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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BEinstG §8 Abs4 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des J H in W, vertreten durch Mag. Reinhard Traumüller, Rechtsanwalt in 8820 Neumarkt in der Steiermark, Wienerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Jänner 2019, Zl. W132 2140566-2/6E, betreffend eine nachträgliche Zustimmung zu einer Kündigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (belangte
Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Behindertenausschuss beim Sozialministeriumservice Landesstelle Steiermark; mitbeteiligte
Partei: S GmbH in Z, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Mittergasse 10), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Verwaltungsgericht den bei ihm angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass die nachträgliche Zustimmung zur von der Mitbeteiligten bereits ausgesprochenen Kündigung des Revisionswerbers, eines begünstigten Behinderten, nicht erteilt, jedoch die Zustimmung zu dessen künftig auszusprechender Kündigung erteilt werde. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Begründend führte es zusammengefasst aus, dass es der Mitbeteiligten zumutbar gewesen wäre, bereits vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Behindertenausschusses einzuholen, dass sich aber die von der belangten Behörde erteilte Zustimmung zur (künftig auszusprechenden) Kündigung als Ermessensübung im Rahmen des Gesetzes erweise. Eine Interessenabwägung zu Lasten des Revisionswerbers, der an Narkolepsie leide, sei deshalb erfolgt, weil dessen kombinierte Persönlichkeitsstörung "in den Bereichen zwanghaft, paranoid, schizoid und narzisstisch" mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Progredienz erfahren habe und weder eine konsensuale noch eine eigen- und fremdgefährdungsfreie Berufsausübung möglich mache. Überdies habe der Revisionswerber seine Dienstpflichten beharrlich verletzt (wurde näher ausgeführt) und erhebliche zwischenmenschliche Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen gehabt. Die Beurteilung der belangten Behörde, dem Dienstgeber sei eine Weiterbeschäftigung des Revisionswerbers angesichts der Verwirklichung der Kündigungsgründe nach § 8 Abs. 4 lit. b und c Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) nicht zumutbar, sei daher nicht zu beanstanden.
3 Gegen die Erteilung der Zustimmung zur künftig auszusprechenden Kündigung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).
7 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe entgegen dem Beschluss VwGH 26.7.2018, Ra 2017/11/0294, nicht zwischen dem aktuellen und dem zu erwartenden künftigen Verhalten des Revisionswerbers differenziert.
8 § 8 BEinstG lautet auszugsweise:
"Kündigung
§ 8. (1) …
…
(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.
(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn
a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten
entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann
b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im
Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;
c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des
Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen."
9 In dem in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen hg. Beschluss ging es, anders als vorliegend, um den Kündigungsgrund nach § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG im Zusammenhang mit einer bereits festgestellten "vorübergehenden Invalidität". Im Revisionsfall wurde hingegen von einer komplexen Persönlichkeitsstörung ausgegangen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Progredienz erfahren habe und weder eine konsensuale noch eine eigen- und fremdgefährdungsfreie Berufsausübung möglich mache. Abgesehen davon, dass schon mangels Vergleichbarkeit ein Judikaturwiderspruch nicht erkannt werden kann, ist der wiedergegebenen Beschreibung der Persönlichkeitsstörung entgegen der Revisionsansicht sehr wohl eine Prognose zu entnehmen. Darüber hinaus stützte sich die Kündigung aber auch auf § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG, wozu in der Zulässigkeitsbegründung kein Vorbringen erstattet wurde.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. März 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110038.L00Im RIS seit
11.04.2019Zuletzt aktualisiert am
19.04.2019