Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr.
Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag.
Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach J***** H*****, über den Revisionsrekurs des Sohnes des Verstorbenen, J***** H*****, vertreten durch Metzler & Musel Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 10. Dezember 2018, GZ 1 R 182/18k, 196/18v-21, womit die Rekurse des Sohnes des Verstorbenen gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Steyr vom 26. September 2018, GZ 28 A 338/18x-11, und vom 10. Oktober 2018, GZ 28 A 338/18x-14, zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
J***** H***** senior verstarb am *****. Er hinterlässt seine Ehefrau und vier erwachsene Kinder, darunter den Rechtsmittelwerber. Laut Todesfallaufnahme existiert ein (noch nicht aktenkundiges) Testament vom 21. 6. 2018. Laut Registerauskunft des Österreichischen Zentralen Testamentsregisters ist ein (ebenfalls noch nicht aktenkundiges) wechselseitiges Testament mit der Witwe vom 22. 6. 2015 an diesem Tag registriert und hinterlegt worden. Bislang wurden keine Erbantrittserklärungen abgegeben.
Der Rechtsmittelwerber brachte beim Landesgericht Steyr eine Klage gegen die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen sowie zwei weitere Personen ein. Er beantragte, einen Verlassenschaftskurator zur Vertretung der Verlassenschaft in diesem Prozess zu bestellen.
Mit Beschluss vom 26. 9. 2018 bestellte das Erstgericht einen Rechtsanwalt zum Verlassenschaftskurator für die Vertretung im genannten Prozess.
Der Rechtsmittelwerber sprach sich gegen die Bestellung dieses Rechtsanwalts aus, lehnte diesen ab und beantragte die Bestellung eines anderen Verlassenschaftskurators. Er führte aus, der bestellte Verlassenschaftskurator sei „im Rahmen einer behaupteten Forderung“ als Rechtsvertreter eines Gläubigers gegen ihn tätig. Der Kläger zähle zum Kreis der präsumtiven Erben. Der Verlassenschaftskurator wäre damit konfrontiert, dass es vorteilhaft sein könnte, wenn der Kläger im Verfahren obsiege, weil damit die wirtschaftlichen Möglichkeiten seiner anderen Klientin verbessert würden. Dadurch bestehe ein gravierender Interessenkonflikt.
Mit Beschluss vom 10. 10. 2018 wies das Erstgericht diesen Umbestellungsantrag ab.
Das Rekursgericht wies die gegen die beiden genannten erstgerichtlichen Beschlüsse gerichteten Rekurse des Sohnes des Verstorbenen zurück. Der Rekurswerber habe noch keine Erbantrittserklärung abgegeben. Weder als berufener Erbe vor Erbantrittserklärung noch als Noterbe stehe ihm die Rechtsmittelbefugnis zu. Dem Rekurswerber komme als Kläger gegen die Verlassenschaft lediglich die Stellung eines Nachlassgläubigers zu. Ein solcher habe im Verlassenschaftsverfahren nur dann Beteiligtenstellung und ein Rekursrecht, wenn durch die angefochtene Verfügung in seine rechtliche Position eingegriffen würde. Ein solcher Eingriff sei grundsätzlich nur in Ansehung der Gläubigerrechte nach den §§ 811, 812 und 815 ABGB und dann anzunehmen, wenn in Gläubigerrechte unmittelbar eingegriffen werde. Das sei hier nicht der Fall. Das Recht des Gläubigers nach § 811 ABGB erschöpfe sich in der entsprechenden Antragstellung. Es stehe ihm kein Rekursrecht gegen die Auswahl der Person des Verlassenschaftskurators zu. Überdies liege beim bestellten Verlassenschaftskurator keine Interessenkollision vor. Der vom Verlassenschaftskurator gegen den Rechtsmittelwerber vertretene Gläubiger sei am erwähnten vom Rechtsmittelwerber angestrengten Prozess nicht beteiligt. Mögliche Eigeninteressen würden dem bestellten Verlassenschaftskurator nicht unterstellt. Dass ein Obsiegen des Rechtsmittelwerbers als dortiger Kläger gegen die durch den Verlassenschaftskurator vertretene Verlassenschaft die wirtschaftliche Situation des Rechtsmittelwerbers verbessern könnte und sich dieser Umstand als möglich mittelbare Folge positiv für den vom Verlassenschaftskurator vertretenen Gläubiger des Rechtsmittelwerbers auswirken könnte, reiche für die Annahme einer Interessenkollision des bestellten Verlassenschaftskurators nicht.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung zur Rekurslegitimation des Verlassenschaftsgläubigers und des präsumtiven Erben gegen die Auswahl des Verlassenschaftskurators fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Sohnes des Verstorbenen ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig:
1. Soweit sich der Rechtsmittelwerber auf seine Stellung als potenzieller Erbe bezieht, ist ihm die ständige Rechtsprechung entgegenzuhalten: Danach wird der (potenzielle) Erbe erst mit Abgabe seiner Erbantrittserklärung Partei des Verlassenschaftsverfahrens (RIS-Justiz RS0007926, RS0006398 [T17]). Vorher hat er in der Regel keinen Einfluss auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens und auch keine Rekurslegitimation (RIS-Justiz RS0006398, RS0106608 [T22]). Warum diese Judikatur nicht auch die Frage der Rekurslegitimation des präsumtiven Erben gegen die Auswahl des Verlassenschaftskurators erfassen sollte, ist nicht ersichtlich (zu den erbantrittserklärten Erben vgl hingegen 2 Ob 56/18a; RIS-Justiz RS0006266). Insoweit ist somit entgegen der Zulassungsbegründung des Rekursgerichts durchaus Rechtsprechung vorhanden. Für seine davon abweichende Rechtsansicht vermag der Rechtsmittelwerber keine einzige Belegstelle anzuführen.
2. Die Ansicht des Rekursgerichts, auch als potenziell Pflichtteilsberechtigtem komme ihm keine Rekurslegitimation zu, lässt der Rechtsmittelwerber unbekämpft (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0006519, RS0012909).
3. Schließlich ist auch Rechtsprechung zur Rekurslegitimation des Verlassenschaftsgläubigers bzw Prozessgegners der Verlassenschaft gegen die Auswahl des Verlassenschaftskurators (hier eingeschränkt auf die Funktion des Vertreters der Verlassenschaft im Prozess; § 811 ABGB) vorhanden. Danach fehlt dem Gläubiger und Prozessgegner der Verlassenschaft ein rechtlich geschütztes Interesse an der Frage, durch wen die Verlassenschaft vertreten wird (vgl 2 Ob 147/16f und 2 Ob 20/18g: Ob durch den Erben gemäß § 810 ABGB oder durch einen Verlassenschaftskurator). Ganz generell steht nämlich dem Prozessgegner kein Rekursrecht in der Frage der Auswahl der Person des Kurators zu (RIS-Justiz RS0006245; 8 Ob 34/67 SZ 40/24; 6 Ob 148/14d mwN).
4. In der Entscheidung 6 Ob 148/14d wurde zwar den Prozessgegnern des Kuranden die Rekurslegitimation betreffend die Auswahl des Prozesskurators zuerkannt. Dem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass der Kurator wegen behaupteter (offenkundiger) Interessenkollision (Vertretung einerseits einer Privatstiftung, andererseits deren Begünstigter, die von den Vorstandsmitgliedern der Stiftung bekämpfte Vorstandsabberufungen getätigt hatten) zur Vertretung ungeeignet war, daher der Mangel der Vertretung des Prozessgegners nicht beseitigt wurde und somit die Rekurswerber in ihrer Rechtssphäre als nach § 8 ZPO Antragsbefugte betroffen waren.
Der vorliegende Fall ist mit dem Sachverhalt der Entscheidung 6 Ob 148/14d nicht vergleichbar. Die dort vertretene Rechtsansicht muss daher hier nicht überprüft werden. Die Beurteilung des Rekursgerichts, hier liege keine Interessenkollision vor, ist jedenfalls vertretbar und nicht korrekturbedürftig.
5. Die vom Rekursgericht in der Zulassungsbegründung bezeichneten Rechtsfragen sind somit in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Die angefochtene Entscheidung steht damit im Einklang. Auf die Frage, wie die Rechtslage im Fall einer bereits abgegebenen Erbantrittserklärung zu beurteilen wäre (vgl jüngst 2 Ob 46/18f zu einer ähnlichen Konstellation), muss hier nicht eingegangen werden.
Auch im Revisionsrekurs wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weshalb er zurückzuweisen war.
Textnummer
E124548European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00016.19W.0226.000Im RIS seit
11.04.2019Zuletzt aktualisiert am
12.12.2019