Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 53.736,52 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 54.614,44 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2018, GZ 2 R 36/18f-64, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3. Dezember 2018, GZ 2 R 36/18f-70, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. Dezember 2017, GZ 34 Cg 29/14t-58, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Jänner 2018, GZ 34 Cg 29/14t-60, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.245,31 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 374,31 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin zeichnete von 2004 bis 2006 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der beklagten Bank unter Zwischenschaltung eines Treuhänders Kommanditbeteiligungen an mehreren deutschen Kommanditgesellschaften („Holland-Fonds“). Sie hatte mit dem Berater über die Höhe des der Beklagten zufließenden Ausgabeaufschlags verhandelt und eine Reduktion von 5 auf 3,5 % erreicht.
Die Beklagte erhielt von der Nebenintervenientin aufgrund einer Vertriebsvereinbarung bei Verkauf dieser Beteiligungen Provisionen zwischen 3 und 4,5 %. Der Berater informierte die Klägerin darüber nicht. Hätte sie davon gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben. Stattdessen hätte sie in von der Beklagten vorgeschlagene Alternativen veranlagt, womit sie zumindest keinen Verlust gemacht hätte.
Die Klägerin begehrte ursprünglich
(a) Zahlung von 118.028,88 EUR samt 4 % Zinsen jeweils ab Veranlagung (gestaffelt nach Maßgabe der Ausschüttungen), dies Zug um Zug gegen das Angebot auf Abtretung ihrer sämtlichen Rechte aus den Beteiligungen sowie
(b) die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden, die aus dem Erwerb der Beteiligungen entstehen.
Im ersten Rechtsgang wurde das Zahlungsbegehren im Umfang von 59.314,44 EUR samt Zinsen und das Begehren auf Feststellung der Haftung in einem die Hälfte der zukünftigen Schäden übersteigenden Umfang mit Teilurteil rechtskräftig abgewiesen. Im Übrigen hob der Senat die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück (2 Ob 99/16x). Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin auf weitere – einen möglichen Interessenkonflikt herbeiführende – Provisionen hinzuweisen, wobei die schuldhafte Verletzung dieser Aufklärungspflicht einen Schaden der Klägerin (Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte) verursacht habe. Im zweiten Rechtsgang sei lediglich zu prüfen, ob dieser Schaden auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung gestanden sei. Dies sei nur dann nicht anzunehmen, wenn die Beklagte nachweise, dass keine Interessenkollision vorgelegen sei. Dies setzte voraus, dass die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütungen von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte.
Im zweiten Rechtsgang konnte das Erstgericht nicht feststellen, ob die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür keine Vergütung von der Nebenintervenientin erhalten hätte. Jedenfalls habe sie aber nur solche geschlossenen Beteiligungen empfohlen, bei denen eine Vertriebsvereinbarung bestand. Solche Vereinbarungen waren, wie das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung feststellte, immer mit einer Innenprovision verbunden. Weiters stellte das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung vertriebsfördernde Maßnahmen der Beklagten (ua Schulungen unter Beiziehung von Mitarbeitern der Nebenintervenientin) fest.
Auf dieser Grundlage gab das Erstgericht dem restlichen Klagebegehren – abgesehen von einer rechtskräftig gewordenen Teilabweisung beim Leistungsbegehren – statt.
Das Berufungsgericht bestätigte mit weiterem Teilurteil die Entscheidung zum Leistungsbegehren und in Bezug auf drei von sechs Veranlagungen auch zum Feststellungsbegehren. Zu den übrigen Veranlagungen hob es die Entscheidung zum Feststellungsbegehren auf, weil noch Fragen des rechtlichen Interesses geklärt werden müssten. Die ordentliche Revision ließ es zu, weil die Frage, ob der beklagten Bank beim ihr obliegenden Nachweis einer fehlenden Interessenkollision eine Beweiserleichterung zu gewähren sei, bisher nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gewesen sei. Gleiches gelte für die Frage, ob es für das Vorliegen eines Interessenkonflikts auf den Horizont der Beklagten oder jenen des konkreten Beraters ankomme.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Zu den vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen:
1.1. Der Senat hat schon in seiner im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung (2 Ob 99/16x) klargestellt, dass eine Interessenkollision im konkreten Fall dann zu verneinen wäre, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütung von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte. In diesem Fall wäre kein unzulässiges besonderes Eigeninteresse der Beklagten am Vertrieb (gerade) dieser Beteiligung vorgelegen. Die Beweislast für diesen Umstand trifft die Beklagte (ebenso 2 Ob 172/17h; 8 Ob 109/16m; 7 Ob 95/17x). Der in der Zusammenfassung der Entscheidung verwendete Begriff „Berater“ (2 Ob 99/16x, Punkt C.2.) bezog sich nach dem eindeutigen Inhalt der weiteren Begründung (Punkt A.2.3.c.) auf die beratende Bank, nicht auf den konkret beratenden Mitarbeiter.
Dieser Beweis ist der Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht gelungen. Vielmehr steht positiv fest, dass die Beklagte nur solche geschlossenen Beteiligungen empfahl, bei denen sie eine Vertriebsvereinbarung mit Innenprovision geschlossen hatte. Ob der konkrete Berater von der (zusätzlichen) Innenprovision Kenntnis hatte, ist jedenfalls dann irrelevant, wenn die beklagte Bank durch vertriebsfördernde Maßnahmen Einfluss auf die Beratungstätigkeit und damit auf die Anlageentscheidung des Kunden genommen hatte. Eine unabhängige Beratung ist damit – anders als die Rechtsmittelwerberin meint – trotz allfälliger Unkenntnis des Beraters von den Provisionszahlungen nicht sichergestellt. Im Übrigen ist das haftungsbegründende Verhalten nicht, wie die Revision darzustellen versucht, die Aufnahme eines Produkts in das Portfolio der Beklagten, sondern die unterbliebene Aufklärung über die im konkreten Fall nicht zu erwartende (weitere) Vergütung für ihre Tätigkeit.
1.2. Gründe für eine Beweiserleichterung sind nicht erkennbar. Insofern ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen: Das Regelbeweismaß der ZPO ist die hohe Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0110701). Ein die Herabsetzung des Beweismaßes allenfalls rechtfertigender Beweisnotstand liegt nicht vor, weil die Beklagte einen hypothetischen Willensentschluss in ihrer eigenen Sphäre zu beweisen hat. Sie kann sich daher ebenso wenig auf ein herabgesetztes Beweismaß berufen wie ein Anleger, der seine (hypothetische) Anlageentscheidung (also ebenfalls einen Willensentschluss) nachzuweisen hat (9 Ob 26/14k [Punkt I.7.]; 6 Ob 98/15b [Punkt 4.]; 10 Ob 57/16d [Punkt 1.1.]; 6 Ob 59/17w [Punkt 2.]).
2. Auch sonst zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
2.1. Die in der Revision (neuerlich) aufgeworfenen Fragen zu Aufklärungspflicht, Verschulden und Schaden wurden im Aufhebungsbeschluss abschließend geklärt (RIS-Justiz RS0007010).
2.2. Im Revisionsverfahren kann die Beweiswürdigung der Vorinstanzen grundsätzlich nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0043371). Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht entgegen den Revisionsausführungen mit der Beweisrüge befasst und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung des Erstgerichts angestellt und in seinem Urteil festgehalten. Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor (RIS-Justiz RS0043150).
2.3. Ein Begehren auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden besteht nur dann nicht zu Recht, wenn diese tatsächlich ausgeschlossen wären (4 Ob 14/16m; 2 Ob 11/18h mwN). Ob das zutrifft, ist – wie ganz allgemein die Beurteilung des rechtlichen Interesses iSv § 228 ZPO (RIS-Justiz RS0037977 [T2]) – eine Frage des Einzelfalls. Soweit die Revision auf Entscheidungen des BGH verweist, wonach eine (unmittelbare) Haftung von Treugeberkommanditisten gegenüber der Beteiligungsgesellschaft ausgeschlossen sei, ist sie auf mögliche Freistellungsansprüche des zwischengeschalteten Treuhänders zu verweisen. Solche Ansprüche hat der BGH in den von der Revision genannten Entscheidungen ausdrücklich bejaht (II ZR 271/08 NJW 2011, 2351; II ZR 224/08). Inwieweit bei konkreten Anlageprodukten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung schon jetzt zukünftige Rückzahlungsverpflichtungen ausgeschlossen sein könnten, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.
3. Die Revision ist aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).
Textnummer
E124543European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00025.19V.0328.000Im RIS seit
11.04.2019Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020