Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G*****, und 2. S*****, beide vertreten durch Mag. Annamaria Lechthaler, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Entfernung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 6.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. September 2018, GZ 4 R 79/18y-50, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 460,40 EUR (davon 76,73 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Kläger begehrten unter Berufung auf eine offenkundige Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts, den Beklagten schuldig zu erkennen,
1. die auf einem bestimmten Grundstück des Beklagten abgestellten Fahrnisse, nämlich die Aluminium-Verbauung für die Mülltonne sowie den Fahrradständer samt darin verwahrten Fahrrädern, zu entfernen und
2. es in Hinkunft zu unterlassen, auf dem Dienstbarkeitsbereich dieses Grundstücks Fahrnisse jeglicher Art abzustellen.
Die Kläger bewerteten das Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren mit jeweils 3.000 EUR.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Kläger das Ersturteil dahin ab, dass es den Beklagten verpflichtete, den auf seinem Grundstück abgestellten Fahrradständer samt den darin verwahrten Fahrrädern zu entfernen. Es verpflichtete den Beklagten, es künftig zu unterlassen, Fahrnisse jeglicher Art auf dem durch den Fahrradständer und den darin verwahrten Fahrrädern definierten Dienstbarkeitsbereich, soweit er breitenmäßig über die vorhandene Aluminiumverbauung der Mülltonnen in den entlang der Häuser I***** führenden asphaltierten Weg hineinragt, abzustellen. Das Mehrbegehren, den Beklagten auch zur Entfernung der Aluminiumverbauung für die Mülltonnen und zur entsprechenden Unterlassung zu verpflichten, wies das Berufungsgericht ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen den klagsstattgebenden Teil des Berufungsurteils erhob der Beklagte einen Antrag auf Zulassung einer ordentlichen Revision, die er zugleich ausführte.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Gericht zweiter Instanz den Abänderungsantrag mit der Begründung zurück, dass ein solcher unzulässig sei, weil die einzelnen Fakten der Entfernungs- und Unterlassungsbegehren nicht iSd § 55 JN zusammenzurechnen seien. Da die Kläger hinsichtlich des Fahrradständers samt Fahrrädern und der Aluminiumverbauung für die Mülltonnen keine gesonderte Bewertung vorgenommen hätten und auch nicht ersichtlich sei, dass einem der genannten Fakten größere Bedeutung zukomme, sei im Zweifel von der streitwertmäßigen Äquivalenz auszugehen, sodass für den Beklagten nach dem Ergebnis des Berufungsurteils nur mehr ein Streitinteresse von 3.000 EUR bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene, von den Klägern beantwortete Rekurs des Beklagten ist zwar zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Ein Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem der Abänderungsantrag deshalb zurückgewiesen wurde, weil ein Anwendungsfall des § 508 Abs 1 ZPO nicht vorliegen soll, ist nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls bekämpfbar, weil der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 ZPO nicht greift (RIS-Justiz RS0112034). Das Rekursverfahren ist seit der ZVN 2009 zweiseitig (RIS-Justiz RS0112034 [T9]).
2.1 Die Zusammenrechnung der Werte mehrerer Ansprüche (objektive Klagehäufung) setzt einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang voraus (§ 500 Abs 3 ZPO iVm § 55 Abs 1 Z 1 JN). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037899).
2.2 Nach der Rechtsprechung stehen mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN (RIS-Justiz RS0110012). In einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt. Diese Grundsätze gelten auch für die Servitutenklage (3 Ob 276/08x).
3. Die Kläger stützten ihre Begehren auf zeitlich, sachlich und räumlich getrennte Eingriffe in eine Servitut, und zwar die Anfertigung einer – der Verkleidung von Mülltonnen dienenden – Aluminiumverbauung im Jahr 2011 einerseits und das Aufstellen eines Fahrradständers im April 2016 andererseits, wodurch jeweils die Zufahrtsbreite des Servitutswegs verringert worden sei. Die Kläger behaupteten daher einzelne, voneinander verschiedene und unabhängige, ihr Servitutsrecht störende Handlungen des Beklagten. Eine Zusammenrechnung findet wegen des rechtlichen Zusammenhangs nur zwischen dem auf den jeweiligen Eingriff gestützten Beseitigungs- sowie Unterlassungsbegehren statt.
4. Mehrere Ansprüche, die nicht nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind, hat das Berufungsgericht gesondert zu bewerten (RIS-Justiz RS0042741 [T18]).
Diese gebotene (gesonderte) Bewertung hat das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss nachgetragen. Ob die Bewertung auch im Spruch abzulesen ist, ist unerheblich, wenn sie sich – wie hier – aus den Entscheidungsgründen eindeutig ergibt (RIS-Justiz RS0042385 [T17]).
Diese Bewertung ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende gesetzliche Bewertungsvorschriften verletzt oder den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten (RIS-Justiz RS0042385; RS0042410 ua). Das ist hier nicht der Fall.
5. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass mangels Zusammenrechnung der zweitinstanzliche Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR nicht übersteigt und damit ein Anwendungsfall des § 508 Abs 1 ZPO nicht vorliegt. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da die Kläger keine Einzelbewertung ihrer Begehren vorgenommen haben, war im Zweifel von der Gleichwertigkeit aller Begehren auszugehen (Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 2.38) und die Rekursbeantwortung auf Basis von 3.000 EUR zu honorieren. Gemäß § 23a RATG gebührt dafür nur ein Erhöhungsbeitrag von 2,10 EUR.
Textnummer
E124580European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00146.18F.0226.000Im RIS seit
12.04.2019Zuletzt aktualisiert am
12.04.2019