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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/01/0305 E 29. Juni 2000Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des SR in W, geboren am 1. Juli 1973, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Am Fischertor 5/1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Juni 1998, Zl. 202.690/0-IV/10/98, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, der am 27. Februar 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 2. März 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 13. März 1998 niederschriftlich einvernommen.
Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens. Er stamme aus dem Dorf Rudaj, welches aus 40 Häusern bestehe und ausschließlich von Albanern bewohnt werde.
Die Behörde erster Instanz gab sein damaliges Vorbringen in ihrem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 26. März 1998 in dem für die Entscheidung maßgeblichen Umfang folgendermaßen wieder:
"Vorerst wurden Sie einmal befragt, ob Sie bereits früher einmal im Ausland gewesen sind.
Nachdem Sie diese Frage vorerst mit nein beantwortet haben führten Sie dann an, daß Sie doch bereits einmal im Ausland gewesen seien.
Zur Frage, wo und wann Sie im Ausland waren, führten Sie aus, daß Sie vor ca. 3-4 Monaten kurz bzw. eine Nacht in Traiskirchen verbracht hätten.
Als Sie sich im Lager gemeldet hätten, hätten Sie zu Hause angerufen und dabei hätte man Ihnen mitgeteilt, daß Ihre Frau krank sei, sich die Situation mittlerweile beruhigt hätte, worauf Sie dann gleich zurückgefahren seien.
...
Zur Frage, weshalb Sie den Kosovo verlassen hätten führten Sie aus, daß Sie den Kosovo verlassen hätten, da Sie die Serben 'lebendig fressen' wollten.
Zur Frage weiterer asylrelevanter Ausführungen führten Sie aus, daß sowohl Sie, als auch Ihr Vater im Jahr 1994 geschlagen worden seien. Schließlich hätten Sie Zahlungen an die Behörden entrichtet und so hätte man Sie in Ruhe gelassen.
Nach Silvester dieses Jahres hätte man begonnen Sie zu suchen. So seien Sie gezwungen gewesen, den Kosovo zu verlassen. Dies seien Ihre Gründe, mehr könnten Sie nicht angeben.
In der Folge wurden Sie aufgefordert, Ihre Angaben zu konkretisieren und dazu führten Sie aus, daß Sie nicht wissen würden, weshalb man Sie suchen würde, jedoch würden Sie gesucht werden. Mehr würden Sie nicht angeben können.
Dies deshalb, da die Serben die Kosovo-Albaner im Kosovo nicht sehen möchten.
Zur Frage, warum Sie wissen, daß man Sie gesucht hat, führten Sie aus, daß tagtäglich die Polizei ins Dorf kommen würde. Die Mehrheit der Albaner würden von der Polizei verfolgt werden.
Zur Frage, wo Sie im Kosovo lebten, führten Sie aus, im Dorfe Rudaj.
Zur Frage, wie hoch dort der Bevölkerungsanteil der Albaner ist, führten Sie aus, daß es dort 40 Häuser geben würde und diese seien ausschließlich von Albanern bewohnt.
Zur Frage, was im Falle einer Rückkehr passiert, führten Sie aus, daß man Ihnen die Gurgel durchschneiden würde.
Zur Frage, warum, führten Sie aus, daß man dies tagtäglich in den Medien sehen würde. Es würden sogar Kinder getötet werden.
Nunmehr wurde Ihnen mitgeteilt, daß diese Vorkommnisse in einem ganz anderen Teil des Kosovo, im speziellen im Gebiet von Drenica, gewesen sind. Ihr Heimatort liegt von dort ca. 150 km entfernt und es würde keine Hinweise geben, daß es auch in Ihrem Heimatort zu Ausschreitungen gekommen ist.
Dazu führten Sie lediglich aus, daß der Kosovo in Flammen stehen würde.
Nunmehr wurde Ihnen mitgeteilt, daß Ihre gesamten Behauptungen auf Vermutungen beruhen und es keine Hinweise gibt, daß eine individuelle gerade gegen Sie gerichtete Verfolgung stattgefunden hat.
Dazu führten Sie aus, daß alle aus dem Kosovo geflüchtet seien, nur die Alten würden im Kosovo verbleiben. Mehr könnten Sie nicht angeben.
Sie hätten dem nichts hinzuzufügen, die Angaben seien richtig und vollständig rückübersetzt worden.
Derzeit würden Sie über keine Barmittel verfügen. Ihre Identität würden Sie mittels Ihres jugoslawischen Personalausweises beweisen."
Die Behörde erster Instanz führte einerseits aus, daß die vom Beschwerdeführer als Asylgrund dargestellten Umstände "für die hierortige Behörde glaubwürdig" klängen und "auch nachvollziehbar" seien. In der Folge führte sie jedoch aus, daß die allgemein gehaltene Aussage, man werde dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr "die Gurgel durchschneiden", nicht schlüssig sei und nicht nachvollzogen werden könne. Auch an anderer Stelle enthält der Bescheid die Wendung, daß dem Beschwerdeführer hinsichtlich seiner genannten allgemeinen Aussage die "Glaubwürdigkeit" abgesprochen werde.
In rechtlicher Beurteilung führte die Behörde erster Instanz aus, daß es den Vorfällen im Jahr 1994 am notwendigen zeitlichen Konnex zur Ausreise des Beschwerdeführers mangle, zumal er sich 1997 wieder in den Kosovo zurückbegeben habe. Dem Vorbringen betreffend Verfolgungsgefahr nach dem erneuten Verlassen seiner Heimat mangle es an der konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung. Es gäbe im Kosovo keine Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner durch die staatlichen serbischen Behörden. Das Bundesasylamt kam zum Schluß, es sei nicht glaubhaft, daß dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Da zudem keine stichhältigen Gründe im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 FrG vorlägen, sei die Zürückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser sagte der Beschwerdeführer, zu seiner Verfolgung nach der Rückkehr im November 1997 befragt, unter anderem aus, die serbische Polizei habe ununterbrochen nach ihm gefragt, als Grund seiner Wichtigkeit für die Polizei gab er an, man habe seiner Mutter gesagt, daß der Beschwerdeführer "mit der UCK mitarbeitet". Sie hätten dafür keinen Grund gehabt, sie hätten "nur jemanden erwischen" wollen und "dann können sie über ihn alles sagen".
Des weiteren gab der Beschwerdeführer an:
"Mein Haus wurde verbrannt, ich weiß nicht wo meine Frau, mein
Kind, mein Vater, meine Familie sich befindet.
Nach genauem Zeitpunkt befragt:
Ich habe es durch die Nachrichten erfahren, mein Dorf wurde
verbrannt, ich weiß nicht wo die Leute sind.
In den Nachrichten wurde gesagt, daß das Dorf Rudaj verbrannt wurde; 30 Häuser wurden mit Granaten zerschossen, das Dorf hatte insgesamt 40 Häuser.
Nach dem genauen Zeitpunkt befragt:
Ich weiß nicht genau wann, es war in den Nachrichten vor
ca. 14 Tagen.
Vorhalt Verhandlungsleiter, daß darin eine allgemeine Vergeltung, nicht jedoch persönliche Verfolgung zu erblicken sei:
Im Jahre 97 habe ich eine Ladung bekommen - über Vorhalt kann ich nicht angeben wann, ich habe nicht Folge geleistet; seitdem werde ich gesucht.
Sie kommen so oft, daß man sich an ein gewisses Datum nicht mehr erinnern kann.
Nach befürchteter Verfolgung im Fall seiner Rückkehr befragt:
Man könnte sagen, daß ich UCK-Angehöriger bin; darauf könnte eine schwere Strafe, unter Umständen eine Todesstrafe folgen.
Über Vorhalt, daß eine derartige allgemeine Befürchtung nicht relevant ist, weil in so allgemeiner Form dies von jedem Kosovo-Albaner gesagt werden kann.
Ich bin der Überzeugung, daß ich gefaßt und dann bestraft werde, weil sie ununterbrochen nach mir suchen.
Nochmals nach seiner besonderen Wichtigkeit befragt:
Sie haben mich (94) verprügelt, ich habe damals bezahlt, sie haben mich eine Zeit lang in Ruhe gelassen, ich wurde 97 geladen und wurde seitdem gesucht.
Mein Heimatort liegt 40 km von der albanischen Grenze und 30 km von Drenica entfernt (der Dolmetscher hat unrichtig übersetzt).
Ich war nie bei einer politischen Partei.
Frage Verhandlungsleiter wieso sonstige Familienmitglieder
nicht verfolgt wurden.
Es gibt nur meinen Vater, der wurde 94 verprügelt und der ist alt (Jahrgang 42) - außerdem ist er krank.
Zum Schluß in der Verhandlung wird anhand der Landkarte die genaue Lage geklärt.
Zur Situation wird festgestellt, daß der Heimatort 14 km von Malischewo liegt; die Lage zu Dreniza, wie der Asylwerber geschildert hat, die Lage zur Grenze allerdings weiter.
Ergänzend durch Verhandlungsleiter gefragt:
Ich habe versucht Leute mit Handy zu erreichen, ich habe gehört, daß sie nicht mehr im Dorf sind.
Meine Informationen stammen von einem albanischen Sender.
Nach der Frage, ob er all dies verifiziert habe:
Ich habe einen Onkel und seine Kinder in Deutschland und in der Schweiz gefragt, die wußten auch nicht mehr.
Es ist mir nicht bekannt, daß in unserem Dorf je UCK-Anhänger waren.
In unserem Dorf hat es weder ein UCK-Lager, -Depot oder sonstige Unterstützung gegeben; - ich habe nie UCK gesehen, ich weiß nicht was das ist.
Besondere politische Aktivitäten waren in meinem Dorf nie gegeben; allerdings war LDK und parlamentarische Liga vertreten.
Vorhalt, daß er bei seiner ersten Einvernahme als Furcht im Falle der Rückkehr lediglich eine allgemeine Information angegeben habe:
In Linz wurde ich nicht ordnungsgemäß befragt:
Ich wurde mehrfach hinausgeschmissen und wurde der Lüge bezichtigt.
Zu seiner Aussage bei der Ersteinvernahme befragt, er sei zurückgekehrt weil sich die Situation beruhigt hätte:
Man hat mich damals angerufen, mir die Krankheit meiner Frau mitgeteilt und daß die Lage etwas besser sei.
Über Frage Verhandlungsleiter, wieso er sich nicht im Kosovo telefonisch nach seinem Dorf und seiner Familie erkundigt hätte.
Ich kenne niemanden in Prishtina.
Auch damals im vergangenen Jahr habe ich angerufen.
Schlußwort des AW:
Ich weiß nicht, wo sich meine Familie befindet, ich weiß nicht was zu tun ist, wenn wieder Ruhe herrscht.
Sie lassen uns nicht im eigenen Land in Ruhe; nach Belgrad dürfen wir nicht.
Die Albaner werden aus allen Teilen der Bundesrepublik Jugoslawien vertrieben; außerdem ist unser Eigentum im Kosovo."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Juni 1998 (Verkündigung im Anschluß an die öffentliche mündliche Verhandlung, schriftliche Ausfertigung vom 2. Juli 1998) wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), fest, daß die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Sie erhob die vom Bundesasylamt in dessen Bescheid "richtig und vollständig" wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Inhaltes der Berufung und allgemeinen rechtlichen Ausführungen führte die belangte Behörde einerseits aus, daß "aus dem Eindruck, den die Behörde vom Asylwerber" gewonnen habe, sich "eine Unglaubwürdigkeit" ergeben habe, andererseits traf die belangte Behörde "die Feststellungen der Behörde erster Instanz ergänzende" Feststellungen, die auf der "breiten Befragung mit der Situation im Heimatland, aber auch dem Vorbringen des Asylwerbers" beruhten und "natürlich über die Erkenntnisse erster Instanz hinausgehende Resultate" ergäben. In diesen ergänzenden Feststellungen führt die belangte Behörde unter anderem aus, der Beschwerdeführer habe zum inhaltlichen Asylvorbringen "keine glaubwürdigen Details zu bieten". Daran schließen folgende Ausführungen an:
"3. Sieht man von einem, nicht direkt fluchtveranlassenden und somit auch nicht relevanten Ereignis des Jahres 1994 ab, nach welchem Ereignis der Asylwerber bis 1997 keine Behördenkontakte hatte ab, kann außer einer (zeitlich nicht einordenbaren) Ladung des Jahres 1997 und einer (trotz Versuch einer Klärung) nicht verifizierbaren und konkretisierbaren Befürchtung des Asylwerbers der UCK zugezählt zu werden, keine ersichtliche Angst vor Verfolgung erblickt werden.
4.
Eine politische Tätigkeit des Asylwerbers war nicht gegeben.
5.
Die Heimat des Asylwerbers liegt zwischen den derzeitigen Hauptgebieten der Auseinandersetzungen UCK - serbische Polizei, nicht jedoch in der direkten Kampfzone.
Ein Konnex des Dorfes mit der UCK (als Lager, Depot, usw.) oder auch als sympathisierendes Dorf, war nie gegeben.
6. Um eine innerstaatliche Niederlassungsalternative hat sich der Asylwerber nie ernsthaft Gedanken gemacht - er verweist hier auf Annahmen seinerseits."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, daß eine einmalige Ladung, diesbezügliche Polizeinachschauten, eine Hausdurchsuchung an sich kein asylrelevantes Vorbringen in Hinsicht auf eine (zwangsweise) drohende ernste persönliche Verfolgung sei. "Darüber hinaus konnte aber dem Vorbringen nichts, was auch nur in die Nähe eines asylrelevanten Vorbringens kommt, entnommen werden."
Eine Gruppenverfolgungssituation liege nicht vor. Auch die Prüfung im Sinne des § 57 FrG habe keine stichhaltigen Gründe für eine den Beschwerdeführer im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 FrG drohende Behandlung ergeben. Ferner bestehe noch "die innerstaatliche Niederlassungsalternative in anderen Teilrepubliken (mit z.T. beachtlichem Anteil gleicher Ethnie und Religion)".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Weder aus der widersprüchlichen Begründung der Behörde erster Instanz zur Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Fluchtgründe (auf welche sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter anderem auch stützt) noch aus der ebenfalls widersprüchlichen Begründung des angefochtenen Bescheides ist nachvollziehbar zu erkennen, ob bzw. aus welchen Gründen und in welchem Umfang dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde.
Sollte die belangte Behörde meinen, daß auch die Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Zerstörung seines Heimatdorfes und die Vertreibung seiner Angehörigen unglaubwürdig seien, so ist ihr diesbezüglich jedenfalls ein Begründungsmangel unterlaufen. Denn die belangte Behörde hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung einerseits die Lage des Heimatdorfes festgestellt (14 km Entfernung zu Malishevo, 30 km zu Drenica und über 40 km zur albanischen Grenze), andererseits hat der Beschwerdeführer den Zeitpunkt, zu dem er durch einen albanischen Sender von der Zerstörung seines Heimatdorfes erfahren habe, mit "vor ca. 14 Tagen" (das ist bezogen auf den Zeitpunkt der öffentlichen mündlichen Verhandlung ungefähr um den 15. bis 20. Mai 1998) näher umschrieben. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid auf diese Angaben überhaupt nicht ein. Die belangte Behörde stützte sich zwar zu Recht auf aktuelle Informationen (zuletzt Ausschnitt aus der Tageszeitung "Kurier" vom 3. Juni 1998), unterließ aber trotz darin genannter Vorfälle ("... an der Grenze zu Albanien gehen serbische Truppen daran, ganze Landstriche 'ethnisch zu säubern'; seit März, als serbische Truppen mehrere Dörfer bei einem Großangriff dem Erdboden gleichmachten und 80 Menschen töteten, fielen den Kämpfen mindestens 250 Menschen zum Opfer") nähere Ermittlungen zu den Behauptungen des Beschwerdeführers, ob die behauptete Zerstörung des Heimatdorfes überhaupt bzw. tatsächlich in der vom Beschwerdeführer genannten Form stattgefunden habe. Ohne das Vorliegen von den Angaben des Beschwerdeführers widersprechenden Ermittlungsergebnissen und darauf aufbauender nachvollziehbarer Begründung lassen sich die genannten Angaben des Beschwerdeführers nicht als unglaubwürdig werten.
Für den Fall, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zuträfe, weist der Verwaltungsgerichtshof auf seine zur vormaligen Situation in Bosnien-Herzegowina in ständiger Rechtsprechung - siehe z.B. das Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 93/01/1449 - gemachten Ausführungen hin:
"Aus den Verwaltungsakten geht - i.S. des Beschwerdevorbringens - hervor, daß die Beschwerdeführerin vor ihrer Ausreise in Bosnien gelebt hat. Sie bezeichnet sich selbst als 'bosnische Staatsangehörige', und auch die belangte Behörde sieht offensichtlich Bosnien-Herzegowina (seit März 1992 ein unabhängiger und als solcher von Österreich am 7. April 1992 anerkannter Staat) als Heimatland der Beschwerdeführerin im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 an. Die Auffassung der belangten Behörde, den Behauptungen der Beschwerdeführerin könne nicht entnommen werden, daß sie konkrete Verfolgung in ihrem Heimatland zu befürchten habe, kann nicht geteilt werden. Die Annahme einer derartigen Befürchtung setzt nämlich nicht voraus, daß die Beschwerdeführerin vor ihrer Ausreise eine individuell gegen sie gerichtete Verfolgung erlitten hätte oder ihr zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre. Auch dann, wenn die Verhältnisse im Heimatland der Beschwerdeführerin dergestalt wären, daß davon gesprochen werden müßte, daß systematisch eine Gruppenverfolgung der Moslems, denen die Beschwerdeführerin angehört, aus Gründen ihrer Nationalität (davon offenbar nicht zu trennen, auch ihrer Religion) erfolgt, wäre eine derartige Befürchtung gerechtfertigt, weil die Beschwerdeführerin dadurch der Gefahr ausgesetzt wäre, davon unmittelbar betroffen zu sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin enthielt ganz konkrete Hinweise darauf, daß für sie und ihre Kinder eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr von erheblicher Intensität bestanden habe. Hiebei war nicht allein die Tatsache von Bedeutung, daß es im Heimatland der Beschwerdeführerin zu kriegerischen Handlungen gekommen ist, worin noch kein Grund gelegen wäre, darin gegen sie selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1989, Zlen. 89/01/0283-0286); vielmehr hatten (nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin) diese (bereits in Gang befindlichen) Aktivitäten gegen die Gesamtheit der dort lebenden Moslems gerichtete Maßnahmen zum Ziel, die nicht bloß in Beeinträchtigungen allgemeiner Natur, die von allen hingenommen werden müßten, bestanden. Die Beschwerdeführerin spricht in diesem Zusammenhang von 'ethnischen Säuberungen'. Es wäre der Beschwerdeführerin (auf dem Boden ihres Vorbringens im Zusammenhalt mit den allgemein bekannten Ereignissen in ihrem Heimatland) auch nicht zumutbar gewesen, sich den auch von ihr persönlich zu erwartenden Repressionshandlungen nicht rechtzeitig durch ihre Flucht zu entziehen. Inwieweit diese, der Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen von 'den Serben' drohende Verfolgung staatlichen Stellen ihres Heimatlandes zuzurechnen wäre, ist davon abhängig, ob der betreffende Staat in der Lage ist, diese Verfolgung hintanzuhalten (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1993, Zl. 92/01/1090). Hätte daher die staatliche Autorität zufolge der Besetzung nach Angaben der Beschwerdeführerin durch die 'serbische Armee' ihre Wirksamkeit in dem davon betroffenen Gebiet verloren, so wären die dort gesetzten Verfolgungshandlungen in asylrechtlicher Hinsicht staatlichen Maßnahmen gleichzuhalten, wobei sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auch nicht ergibt, daß eine inländische Fluchtalternative bestanden habe (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/0034 und Zl. 93/01/0291)."
Der Beschwerdeführer hat ein Vorbringen im Sinne der obzitierten Rechtsprechung im Hinblick auf sein Heimatdorf erstattet. Sollte sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als richtig erweisen, so könnte hinsichtlich seines Heimatdorfes nicht mehr davon ausgegangen werden, daß keine "ethnische Säuberung" - nach Verlassen der Heimat durch den Beschwerdeführer, aber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - stattgefunden habe.
Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß diese Vorfälle nicht stimmen, so wäre die belangte Behörde dennoch gehalten, als Grundlage für die im Zeitpunkt der Erlassung des Ersatzbescheides zu treffende Prognose die aktuelle Entwicklung miteinzubeziehen und zu begründen, ob für die Einwohner des Heimatdorfes des Beschwerdeführers nunmehr eine Verfolgungsgefahr aus Gründen ihrer Ethnie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Insoferne die belangte Behörde sich darauf beruft, daß eine "innerstaatliche Niederlassungsalternative in anderen Teilrepubliken" für den Beschwerdeführer bestehe, leidet der angefochtene Bescheid ebenfalls an einem Begründungsmangel. Denn angesichts der allgemein bekannten Spannungen zwischen Serben und Albanern ist ohne nähere Begründung nicht von vornherein davon auszugehen, daß Angehörigen der albanischen Bevölkerungsgruppe des Kosovo in anderen Teilen der "Bundesrepublik Jugoslawien" eine verfolgungsfreie Niederlassung möglich wäre.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 1. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. In seinem Spruchpunkt 2. war der angefochtene Bescheid ohne näheres Eingehen auf die von der belangten Behörde ausgeführte Begründung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weil die Aufhebung des Spruchpunktes 1. mit der Wirkung "ex tunc" erfolgt. Das Verfahren über den Asylantrag des Beschwerdeführers befindet sich sohin im Berufungsstadium, eine den Asylantrag abweisende Entscheidung der Behörde zweiter Instanz liegt nicht vor. Damit fehlt die gemäß § 8 AsylG für die Erlassung eines Feststellungsbescheides, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), gesetzlich notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der in allen sonstigen Fällen der Fremdenbehörde zukommenden Entscheidungskompetenz. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in seinem Spruchpunkt 2. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer Verfahrenshilfe auch für die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Stempel- und Kommissionsgebühren sowie der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG bewilligt war und somit eine Gebührenpflicht für die Einbringung der Beschwerde nicht entstanden ist.
Wien, am 21. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010566.X00Im RIS seit
03.04.2001