Entscheidungsdatum
14.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W204 2162105-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über den Antrag des XXXX , geb. am XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.2018, W204 2162105-1/13E, abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz:
A)
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
I.1. Der Antragsteller (im Folgenden: ASt), ein Staatsangehöriger Afghanistans, dessen Identität nicht feststeht, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 27.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 07.06.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem ASt nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
I.2. Dagegen erhob der ASt fristgerecht Beschwerde, die vom Bundesverwaltungsgericht mit dem im Rubrum genannten Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen wurde.
Dieser Entscheidung liegt zugrunde, dass der ASt Bedrohungen durch seine Nachbarsfamilie aufgrund eines Grundstücksstreits nicht glaubhaft machen konnte. Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz ist dem ASt aufgrund des vorhandenen Familienanschlusses und der dortigen Sicherheitslage möglich und zumutbar. Selbst bei Wahrunterstellung einer möglichen Verfolgung durch diese Familie stehen dem ASt jedoch Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative offen. Eine Rückkehr dorthin ist dem ASt aufgrund seiner individuellen Situation zumutbar. Auch die Sicherheitslage spricht nicht gegen eine Rückkehr des ASt in diese Städte, was auf den Länderfeststellungen (Auszug auf dem Länderinformationsblatt vom 29.06.2018) beruht.
Der ASt war während des gesamten Beschwerdeverfahrens vom Verein Menschenrechte Österreich vertreten.
I.3. Mit Schriftsatz vom 02.01.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht mit Fax am 02.01.2019 um 15:29 Uhr, stellte der ASt einen Antrag auf Wiederaufnahme und brachte im Wesentlichen vor, die neuen UNHCR-Richtlinien, die ihm erst nach Zustellung des Erkenntnisses bekannt geworden seien, schlössen eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul aus. Unter Berücksichtigung der Richtlinien wäre voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis ergangen, weswegen der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt werde. Zudem widerspreche die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes den getroffenen Länderfeststellungen.
Die UNHCR-Richtlinien datieren mit 30.08.2018 und beruhen auf Informationen, die dem UNHCR am 31.05.2018 bekannt waren (FN 2 auf S. 5 der Richtlinien).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).
II.2. Zu Spruchpunkt A)
II.2.1. Der hier relevante § 32 VwGVG lautet soweit wesentlich:
(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen."
In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) wurde festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen aufgrund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind beziehungsweise die bisherigen Judikaturlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.
In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.06.2016, Ra 2015/10/0136, aus, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann.
II.2.2. Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass die das seinerzeitige Verfahren abschließende Entscheidung mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar, also formell rechtskräftig ist. Die Zulässigkeit und auch die Erhebung von Rechtsmitteln bei den Höchstgerichten hindern, selbst wenn der Beschwerde oder der Revision aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (VwGH 16.09.1980, 1079/79; 23.02.2012, 2010/07/0067; 28.02.2012, 2012/05/0026).
Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtes werden mit ihrer Erlassung rechtskräftig. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.2018 wurde mit Hinterlegung in den elektronischen Verfügungsbereich des Vertreters am 14.12.2018 gemäß § 21 Abs. 8 BVwGG am 17.12.2018 rechtskräftig. Es liegt daher ein abgeschlossenes Verfahren vor, sodass die erste Voraussetzung des § 32 Abs. 1 VwGVG erfüllt wäre.
II.2.3. Nach § 32 Abs. 2 VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt.
Wie festgestellt war der ASt während des gesamten Beschwerdeverfahrens vom Verein Menschenrechte Österreich, dessen hauptsächliche Aufgabe es ist, Fremde und Asylwerber zu beraten und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vertreten (§ 52 BFA-VG), rechtsfreundlich vertreten. Für den Beginn des Laufs der Frist zur Einbringung des Wiederaufnahmeantrags ist nicht die Kenntnisnahme des Ast selbst, sondern die durch seinen (damaligen) rechtsfreundlichen Vertreter maßgeblich, da sich die Partei die Kenntnis ihres Vertreters zuzurechnen lassen muss (VwGH 29.03.2012, 2008/12/0096). Hat die Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht, obwohl ihr dies bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre, liegt ein ihr zurechenbares Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69, Rz 38 mN aus der Rsp). Aufgrund der gesetzlichen Aufgabe des Vereins Menschenrechte Österreich ist davon auszugehen, dass diesem bei gehöriger Aufmerksamkeit die UNHCR-Richtlinien bereits kurz nach deren Erscheinen am 30.08.2018 bekannt geworden sind. Dass dies der Fall war, ergibt sich auch aus dem Auftreten und Vorbringen des damaligen Vertreters in anderen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Damit hätte dieser ausreichend Gelegenheit gehabt, diese während des laufenden Beschwerdeverfahrens dem Gericht vorzulegen beziehungsweise dazu Stellung zu nehmen. Folglich ist diesem die Nichtvorlage zuzurechnen und eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne der obigen Zitate ausgeschlossen. Es liegt damit bereits eine Voraussetzung der Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages nicht vor, weil die vierzehntägige Frist des § 32 Abs. 2 VwGVG nicht gewahrt worden ist.
Selbst wenn man aber davon ausginge, dass sich der ASt die Kenntnis seines Vertreters nicht zuzurechnen zu lassen hat, wäre der Antrag des ASt selbst ebenfalls verfristet: Nach § 20 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts (GO-BVwG) sind die Amtsstunden an jedem Arbeitstag von 08:00 bis 15:00 Uhr. § 20 Abs. 2 GO-BVwG sieht vor, dass schriftliche Anbringen (Schriftsätze) nur innerhalb der Amtsstunden physisch (postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch am Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien eingebracht werden können. Schriftliche Anbringen (Schriftsätze), die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden, gelten nach § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht und daher als verspätet (dazu grundlegend VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0027).
Der ASt erlangte laut seinen eigenen Angaben über die Asylrechtsberatung der Caritas Wien am 19.12.2018 Kenntnis von den neu herausgegebenen UNHCR-Richtlinien, sodass die 14-tägige Frist am 02.01.2019 ablief. Der ASt brachte den Antrag auf Wiederaufnahme am 02.01.2019 um 15:29 Uhr mittels Fax ein. Nach der Anordnung des § 20 Abs. 6 GO-BVwG gilt der Antrag auf Wiederaufnahme daher erst mit dem 03.01.2019 als eingebracht und erweist sich somit als verspätet und wäre daher auch deswegen - vorbehaltlich der Stellungnahme zu einem diesbezüglichen Verspätungsvorhalt - zurückzuweisen. Da der Antrag aber - wie weiter festzustellen - bereits keinen zulässigen Wiederaufnahmegrund vorbringt, war von einem Verspätungsvorhalt abzusehen.
II.2.4. Vorliegend liegt jedoch kein wiederaufnahmefähiger Fall des § 32 Abs. 1 VwGVG vor, weshalb auch mangels eines solchen Wiederaufnahmegrundes der Antrag zurückzuweisen ist.
Nach ständiger - auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbarer - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen d.h. Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, d.h. Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.
Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens").
Auch wenn man davon ausginge, dass trotz Kenntnisnahme des (damaligen) Vertreters von den UNHCR-Richtlinien der Antrag rechtzeitig gestellt wurde, macht der ASt mit seinem Verweis auf die UNHCR-Richtlinien keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel geltend. Vielmehr macht er damit eine geänderte Rechtsansicht des UNCHR geltend. Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals festgehalten hat, handelt es sich sowohl bei der Frage, ob im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, als auch bei der Frage der Zumutbarkeit einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative jeweils um eine rechtliche Beurteilung, welche freilich in den Feststellungen Deckung finden muss (vgl. etwa VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277;
21.03.2018, Ra 2017/18/0372; 05.04.2017, Ra 2017/19/0616;
02.08.2018, Ra 2017/19/0229). Eine in einem anderen Verfahren geäußerte Rechtsansicht kann nach ständiger Rechtsprechung keinen Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellen (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0107 sowie die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 69, Rz 30 zitierte Judikatur).
Dem Bundesverwaltungsgericht ist durchaus bewusst, dass den Empfehlungen des UNHCR gebührende Beachtung zu schenken ist (etwa VwGH 22.09.2017, Ra 2017/18/0166), beziehungsweise diese unmittelbar einschlägig sind (VfGH 30.11.2018, E 3870/2018), nichtsdestotrotz ist darauf hinzuweisen, dass die von Seiten des UNHCR geäußerte Auffassung, wonach angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt allgemein nicht zur Verfügung stehe, eine dem BFA beziehungsweise dem Bundesverwaltungsgericht obliegende rechtliche Beurteilung darstellt, der im Einzelfall gefolgt oder nicht gefolgt werden kann.
Dem ASt wurde im Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den aktuellen Länderinformationen gegeben, die mit 29.06.2018 datieren, wovon er Gebrauch machte. Wie festgestellt beruhen die Informationen des UNHCR zur Sicherheits- und Versorgungslage in dessen Richtlinien auf Informationen, die dem UNHCR am 31.05.2018 bekannt waren. Es liegen daher gegenständlich keine neu hervorgekommenen Tatsachen ("nova reperta") im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vor, die zwar im bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungszeitpunkt bereits vorgelegen wären, die aber der Antragsteller im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne sein Verschulden nicht hätte vorbringen können, zumal alle wesentlichen Informationen des UNHCR auch den dem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderinformationen zu entnehmen sind. Bei der nunmehr in den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 vertretenen Ansicht, dass in der Hauptstadt Kabul generell keine zumutbare Fluchtalternative zur Verfügung stehe, handelt es sich nicht um eine Tatsache im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, sondern um eine rechtliche Beurteilung, die von anderen - keineswegs weniger seriösen - Quellen, die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen (etwa EASO, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation), weder zum Entscheidungszeitpunkt geteilt wurde noch aktuell geteilt wird. Mit diesem Vorbringen macht der ASt somit keinen Wiederaufnahmegrund geltend.
Soweit der ASt zudem auch die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes kritisiert, genügt der Hinweis, dass es sich dabei ebenfalls nicht um einen Wiederaufnahmegrund handelt. Eine Überprüfung der Beweiswürdigung im Wege der Wiederaufnahme ist nämlich nicht vorgesehen, vielmehr liegt bei einer Beweiswürdigung, die im Einzelfall in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt, eine vom Verwaltungsgerichtshof anlässlich einer Revision aufzugreifende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor (VwGH 06.12.2018, Ra 2017/01/0379).
Es handelt sich beim Vorbringen im Schriftsatz zusammengefasst weder um Tatsachen noch Beweismittel, keine Vorfrage und kein Ergebnis eines anderen Verfahrens. Der ASt macht somit keinen Fall des § 32 Abs. 1 als Wiederaufnahmegrund geltend, sodass der Antrag auch mangels vorgebrachtem Wiederaufnahmegrund zurückzuweisen ist.
II.2.5. Einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wäre darüber hinaus nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nur dann stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Ob letztere Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159). Das Verwaltungsgericht hat im Wiederaufnahmeverfahren nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob es tatsächlich im wiederaufzunehmenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu einer anderslautenden Entscheidung kommen wird. Ist für das Verwaltungsgericht aber erkennbar, dass es zu keiner anderslautenden Entscheidung kommen wird (kommen kann), dann ist die Wiederaufnahme nicht zu bewilligen (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 17).
Tauglich wäre ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses des Neu-hervorgekommen-Seins) aus materieller Sicht folglich nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das Bundesverwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159).
Im Erkenntnis vom 11.12.2018 wurde zur Abweisung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten tragend darauf abgestellt, dass der ASt die Bedrohungen nicht glaubhaft machen konnte und ihm eine Rückkehr in seine Heimatprovinz möglich und zumutbar ist, da er dort über Familie verfügt, die Provinz als eine der sichersten Afghanistans gilt und die Volksgruppe des ASt dort die Mehrheitsbevölkerung stellt. Lediglich als Alternativbegründung wurde eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif geprüft (und bejaht) und diese ist folglich nicht maßgeblich (vgl. etwa VwGH 24.01.2017, Ra 2016/01/0338).
Soweit der ASt moniert, dass das Bundesverwaltungsgericht die UNHCR-Richtlinien nicht amtswegig aufgegriffen habe, so ist der ASt darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht tragend davon ausgegangen ist, dass dem ASt eine Rückkehr in seine Heimatprovinz aufgrund der dortigen Sicherheitslage und des vorhandenen Familienanschlusses möglich und zumutbar ist. Zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des ASt sind weder den UNHCR-Richtlinien noch dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Ausführungen zu entnehmen. Zudem stellt selbst das nachträgliche Erkennen von Verfahrensmängeln keinen Wiederaufnahmegrund dar (VwGH 03.07.2015, Ro 2015/08/0013).
Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätte:
Wie der UNHCR in seinen Richtlinien selbst festhält (FN 2 auf S. 5), beruhen diese, soweit nicht anders angegeben, auf Informationen, die dem UNHCR am 31.05.2018 bekannt waren. Diese Informationen liegen auch dem Erkenntnis vom 11.12.2018 zugrunde, zumal das verwendete Länderinformationsblatt mit 29.06.2018 datiert. Die vom Bundesverwaltungsgericht dem Erkenntnis zugrunde gelegten Informationen sind daher entgegen der Ansicht des ASt sogar aktueller als die nunmehr von ihm vorgelegten UNHCR-Richtlinien.
Soweit der UNHCR in den Richtlinien vom 30.08.2018 die Auffassung vertritt, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage in Kabul eine relevante interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt allgemein nicht zur Verfügung stehe, ist festzuhalten, dass sich die Ausführungen zur Sicherheitslage von jenen des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.2018 im Wesentlichen nur dadurch unterscheiden, dass die Richtlinien vom 30.08.2018 (auch im Unterschied zu jenen vom 19.04.2016) ausdrücklich auf das nicht quantifizierte Risiko hinweisen, Opfer von generalisierter Gewalt im Zuge der Teilnahme an tagtäglichen sozialen oder wirtschaftlichen Aktivitäten in Kabul zu werden. Es ergibt sich aus den Richtlinien vom 30.08.2018 allerdings nicht, dass die Beurteilung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 11.12.2018, die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereigneten sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lasse - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richteten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren, unzutreffend sind. Gerade in den Wohn- und Arbeitsvierteln der einheimischen Bevölkerung ist keine erhöhte Anzahl von Anschlägen zu erkennen. Diese Viertel hat auch nach wie vor die Regierung unter ihrer Kontrolle. Für eine gegenteilige Annahme liefern auch die UNHCR-Richtlinien keinen Anhaltspunkt. Somit waren die Gefährdungsquellen in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden konnte.
Der UNHCR führt zudem auch in seinen aktuellen Richtlinien aus, dass eine vorgeschlagene innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur sinnvoll möglich (und zumutbar) ist, wenn die Person Zugang zu Unterkunft, grundlegenden Dienstleistungen, wie Sanitärversorgung, Gesundheitsversorgung und Bildung, sowie Möglichkeiten für den Lebensunterhalt oder nachgewiesene und nachhaltige Unterstützung für den Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard hat. Darüber hinaus hält der UNHCR eine innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur für zumutbar, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk von Mitgliedern ihrer (erweiterten) Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft in der Gegend der potenziellen Umsiedlung hat, die bereit und in der Lage sind, dem Antragsteller in der Praxis echte Unterstützung zu leisten. Auch UNHCR ist jedoch der Ansicht, dass die einzige Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter sind, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten (wie in den Richtlinien näher beschrieben) vorliegen. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und soziale Unterstützung in urbaner und semi-urbaner Umgebung leben, soweit diese Umgebung über die notwendige Infrastruktur und Lebensgrundlagen verfügt, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken, und soweit diese einer wirksamen staatlichen Kontrolle unterliegt (vgl. S. 109 f.). Diese Einschätzung des UNHCR deckt sich im Wesentlichen mit der Einschätzung in der Vorgängerversion der Richtlinien, auf der auch, wenn auch ohne ausdrückliche Erwähnung, jedoch der Sache nach, die Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative erfolgte, sodass auch damit kein anderes Ergebnis zu erzielen wäre.
Im Übrigen wurde der ASt nicht nur auf Kabul, sondern auch auf Herat oder Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative verwiesen, sodass selbst dann, wenn man der rechtlichen Einschätzung des UNHCR folgte, der ASt noch immer auf diese unter der Kontrolle der Regierung stehenden und leicht erreichbaren Städte verwiesen werden kann. Auch der UNCHR geht wohl davon aus, dass in diesen Städten eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich ist, da er andernfalls auch für diese Städte eine Empfehlung wie für Kabul ausgesprochen hätte. Auch trifft es nicht zu, dass - wie vom ASt geltend gemacht - die innerstaatlichen Fluchtalternativen in Herat beziehungsweise Mazar-e Sharif sowie dessen sichere Erreichbarkeit ohne weiteres bejaht worden sind. Vielmehr finden sich im Erkenntnis sowohl Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh (S. 30f), als auch zur Lage in Herat (S. 35-37) sowie zur sicheren Erreichbarkeit dieser beiden Städte über den Luftweg (S. 42f). Diese Feststellungen wurden auch der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
Da das Bundesverwaltungsgericht - nach Prüfung des Einzelfalles unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des ASt sowie unter Beachtung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung - (auch) eine Rückkehr des ASt nach Mazar-e Sharif oder Herat für möglich und zumutbar erachtet hat und auch deshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG als unbegründet abgewiesen hat, hätte die Berücksichtigung der in den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 enthaltenen Neueinschätzung der Lage in Kabul weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt (vgl. auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Dass die Richtlinien des UNHCR vom 30.08.2018 in Bezug auf Mazar-e Sharif oder Herat maßgebliche, die Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens rechtfertigende Änderungen enthält, behauptet im Übrigen auch der ASt nicht. Vielmehr bezieht er sich dabei selbst auf das dem Erkenntnis zugrunde gelegte Länderinformationsblatt.
Unabhängig von der Frage der Rechtzeitigkeit und der Geltendmachung eines Wiederaufnahmegrundes wäre der Antrag daher jedenfalls abzuweisen gewesen, weshalb dem ASt keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer möglichen Verspätung beziehungsweise ihm kein Verbesserungsauftrag zu erteilen war.
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben und wurde zudem auch nicht beantragt.
II.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Fristablauf, Rechtsmittelfrist, Verbesserungsauftrag, Verspätung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W204.2162105.2.00Zuletzt aktualisiert am
09.04.2019