TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/21 97/01/0437

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Veröffentlicht am 21.04.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des W S in W, geboren am 20. April 1960, vertreten durch Dr. Rainer Pallas, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Februar 1997, Zl. 4.338.905/16-III/13/97, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Südafrikas, der am 24. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 27. Jänner 1992 einen Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 31. März 1992 zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen Folgendes angegeben:

Er gehöre seit 1989 dem ANC (African National Congress) an. Diese Partei unterstütze Nelson Mandela. Sein Vater sei Chef einer Druckerei gewesen, welche die Zeitung "Weekly Mirror" herausgebracht habe. An einem 1. Mai habe diese Druckerei Plakate herausgebracht, welche sich gegen die Inkatha-Partei gerichtet hätten. Es sei dann zu einer Straßenschlacht zwischen Angehörigen der Inkatha-Partei und dem ANC gekommen. Im Zuge dessen sei auch die Polizei eingeschritten, welche in die Menge geschossen habe. Dabei sei der Vater des Beschwerdeführers getötet worden. Der Beschwerdeführer sei in die Druckerei geflüchtet und habe die restlichen Plakate verbrannt. Am 2. Mai sei der Beschwerdeführer verhaftet und für eineinhalb Jahre ins Gefängnis gebracht worden. Schließlich habe er sich krank gestellt und sei ins Spital gekommen, von wo ihm mit Hilfe eines Bekannten die Flucht gelungen sei. Ins Gefängnis sei er wegen des Vorwurfes von regierungsfeindlichen Aktionen gekommen. Bei einer Rückkehr würde er wieder eingesperrt werden.

Mit Eingabe vom 11. April 1992 korrigierte er diese Angaben dahin, dass es nicht zu einer Straßenschlacht gekommen sei, sondern sich die ANC-Mitglieder in einem Gebäude versammelt hätten. Inkatha-Mitglieder hätten Steine geworfen und seien in das Haus eingedrungen. Die Polizei sei gekommen, die Menschen seien aus dem Gebäude auf die Straße gelaufen und die Polizei hätte in die Menge geschossen.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1992 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In seiner dagegen gerichteten Berufung präzisierte er, dass die geschilderten Vorfälle im Mai 1990 stattgefunden hätte. Das von der Druckerei seines Vaters produzierte Plakat habe sich gegen "Zulu-Inkatha" und "SADF" und die von diesen Gruppierungen ausgehenden Morde gerichtet. Schon beim Aufhängen dieser Plakate seien zwei Parteigänger des ANC verhaftet worden. Als der Beschwerdeführer am 1. Mai nach den Schüssen der Polizei die restlichen Plakate verbrannt habe, habe er einen Brand in der Druckerei verursacht. Am nächsten Morgen sei er zu Hause verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden. Im Gefängnis sei er mit sechs anderen Gefangenen in einem kleinen feuchten Raum angehalten und immer wieder geschlagen worden. Nach 19 Monaten sei er sehr krank geworden und daher ins Gefängnishospital überstellt worden. Von dort hätte er flüchten können. Die Zulu-Inkatha-Bewegung bekämpfe seit einigen Jahren den ANC, um zu verhindern, dass Mandela Präsident werde. Der Vater des Beschwerdeführers sei ein angesehenes Mitglied des ANC gewesen. Im Falle einer Rückkehr nach Südafrika würde ihm Agitation gegen die Regierung vorgeworfen werden. Er befürchte, wieder ohne Gerichtsverfahren eingesperrt zu werden.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 10. November 1992, mit welchem diese Berufung abgewiesen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 94/19/0932, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 1994 wurde mit hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/19/1173, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde anstelle des anzuwendenden Asylgesetzes (1968) bereits das Asylgesetz 1991 und den darin geregelten Asylausschließungsgrund der "Verfolgungssicherheit" angewendet hatte.

Im fortgesetzten Verfahren wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 20. November 1996 vorgehalten, dass in seinem Heimatland im April 1994 freie Parlamentswahlen stattgefunden hätten und damit die Herrschaft der weißen Bevölkerungsminderheit geendet habe. Nelson Mandela sei im Mai 1994 als neues Staatsoberhaupt vereidigt worden. Der ANC habe bei den Parlamentswahlen mit 62,65 % der Stimmen nur knapp die Zweidrittelmehrheit verfehlt. Überdies habe diese Partei in sieben der neun Provinzparlamente die Mehrheit errungen. In der Folge sei der Prozess der Demokratisierung der politischen Strukturen des Landes weiter vorangeschritten. Im November 1995 hätten in den meisten Teilen Südafrikas Kommunalwahlen stattgefunden, aus denen der ANC mit deutlicher Mehrheit als Sieger hervorgegangen sei. Angesichts dieser politischen Entwicklung müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Südafrika mit keinen Nachteilen aufgrund seiner politischen Überzeugung und seiner Mitgliedschaft zum ANC zu rechnen habe. Die Befürchtung des Beschwerdeführers, unter dem Vorwurf des Agitation gegen die Regierung verhaftet zu werden, stelle sich in Anbetracht des Umstandes, dass der ANC nunmehr 18 von 28 Ministern stelle, als nicht mehr haltbar dar.

Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schreiben vom 1. Dezember 1996 Stellung. Er habe kurz nach den ersten demokratischen Wahlen bei der südafrikanischen Botschaft um einen neuen Pass angesucht. Es sei ihm jedoch trotz Interventionen bei Präsident Mandela und Bischof Tutu bisher kein Reisepass ausgestellt worden. Er habe wirklich alles versucht, einen neuen Pass zu erhalten, die südafrikanische Regierung gewähre ihm keinen Straferlass für die frühere Verurteilung. Daraus gehe hervor, dass es nicht zur versprochenen Amnestie für politisch Verurteilte gekommen sei. Abschließend bat er darum, "Gnade vor Recht" ergehen zu lassen und ihm Asyl zu gewähren.

Am 10. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführer daraufhin vom Bundesasylamt neuerlich einvernommen. Dabei wurde ihm u.a. vorgehalten, dass die Verweigerung der Ausstellung eines Reisepasses nicht zur Asylgewährung führen könne. Dazu führte er aus, dass ANC-Mitglieder nach wie vor verfolgt würden und legte hiezu Südafrika betreffende Kopien aus dem Jahresbericht 1996 von "amnesty international" vor.

Weiters wurde ihm vorgehalten, dass er zunächst ausgeführt habe, ohne Gerichtsurteil eingesperrt worden zu sein, während er nunmehr behaupte, dass es keinen Straferlass für die frühere Verurteilung gebe. Dazu führte er aus, dass es in Südafrika eine Kommission unter Vorsitz von Bischof Tutu gebe, die wegen der zwischen 1960 und 1993 begangenen Verbrechen ermittle. Er sei tatsächlich nicht verurteilt worden. Mit seinem Vorbringen betreffend den mangelnden Straferlass habe er gemeint, dass ihm die Ausstellung eines Reisepasses verweigert werde.

Mit Bescheid vom 25. Februar 1997 hat der Bundesminister für Inneres festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinn des Asylgesetzes (1968) sei. Dazu führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine auch noch nach der Demokratisierung in Südafrika drohende asylrelevante Verfolgung als ANC-Mitglied glaubhaft zu machen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 des auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Asylgesetzes (1968) ist ein Fremder dann Flüchtling im Sinn dieses Bundesgesetzes, wenn festgestellt wird, dass er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt und bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 1 Asylgesetz 1968 setzt somit jedenfalls voraus, dass die begründete Furcht vor Verfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nach wie vor besteht. Dies ist dem Beschwerdevorbringen zu entgegnen, die belangte Behörde wäre aufgrund der vergangenen Ereignisse verpflichtet gewesen, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festzustellen, auch wenn sie für die Zukunft keine wohlbegründete Furcht als gegeben erachte. Die belangte Behörde hat sich daher zu Recht nur damit befasst, ob dem Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung der nunmehrigen Verhältnisse in Südafrika eine Verfolgung droht.

Der Beschwerdeführer bestritt im Verwaltungsverfahren die ihm vorgehaltene Tatsache, dass der ANC nunmehr die staatstragende Partei in Südafrika sei, nicht. Er hat über den entsprechenden Vorhalt lediglich ausgeführt, dass ihm die südafrikanischen Behörden über seinen Antrag trotz mehrmaliger Interventionen bei höchsten Stellen keinen Reisepass ausgestellt hätten. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Verweigerung der Ausstellung eines Reisepasses keine asylrelevante Verfolgung darstellte begegnet keinen Bedenken. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde daher auch nicht verpflichtet, die Gründe für diese Verweigerung - von Amts wegen - zu erheben.

Aus den vom Beschwerdeführer - ohne dazu ein konkretes Vorbringen zu erstatten - vorgelegten Auszügen aus dem Jahresbericht von "amnesty international" ergibt sich, dass es auch im Jahr 1996 in Südafrika zu politisch motivierten Morden gekommen sei, die teilweise von der lokalen Polizei, insbesondere in der Provinz Kwa Zulu, geduldet bzw. sogar begangen worden seien. Davon seien auch Mitglieder des ANC betroffen gewesen. Aus diesem Bericht ergibt sich jedoch auch, dass in vielen Fällen gegen die mutmaßlichen Täter Verfahren eingeleitet worden seien, die auch zu Verurteilungen geführt haben. Eine den Beschwerdeführer - nicht nur als entfernte Möglichkeit, sondern mit der für die Asylgewährung maßgeblichen Wahrscheinlichkeit - drohende, von staatlichen Stellen zumindest gebilligte Verfolgung aufgrund seiner Mitgliedschaft zur nunmehr staatstragenden Partei ANC kann daraus nicht abgeleitet werden.

Im Hinblick darauf und auf das Fehlen eines konkreten Vorbringens im Verwaltungsverfahren war die belangte Behörde nicht verpflichtet, weitere Ermittlungen über die allgemeine Situation von Mitgliedern des ANC in Südafrika durchzuführen. Beim Beschwerdevorbringen, dem ANC angehörige Asylwerber seien sofort nach ihrer Rückkehr nach Südafrika unter strengster Geheimhaltung inhaftiert und unter Anklage gestellte worden, handelt es sich um eine im Verwaltungsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung.

Entgegen der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde den für die Bescheiderlassung wesentlichen Umstand der geänderten Verhältnisse in Südafrika dem Beschwerdeführer vorgehalten.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997010437.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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