TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/19 LVwG-2018/46/1129-1

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Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §17

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Wieser über die Beschwerde der AA-Versicherungs-Gesellschaft, Adresse 1, Z, Deutschland, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 12.04.2018, Zl *****, *****, betreffend Akteneinsicht

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Herr BB hat am 30.12.2017 um 19.40 Uhr mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ***** einen Verkehrsunfall mit Sachschaden auf der B**1, Adresse 2, in X, bei Strkm ***, verursacht. Der Bericht vom Bezirkspolizeikommando Y vom 05.01.2018, Zl ******, wurde an die Bezirkshauptmannschaft Y übermittelt.

Mit Schreiben vom 30.01.2018 ersuchte die AA-Versicherungs-Gesellschaft um Übermittlung des Ermittlungsaktes zur Zl ******.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.02.2018, Zl ******, wurde seitens der belangten Behörde um Übermittlung einer Vollmacht des Versicherungsnehmers oder des unfallbeteiligten Fahrzeuglenkers ersucht. Es wurde näher ausgeführt, wem konkret Akteneinsicht gewährt werden könne.

Mit Schreiben vom 12.03.2018 wurde seitens der AA-Versicherungs-Gesellschaft mitgeteilt, dass mit der Regulierung des Fahrzeugschadens die Ansprüche aus diesem Schadensfall gemäß Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vollumfänglich auf sie übergegangen sei. Sie hätten daher eine eigene Rechtsgrundlage für die Auskunftserteilung, die keiner Vollmacht des Versicherungsnehmers bedürfe. Es werde daher nochmals ersucht, den erbetenen Auszug aus der Ermittlungsakte zu übermitteln.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 12.04.2018, Zl *****,
*****, wurde der Antrag der AA-Versicherungs-Gesellschaft, Postanschrift Z, auf Übermittlung des Berichtes des ****** mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Dagegen erhob die AA-Versicherungs-Gesellschaft fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin aus, dass bereits mit Schreiben vom 12.03.2018 erläutert worden sei, warum sie auf die Einsichtnahme in die amtliche Ermittlungsakte angewiesen sei. Das Schreiben vom 12.04.2018 sei einfach ignoriert worden. Es werde daher nochmals ersucht, Akteneinsicht zu gewähren und werde dem Bescheid widersprochen.

Aufgrund dieses Beschwerdevorbringens wurde der Akt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorgelegt.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt.

II.      Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 30.01.2018 wurde seitens der AA-Versicherungs-Gesellschaft in Z, um Akteneinsicht zur Zl ******, bei der Bezirkshauptmannschaft Y ersucht. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.04.2018 wurde seitens der belangten Behörde der Antrag auf Akteneinsicht mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Eine Vollmacht des Versicherungsnehmers oder des Unfallbeteiligten Fahrzeuglenkers liegt nicht vor.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich in unbedenklicher Weise aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde.

Dass keine Vollmacht seitens des Versicherungsnehmers oder des unfallbeteiligten Fahrzeuglenkers vorliegt ergibt sich ebenfalls aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere auch aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 12.03.2018, worin sie sich auf eine gesetzliche Grundlage für das Recht auf Auskunftserteilung bzw Akteneinsicht beruft. Der Sachverhalt ist an und für sich unstrittig und wird seitens der Beschwerdeführerin auch nicht vorgebracht eine Vollmacht zu haben. Diese verweist darauf, dass aufgrund der Regulierung des Fahrzeugschadens die Ansprüche aus diesem Schadensfall gemäß Versicherungsvertragsgesetz vollumfänglich auf sie übergegangen sei.

IV.      Rechtslage:

Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl Nr 51/1991, idF BGBl I Nr 57/2018, lauten wie folgt:

„Vertreter

§ 10.

(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.

Akteneinsicht

§ 17.

(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.“

V.       Erwägungen:

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt steht nach Ansicht des erkennenden Gerichtes fest. Es ist nicht ersichtlich, in wieweit durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erwarten gewesen wäre.

Nach § 8 AVG, welche gemäß § 17 VwGVG auch vom Verwaltungsgericht anzuwenden ist, sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Frage, ob jemanden Parteistellung in einem bestimmten Verfahren zukommt, primär nach Maßgabe des anzuwendenden Materiengesetzes, in Ermangelung entsprechender Regelungen nach den Grundsätzen des § 8 AVG zu beurteilen. Als Partei im Sinn des § 8 AVG ist demnach derjenige anzusehen, dessen Rechtssphäre durch die zu treffende Maßnahme unmittelbar berührt wird, wobei Parteistellung auch derjenige genießt, dem das materielle Recht keine Berechtigungen einräumt, sondern Verpflichtungen auferlegt. Maßgebend für die Parteistellung ist, dass die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift, und weiters, dass darin eine unmittelbare, nicht bloß mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl VwGH vom 27.11.2014, Zl 2013/03/0015, mwN).

Mit der Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren ist das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 14 AVG verbunden. Dabei handelt es sich um ein subjektives prozessuales Recht, welches aufgrund eines Antrags durch eine Partei des Verfahrens wahrgenommen werden kann.

Die AA-Versicherungs-Gesellschaft ist weder eine Beschuldigte in einem Verwaltungsstrafverfahren, auch nicht Privatanklägerin noch Eigentümerin eines vom Verfall bedrohten Gegenstandes. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt der Beschwerdeführerin keine Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren zu. Entscheidend ist, wer Partei dieses Verfahrens und nicht eines anderen Verfahrens ist. Die fehlende Parteistellung der Versicherungsgesellschaft zieht nach sich, dass ihr (unter diesem Titel) kein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht. Es mag zwar durchaus zutreffen, dass ein Versicherungsunternehmen etwa zur Geltendmachung von Regressansprüchen im Zusammenhang mit Obliegenheitsverletzungen ein Interesse am Ausgang eines Verwaltungsstrafverfahrens hat und deshalb eine Einsicht in den Verwaltungsstrafakt anstrebt. Bloß faktische oder wirtschaftliche Interessen, die durch die Rechtsordnung nicht speziell berücksichtigt werden, vermögen jedoch eine Parteistellung genauso wenig zu begründen wie öffentlichen Interessen (VwGH vom 30.09.1992, Zl 89/03/0224). Auch die Tatsache, dass vielleicht die Ansprüche aus einem Schadensfall gemäß Versicherungsvertragsgesetz vollumfänglich auf eine Versicherung übergegangen sind, vermögen die Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren nicht zu begründen.

Darüber hinaus räumt § 17 AVG das Recht zur Akteneinsicht nur den Parteien ein, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt sind; ohne ein solches Verfahren kann daher niemandem ein solches Recht zustehen (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 4 zu § 17 AVG wiedergegebene Judikatur). Im gegenständlichen Fall erliegt nur der Bericht über einen Verkehrsunfall vom 30.12.2017, Zl ****** bei der belangten Behörde, ein konkretes Verfahren wurde jedoch nicht eingeleitet. Auch aus diesem Grunde war der Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Wieser

(Richterin)

Schlagworte

Akteneinsicht; Versicherung; Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.46.1129.1

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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