TE Vwgh Beschluss 2019/3/7 Ra 2018/21/0153

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Veröffentlicht am 07.03.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
41/07 Grenzüberwachung;

Norm

AVG §56;
B-VG Art133 Abs4;
FrÄG 2017;
FrPolG 2005 §46 Abs2 idF 2017/I/145;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Eraslan, über die Revision des H K in W, vertreten durch Mag. Alexandra Cervinka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 2018, Zl. I416 1427652-4/2E, betreffend Karte für Geduldete (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste spätestens im Jahr 2011 unter Verwendung eines gefälschten italienischen Reisepasses in Österreich ein. Nachdem er am 22. Mai 2012 festgenommen und in Schubhaft genommen worden war, stellte er - unter seiner seither durchgehend verwendeten Identität - einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16. Juli 2012 vollumfänglich abgewiesen. Ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz wurde, bestätigt durch das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28. Februar 2013, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Einem Ladungsbescheid vom 22. April 2013 zur Klärung seiner Identität und Erlangung eines Heimreisezertifikats leistete der Revisionswerber keine Folge. An seiner Meldeadresse war er nicht anzutreffen, weshalb seine amtswegige Abmeldung veranlasst wurde.

2 Am 14. März 2016 wurde er im Rahmen einer Schwerpunktkontrolle aufgegriffen und festgenommen. Am folgenden Tag wurde über ihn Schubhaft verhängt. Auf das Ersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) um Ausstellung eines Ersatzreisedokuments antwortete die tunesische Botschaft, dass ihr die Person des Revisionswerbers unbekannt sei. Am 8. Juni 2016 wurde er aus der Schubhaft entlassen.

3 Am 14. Oktober 2016 stellte er einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete. Dieser wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 7. April 2017 abgewiesen.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei nach Ergehen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zunächst allein am betroffenen Fremden gelegen, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen und von sich aus alle dazu notwendigen vorbereitenden Maßnahmen im Sinn des § 46 Abs. 2 FPG zu setzen. Aus dem Wortlaut des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG "in Verbindung mit einer teleologischsystematischen Betrachtungsweise" ergebe sich, dass die Voraussetzungen für eine Duldung jedenfalls dann nicht vorlägen, wenn ein Fremder seiner Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise schuldhaft nicht nachgekommen sei. Der Aufenthalt eines ausreisepflichtigen Fremden sei überdies dann nicht zu dulden, wenn er seine Mitwirkungspflicht verletzt habe, weil er an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments nicht mitgewirkt habe.

6 Im vorliegenden Fall sei dem Revisionswerber eine schuldhafte Verletzung seiner Ausreiseverpflichtung zur Last zu legen, zumal er sich niemals aus eigenem bei der tunesischen Vertretungsbehörde um die Ausstellung eines Reisepasses bemüht habe. Er habe auch nicht mit seiner Familie in Tunesien Kontakt aufgenommen, um sich notwendige Unterlagen und Dokumente zuschicken zu lassen. Hinzu komme, dass er einen Ladungstermin (im Jahr 2013) zur Klärung seiner Identität unentschuldigt nicht befolgt habe. Darüber hinaus verschleiere er offenkundig seine Identität, zumal zwar unbestritten sei, dass er tunesischer Staatsangehöriger sei, die verwendeten Identitätsdaten der tunesischen Behörde aber unbekannt seien. Durch die Verschleierung seiner Identität habe der Revisionswerber die Erlangung eines Ersatzreisedokuments bislang vereitelt. Damit lägen gemäß § 46a Abs. 3 FPG von ihm zu vertretende Abschiebungshindernisse vor.

7 Die Voraussetzung des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, dass die Abschiebung "aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint", sei daher nicht erfüllt.

8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11 Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Revisionswerber vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach allein aus der Mitteilung einer Botschaft, dass die Identität bzw. Staatsangehörigkeit einer Person nicht festgestellt werden könne, nicht auf falsche Angaben zu dieser Identität geschlossen werden könne.

12 Es trifft zwar zu, dass derartige Botschaftsmitteilungen für sich allein nicht den Schluss auf eine Verschleierung der Identität zulassen (vgl. etwa VwGH 30.6.2015, Ra 2014/21/0040, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich aber nicht nur darauf gestützt, sondern als vom Revisionswerber zu vertretenden Grund der Unmöglichkeit der Abschiebung insbesondere auch das Fehlen jeglicher Eigeninitiative zur Erlangung von Identitätsbzw. Heimreisedokumenten ins Treffen geführt. Selbst wenn der Revisionswerber bereits seine richtige Identität angegeben haben sollte, konnte nämlich davon ausgegangen werden, dass eine persönliche Vorsprache bei der Botschaft - anders als die bloß schriftliche Kontaktaufnahme durch das BFA - möglicherweise zur Ausstellung eines Reisedokuments geführt hätte. Die Beurteilung, dass er die Unmöglichkeit seiner Abschiebung insgesamt im Sinn des § 46a Abs. 3 FPG selbst zu vertreten hat, erscheint daher zumindest nicht als unvertretbar.

13 Soweit die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters geltend macht, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zum Nachteil des Revisionswerbers auf eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht geltende Rechtslage (die Verpflichtung zur eigenständigen Einholung eines Reisedokuments nach § 46 Abs. 2 FPG idF des FrÄG 2017) berufen habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Neuregelung auf den Revisionswerber seit ihrem Inkrafttreten mit 1. November 2017 anzuwenden war; der zuvor gestellte Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete bzw. das noch anhängige (Rechtsmittel-)Verfahren vermochten daran nichts zu ändern. Die genannte Verpflichtung nach § 46 Abs. 2 FPG ist auch von jener nach § 46 Abs. 2a FPG zu unterscheiden, die die Erlangung eines Ersatzreisedokuments betrifft und lediglich die Auferlegung von Mitwirkungspflichten in Verbindung mit einer behördlichen Amtshandlung erlaubt (vgl. noch zur Rechtslage vor dem FrÄG 2017 grundlegend VwGH 23.3.2017, Ro 2017/21/0005, sowie - den Revisionswerber betreffend - VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0102). Im Übrigen konnte mangelnde Eigeninitiative schon bisher ein Anhaltspunkt für die Annahme sein, dass der Fremde das Erlangen von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten selbst verhindert habe (vgl. idS VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019, Rn. 33).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens (eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet) - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 7. März 2019

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210153.L00

Im RIS seit

10.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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