TE OGH 2019/2/27 9ObA121/18m

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und ADir. Gabriele Svirak in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Sozialhilfeverband *****, vertreten durch Bartl & Partner Rechtsanwälte KG in Graz, wegen 2.059,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 2018, GZ 7 Ra 22/18m-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin war von 1. 5. 2000 bis 31. 12. 2016 beim Beklagten bzw dessen Rechtsvorgänger (Sozialhilfeverband B*****) als Reinigungskraft vollzeitbeschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde aufgrund ihrer Pensionierung einvernehmlich aufgelöst. Bei Abschluss des Dienstvertrags im Mai 2000 gingen die Parteien davon aus, dass auf das Dienstverhältnis das „private Arbeitsrecht“ zur Anwendung gelangt. Im Dienstvertrag wurde die Anwendung der Bestimmungen der §§ 1151 ff und 1159 ABGB sowie die Betriebsordnung des Sozialhilfeverbandes B***** vereinbart. In der Vergangenheit wurden vom Beklagten bzw dessen Rechtsvorgänger Abfertigungen mit anteiligen Sonderzahlungen berechnet und ausbezahlt. Mit Urteil des Berufungsgerichts vom 31. 10. 2013, AZ *****, wurde in einem gegen den Sozialhilfeverband B***** von dessen Zentralbetriebsrat angestrengten Verfahren nach § 54 Abs 1 ASGG festgestellt, dass das Steiermärkische Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz (idF Stmk G-VBG) auf sämtliche Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen, die zum Sozialhilfeverband B***** in einem Dienstverhältnis stehen, anzuwenden ist. Anlässlich des Zusammenschlusses der Sozialhilfeverbände B***** und ***** wurde in einem Nachtrag zum Dienstvertrag vom 20. 8. 2014 festgehalten, dass gemäß Art 21 Abs 1 B-VG hinsichtlich des Dienstrechts der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände keine Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Bundes bestehe, sodass hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse der beim Sozialhilfeverband ***** beschäftigten Personen das Stmk G-VBG 1962 idgF zur Anwendung gelange. Für den/die Dienstnehmer/in komme es hinsichtlich seines/ihres übergegangenen Dienstverhältnisses zu keiner Schlechterstellung im Vergleich zur Situation vor der Zusammenlegung.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage eine Abfertigungsdifferenz nach Maßgabe des – im Vergleich zum Stmk G-VBG – für sie günstigeren ArbAbfG (Einbeziehung von Sonderzahlungen in die Bemessungsgrundlage). Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren mangels einer Rechtsgrundlage ab. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Unstrittig unterlag das Dienstverhältnis der Klägerin, die weder Bedienstete einer Gemeinde war noch behördliche Aufgaben zu besorgen hatte, erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des § 1 Stmk G-VBG zum 20. 8. 2002 dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes (§ 42 Abs 11 Stmk G-VBG idF LGBl 2002/90).

2. Die Klägerin bestreitet nicht, dass ihr Dienstverhältnis vor diesem Zeitpunkt von Gesetzes wegen von der Anwendbarkeit des ArbAbfG ausgenommen war (§ 1 Abs 2 Z 2 ArbAbfG), beruft sich aber auf eine entsprechende vertragliche Vereinbarung. Ob ein Dienstvertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt in der Regel – von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage dar (s RIS-Justiz RS0042936). Letzteres ist auch hier nicht der Fall, weil im Dienstvertrag die Geltung des ArbAbfG nicht vereinbart war und die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 ArbAbfG gerade nicht nahelegt, dass die Vertragsparteien bei ihrer Annahme, dass das „private Arbeitsrecht“ zur Anwendung gelange, auch die Geltung dieses Gesetzes gewollt hätten.

3. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine betriebliche Übung berufen. Aufgrund der zwingenden Geltung des Stmk G-VBG können die Rechte und Pflichten von Bediensteten nur unter den im Gesetz vorgesehenen Rahmenbedingungen geändert werden (vgl RIS-Justiz RS0050823 [T2]). Insbesondere müssen auch Entgeltansprüche – die Abfertigung hat Entgeltcharakter (RIS-Justiz RS0030316) – bei Nichtvorliegen eines sie tragenden Sondervertrags auf dem Gesetz beruhen. Eine nicht auf Sondervertrag beruhende Erweiterung der Ansprüche des Bediensteten durch eine betriebliche Übung, die Eingang in den Einzelvertrag gefunden hätte, muss schon am zwingenden Charakter des Stmk G-VBG scheitern (s 9 ObA 101/14i; s auch 9 ObA 170/13k; Ziehensack, Vertragsbedienstetengesetz, § 36 Rz 82). Die in der Revision genannten Entscheidungen 8 ObA 54/12t und 9 ObA 78/89 stehen dem nicht entgegen. In der Entscheidung 8 ObA 54/12t waren Vertragsverhältnisse von Bediensteten einer Stadt mit eigenem Statut verfahrensgegenständlich, auf die die maßgeblichen landesgesetzlichen Regelungen nicht anzuwenden waren. Die Entscheidung 9 ObA 78/89 thematisierte das Verhältnis zu Sonderverträgen nicht. Auch die Entscheidung 9 ObA 2042/96a stützt den Standpunkt der Klägerin nicht, weil der Stmk Landesgesetzgeber sehr wohl Abfertigungsansprüche für Vertragsbedienstete geregelt hat.

4. Dass ein Sondervertrag nach § 39 Stmk G-VBG etwa in Form des Nachtrags zum Dienstvertrag vom 20. 8. 2014 vorgelegen sei, behauptet die Klägerin zu Recht nicht. Derartige Verträge unterliegen nämlich nicht nur dem Gebot der Schriftlichkeit, sondern müssen auch ausdrücklich als Sonderverträge bezeichnet werden (RIS-Justiz RS0115297). Auf die Frage, welche Genehmigung bei Vorliegen eines Sondervertrags erforderlich oder – wie von der Klägerin behauptet – nicht erforderlich gewesen wäre, kommt es danach nicht an.

5. Auch aus der Übergangsbestimmung des § 41 Abs 2 S 1 Stmk G-VBG („Die durch Verfügungen oder Verträge von Gemeinden auf Grund der bisherigen Bestimmungen bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes erworbenen Rechte in dienst- und besoldungsrechtlicher Beziehung werden anerkannt.“) ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil sich diese Bestimmung auf vor dem Inkrafttreten des Stmk G-VBG zum 9. 10. 1962 erworbene Rechte bezieht. Die Übergangsbestimmung zur hier einschlägigen Novelle LGBl 2002/90 (§ 43 Abs 11 Stmk G-VBG) enthält keine Anordnung zur Fortgeltung günstigerer Vereinbarungen (die hier auch nicht feststeht). Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass ein dem § 41 Abs 2 Stmk G-VBG nachgebildetes Übergangsregime auch für die von der Novelle 2002 erfassten (Bestand-)Dienstnehmer gelten sollte, wäre eine entsprechende Regelung zu erwarten gewesen.

6. Die Revisionsausführungen zum Vorliegen eines Betriebsübergangs gehen ins Leere, weil die Geltung des § 38 Stmk G-VBG zum Abfertigungsanspruch von Vertragsbediensteten hier nicht im Zusammenschluss der Sozialhilfeverbände B***** und ***** begründet ist.

7. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E124577

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00121.18M.0227.000

Im RIS seit

12.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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