TE OGH 2019/2/26 4Ob18/19d

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Moser und Dr. Martin Moser, Rechtsanwälte in Murau, gegen die beklagte Partei E***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 239.463,36 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. November 2018, GZ 4 R 150/18p-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 24. August 2018, GZ 26 Cg 52/18t-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.746,26 EUR (darin enthalten 457,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine Verteilernetzbetreiberin eines (lokalen) 10 kV-Netzes. Betreiberin des dem Netz der Klägerin vorgelagerten 30 kV-Netzes ist die ***** S***** GmbH. Die Beklagte ist Erzeugerin und Einspeiserin elektrischer Energie im Sinn des ElWOG 2010. Im Zusammenhang mit dem Anschluss an das Verteilernetz der Klägerin zahlte die Beklagte auf Basis des Netzzugangsvertrags vom 20. 10./3. 11. 2015 unter dem Titel „anteilige Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im 10 kV-Netz“ 132.000 EUR brutto an die Klägerin.

Dem Netzzugangsvertrag liegt das (zweite) Angebot der Klägerin vom 1. 6. 2015 zugrunde, in dem die Position 04.02 „anteilige Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im 30 kV-Netz des vorgelagerten Netzbetreibers“ mit 0,00 EUR ausgewiesen ist. Im ersten Angebot vom 8. 2. 2013 war für diese Position ein pauschaler Betrag von 85.000 EUR netto vorgesehen. Die Beklagte nahm dieses erste Angebot aber nicht an. Im Text des Netzzugangsvertrags war zu Pkt 5.1.6 („Netzbereitstellungsentgelt“) folgende Bestimmung enthalten, die vom Geschäftsführer der Beklagten allerdings gestrichen wurde:

Mit dem Netzbereitstellungsentgelt wird der vom Netzbetreiber zur Ermöglichung des Netzanschlusses bereits durchgeführte und vorfinanzierte Ausbau von Netzen abgegolten. Diesbezüglich wurde dem Anschlusswerber ein Angebot Nr 150169/3 vom 1. Juni 2015 betreffend der Bereitstellung der 10 kV-Netzanlage der [Klägerin] und ein Nachtrag vom 28. September 2015 betreffend des Netzbereitstellungsentgeltes des vorgelagerten 30 kV-Netzsystems der ***** S***** unterbreitet.“

Der Geschäftsführer der Klägerin war mit der Streichung dieser Passage im Netzzugangsvertrag einverstanden, weil die Beklagte als Einspeiserin auch nach seiner Auffassung kein Netzbereitstellungsentgelt zu zahlen hat.

In der Rechnung vom 1. 9. 2016 verrechnete die Klägerin der Beklagten auch „anteilige Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im 30 kV-Netz des vorgelagerten Netzbetreibers“; die Beklagte zahlte diesen Betrag nicht.

Die Verstärkungen im vorgelagerten 30 kV-Netz wurden nicht ausschließlich aufgrund des Netzzutritts der Beklagten durchgeführt und dienten nicht allein dem Anschluss des Wasserkraftwerks der Beklagten.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 239.463,36 EUR sA. Die Beklagte sei einerseits aufgrund der Bestimmungen des Netzzugangsvertrags vom 20. 10./3. 11. 2015 und andererseits nach § 54 ElWOG 2010 zur Zahlung des strittigen Netzzutrittsentgelts verpflichtet.

Die Beklagte entgegnete, dass sie ihre Zustimmung zur Zahlung von Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten 30 kV-Netz verweigert habe. Dementsprechend sei im Angebot vom 1. 6. 2015 die Position 04.02 mit 0,00 EUR ausgewiesen. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Betrag handle es sich nicht um ein Netzzutrittsentgelt, sondern um ein Netzbereitstellungsentgelt, das ausschließlich von den Entnehmern, nicht aber von ihr als Einspeiserin zu zahlen sei.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Mangels Willenseinigung stehe der Klägerin kein vertraglicher Anspruch auf Ersatz der in Rede stehenden Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten Netz zu. Nach § 54 ElWOG 2010 dürfe der Netzbetreiber vom Einspeiser lediglich ein Netzzutrittsentgelt verrechnen, das für die Errichtung zusätzlicher Leitungsanlagen zum ausschließlichen Zweck bestimmt sei, den jeweiligen Einspeiser an das Netz anzuschließen. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob die in Rede stehenden Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten Netz als Netzzutrittsentgelt gemäß § 54 ElWOG 2010 oder als Netzbereitstellungsentgelt gemäß § 55 leg cit anzusehen seien, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

2. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin als Betreiberin des nachgelagerten Netzes die ihr von der Betreiberin des vorgelagerten Netzes auferlegten Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten Netz an die beklagte Einspeiserin weiterverrechnen („durchreichen“) darf. Dazu beruft sich die Klägerin zum einen auf den Netzzugangsvertrag vom 20. 10./3. 11. 2015 und zum anderen auf einen gesetzlichen Anspruch auf das Netzzutrittsentgelt nach § 54 ElWOG 2010.

Zum vertraglichen Anspruch:

3.1 Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen zunächst vom Wortlaut auszugehen, aber nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der Wille der Parteien zu erforschen. Wird kein – vom Vertragstext abweichender oder diesen präzisierender – übereinstimmender Parteiwille behauptet oder festgestellt, so ist der objektive Erklärungswert des Vertragstextes mit Rücksicht auf den Geschäftszweck maßgebend. Der Vertrag ist so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RIS-Justiz RS0017915; RS0017797). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776).

3.2 Ein von den Urkunden (Netzzugangsvertrag und Angebot vom 1. 6. 2015) abweichender übereinstimmender Parteiwille steht hier gerade nicht fest. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Position 04.02 für die in Rede stehenden Kosten im zugrunde liegenden Angebot ausdrücklich mit 0,00 EUR angegeben seien und der Klägerin daher kein vertraglicher Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten Netz zustehe, hält sich im Rahmen der Auslegungsgrundsätze.

3.3 Das Argument der Klägerin, dass bei der Position 04.02 nur deshalb 0,00 EUR aufscheine, weil der Rechnungsansatz noch nicht festgestanden sei, ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil bereits im früheren Angebot vom 8. 2. 2013, das von der Beklagten allerdings abgelehnt worden war, die anteiligen Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten Netz mit pauschal 85.000 EUR netto angegeben waren.

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Klägerin zwar wiederholt versucht hat, die Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten Netz in den Netzzugangsvertrag vom 20. 10./3. 11. 2015 aufzunehmen, dies von der Beklagten aber kategorisch abgelehnt wurde und diese sich auch erfolgreich dagegen zur Wehr gesetzt hat, dass die Klägerin diese Kosten als „Netzbereitstellungskosten“ fingiert.

Zum Netzzutrittsentgelt nach § 54 ElWOG 2010:

4.1 Ein gesetzlicher Anspruch auf Erstattung der in Rede stehenden Kosten steht der Klägerin gegenüber der Beklagten als Einspeiserin nur dann zu, wenn diese Kosten als Netzzutrittsentgelt (Entgelt für den Netzanschluss und die Einspeisung) nach § 54 ElWOG 2010 und nicht als Netzbereitstellungsentgelt (Entgelt für den Anschluss und die Netznutzung durch Entnehmer) nach § 55 ElWOG 2010 zu qualifizieren sind.

Die Kriterien für die Abgrenzung von Netzzutrittsentgelt einerseits und Netzbereitstellungsentgelt andererseits sind in der Rechtsprechung bereits geklärt. Beim Netzzutrittsentgelt handelt es sich um (einmalige) Kosten für zusätzliche Leitungsanlagen, die unmittelbar (ausschließlich) für die erstmalige Herstellung eines Anschlusses oder die Vergrößerung eines bestehenden Anschlusses erforderlich sind. Demgegenüber ist Netzbereitstellungsentgelt ein Pauschalbetrag für die Nutzung der bestehenden Infrastruktur aufgrund bereits früher erfolgter Investitionen in das Netz durch Ausbau oder Modernisierung; damit werden mittelbare Aufwendungen im Netz (auch in einem vorgelagerten Netz) abgegolten (10 Ob 31/12z; 2 Ob 133/13t).

4.2 Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen ausgegangen. Ihre Beurteilung, dass die in Rede stehenden Kosten nicht ausschließlich zum Zweck entstanden seien, die Beklagte an das vorgelagerte Netz anzuschließen, weshalb es sich nur um mittelbare Aufwendungen im vorgelagerten Netz handle, sodass diese Kosten nicht als Netzzutrittsentgelt, sondern als Netzbereitstellungsentgelt zu qualifizieren und nicht von der Beklagten zu tragen seien, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.

4.3 Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die zugrunde liegende Verstärkung im vorgelagerten 30 kV-Netz weder ausschließlich aufgrund des Netzzutritts der Beklagten durchgeführt wurde noch allein deren Anschluss an dieses Netz diente. Ein Anspruch auf Erstattung der in Rede stehenden Kosten für Verstärkungsmaßnahmen im vorgelagerten Netz resultiert somit auch nicht aus den zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen. Vielmehr bedarf ein solcher Anspruch einer vertraglichen Vereinbarung, die hier allerdings nicht vorliegt.

5. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E124523

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00018.19D.0226.000

Im RIS seit

10.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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