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Anwendung körperlicher GewaltText
D I S Z I P L I N A R E R K E N N T N I S
Die beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichtete Disziplinarkommission für Landeslehrer, Senat für Landeslehrer an allgemein bildenden Pflichtschulen, hat unter dem Vorsitz von Dr. Georg Zepharovich sowie im Beisein seiner Mitglieder LSI Mag. Dr. Werner Mayr sowie OL Dietmar Schöpf in der Disziplinarsache gegen Sonderoberschullehrerin Dipl.-Päd. AA, vertreten durch RA Dr. BB, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung vom 01.03.2018 zu Recht erkannt:
Spruch
1. Schuldspruch:
Frau Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd. AA ist schuldig, § 29 Abs. 1 und 2 LDG iVm § 47 Abs. 1 und 3 SchUG verletzt zu haben, indem sie am 13.11.2017 gegen 14:15 Uhr ein unangemessenes Erziehungsmittel iS des § 47 Abs. 1 SchUG angewendet hat und zwar den Schüler CC am rechten Ohr zog bzw. mehrmals daran rüttelte und wenig später, als er nicht mehr weiter gehen wollte, ihn an einem Haarschopf packte, daran riss und somit den betroffenen Schüler gemäß § 47 Abs. 3 SchUG körperlich züchtigte.
2. Strafe:
Gemäß § 70 Abs. 3 LDG wird über sie eine Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsgehalt verhängt.
3. Kostenspruch:
Gemäß § 86 Abs. 1 LDG hat die Disziplinarbeschuldigte die Verfahrenskosten nicht zu ersetzen.
Begründung
Mit Anzeige vom 16.01.2018 wurde der Disziplinarkommission durch die Dienstbehörde mitgeteilt, Frau Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd. AA, stehe in Verdacht
am 13.11.2017 gegen 14:15 Uhr den Schüler CC im Gang der Schule am Inn am rechten Ohr gezogen bzw. mehrmals daran gerüttelt zu haben und ihn wenig später, als er nicht weiter gehen wollte, an einem Haarschopf gepackt und daran gerissen zu haben
und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß §§ 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 iVm § 47 Abs. 1 und 3 SchUG begangen zu haben, indem sie entgegen § 47 Abs. 3 SchUG den betroffenen Schüler körperlich gezüchtigt und unangemessene Erziehungsmittel im Sinne des § 47 Abs 1 SchUG angewandt hat.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 24.01.2018, Zl. L-11/3-2018 erfolgte die Suspendierung der Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd. AA vom Dienst.
Mit weiterem Bescheid vom 08.02.2018, Zl. L-11/7-2018 wurde der Einleitungsbeschluss wegen der oben erwähnten Vorwürfe erlassen. Am 01.03.2018 wurde die mündliche Verhandlung durchgeführt. Bei dieser führte die Disziplinarbeschuldigte im Wesentlichen aus, wie folgt:
Sie sei am 13.11.2017 im ersten Stock des Schulgebäudes mit dem Schüler CC Hand in Hand zum Unterrichtsraum gegangen. Sie sei dabei mit ihm allein gewesen, da sich der Rest der Klasse mit einer Schulhelferin im Klassenzimmer befunden habe. Der Schüler habe sich dann am Gang nach hinten fallen lassen. Sie sei in Stress geraten und habe ihn dann unter den Armen gepackt, um ihn vom Boden aufzuheben. Es könne sein, dass sie den Jungen dabei am Kopf, im Bereich des Ohres bzw. der Haare berührt habe. Danach habe sich der Junge noch ein zweites Mal hinfallen lassen und sie habe ihn anschließend in die Klasse getragen. Der Schüler habe sich dabei gewehrt, er habe aber nicht geweint.
Die Direktorin habe das Ganze von einer Lichte im zweiten Stock aus, von der Seite her, beobachtet. Sie habe zu ihr gesagt, als sie noch mit dem Schüler am Gang stand, dass das so nicht ginge, dass sie den Schüler am Ohr und am Haar gezogen habe. Sie habe sie auch aufgefordert, nach dem Unterricht zu ihr in die Direktion zu kommen. Ihr sei zu jenem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen, den Schüler am Ohr bzw. an den Haaren berührt zu haben. Sie könne sich auch nicht erklären, warum sie zuvor so in Stress geraten sei.
Später in der Direktion habe ihr die Direktorin mitgeteilt, dass sie das Ereignis melden müsse, da sie Gewalt gegen den Schüler angewandt habe. Am meisten habe sie schockiert, dass sofort eine Meldung, ohne davor eine Verwarnung auszusprechen, erfolgt sei. Sie sei auch wegen des Vorwurfes und dass die Direktorin die Situation als so schlimm empfunden habe, schockiert gewesen.
Der Schüler sei wie ein dreijähriges Kind sowie hyperaktiv und habe im Gang herumlaufen wollen. Er habe einen Migrationshintergrund und spreche kaum, sei jedoch in der Lage, Anweisungen ihrerseits zu verstehen. Er habe sich jedoch entgegen ihrer Aufforderung geweigert, aufzustehen und mitzukommen.
Aus dem Vorfall habe sie gelernt, dass sie sich künftig Hilfe holen werde. In einer späteren ähnlichen Situation bei einem Stadtspaziergang habe sie sich Hilfe von einer Kollegin geholt. Eine Alternative um den Schüler in die Klasse zu geleiten, wäre ihrer Ansicht nach gutes Zureden und Warten bis sich der Schüler wieder beruhigt hat.
Sie hätte damals weniger fest zupacken können. Die Situation habe sich jedoch aus ihrer Sicht nicht so zugetragen, wie es ihr vorgeworfen werde. Sie habe den Schüler ja nicht bewusst an den Haaren bzw. am Ohr gezogen, es könne sein, dass sie den Schüler im Rahmen des Aufhebens berührt habe. Sie habe den Schüler zwar entgegen seines Widerstandes in die Klasse getragen, geweint habe er aber überhaupt nicht.
In weiterer Folge wurde das Ermittlungsverfahren durch die Zeugenaussage der Schulleiterin erweitert:
Sie führte aus, dass sie am 13.11.2017 gegen 14:15 im zweiten Stock gewesen sei und mit dem Reinigungspersonal gesprochen habe. Sie sei dann an einem baulichen Ausschnitt vorbeigegangen und habe dort die Beschuldigte im ersten Stock beobachten können, wie sie mit dem Schüler CC in Richtung Klassenzimmer unterwegs war. Sie habe dann gesehen, dass die Beschuldigte den Schüler am Ohr gepackt hat und sein Kopf dadurch hin und her wackelte. Beide seien dann ein paar Schritte gegangen und anschließend habe sich der Schüler auf den Boden gleiten lassen. Er sei von der Beschuldigten an den Haaren gezogen worden. Der Junge habe nicht geschrien, aber das Gesicht verzogen. Sie habe daraufhin zur Beschuldigten hinuntergerufen, dass das so nicht gehe und habe ihr das Ziehen am Ohr und an den Haaren gedeutet. Dann habe sie der Beschuldigten mitgeteilt, dass sie nach dem Unterricht zu einem Gespräch in die Direktion kommen solle. Die Beschuldigte und der Schüler seien anschließend weiter in Richtung Klassenzimmer gegangen, sie habe die beiden jedoch aufgrund der baulichen Gegebenheiten aus den Augen verloren.
Sie habe später mit der Schulaufsicht gesprochen. Diese habe sie darauf hingewiesen, dass sie den Vorfall melden müsse.
Um ca. 16:20 in der Direktion habe sie der Beschuldigten mitgeteilt, dass der Vorfall von solcher Qualität sei, dass er einer Handlung bedürfe. Die Beschuldigte sei während des Gesprächs sehr schweigsam gewesen, sie habe einen besorgten, ängstlichen Eindruck gemacht. Nach diesem Gespräch habe es keine Reaktion mehr seitens der Beschuldigten gegeben.
Der betroffene Schüler sei kein einfacher Schüler. Er sei ein Kind, das Grenzen teste und das provoziere. Ob er dabei bewusst handelt, sei schwer einzuschätzen. Er schreie gelegentlich im Gang herum, reagiere jedoch auf Gestik, wenn man ihm beispielsweise deute, dass er zu laut sei. Jedenfalls reagiere der Junge, wenn man Blickkontakt mit ihm aufnehme und ihm klar mache, dass es einem ernst sei.
Ihrem Empfinden nach sei die Beschuldigte während des Vorfalls verärgert gewesen. Sie habe gesehen, dass die Beschuldigte den Schüler fest gepackt habe, ein Abrutschen oder Ähnliches am Kopf des Jungen sei es bestimmt nicht gewesen.
Die Disziplinarkommission hat hierüber erwogen wie folgt:
Landeslehrer sind nach § 29 Abs. 1 LDG verpflichtet, die ihnen obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Sie haben gemäß § 29 Abs. 2 LDG in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Lehrer haben gemäß § 47 Abs. 1 SchUG im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung der Schüler in ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden, die insbesondere Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein können. Gemäß § 47 Abs 3 SchUG sind körperliche Züchtigungen verboten.
Die Beschuldigte hat ein unangemessenes Erziehungsmittel angewendet und den betroffenen Schüler körperlich gezüchtigt, indem sie ihn am rechten Ohr gezogen sowie mehrmals daran gerüttelt hat und ihn wenig später, als er nicht weiter gehen wollte, an einem Haarschopf gepackt und daran gerissen hat. Es ist davon auszugehen, dass die gegenständlichen Misshandlungen dem Schüler Schmerzen bereitet haben und dies auch nach außen hin erkennbar war, zumal er sein Gesicht verzog.
Das Ziehen am Ohr bzw. an den Haaren, um ein Kind dazu zu bewegen, in das Klassenzimmer zu gehen sind absolut ungehörige Maßnahmen. Es gibt hierfür zahlreiche alternative Mittel, wie Kommunikation. Zusätzlich ist zu beachten, dass es sich beim betroffenen Schüler um ein behindertes Kind handelt. In der gegenständlichen Sonderschule gibt es ein Leitbild, wie man mit solchen Schülern umzugehen hat. Die Beschuldigte hat diesem Leitbild nicht entsprochen. Als erfahrene Sonderpädagogin ist sie im Umgang mit behinderten Schülern besonders geübt und es muss ihr daher bewusst sein, welche Erziehungsmittel im jeweiligen Fall angemessen und geeignet sind.
Die Aussagen der Beschuldigten und der Direktorin variieren hinsichtlich des Ablaufes des gegenständlichen Vorfalles. Die Beschuldigte behauptete, es sei - wenn überhaupt - aus Versehen zu einem Berühren des Kopfes des Schülers gekommen, während die Direktorin von einem gezielten festen Anpacken am Ohr und Haar des Jungen sprach. Insgesamt sind die Angaben der Direktorin widerspruchsfrei und sie ist absolut glaubwürdig. Die Beschuldigte versuchte hingegen den Vorfall zu bagatellisieren. Es war hier vollends den Ausführungen der Direktorin zu folgen und war die Beschuldigte in allen Punkten der Disziplinaranzeige schuldig zu sprechen.
Zur Strafhöhe war festzuhalten, dass diese schuld- und tatangemessen ist. Es kann bei der Darlegung der Geschehnisse durch die Beschuldigte keinesfalls von einem reumütigen Geständnis gesprochen werden. Strafmildernd ist die Unbescholtenheit der Beschuldigten. Es war auch aus generalpräventiven Gründen eine Strafe zu verhängen, um klar zu zeigen, dass körperliche Gewalt gegen Kinder in Österreichs Schulen nicht toleriert wird.
Der Senat hat gemäß § 86 Abs. 2 LDG beschlossen, dass die Tragung der Verfahrenskosten aufgrund des geringen verursachten Verfahrensaufwandes von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 80 Abs. 5 LDG wird mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens ex lege die Suspendierung der Beschuldigten aufgehoben.
Abschließend ist aus Gründen der Vollständigkeit festzuhalten, dass nach mündlicher Verkündung des gegenständlichen Disziplinarerkenntnisses am 01.03.2018 sowohl der Disziplinaranwalt, als auch die Beschuldigte Rechtsmittelverzicht erklärten.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben werden. In der Beschwerde sind der angefochtene Bescheid und die Behörde, die ihn erlassen hat, zu bezeichnen. Sie hat ein Begehren zu enthalten und die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, darzulegen. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen ab Erlassung des Bescheides beim Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Justiziariat schriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder auf andere technisch mögliche Weise einzubringen und hat Angaben zu enthalten, die eine Beurteilung ihrer Rechtzeitigkeit möglich machen. Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
In der Beschwerde kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungs-gericht Tirol beantragt werden.
Für die Disziplinarkommission
Der Vorsitzende
Zepharovich
Zuletzt aktualisiert am
08.04.2019