen, nachdem ein durch das Bundesamt eingeholtes medizinisches Sachverständigen-Gutachten ein im Bereich der Minderjährigkeit liegendes Lebensalter seiner Person zum Antragszeitpunkt ergeben hatte.
1.2. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.02.2017 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass seine Angaben zum Fluchtgrund in der Erstbefragung nicht richtig protokolliert worden seien. Richtig sei, dass sein Vater ein Mitglied der ONLF gewesen und von der Regierung Äthiopiens getötet worden sei. Der Beschwerdeführer habe nie über identitätsbezeugende Dokumente verfügt, er sei gesund, äthiopischer Staatsbürger und habe von Geburt an gemeinsam mit seiner Familie in der äthiopischen Stadt Godey gelebt. Der Beschwerdeführer sei Ogaden, gehöre dem Clan der Darod an, sei sunnitischer Moslem, habe sieben Jahre lang die Grundschule besucht und keinen Beruf erlernt. Seine Familie habe in ärmlichen Verhältnissen gelebt, er selbst sei nie politisch tätig gewesen.
Sein Vater sei Mitglied der Rebellen der ONLF gewesen, weshalb sie ständig von Regierungssoldaten geschlagen, misshandelt und inhaftiert worden seien. Er selbst sei sechs Monate in Gefangenschaft gewesen, Regierungsmitglieder hätten ihn geschlagen und befragt. Seine Mutter und seine Geschwister seien ebenfalls inhaftiert gewesen. Schließlich hätten die Regierungssoldaten sie freigelassen, um den Vater nach Hause zu locken, was ihnen auch gelungen sei. Sein Vater sei Ende Oktober 2015 bei einer Auseinandersetzung der ONLF mit äthiopischen Truppen getötet worden; seine Leiche habe man in der Folge in der Stadt zur Schau gestellt. Tags darauf hätten äthiopische Soldaten die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers zu Hause angegriffen, als der Beschwerdeführer gerade mit Freunden spazieren gewesen sei. Nachdem er von Leuten aus der Nachbarschaft davor gewarnt worden sei, nach Hause zu gehen, habe sich der Beschwerdeführer aus Angst bei Freunden versteckt und die Stadt am nächsten Tag verlassen. Seinen Vater habe er zuletzt im Alter von etwa sieben Jahren gesehen und seither keine Informationen über dessen Aufenthaltsort gehabt. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, getötet oder zumindest lebenslang eingesperrt zu werden. In seinem Heimatland lebten keine Familienangehörigen mehr, alle seien auf der Flucht; der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu ihnen, im Heimatland gebe es nur noch einige Angehörige seiner Volksgruppe.
1.3. Mit Bescheid vom 22.03.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab und erteilte gemäß § 57 leg.cit. keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Äthiopien gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters sprach das Bundesamt aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsbürger Äthiopiens handle, dessen präzise Identität mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht feststehe und der an keiner schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Sein Vorbringen hinsichtlich einer aktuellen Bedrohungssituation in Äthiopien erweise sich aufgrund näher dargestellter beweiswürdigender Erwägungen als nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer sei in der Lage, seine existenziellen Grundbedürfnisse selbständig zu decken und verfüge zudem über Familienangehörige in Äthiopien. Eine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Falle seiner Abschiebung mit dem Tod oder schwersten Verletzungen zu rechnen hätte, sei in Äthiopien nicht gegeben. Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet weder über verwandtschaftliche Bindungen noch seien sonstige private Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet feststellbar.
1.4. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2018 mit Erkenntnis vom 20.11.2018 vollinhaltlich ab:
Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, bei einer Rückkehr von äthiopischen Regierungsmitgliedern verfolgt zu werden. Es sei lebensfremd, wenn der Beschwerdeführer schildere, dass er nach einem Anruf, bei dem ihm mitgeteilt worden sei, das Haus seiner Familie werde attackiert, sofort geflohen sei, ohne nach seinen restlichen Familienmitgliedern zu suchen oder sich von ihnen zu verabschieden. Selbst wenn man diesem Umstand Glauben schenkte, wäre es zumindest nachvollziehbar gewesen, dass der Beschwerdeführer anschließend versucht hätte, in Kontakt mit seinen Familienmitgliedern zu treten. Weiters hätten sich seine Ausführungen zur Finanzierung seiner schlepperunterstützten Reise nach Europa als unglaubwürdig dargestellt. Die Schilderungen des Beschwerdeführers seien insgesamt vage und oberflächlich gewesen, zu bedeutenden Sachverhalten - so etwa zum Todeszeitpunkt seines Vaters - habe er keine präzisen Angaben gemacht. Weiters sei nicht glaubhaft, dass die äthiopische Regierung ein aktuelles Interesse am Beschwerdeführer habe, weil er selbst nie politisch aktiv gewesen und auch nur deshalb inhaftiert worden sei, um seinen Vater aus dessen Versteck zu locken. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die äthiopische Regierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Interesse an einer gezielten Verfolgung des damals minderjährigen Beschwerdeführers aufweisen würde. Den Länderberichten sei zu entnehmen, dass der neue Premierminister Äthiopiens im April 2018 tausende politische Gefangene aus der Haft entlassen habe. Es habe nicht erkannt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien aus sonstigen Gründen einer konkreten Gefährdungslage unterliege. Er gehöre dem Mehrheitsclan der Ogaden an und den Länderberichten sei nicht zu entnehmen, dass seine Herkunftsregion derzeit von einer solch extremen Gefahrenlage betroffen wäre, die für jeden Rückkehrer ein reales Risiko eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit begründen würde.
Zur Feststellung der äthiopischen Staatsangehörigkeit sei anzuführen, dass sich der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl selbst durchgehend als äthiopischer Staatsbürger bezeichnet habe. Er sei unstrittig in der Somaliregion in Äthiopien geboren worden und habe erstmalig in der Beschwerdeverhandlung vorgetragen, somalischer Staatangehöriger zu sein. Die Begründung des Beschwerdeführers, es sei zu einem Missverständnis gekommen und er habe mehrmals vor der Behörde bereits angeführt, Somalier zu sein, werde als nicht glaubhaft erachtet. So sei er im Verfahren dezidiert nach seiner Staatsbürgerschaft gefragt worden und er habe dabei eindeutig angegeben, äthiopischer Staatsbürger zu sein. Ihm sei der jeweilige Akteninhalt durch den jeweils anwesenden Dolmetscher rückübersetzt worden; die Richtigkeit seiner Angaben habe er mit seiner Unterschrift bestätigt. So wäre anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seine Staatsangehörigkeit jedenfalls bereits vor dem Bundesamt richtiggestellt hätte und nicht erst anlässlich der Beschwerdeverhandlung. Im Beschwerdeschriftsatz sei darauf ebenfalls nicht eingegangen worden, obgleich der Beschwerdeführer durch eine Rechtsberatungsorganisation vertreten gewesen sei. Da er auch nicht in der Lage gewesen sei, durch Vorlage entsprechender Dokumente die somalische Staatsangehörigkeit zu beweisen, sei auf Grund seiner Angaben seine äthiopische Staatsangehörigkeit festzustellen.
Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet über keine zum dauernden Aufenthalt berechtigten Angehörigen. Er halte sich seit zweieinhalb Jahren in Österreich auf, sei nicht selbsterhaltungsfähig und habe eine Sprachprüfung auf A1-Niveau absolviert. Ansonsten weise er keine besonderen Anknüpfungspunkte in Österreich auf und es seien im Verfahren keine weitergehenden Integrationsbemühungen ersichtlich geworden.
2. Am 05.12.2018 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2.1. Im Zuge seiner Antragstellung führte der Beschwerdeführer an, somalischer Staatsangehöriger zu sein. Sein Erstverfahren sei mit einer falschen Identität geführt worden, er sei eigentlich somalischer Staatsangehöriger und kein Äthiopier; er wolle nunmehr, dass dies richtiggestellt werde. Er sei in Äthiopien, in Godey, geboren worden - das Gebiet werde zwar von äthiopischen Behörden verwaltet, dort lebten allerdings nur Somalier. Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Ogaden an, dabei handle es sich um einen somalischen Clan. Seine Eltern und Großeltern seien in Somalia geboren worden und ebenfalls somalische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer wolle, dass die Behörde seinen Asylgrund hinsichtlich Somalia prüfe. Er befürchte, bei einer Rückkehr in sein Heimatland alleine zu sterben, weil er dort niemanden habe.
2.2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.12.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er physisch und psychisch in der Lage sei, die Befragung durchzuführen. Er habe weder in Österreich noch in anderen Mitgliedstaaten der EU Verwandte und lebe alleine. Er habe ungefähr sieben oder acht Monate bei seiner Wohnsitzgemeinde gearbeitet und lebe derzeit von Leistungen der Caritas. In Österreich habe er Deutschkurse besucht und er spreche ein bisschen Deutsch und Englisch. Das Bundesgebiet habe er seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens nicht verlassen. Auf Nachfrage, warum der Beschwerdeführer nun einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, führte er an, dass es ein Verständigungsproblem gegeben habe und er nicht aus Äthiopien, sondern aus Somalia stamme. Die Behörden hätten festgestellt, dass er Äthiopier sei, was jedoch nicht stimme, weil er nur in Äthiopien gewohnt habe und dort geboren worden sei. Auf Nachfrage, ob sich etwas an seinem Fluchtgrund seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Verfahrens geändert habe, verneinte er dies. Er habe nie in Somalia gelebt, aber in dem Teil Äthiopiens gewohnt, wo nur somalische Leute leben würden; dort gebe es gar keine Äthiopier. Über Vorhalt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 15.02.2017 zu seiner Staatszugehörigkeit befragt worden sei und er angegeben habe, äthiopischer Staatsangehöriger zu sein, entgegnete der Beschwerdeführer das nicht gesagt zu haben; er habe angegeben, somalischer Staatsbürger zu sein. Bei der Erstbefragung zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz sei ihm das Protokoll nicht übersetzt worden.
Nachgefragt, was der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Äthiopien befürchte, führte er an, dass er Angst um sein Leben habe und dorthin nicht zurückkönne, seine Eltern und seine ganze Familie seien in Äthiopien getötet worden. Nachgefragt, wann seine Familie ermordet worden sei, gab er an, dass man seinen Vater im Oktober 2015 umgebracht habe; er wisse nicht, ob seine Familienangehörigen noch am Leben seien und/oder wo sie sich aufhielten. Seine Rechtsvertreterin führte im Zuge der Einvernahme an, dass der Beschwerdeführer Somalier sei, in seinem Dublin-Verfahren in Italien sei er als Somalier geführt worden. Erstbefragungen würden sehr hektisch ablaufen, insbesondere im Zuge der Flüchtlingswelle in den Jahren 2015 und 2016 sei dies der Fall gewesen. Laut Auskunft einer Dolmetscherin sei es bei Erstbefragungen oft zu Verwechslungen gekommen, weil Somalier, die in Äthiopien geboren und aufgewachsen seien, sich oft als äthiopische Somalier bezeichnet hätten. Dadurch sei die Staatsbürgerschaft Äthiopiens angenommen worden. Richtig wäre jedoch die somalische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer habe im ersten Asylverfahren eine schriftliche Eingabe gemacht, dass er somalischer Staatsbürger sei. Die Beschwerde gegen den ersten Bescheid habe ein Mann verfasst, zu dem der Beschwerdeführer selbst nie unmittelbaren Kontakt gehabt habe; seine Ansprechperson bei der Diakonie sei eine Frau gewesen, die er auch öfters gebeten habe, seine Staatsbürgerschaft entsprechend zu ändern. Die Ansprechperson habe dies jedoch offenbar nicht an den Verfasser der Beschwerde weitergegeben. Es werde um neuerliche Zulassung seines Asylverfahrens gebeten und ersucht, seinen Antrag hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit Somalia zu prüfen.
Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen vor, die bereits im Erstverfahren vorgelegt wurden:
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Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs A2+/B1 vom XXXX ;
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Deutschzertifikat A1 vom XXXX ;
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Bestätigungsschreiben über gemeinnützige Mitarbeit des Beschwerdeführers an einem Wirtschaftshof in Österreich von Juni bis November 2017 und von Juni bis September 2018.
2.3. Mit Bescheid vom 21.12.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018 (im Folgenden: AVG), hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Gemäß § 57 AsylG 2005, Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden AsylG 2005), wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das Bundesamt fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Die Zurückweisung des Antrags begründete das Bundesamt damit, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege: Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts in allen Spruchpunkten rechtskräftig negativ abgewiesen worden. Im gegenständlichen Verfahren habe der Beschwerdeführer keinen neuen objektiven Sachverhalt vorgetragen bzw. nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe angeführt. Es habe keine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden können, der Beschwerdeführer halte sich seit März 2016 in Österreich auf. Seine Identität habe mangels Vorlage geeigneter heimatstaatlicher, identitätsbezeugender Dokumente nicht festgestellt werden können. Seit seiner ersten Antragstellung habe er keine Bemühungen gehegt, seine Identität durch Vorlage von geeigneten Identitätsdokumenten wie Personalausweis oder Reisepass zu begründen. Die Feststellung seiner Staatsangehörigkeit sei aufgrund seiner eigenen Angaben im Erstverfahren erfolgt. Es hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im nunmehrigen Verfahren keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe, ergebe sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung am 06.12.2018 und der Einvernahme am 19.12.2018. Der Beschwerdeführer habe im Erstverfahren angegeben, dass sein Vater Mitglied der ONLF gewesen sei und der Beschwerdeführer deshalb sechs Monate inhaftiert gewesen sei. Als man ihn aus dem Gefängnis entlassen habe, sei es zu einem Krieg zwischen der ONLF und der äthiopischen Regierung gekommen, während dieser Kämpfe sei sein Vater verstorben. Anschließend habe der Beschwerdeführer einen Anruf erhalten, in welchem man ihm mitgeteilt habe, dass die äthiopische Regierung zu seiner Familie gekommen sei. Er sei nicht nach Hause gegangen, sondern gleich geflüchtet. Die gegenständliche Asylantragstellung beziehe sich auf die gleichen Asylgründe wie im ersten Asylverfahren. Er habe einen neuen Antrag gestellt, weil sein Erstverfahren unter einer falschen Identität geführt worden sei, da er eigentlich somalischer Staatsbürger sei. Der Beschwerdeführer beziehe sich nach wie vor auf Rückkehrhindernisse die bereits im Kern in seinem Vorverfahren zur Sprache gebracht worden seien. Weiters habe er angegeben, dass sich seine Fluchtgründe nicht geändert hätten.
Zur Staatsangehörigkeit werde angeführt, dass der Beschwerdeführer während des Erstverfahrens sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt zu seiner Staatsangehörigkeit befragt worden sei und beide Male angegeben habe, äthiopischer Staatsbürger zu sein. Spätestens nach der Rückübersetzung der Einvernahme vom 15.02.2017 hätte dem Beschwerdeführer auffallen müssen, dass seine Staatsangehörigkeit mit "Äthiopien" protokolliert worden sei. Dass er Somalier und nicht Äthiopier sei, habe er erstmalig in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.11.2018 vorgebracht. In dessen Erkenntnis sei folglich ausgeführt worden, dass dem Beschwerdeführer diesbezüglich kein Glauben geschenkt werde. Im gegenständlichen Fall sei somit kein glaubhafter geänderter Sachverhalt dargestellt worden und es habe sich auch hinsichtlich der im Erstverfahren getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Äthiopien jedenfalls keine Änderung ergeben. Der Beschwerdeführer habe Umstände geltend gemacht, die bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens bestanden hätten, eine Veränderung der Fluchtgründe habe nicht festgestellt werden können.
Da der Beschwerdeführer offensichtlich nicht bereit sei, die österreichische Rechtsordnung und die aus dieser Rechtsordnung in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Entscheidung zu achten, stelle sein Aufenthalt in Österreich eine Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Der Beschwerdeführer habe seit seiner ersten Einreise in das Bundesgebiet ausschließlich aus Mitteln der öffentlichen Hand gelebt. Eine auf gesetzliche Bestimmungen basierende Bewilligung zur Aufnahme einer Beschäftigung, wie er regelmäßig der Lebenssicherung diene, sei ihm nicht möglich. Es sei ihm nicht gelungen, den Besitz von Mitteln zu seinem Unterhalt nachzuweisen; er sei lediglich einer gemeinnützigen Arbeit nachgegangen. Mittel aus der Grundversorgung seien nicht geeignet, die nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG vorzuhaltende Mittellosigkeit zu entkräften. Es somit ein Einreiseverbot zu erlassen.
2.4. Der Beschwerdeführer erhob gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids fristgerecht Beschwerde. In dieser führte er aus, dass er in der Einvernahme wiederholt versucht habe, seine Staatsangehörigkeit richtigzustellen. Es seien viele Fälle bekannt, bei denen es zu Verwechslungen gekommen sei. Zudem sei bekannt, dass bei Angehörigen des Ogaden-Clans, die in der Grenzregion von Somalia und Äthiopien geboren und aufgewachsen seien, die Staatsangehörigkeit oft falsch festgehalten werde. In der Beschwerde gegen den ersten Bescheid sei verabsäumt worden, dass die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers berichtigt werde. Dies sei deshalb geschehen, weil der Verfasser der Beschwerde nie mit dem Beschwerdeführer persönlich gesprochen habe und die Ansprechperson, die über diesen Irrtum informiert gewesen sei, dies auch nicht weitergegeben habe. Dass der Beschwerdeführer keine Beweise zu seiner Staatsangehörigkeit vorlegen könne, liege daran, dass es seit 1991 kein ordentliches Meldewesen in Somalia gebe. Beide Elternteile und alle Großeltern des Beschwerdeführers seien somalische Staatsangehörige gewesen und der Beschwerdeführer habe nie einen Antrag auf Erteilung der äthiopischen Staatsbürgerschaft gestellt. Bei tatsächlicher Prüfung der vorgebrachten Sachverhaltsänderungen hätte das Bundesamt feststellen müssen, dass jedenfalls ein maßgeblich veränderter Sachverhalt vorliege. Die Beweiswürdigung der Erstbehörde werde bestritten; es müsse die Zulässigkeit der Ausweisung im Licht der Art. 2 und 3 EMRK unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers bezogen und überprüft werden. Der Beschwerdeführer sei noch nie in Somalia und schon lange nicht mehr in Äthiopien gewesen, weshalb naheliegend sei, dass er keine Familie oder sonstige soziale Kontakte habe, die ihn bei einer Reintegration unterstützen könnten. Auch hinsichtlich des Privatlebens sei eine nur unzureichende Behandlung erfolgt. So spreche der Beschwerdeführer bereits gut Deutsch und habe sich in Österreich sehr gut eingelebt, er habe umfangreiche soziale Kontakte in Österreich. Es sei unverhältnismäßig, ein Einreiseverbot zu verhängen, weil der Beschwerdeführer unbescholten sei und sich immer mit viel Engagement in Österreich eingebracht habe. Er sei ein rechtschaffener Mensch mit ehrlichen Absichten und wolle sich seinen Lebensunterhalt durch legale Arbeit finanzieren.
Der Beschwerdeführer stellte abschließend die Anträge, seinen Asylantrag inhaltlich zu behandeln, ihm die Flüchtlingseigenschaft bzw. allenfalls subsidiären Schutz zuzuerkennen, die aufschiebende Wirkung zu gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Somalia befasse, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären oder festzustellen, dass die Abschiebung unzulässig sei, und das Einreiseverbot aufzuheben.
2.5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte den Verfahrensakt samt dem Beschwerdeschriftsatz dem Bundesverwaltungsgericht am 11.01.2019 vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zum Verfahrensverlauf:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Äthiopiens, wurde in Äthiopien geboren, gehört zum Clan der Ogaden in der Clanfamilie Darod und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Bis zu seiner Ausreise im November 2015 lebte er gemeinsam mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern in der in der äthiopischen Somaliregion gelegenen Ortschaft Godey, wo er auch die Grundschule besuchte. Im März 2016 gelangte der Beschwerdeführer über den Sudan, Libyen und Italien nach Österreich und stellte am 15.03.2016 als Minderjähriger seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.11.2018 hinsichtlich des Status des Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gleichzeitig wurde kein Aufenthaltstitel erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Am 05.12.2018 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten - nunmehr zu beurteilenden - Antrag auf internationalen Schutz. Der Verlauf und Inhalt der asylrechtlichen Verfahren im Detail wird wie unter Pkt. I. ausgeführt festgestellt.
Der unbescholtene und arbeitsfähige Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und bezieht durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung; er ist nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt in Österreich eigenständig zu bestreiten. Er besuchte in Österreich einige Deutschkurse (zuletzt auf dem Niveau A2/B1) und absolvierte eine Deutschprüfung auf A1 Niveau. Darüber hinaus ging er von November bis März 2017 und von Juni bis November 2017 einer gemeinnützigen Hilfstätigkeit nach; er hat Bekanntschaften im Bundesgebiet geschlossen. In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers. Ihm kam zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthalts in Österreich ein nicht auf das Asylgesetz 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zu. Er leidet an keiner akuten lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung.
1.2. Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers hat sich in Bezug auf die bereits im vorangegangenen Asylverfahren behandelten Aspekte nicht geändert. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätte. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass er in eine seine Existenz bedrohende Notlage geriete.
In diesem Zusammenhang wird betreffend die maßgebliche Situation in Äthiopien, festgestellt:
Politische Lage
Entsprechend der 1995 in Kraft getretenen Verfassung ist Äthiopien ein demokratischer Bundesstaat. Die Einführung eines föderalen Systems bedeutete eine Abkehr von der Tradition starker Zentralisierung (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a) und der früheren Dominanz der Volksgruppe der Amharen (AA 8.2016). Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zwar zugelassen werden, jedoch faktisch in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt sind (AA 8.2016). Der Präsident hat eine weitgehend repräsentative Rolle und darf keiner Partei angehören (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die politische Macht liegt beim Premierminister, der die Exekutive leitet, dem Ministerrat vorsitzt und die Streitkräfte befehligt (AA 8.2016; vgl. CIA 14.12.2016; GIZ 1.2017a).
Nach dem Tod des Premierministers Meles Zenawi im August 2012 ging die Führung des Landes friedlich an den damaligen Außenminister Hailemariam Desalegn über. Unter seiner Führung haben sich Regierung und Partei zur Erhaltung des Status Quo und der politischen Kontinuität bekannt (AA 24.3.2016).
Dominierende politische Kraft ist die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier Parteien zusammensetzt, der Tigray People's Liberation Front (TPLF), der Amhara National Democratic Movement (ANDM), der Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und der Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM) (AA 8.2016). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die den Befreiungskrieg gegen das Derg-Regime anführte (AA 24.5.2016). Die Opposition ist ideologisch, ethnisch und regional breit gefächert und gilt nach den Parlamentswahlen 2015 weiterhin als geschwächt. Ihr Handlungsspielraum bleibt eingeschränkt (AA 8.2016).
Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Oberhaus "House of Federation" mit 108 Sitzen, die für eine fünfjährige Amtszeit von der Versammlungen der Regionalstaaten ernannt werden, und dem Unterhaus "House of Peoples' Representatives" mit 547 Sitzen, die für eine ebenfalls fünfjährige Amtszeit vom Volk gewählt werden (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Seit den letzten Parlamentswahlen im Mai 2015 hält die EPRDF alle 547 Sitze (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die EU kritisierte im Vorfeld der Wahl die massiven Einschüchterungsversuche gegen Oppositionsparteien und Verhaftungen unabhängiger Journalisten (GIZ 1.2017a). Der Premierminister wird nach den Parlamentswahlen von der Partei ernannt, die die Wahlen für sich entscheiden konnte (CIA 14.12.2016). Der Präsident wird von den beiden Parlamentskammern für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober 2013 wurde Teshome Wirtu MULATU gewählt (CIA 14.12.2016).
Seit Ende des Jahres 2015 gab es immer wieder Proteste gegen den so genannten "Masterplan" für Addis Abeba, der eine Vergrößerung der Hauptstadt in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vorsah. Im Januar 2016 gab die äthiopische Regierung nach anhaltenden (teils gewalttätigen) Protesten die Rücknahme des "Masterplans" bekannt. Die regierungskritischen Proteste hatten sich in 2016 stetig ausgeweitet. Angehörige der ethnischen Gruppen der Oromo und Amhara protestierten gegen die Korruption und die politische Dominanz der regierenden EPRDF, forderten eine bessere Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachstums und mehr politische Mitbestimmung. Die Regierung ging weiterhin rigide gegen die Proteste vor. Hunderte Personen kamen ums Leben, Tausende sollen im Rahmen des im Oktober 2016 verhängten Ausnahmezustandes verhaftet worden sein. Es ist davon auszugehen, dass die Regierung durch ihre Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustandes die Lage weitestgehend wieder unter ihre Kontrolle gebracht hat. Inwieweit politische Maßnahmen wie der Austausch des Regierungskabinetts durch Premierminister Hailemariam langfristig zu einer Harmonisierung beitragen können, bleibt abzuwarten (GIZ 1.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien
-
AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016
-
CIA - Central Intelligence Agency (14.12.2016): The World Factbook
-
Ethiopia,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/et.html, Zugriff 3.1.2017
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017
Sicherheitslage
Die äthiopische Regierung hat am 9. Oktober 2016 den Ausnahmezustand verhängt. Vorausgegangen waren Massendemonstrationen und teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, überwiegend in den Regionen Oromia und Amhara (AA 3.1.2017). Diese hatten bereits Ende des Jahres 2015 begonnen, als die Hauptstadt Addis Abeba in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vergrößert werden sollte. Die Proteste erweiterten sich später mit Forderungen nach einem Ende willkürlicher Festnahmen und ethnischer Ausgrenzung sowie gegen die Dominanz der Regierungspartei und mit der Forderung nach mehr politischer Mitbestimmung. Die Regierung ging rigide gegen die Proteste vor wobei mehrere hundert (AI: 800, GIZ: 400) Personen durch Sicherheitskräfte getötet wurden (AI 9.11.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Nachdem sich die Sicherheitssituation in den Provinzen Oromia und Amhara und im Gebiet Konso in der SNNPR (Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker) zwischen Juli und Anfang Oktober 2016 zeitweise massiv verschlechtert hat, ist in der Provinz Amhara nunmehr eine gewisse Beruhigung eingetreten. In der Provinz Oromia sowie im Konso-Gebiet bleibt die Lage jedoch weiterhin angespannt. Mit einem Wiederaufflammen gewalttätiger Proteste und einer erneuten Verschlechterung der Sicherheitslage in den Provinzen Oromia und Amhara muss gerechnet werden (BMEIA 3.1.2017a).
Die Grenze zu Eritrea ist gesperrt und die Lage im Grenzgebiet ist angespannt (BMEIA 3.1.2017b). Bei Fahrten in das direkte Grenzgebiet zu Eritrea und in die Danakilsenke in Nord-Afar können Überfälle durch Banditen und örtliche Untergrundorganisationen sowie Entführungen nicht ausgeschlossen werden (AA 3.1.2017).
In den letzten Jahren gab es vereinzelte (versuchte) Sprengstoffanschläge in Addis Abeba. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Äthiopien auch zukünftig Ziel von Anschlägen sein wird (AA 3.1.2017). In vielen Regionen Äthiopiens sind Minen verlegt, vor allem bis 80 km innerhalb der Grenzen zu Eritrea, Somalia, Sudan, Südsudan und Kenia (Borana Region); aber auch das Landesinnere ist teilweise vermint (BMEIA 3.1.2017b).
Als weitere Sicherheitsbedrohung gilt eine Reihe von bewaffneten Gruppen die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, wie die Oromo Liberation Front (OLF), die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und Ginbot 7 (DCR 18.5.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017
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AI - Amnesty International (9.11.2016): Ethiopia: After a year of protests, time to address grave human rights concerns, http://www.ecoi.net/local_link/331838/459747_en.html, Zugriff 4.1.2017
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BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017a): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Aktuelle Hinweise, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017
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BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017b): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Sicherheit und Kriminalität,
http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017
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DCR - Dutch Council for Refugees (18.5.2016): Country of Origin Information Report Ethiopia,
http://www.refworld.org/pdfid/573f2f334.pdf, Zugriff 3.1.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017
Somali-Region (Ogaden) / Grenze zu Somalia
In der Somali Region (Ogaden) im Osten führt die äthiopische Armee bewaffnete Einsätze gegen Mitglieder die ONLF durch (AA 29.12.2016). Die ONLF ist eine separatistische Gruppe die seit 1991 für die Unabhängigkeit der Region kämpft (FH 27.1.2016). Nachdem Friedensgespräche zwischen der ONLF und der äthiopischen Regierung im Jahr 2013 gescheitert sind, setzten sich sporadische Gewaltakte in Ogaden fort. Seit 2013 operiert die ONLF von Somalia und erhält Unterstützung von Eritrea (DCR 18.5.2016).
Die Bedrohung der radikalislamistischen Terrororganisation al Shabaab, die von Somalia ausgeht, setzt sich fort. Im Grenzgebiet zu Somalia ist aufgrund möglicher militärischer Aktionen gegen al Shabaab grenzüberschreitend mit größeren Truppenbewegungen zu rechnen (AA 3.1.2017; vgl. USDOS 2.6.2016). Es kommt in der Region zu Kämpfen zwischen Rebellengruppen und dem Militär, zu Anschlägen, und es besteht Minengefahr (BMEIA 3.1.2017b).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017
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BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017b): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Sicherheit und Kriminalität,
http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017
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DCR - Dutch Council for Refugees (18.5.2016): Country of Origin Information Report Ethiopia,
http://www.refworld.org/pdfid/573f2f334.pdf, Zugriff 3.1.2017
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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/327613/454676_en.html, Zugriff 29.12.2016
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USDOS - U.S. Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/324718/450854_en.html, Zugriff 3.1.2017
Rechtsschutz/Justizwesen
Das äthiopische Rechtssystem enthält Elemente mehrerer westlicher Rechtssysteme und ist schwer zu systematisieren (GIZ 1.2017a). Gesetzlich ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017a), dennoch kommt es regelmäßig zu Einschränkungen von Rechtsstaatlichkeit, zuletzt durch die Erklärung des Ausnahmezustandes für eine Dauer von 6 Monaten am 9. Oktober 2016 (AA 8.2016). Durch den Ausnahmezustand werden den Provinzverwaltungen Kompetenzen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entzogen und bei der äthiopischen Bundesregierung zentralisiert. Diese kann damit auf zukünftige Unruhen schneller reagieren (AA 3.1.2017).
Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen. Richter gelten als schlecht ausgebildet und nicht immer über die geltenden Gesetze ausreichend informiert. Dies schlägt sich entsprechend in den Verfahren nieder (GIZ 1.2017a). Zivilgerichte arbeiten weitgehend unabhängig, die Strafgerichte sind aber weiterhin schwach, überlastet und werden politisch beeinflusst. Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Scharia-Gerichte erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilten in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali- und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte. Einige Frauen stellten fest, dass sie im traditionellen Rechtssystem keinen Zugang zu freien und fairen Verhandlungen haben, da sie traditionellerweise von der Teilnahme an Ältestenräten ausgeschlossen sind und in ländlichen Gebieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbreitet ist (USDOS 13.4.2016).
Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich. Die äthiopische Regierung bestreitet zudem Strafverfolgung aus politischen Gründen. Allerdings berichten Oppositionspolitiker, Journalisten und inzwischen auch vereinzelt muslimische Aktivisten von Einschüchterungen, willkürlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Dies geschieht inzwischen oft unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung und Wahrung der Sicherheit und Integrität des Landes. Bei einer vermuteten Nähe zu gewaltbereiten Gruppen (OLF, ONLF, Ginbot 7) oder einem (teilweise noch unbestätigten) Verdacht, zu Terrorismus anstiften zu wollen, wird hart durchgegriffen (AA 24.5.2016).
Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird - unter anderem wegen Überlastung der Justiz - häufig nicht umgesetzt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Berichte über Misshandlungen, insbesondere in Untersuchungshaft, unbekanntem Verbleib zwischen Verhaftung und Vorführung vor Gericht bzw. Einlieferung in ein staatliches Gefängnis oder auch darüber, dass Familienangehörige von Verhafteten unter Druck gesetzt werden. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die z.B. das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 24.5.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien
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AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016
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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_7B87E3EFFF842E034C71AA5B64A842E2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017
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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016
Sicherheitsbehörden
Die Bundespolizei untersteht dem Ministerium für Bundesangelegenheiten, das wiederum parlamentarischer Aufsicht unterliegt. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit, die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht (USDOS 13.4.2016). Im ganzen Land gibt es zudem lokale Milizen, die sich in ihrer Arbeit mit regionalen und föderalen Polizei- und Militäreinheiten lose abstimmen. Das Ausmaß der Abstimmung variiert in den einzelnen Regionen. In vielen Fällen sind die Milizen der verlängerte Arm der Regierungspartei (USDOS 13.4.2016). Die Milizen sind von Gemeindevertretern gewählte, jedoch bewaffnete Personen, die ehrenamtlich militärische und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit "Community Police"). In manchen Fällen werden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt, insbesondere in der Somali-Region im Osten Äthiopiens gegen die Ogaden National Liberation Front (ONLF) (AA 24.5.2016).
Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert und sind effektiv (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016), sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und ohne Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften (AA 24.5.2016). Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Mechanismen zur Untersuchung von Missbräuchen durch die Bundespolizei sind nicht bekannt und die Regierung gibt die Untersuchungsergebnisse nur selten öffentlich bekannt. Sie bemüht sich aber, Menschenrechtsschulungen für Polizei- und Militärschüler anzubieten (USDOS 13.4.2016). Es wird zudem berichtet, dass sich in Einzelfällen die Sicherheitsorgane oder andere Behörden über Gerichtsurteile hinweggesetzt haben (z.B. in Ostäthiopien/ Ogaden) (AA 24.5.2016).
Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, Somali Region/Ogaden, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angeh