TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/28 W263 2169986-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.12.2018
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Entscheidungsdatum

28.12.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z17
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W263 2169986-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2017, Zl. 1101155503-160029755, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Beschwerdeführerin XXXX , geb. am XXXX , (im Folgenden: BF1, W263 2169983-1) reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann XXXX , geb. XXXX (im Folgenden: BF2, W263 2169982-1), ihrem Sohn XXXX , geb. XXXX (im Folgenden: BF3, W263 2169989-1) und ihrer Tochter XXXX , geb. XXXX (im Folgenden: BF4, W263 2169986-1), alle afghanische Staatsangehörige, in das österreichische Bundesgebiet ein, wo die BF am 12.11.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) stellten.

Zwischen den BF1, BF2 und BF4 liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor. Kein Familienverfahren liegt bezüglich des volljährigen Sohnes (BF3) mit den anderen BF vor. Die Beschwerdeverfahren der BF1 - BF4 wurden vor dem Bundesverwaltungsgericht miteinander verbunden und gemeinsam geführt. Das Verfahren des BF3 wurde von den Verfahren der BF1, BF2 und BF4 in der mündlichen Verhandlung am 21.09.2018 wieder getrennt und eine mündliche Verhandlung mit ihm am 12.10.2018 durchgeführt. Es ergehen Erkenntnisse mit gleichlautender Begründung, in der auf die Sach- und Rechtslage aller BF eingegangen wird.

I. Verfahrensgang:

1. Mit den BF wurde am 08.11.2016 eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes u.a. im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt.

1.1. Die BF1 gab zusammengefasst an, sie sei in Parvan, Afghanistan, geboren. Sie sei traditionell und standesamtlich verheiratet, ihre Muttersprache sei Dari und sie gehöre der Volksgruppe der Turkmenen und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Sie habe keine Ausbildung und sei Analphabetin. Zuletzt habe sie als Hausfrau gearbeitet. Als Angehörige in Österreich gab sie ihre miteingereisten Familienangehörigen an.

Als Familienangehörige im Herkunftsstaat oder anderem Drittstaat gab die BF1 ihren verstorbenen Vater, ihre Mutter, ihre zwei vor einem Jahr bei einem Anschlag getöteten Töchter, zwei Brüder und zwei Schwestern, alle in Afghanistan wohnhaft, an. Als ihren Wohnsitz in Afghanistan gab sie XXXX , XXXX , Parvan an. Ihre Familie besitze Grundstücke. Die finanzielle Situation ihrer Familie sei "mittel" gewesen. Ihr Ehemann habe die Familie versorgt.

Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die BF an, sie habe ihre Heimat aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen. Zwei ihrer Töchter seien bei einem Anschlag der Taliban getötet worden. Tagtäglich würden Menschen bei Anschlägen sterben. Da ihre Tochter psychisch krank sei, werde sie in Afghanistan als Verrückte angesehen. Ihr werde es in Afghanistan nie möglich sein, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Es gebe für sie keine medizinische Behandlung. Aus Angst um das Leben ihrer Familie habe sie beschlossen, das Land zu verlassen.

1.2. Der BF2 gab an, er sei in Parwan, Afghanistan, geboren. Er sei traditionell und standesamtlich verheiratet. Seine Muttersprache sei Dari, weiters spreche er Paschtu, Arabisch, Englisch und beherrsche die Sprachen in Wort und Schrift. Er gehöre der Volksgruppe der Turkmenen und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er habe neun Jahre die Grundschule in Afghanistan besucht. Er habe eine Ausbildung zum Automechaniker in XXXX absolviert und zuletzt auch als Automechaniker gearbeitet. Als Angehörige in Österreich gab er seine miteingereisten Familienangehörigen an.

Als Familienangehörige im Herkunftsstaat oder anderem Drittstaat gab der BF2 seine verstorbenen Eltern, vier Schwestern, davon drei in Afghanistan und eine im Iran wohnhaft und einen in Russland lebenden Bruder an. Als seinen Wohnsitz in Afghanistan gab er Parwan, XXXX , XXXX , an. Er besitze in Afghanistan ungefähr ein Jirib Land und die finanzielle Situation seiner Familie sei "mittel" gewesen. Die Kosten der Schleppung hätten XXXX ,- USD betragen.

Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF2 an, er habe seine Heimat aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen. Zwei seiner Töchter seien bei einem Anschlag der Taliban getötet worden. Tagtäglich würden Menschen bei Anschlägen sterben. Da seine Tochter psychisch krank sei, werde sie in Afghanistan als Verrückte angesehen. Ihr werde es in Afghanistan nie möglich sein, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Es gebe für sie keine medizinische Behandlung. Aus Angst um das Leben seiner Familie habe er beschlossen, das Land zu verlassen.

1.3. Der BF3 gab an, er sei in Parvan, Afghanistan, geboren. Er sei ledig, seine Muttersprache sei Dari, er gehöre der Volksgruppe der Turkmenen und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er habe ungefähr neun Jahre lang die Grundschule besucht. Er habe zuletzt als Schneider gearbeitet. Seine Familie habe ein kleines Grundstück besessen und sein Vater habe sie versorgt.

Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, in Afghanistan herrsche Krieg und die Lage sei sehr schlecht. Er möchte hier in Österreich in Sicherheit leben. Das sei sein Fluchtgrund. Bei einer Rückkehr habe er Angst um das Leben seiner Familie.

2. Im weiteren Verfahrensverlauf gaben die BF in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 30.03.2017 zusammengefasst weiter an:

2.1. Die BF1 sei in der Provinz Parwan, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren. Sie habe keine Schulbildung, sei keiner Arbeit nachgegangen und sei Hausfrau gewesen. Eine Schwester der BF lebe in der Stadt XXXX , eine andere Schwester lebe im Iran. Mit ihrer Schwester in Afghanistan stehe sie nicht in Kontakt. Befragt, wie sie ihren Alltag in Afghanistan verbracht habe, gab die BF1 an, sie sei zu Hause gewesen, sie hätten eine Landwirtschaft gehabt, eigene Schafe, sie hätten alles verloren. Sie habe zwei Töchter verloren, ihr Sohn sei depressiv, ihre Tochter sei krank. Die Landwirtschaft gehöre noch ihrer Familie; sie hätten einen Garten und ein Haus gehabt.

Zu ihren Fluchtgründen gab sie in freier Erzählung an, ihr Onkel väterlicherseits und der Onkel ihres Mannes väterlicherseits hätten zusammen einen Konflikt mit anderen Verwandten gehabt. Dabei sei ein Mann ums Leben gekommen. Es sei um Grundstückstreitigkeiten gegangen. Die hätten ihre Tochter haben wollen. Sie hätten sich so an ihnen rächen wollen. Ein 40-45 Jahre alter Mann habe ihre Tochter XXXX haben wollen. Man habe gesagt, ihre Tochter sei sowieso verrückt. Sie seien bereit gewesen Geld und Grund zu geben. Man habe aber ihre Tochter haben wollen. Dann sei ihr Mann mit dem Tode bedroht worden. Man habe gesagt, dass man ihren Mann oder ihren Sohn umbringen werde. Sie hätten in dieser Zeit Angst um ihr Leben gehabt und seien dann über Pakistan geflüchtet.

Näher befragt gab sie u.a. an, die Taliban hätten zwei ihrer Töchter umgebracht. Sie seien am Weg zu einer Hochzeit im Auto gewesen. Die Taliban hätten auf sie geschossen, dabei seien beide Töchter gestorben. Ihre Tochter XXXX sei zwei Tage bewusstlos gewesen, seitdem sei sie krank.

Befragt, wie sich ihr Leben in Österreich zu ihrem Leben in Afghanistan unterscheide, gab die BF1 an, ihr Mann und ihr Sohn seien am Leben geblieben. Es sei sonst gleich; es sei sicher hier.

Ihre Kinder und sie selbst hätten dieselben Fluchtgründe wie der BF2.

2.2. Der BF2 sei in der Provinz Parwan, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren. Er habe neun Jahre lang die Schule besucht. Danach sei er als Landwirt und Mechaniker tätig gewesen. Er habe 20 Jahre lang in XXXX als Mechaniker gearbeitet und sei immer wieder hin und her gependelt. In XXXX habe er keine Aufenthaltsberechtigung bekommen. Er habe zwei Schwestern und viele Verwandte, Onkel und Tanten in Afghanistan. Er stehe mit seinen Verwandten telefonisch in Kontakt. Seine Familie habe in Afghanistan ein Haus, einen Garten und eine Landwirtschaft.

Aufgefordert seine Fluchtgründe zu schildern, gab er in freier Erzählung an, in seinem Dorf sei die Lage unsicher. Manchmal habe es Übergriffe von den Taliban gegeben, manchmal von den Kutschis. Sie hätten dort nicht mehr leben können. Abgesehen davon, sei seine Tochter psychisch krank. Das sei in Afghanistan ein Makel. Man werde verspottet. In Afghanistan würden Personen wie seine Tochter so behandelt, dass man sie den Berg hinunterwerfe oder an einen alten Mann verheirate. Der Onkel habe vor acht Jahren einen Streit mit irgendwelchen anderen Leuten gehabt. Von der gegnerischen Partei sei ein Mann getötet worden. Sie wüssten aber nicht, wer ihn getötet habe. Dann hätten sich die ganzen Leute versammelt. Die gegnerische Gruppierung habe sich zusammengetan. Sie hätten für den Tod des Mannes entweder Geld oder einen Grund oder ein Mädchen gefordert. Ihre Familien hätten gesagt, dass sie Geld, aber kein Mädchen hergeben. Sie hätten dann gesagt, dass sie sich rächen werden, weil sie ihnen kein Mädchen gegeben hätten. Es sei dann ruhig gewesen. Vor drei Jahren sei er dann vom Sohn des verstorbenen Mannes aufgesucht worden. Dieser habe ihm gedroht, dass, wenn er seine Tochter nicht an ihn verheirate, er ihn umbringen werde. Er habe gesagt, dass er sich rächen werde. Er werde den BF2 oder seinen Sohn töten. Er habe gesagt, egal wo sich der BF2 aufhalte, ob im Iran oder Pakistan, er werde ihn finden. Damals habe der BF2 den Entschluss gefasst, sein Heimatland zu verlassen. Sie haben dann eine Höhle gebaut, vom Haus aus, wo sie sich versteckt haben, wenn sie eine Gefahr verspürten.

Näher befragt gab er u.a an, in den drei Jahren sei nichts passiert. Sein Verfolger habe Verwandte in XXXX ; er habe Kontakte.

2.3. Der BF3 gab an, er sei in der Provinz Parwan, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren. Er habe acht Jahre lang die Schule besucht, danach habe er seinem Vater auf der Landwirtschaft geholfen. Zwei Tanten väterlicherseits würden im Heimatdorf leben. Sein Onkel väterlicherseits lebe in XXXX und eine Tante väterlicherseits im Iran. Der BF3 stehe telefonisch im Kontakt mit den Verwandten in Afghanistan.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er habe keine eigenen Fluchtgründe. Er beziehe sich auf die Fluchtgründe seines Vaters. Befragt, ob ihm im Falle einer Rückkehr Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen würde, gab der BF3 an, sein Vater habe schon alles erwähnt.

Er habe nichts hinzuzufügen. Die sichersten "Provinzen" seien einmal Mazar-e Sharif und Kabul gewesen, aber dort sei es nicht mehr sicher.

5. Mit Bescheiden vom 31.07.2017 wies das BFA die Anträge auf internationalen Schutz vom 12.11.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab, erkannte aber jeweils gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status der/des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) zu. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung wurde jeweils gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 30.07.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

6. Mit Verfahrensanordnungen vom 03.08.2017 wurden den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

7. Die BF erhoben gegen die oben genannten Bescheide fristgerecht Beschwerden, welche in der Folge unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wurden.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.04.2018, 21.09.2018 und am 12.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

1. Feststellungen:

1.1. Zu den BF:

Die BF stammen aus dem Dorf XXXX (auch: XXXX ), Distrikt XXXX , Provinz Parwan, Afghanistan.

Die BF sind afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Turkmenen und bekennen sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari.

Die volljährige BF1 führt den Namen XXXX , geb. am XXXX . Die BF1 hat keine Schulbildung und ist Analphabetin. Sie verfügt über keine Berufsausbildung und war in Afghanistan als Hausfrau bzw. in der (familieneigenen) Landwirtschaft bzw. im Obstgarten tätig. In Afghanistan lebt eine Schwester der BF1 in XXXX und eine Schwester lebt im Iran.

Die BF1 ist die Mutter des BF3 XXXX , geb. XXXX , und der BF4 XXXX , geb. XXXX . Der BF2 ist der Vater des BF3 und der BF4 und der Ehegatte und Cousin der BF1.

Der volljährige BF2 führt den Namen XXXX , geb. XXXX . Er verfügt auch über Sprachkenntnisse in Paschtu, Arabisch, Urdu und Englisch (in Wort und Schrift). Der BF2 besuchte ungefähr neun Jahre lang die Schule und kann Dari auch lesen und schreiben. Der BF bewirtschaftete in Afghanistan die eigenen landwirtschaftlichen Grundstücke und war ungefähr 20 Jahre lang als Automechaniker in XXXX tätig. Im Heimatdorf leben noch zwei Schwestern des BF2. In Afghanistan leben noch Onkeln und Tanten des BF2. Er steht mit ihnen im regelmäßigen Kontakt. Ein Bruder des BF2 lebt in XXXX und zwei Schwestern im Iran.

Der volljährige BF3 führt den Namen XXXX , geb. XXXX . Der BF3 ist nicht verheiratet oder verlobt, er hat keine Kinder. Der BF3 hat ungefähr neun Jahre die staatliche Grundschule in seinem Heimatdorf besucht und kann lesen und schreiben. Eine maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigung des BF3 liegt nicht vor.

Die minderjährige BF4 führt den Namen XXXX , geb. XXXX . Die BF4 ist nicht verheiratet oder verlobt, sie hat keine Kinder. Die BF4 besuchte in Afghanistan keine Schule, sie hat ein paar Monate Unterricht im Iran erhalten. Sie verfügt über keine Berufsausbildung. Die BF4 leidet an Astigmatismus (Hornhautverkrümmung), Epilepsie und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die BF4 ist auf enge Betreuung angewiesen.

Alle BF sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Die BF leben - mit Ausnahme des BF3 - von der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF2 ist fallweise, geringfügig im Rahmen eines Arbeitsprojektes des Vereins XXXX tätig. Weiters hat der BF2 bei einem Radiosender eine Fortbildung besucht und gestaltete dort Radiosendungen mit. Darüber hinaus hat er nach der vorgelegten (undatierten) Bestätigung (zumindest) einen Tag in einer Landwirtschaft gearbeitet.

Die BF pflegen in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen.

Die BF1 besuchte zwischenzeitlich einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF und weist dies durch eine Teilnahmebestätigung nach. Den Kurs " XXXX " ab November 2017 brach sie ab. Am XXXX nahm sie an einer Informationsveranstaltung des ÖIF teil.

Seit September 2018 nimmt die BF1 wieder - soweit es ihr in Hinblick auf die Betreuung der BF4 möglich ist - an einem Deutschkurs des Vereins XXXX teil. Die BF1 spricht kein Deutsch bzw. beherrscht nur einige wenige Vokabel. Eine Bestätigung über eine absolvierte Deutschprüfung wurde bisher nicht in Vorlage gebracht.

Der BF2 besuchte zwischenzeitlich einen Orientierungskurs und mehrere Deutschkurse und absolvierte Deutschprüfungen (höchstes vorgelegtes Zeugnis: A1) und weist dies durch Teilnahmebestätigungen bzw. Zertifikate nach. Weiters arbeite er gelegentlich auf einer Obstplantage in der Nähe von XXXX und reparierte Fahrräder im Rahmen des Projektes " XXXX " an der Landesberufsschule XXXX . Dort half er auch bei der Vorbereitung des XXXX im Jahr XXXX . Der BF2 spielt Fußball und ist in einem afghanischen Verein aktiv.

Der BF3 besuchte zwischenzeitlich Kurse, darunter Deutschkurse und weist dies durch Teilnahmebestätigungen bzw. Zertifikate nach. Er treibt in seiner Freizeit Sport und ist als Spieler der Kampfmannschaft des XXXX gemeldet. Der BF3 wohnt nun nicht mehr gemeinsam mit den anderen BF. Der BF3 bezieht keine Grundversorgung mehr.

1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF stellten am 12.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Ihre Anträge auf internationalen Schutz begründeten die BF im Wesentlichen damit, dass im Zuge eines Streits mit einem Onkel des BF2 ein Mann getötet worden sei, weshalb die BF durch die Familie des Getöteten verfolgt worden seien. Überdies leide die BF4 an einer psychischen Erkrankung, weshalb die BF4 diskriminiert und bedroht worden sei.

Die BF persönlich sind in Afghanistan keiner Verfolgung und damit einhergehenden physischen und/oder psychischen Gewalt, auf Grund einer Blutfehde bzw. von Grundstücksstreitigkeiten ausgesetzt.

Die BF1 und BF4 sind in ihrem Herkunftsstaat und auch ihrer Herkunftsregion alleine aufgrund ihres Geschlechts keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Bei den BF1 und BF4 handelt es sich nicht um auf Eigenständigkeit bedachte Frauen, deren persönliche Haltung über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen steht, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Zwar war die BF1 in der mündlichen Verhandlung bemüht, einen selbstbestimmten Eindruck zu hinterlassen. Es ist war jedoch nicht erkennbar, dass die BF1 oder die BF4 eine "westliche" Lebensweise angenommen haben, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, sodass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen.

Die BF4 persönlich ist in Afghanistan und auch ihrer Herkunftsregion keiner Verfolgung und damit einhergehenden physischen und/oder psychischen Gewalt, auf Grund ihrer vorliegenden Erkrankungen ausgesetzt. Spezifische sonstige Antragsgründe der minderjährigen BF4 sind nicht hervorgekommen.

Es ist auch insgesamt nicht davon auszugehen, dass die BF aufgrund der Tatsache, dass sie sich seit Ende 2015 in Europa aufhalten, im Falle einer Rückkehr psychischer und/oder physischer Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen ausgesetzt wären.

Die BF persönlich sind in Afghanistan keiner Verfolgung und damit einhergehenden physischen und/oder psychischen Gewalt, als Angehörige der Volksgruppe der Turkmenen oder aufgrund einer (angenommenen) Angehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara (insbesondere durch Kutschi-Nomaden) sowie aufgrund ihres schiitischen Glaubens ausgesetzt. Damit im Zusammenhang stehend, kann ebenso wenig festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Turkmenen oder Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan und konkret in der Provinz Parwan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

Insgesamt sind die BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 (verbliebene Fehler im Original):

"1.3.1. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

[...]

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

[...]

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

[...]

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

• Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

• Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

• Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

• Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

• Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

• Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

• Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

• In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

[...]

Zivilist/innen

[...]

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

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Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

[...]

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte) zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

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1.3.2. Parwan

Die strategisch bedeutsame Provinz Parwan liegt 64 km nördlich von Kabul (Pajhwok o.D.a). Die Provinz grenzt im Norden an Baghlan, im Osten an Panjshir und Kapisa, im Süden an Kabul und (Maidan) Wardak und im Westen an (Maidan) Wardak und Bamyan (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Bagram, Jabal Saraj/Jabalussaraj, Salang, Sayed Khel/Saydkhel, Shinwar/Shinwari, Shikh Ali/Shekhali, Shurk Parsha/Surkh-e-Parsa, Charikar, Koh-e-Safi und Syiah Gird/Seyagerd/Ghorband (Pajhwok o.D.b, vgl. UN OCHA 4.2014, NPS o. D., LWJ 10.11.2017). Charikar ist die Provinzhauptstadt (Pajhwok o. D.b). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 687.243 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Usbeken, Quizilbasch, Kuchi und Hazara (NPS o.D.).

Im Distrikt Bagram gibt es einen Militärflughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation, Kapitel 3.35.). Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan (VoA 1.2.2017; vgl. LWJ 12.11.2016); es ist der größte US-amerikanische militärische Stützpunkt der Provinz und ist manchmal von "high-profile"-Angriffen durch Aufständische betroffen (FP 20.6.2017; vgl. NYT 20.6.2017).

Ein Abschnitt der Autobahn Kabul-Bamyan verbindet die Provinz mit Kabul und weiter mit anderen Provinzen (Khaama Press 2.11.2015; vgl. Pajhwok 1.3.2017). Die Provinzhauptstadt von Parwan, Charikar, ist durch die Kabul-Charikar Road, auch "A76" genannt, mit Kabul verbunden (UN Habitat 3.2016).

In der Provinz werden Programme des Afghan Rural Enterprise Development Program (AREDP) zur Förderung der ländlichen Bevölkerung implementiert; zahlreiche Frauen profitieren von diesen Maßnahmen (Reliefweb 3.10.2017).

Parwan gehört zu den Opium-freien Provinzen Afghanistans (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Parwan gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans, in der Talibanaufständische in einigen abgelegenen Distrikten aktiv sind (TN 22.2.2018; vgl. Khaama Press 22.2.2018, Khaama Press 15.11.2017, Khaama Press 9.5.2017, OI 9.5.2017). Aus unruhigen Distrikten in der Provinz Parwan wird von Straßenbomben, Selbstmordangriffen, gezielten Tötungen und anderen terroristischen Angriffen berichtet. Deshalb werden Anti-Terrorismus Operationen durchgeführt, um die Aufständischen zu verdrängen (Khaama Press 22.2.2018). Talibanaufständische führen in einigen Teilen der Provinz Angriffe auf die Sicherheitskräfte aus (ATN 6.2.2018; vgl. AP 6.9.2017, AJ 20.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 63 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

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Im gesamten Jahr 2017 wurden 77 zivile Opfer (20 getötete Zivilisten und 57 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 31% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Parwan

Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt (Tolonews 6.2.2018; vgl. Tolonews 20.12.2017, Tolonews 9.12.2017, Tolonews 4.10.2017, Tolonews 2.10.2017); dabei werden Talibankämpfer getötet (Tolonews 6.2.2018) und Waffen gefunden (Tolonews 9.12.2017). Auch werden Luftangriffe durchgeführt (Tolonews 2.10.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt (Tolonews 30.9.2017; vgl. Tolonews 29.9.2017, Tolonews 27.7.2017, Tolonews 8.7.2017).

Regiergungsfeindliche Gruppierungen

Talibanaufständische sind in abgelegenen Distrikten der Provinz Parwan aktiv (Khaama Press 15.11.2017; vgl. Tolonews 30.9.2017, Khaama Press 9.5.2017). Die Distrikte Seyagerd/Ghorband und Shinwari zählten im November 2017 zu den umkämpften Distrikten der Provinz (LWJ 10.11.2017; vgl. Tolonews 2.10.2017, NYT 1.10.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden in der Provinz Parwan IS-bezogene Vorfälle (Gefechte) an der Grenze zu Kabul registriert; zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz hingegen keine sicherheitsrelevanten Ereignisse bzgl. des IS gemeldet (ACLED 23.2.2018).

[...]

1.3.3. Erreichbarkeit

[...]

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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