TE OGH 2019/4/1 10Bs49/19k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2019
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr.Sutter (Vorsitz), Mag.Redtenbacher und Drin.Sadoghi im Verfahren zur Übernahme der Vollstreckung einer Geldsanktion über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 22.Jänner 2019, GZ 14 Ns 2/19x-3, in nichtöffentlicher Sitzung den         

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

         Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

         Gegen diese Entscheidung steht kein weiterer Rechtszug zu.

BEGRÜNDUNG:

Text

Mit Schreiben vom 8.Jänner 2019 ersuchte das Amtsgericht Celje/Slowenien die Staatsanwaltschaft Klagenfurt unter Bezugnahme auf den Rahmenbeschluss des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (2005/214/“JHA“ vom 24.Februar 2005) den gegen den im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt in 9020 Klagenfurt, ***** wohnhaften ***** erlassenen Zahlungsbefehl der Stadtgemeinde Ljubljana, Stadtverwaltung, vom 28.März 2018 Aktenzeichen: 2240-57234/2017-52119904, über eine Geldbuße von 80,00 EUR zu vollstrecken. Aus dem mit dem Ersuchen übermittelten Zahlungsbefehl geht hervor, dass der Genannte als Fahrer des Fahrzeugs mit dem Kennzeichen K-***** am 4.September 2017 um 15.03 Uhr auf der Samova Ulica 19 aus Richtung Podmilš?akova ulica in Richtung Dunajska cesta in der Ortschaft Ljubljana die Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h um 6 km/h übertrat, womit er die Straßenverkehrsordnung (ZPrCP) verletzte.

Aus der (in deutscher Sprache übermittelten) Bescheinigung nach Artikel 4 des Rahmenbeschlusses 2005/2014/Jl des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen ergibt sich, dass es sich bei dem am 24.April 2018 in Rechtskraft erwachsenen Zahlungsbefehl um die Entscheidung einer nicht gerichtlichen Behörde des Entscheidungsstaats aufgrund von Handlungen, die nach dessen innerstaatlichem Recht als Zuwiderhandlung gegen Rechtsvorschriften geahndet werden, handelt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Klagenfurt den Antrag des „Kreisgerichtes“ Celje vom 8.Jänner 2019, Pom PR 485/2018-0334, auf Vollstreckungsübernahme einer Geldsanktion des Verkehrsüberwachungsdienstes Ljubljana zu 2240-57234/2017-52119904 vom 28.März 2018 in Höhe von 80,00 EUR infolge Unzuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt ab und trat die Rechtssache gemäß § 53b Abs 4 EU-JZG dem „sachlich und örtlich zuständigen Stadtpolizeikommando Klagenfurt“ ab.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft Klagenfurt wendet sich bloß gegen die Abtretung an das SPK Klagenfurt und strebt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Abtretung der Sache an das zuständige LPD Kärnten an (ON 4).

Die Beschwerde ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, dass § 35 StPO (zur sinngemäßen Anwendbarkeit unter der Ägide des EU-JZG § 1 Abs 2 EU-JZG iVm § 9 Abs 1 ARHG) drei Arten von gerichtlichen Entscheidungen kennt, nämlich Urteile, Beschlüsse und Verfügungen. Während die Voraussetzungen für Urteile und Verfügungen im Gesetz definiert sind, bleibt - nach Art einer Generalklausel - die Beschlussform den übrigen Entscheidungen vorbehalten (RIS-Justiz RS0124410). (Prozessleitende) Verfügungen (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO) sind bloß auf den Fortgang des Verfahrens oder die Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung gerichtet und solcherart nicht anfechtbar (Markel, WK-StPO § 35 Rz 1 ff; Tipold, WK-StPO § 85 Rz 9). Soweit nicht Verfügungen in Betracht kommen, entscheidet das Gericht mit anfechtbarem Beschluss (Markel, WK-StPO § 35 Rz 4).

Normativer Teil des bekämpften Beschlusses ist der Ausspruch des Landesgerichts Klagenfurt über seine Unzuständigkeit. Dass dieser in Beschlussform zu ergehen hat, ist bereits aus dem Gesetz (§ 53d Abs 1 EU-JZG) ableitbar.

Ferner setzt die Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts (§ 53b Abs 4 EU-JZG) eine inhaltliche Auseinandersetzung mit § 53 Abs 1 und 2 EU-JZG voraus und stellt solcherart eine Sachentscheidung dar. Es handelt sich um eine gerichtliche Erledigung, die unmittelbar in die Rechte der Staatsanwaltschaft oder des Betroffenen, der dadurch materiell beschwert ist, eingreift, weshalb diese bekämpfbar sein muss (Nimmervoll, Beschluss und Beschwerde in der StPO (2011) 22, 27).

Zumal die Beschwerdeführerin die Unzuständigkeit des Landesgerichts ausdrücklich anerkennt und solcherart den Beschwerdegegenstand beschränkt (13 Os 125/07t; Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens Rz 7.1033), erwuchs dieser von der Beschwerde nicht erfasste und damit unangefochtene Teil der Entscheidung in Rechtskraft (12 Os 28/03, 29/03; Tipold, WK-StPO § 88 Rz 4).

Demgegenüber stellt die Abtretung des Verfahrens an das SPK Klagenfurt (§ 53b Abs 4 EU-JZG) eine bloß auf den Fortgang des Verfahrens oder die Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung gerichtete prozessleitende Verfügung dar (zur Abgrenzung neuerlich RIS-Justiz RS0124410; Nimmervoll, aaO, 14 ff; vgl zur Abtretung bei Verfahrensverbindung nach § 37 StPO RS0130527; OLG Graz RG0000089). Diese ist einer Anfechtung entzogen. Art 4 Abs 6 des Rahmenbeschlusses 2005/2014/Jl des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, der Anlass für die Schaffung des § 53b EU-JZG (EU-JZG-ÄndG 2007) war, ordnet demgemäß bei Unzuständigkeit die „Übermittlung“ an die zuständige Behörde – ohne deren Determinierung durch das Gericht - an. Eine gegenteilige Annahme widerspräche nicht nur dem Wortlaut und den dargelegten Erwägungen, sondern auch dem gewaltentrennenden Organisationsprinzip des Art 94 B-VG, weil das Gericht dadurch in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde eingreifen würde.

Der Umstand, dass das Erstgericht an Stelle einer prozessleitenden Verfügung auch betreffend die Abtretung einen „Beschluss“ gefasst hat, ändert nichts an der Unzulässigkeit eines Rechtsmittels, zumal der Inhalt einer Entscheidung nicht durch ihre Form, sondern durch ihr Wesen bestimmt wird (Ratz, WK-StPO Vor §§ 280 - 296a Rz 5).

Daraus folgt, dass - ungeachtet der irrigen Bezeichnung als Beschluss - die Abtretungsverfügung des Erstgerichts nicht mit Beschwerde anfechtbar ist. Diese verfehlt den geforderten Bezugspunkt und war solcherart als unzulässig zurückzuweisen.

Zufolge Rechtskraft der Entscheidung des Landesgerichts Klagenfurt über seine Unzuständigkeit hat dieses die Sache nun der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde - im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist (im Gegenstand § 8 Z 4 SPG) – (wohl) der Landespolizeidirektion abzutreten (§ 53b Abs 4 EU-JZG).

Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 1 Abs 2 EU-JZG iVm § 9 Abs 1 ARHG, § 89 Abs 6 StPO.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 10

Textnummer

EG00161

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2019:0100BS00049.19K.0401.000

Im RIS seit

10.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten