TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/20 97/19/0907

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Veröffentlicht am 20.04.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerden 1.) der 1960 geborenen RÜ, 2.) der 1980 geborenen SÜ, 3.) des 1982 geborenen SÜ, 4.) der 1988 geborenen SÜ, sowie 5.) des 1992 geborenen RÜ, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 23. Jänner 1997,

1.) Zl. 121.037/2-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 121.037/3-III/11/96 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), 3.) Zl. 121.037/4-III/11/96 (betreffend den Drittbeschwerdeführer), 4.) Zl. 121.037/5-III/11/96 (betreffend die Viertbeschwerdeführerin), sowie

5.) Zl. 121.037/6-III/11/96 (betreffend den Fünftbeschwerdeführer), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer. Die Beschwerdeführer beantragten am 1. Februar 1994 die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gaben als Aufenthaltszweck Familienzusammenführung mit dem in Österreich lebenden Ehegatten bzw. Vater an. In den Antragsunterlagen findet sich ein Lohn/Gehaltsausweis des Ehegatten bzw. Vaters der Beschwerdeführer (über einen Nettomonatsbezug von S 10.616,--) und ein Beleg über die Überweisung eines Betrages unter dem Titel der Familienbeihilfe bzw. eines Kinderabsetzbetrages. Die Aufenthaltsbehörde erster Instanz wies den Antrag der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 20. September 1996 gemäß § 3 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG), die Anträge der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer mit Bescheiden vom 30. September 1996 gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 AufG ab. Die Beschwerdeführer beriefen.

Mit den nunmehr angefochtenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheiden vom 23. Jänner 1997 wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG ab. Die belangte Behörde stellte fest, der Lebensunterhalt der Beschwerdeführer sei nicht in dem vom Gesetz geforderten Ausmaß gesichert. Die Beurteilung zeige im Fall der Beschwerdeführer, dass einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 14.813,-- (dieser Betrag setze sich wie folgt zusammen: S 5.148,-- für den Haushaltsvorstand, zuzüglich S 2.678,-- für Familienangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe, zuzüglich 4 mal S 1.591,-- für Familienangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe, zuzüglich S 623,-- Miete) pro Monat gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Niederösterreich, tatsächlich S 11.800,-- pro Monat, welche vom Gatten bzw. Vater der Beschwerdeführer für eine sechsköpfige Familie aufgebracht werden könnten, gegenüberstünden. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Der Bezug aus eventuell anfallenden Überstunden könne zur Sicherung des Unterhaltes nicht berücksichtigt werden, zumal diese Zahlungen nicht beeinflusst werden könnten, vielmehr vom Arbeitgeber abhingen und nicht jedes Monat anfielen. Aufgrund der Aktenlage stehe fest, dass der Gatte bzw. Vater der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhältig sei. Die Abwägung gemäß Art. 8 MRK habe im Fall der Beschwerdeführer ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Priorität einzuräumen gewesen sei, weil die Unterhaltsmittel in der Höhe von S 11.800,-- pro Monat nicht als ausreichend zu betrachten seien, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Niederösterreich feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsse der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, im Wesentlichen inhaltsgleichen Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat hierüber erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführer noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten, weshalb auf die vorliegenden Beschwerdefälle die Bestimmung des § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 keine Anwendung findet.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG durfte eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorlag, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert war.

Bei der Prüfung der Frage, ob der Unterhalt eines Fremden im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG gesichert sei, steht der Behörde kein Ermessensspielraum zu, sie hat diese Frage vielmehr in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war es zulässig, dass die belangte Behörde ihrer Beurteilung, ob die von ihr festzustellenden, dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel ausreichend sind, den Sozialhilferichtsatz für das jeweilige Bundesland (hier: Niederösterreich) zugrunde legte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 96/19/2396). Eine daran orientierte Berechnung des Bedarfes an Unterhaltsmitteln begegnet aus dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2559 bis 2561 mwN). Dabei wäre allerdings zu beachten, dass sich die Behörde im Regelfall an demjenigen Gesamtbetrag orientieren kann, welcher nach Auffassung der Niederösterreichischen Landesregierung bei Erlassung des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Niederösterreich für 1997 zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und fünf Haushaltsangehörige auch dann ausreichend ist, wenn für die Letztgenannten keine Familienbeihilfe bezogen wird (wenn auch Ansprüche auf Familienbeihilfe bei der Beurteilung der zur Verfügung stehenden Mittel dennoch einzubeziehen sind, vgl. auch die unten stehenden Ausführungen sowie das hg. Erkenntnis vom 19. November 1998, Zl. 96/19/0529).

Dem so zu berechnenden Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde aber sämtliche Unterhaltsmittel gegenüberzustellen gehabt, über die die Beschwerdeführer (bzw. deren Familienerhalter) verfügen. Die belangte Behörde stellte - ohne dies näher zu erläutern - fest, der Familienerhalter könne einen Betrag von S 11.800,- pro Monat für seine Familie "aufbringen". Aus dieser Feststellung ist aber nicht ableitbar, ob es sich bei diesem Betrag um das (monatliche) Gehalt des Familienerhalters oder um einen Betrag handelt, in den auch andere Zahlungen an die Beschwerdeführer einberechnet wurden. Dieser Begründungsmangel ist aus nachstehenden Gründen entscheidend:

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind bei der Berechnung des einem Fremden monatlich zur Verfügung stehenden Betrages nämlich die Sonderzahlungen zu berücksichtigen, dh. es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein bekannt gegebenes Nettomonatsgehalt 14-mal jährlich ausbezahlt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 97/19/0709, 0710); auch die Ansprüche auf Bezug von Familienbeihilfe (gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967) sind bei der Beurteilung des zur Verfügung stehenden Unterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu berücksichtigen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. November 1998). Wäre das von der belangten Behörde festgestellte monatliche Einkommen aber 14-mal ausbezahlt worden und hätten die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer Familienbeihilfe bezogen, so wäre aber selbst dann, wenn die Behörde ihrer Berechnung des Unterhaltsbedarfes die obgenannten Berechnungsrundsätze zugrundegelegt hätte, nicht auszuschließen, dass den Beschwerdeführern monatlich Mittel zur Verfügung gestanden wären, die dem Unterhaltsbedarf entsprochen hätten. Diesfalls wäre die Abweisung der Anträge der Beschwerdeführer mangels ausreichenden Unterhaltes für die Dauer des Aufenthaltes aber rechtswidrig.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführer, die "Ziffern der Gehaltserhebung" seien zwischenzeitig überholt, wird ergänzend bemerkt, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihrer Verpflichtung zur initiativen Darlegung ihrer Einkommensverhältnisse ein allfälliges höheres Einkommen des Familienerhalters von sich aus bekanntzugeben gehabt hätten; aufgrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes war dieses Vorbringen nicht weiter zu beachten.

Die belangte Behörde belastete die angefochtenen Bescheide dadurch, dass sie ihre Feststellungen hinsichtlich der Unterhaltsmittel der Beschwerdeführer nicht ausreichend begründete, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich jeweils auf

die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. April 1999

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190907.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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