TE Vfgh Erkenntnis 2019/3/12 E2862/2018

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Veröffentlicht am 12.03.2019
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Index

L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.       Der Beschwerdeführer ist ein deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Hauptwohnsitz in Tirol. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 beantragte er die Ausstellung einer Tiroler Jagdkarte gemäß §28 Abs2 litf Tiroler Jagdgesetz 2004 (im Folgenden: Tir JagdG 2004). Dem Antrag beigelegt wurde eine Kopie des deutschen Jagdscheines des Beschwerdeführers. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 wies die Bezirkshauptmannschaft Imst diesen Antrag ab.

2.       Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 30. Mai 2018 als unbegründet ab. Im Wesentlichen führte es dazu aus, dass §28 Abs2 litf Tir JagdG 2004 für den Beschwerdeführer nicht einschlägig sei, weil dieser seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe. Auch könne die Berechtigung zum Erhalt einer Tiroler Jagdkarte im vorliegenden Fall auf keine andere Bestimmung des Tir JagdG 2004 gestützt werden. Denn mit der Wortfolge "gültige Jagdkarte eines anderen Landes" sei ein anderes Bundesland Österreichs gemeint. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass §28 Abs2 litb oder c leg.cit. zur Anwendung gelangen müssten, weil er ja eine "Jagdkarte eines anderen Landes" bzw über ein Zeugnis "über die in einem anderen Land mit Erfolg abgelegte Jagdprüfung" verfüge, gehe ins Leere.

Zudem könne das Vorbringen, wonach ein deutscher Staatsangehöriger, der seinen Hauptwohnsitz in Deutschland habe, nicht besser gestellt sein dürfe als ein deutscher Staatsangehöriger, der seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe, unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zum Erfolg führen. Grundsätzlich verbiete das Unionsrecht in seinem Anwendungsbereich zwar jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Allerdings komme das Diskriminierungsverbot nur im Geltungsbereich des Unionsrechtes zur Anwendung. Im Hinblick auf Befähigungsnachweise würden zwar mehrere unionsrechtliche Regelungen vorliegen. Diese Richtlinien würden sich jedoch ausschließlich auf berufliche Befähigungsnachweise beziehen. Sie würden grundsätzlich nicht für Jagdscheine, bei denen es sich um Bescheinigungen handle, die die Ausübung einer Freizeittätigkeit gestatten, gelten. Auch sonst enthalte das Unionsrecht keine Bestimmungen über Prüfungen für Jäger zur Erlangung eines Jagdscheines.

Das derzeit in Geltung stehende Tir JagdG 2004 diskriminiere auch nicht deutsche Staatsangehörige, die ihren Hauptwohnsitz in Tirol haben, sondern schließe generell Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich, die zB auch österreichische Staatsangehörige sein könnten, von der Erlangung einer Tiroler Jagdkarte aus, wenn sie (nur) eine Jagdberechtigung eines anderen Staates besitzen würden.

Im Beschwerdeverfahren sei weiters nicht hervorgekommen, dass die Ausübung der Jagd durch den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit stehe. Der Beschwerdeführer gebe selbst an, dass die Jagdausübung für seine berufliche Tätigkeit nicht zwingend erforderlich sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der u.a. die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

3.       Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §28 Abs2 litf des Tiroler Jagdgesetzes 2004, LGBl für Tirol 41/2004 in der Fassung LGBl 64/2015, ein. Mit Erkenntnis vom 12. März 2019, G315/2018, hob er die genannte Bestimmung als verfassungswidrig auf.

4.       Die Beschwerde ist begründet.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

5.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E2862.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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