TE Dok 2019/2/28 L-14/15

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Norm

§29 Abs1 und 2 LDG, §47 Abs1 und 3 SchUG

Schlagworte

Anwendung körperlicher Gewalt

Text

D I S Z I P L I N A R E R K E N N T N I S

Die beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichtete Disziplinarkommission für Landeslehrer, Senat für Landeslehrer an allgemein bildenden Pflichtschulen, hat unter dem Vorsitz von Dr. Georg Zepharovich sowie im Beisein seiner Mitglieder Hofrat Dr. Werner Mayr und OL Dietmar Schöpf in der Disziplinarsache gegen VOL AA, vertreten durch RA Dr. BB, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 28.2.2019 zu Recht erkannt:

Spruch

1. Schuldspruch:

Herr VOL AA ist schuldig, § 29 Abs. 1 und 2 LDG iVm § 47 Abs. 1 und 3 SchUG verletzt zu haben, indem er am frühen Nachmittag des 17.10.2018 im Rahmen der schulischen Tagesbetreuung den Schüler CC am Arm gepackt, geschüttelt und mit einer Schildkappe mehrmals auf den Kopf geschlagen hat und somit dem betroffenen Schüler gemäß § 47 Abs. 3 SchUG körperlich züchtigte.

2. Strafe:

Gemäß § 70 Abs. 3 LDG wird über VOL AA eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,00 verhängt.

3. Kostenspruch:

Gemäß § 86 Abs. 1 LDG hat der Disziplinarbeschuldigte die Verfahrenskosten nicht zu ersetzen.

Begründung

Mit Anzeige vom 28.12.2018 wurde der Disziplinarkommission durch die Dienstbehörde mitgeteilt, Herr VOL AA, stehe in Verdacht, am frühen Nachmittag des 17.10.2018 im Rahmen der schulischen Tagesbetreuung den Schüler CC „geschüttelt, gebeutelt und an der Hand fortgerissen“ (Aussage Volksschuloberlehrer AA) bzw. „mehrmals an den Ohren gezogen, sehr brutal hin- und hergeschleudert und mit einer Schildkappe geschlagen“ (Aussage DD gegenüber der BH K) bzw. „geohrfeigt, fest an den Armen gepackt und einige Male auf den Kopf geschlagen“ (anonyme Aussage gegenüber der BH K) zu haben, und damit Dienstpflicht-verletzungen gemäß § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 und § 47 Abs. 3 SchUG begangen zu haben, indem er

?    das Verbot der körperlichen Züchtigung (§ 47 Abs. 3 SchUG) missachtet und damit

?    die ihm obliegenden Erziehungsaufgaben nicht unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung

gewissenhaft besorgt (§ 29 Abs. 1 LDG 1984) und das Vertrauen der Allgemeinheit in die

sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben gestört (§ 29 Abs. 2 LDG 1984) hat.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 10.1.2019, Zl. L-14/3-2019 wurde der Einleitungsbeschluss wegen der oben erwähnten Vorfälle erlassen.

Am 28.2.2019 wurde die mündliche Verhandlung durchgeführt. Bei dieser führte der Disziplinarbeschuldigte im Wesentlichen aus, wie folgt:

CC ist, wie allgemein bekannt, ein schwieriges Kind, das oftmals, wie es es ausdrückt, „gerne Streiche spielt“. Die Direktorin ersuchte mich, CC im Rahmen von Betreuungsstunden zu übernehmen, zumal sie eine männliche Bezugsperson als vorteilhaft ansah. Im Rahmen einer Nachmittagsbetreuung nahm ich ihn und andere Kinder zu einem Spaziergang zum Inn mit und traf dabei seine neue Klassenlehrerin. Sie sagte mir, dass es weiterhin große Probleme mit ihm gäbe. Er wäre in einem passiven Widerstand und täte überhaupt nichts mehr. Ich ging dann mit den Kindern weiter und wir spazierten bei einem Bauernhof vorbei. Dieser ist zwar unbewohnt aber an sich intakt. Ich hörte, wie jemand mit einem Gegenstand gegen eine Scheibe klopfte. Ich sah, dass CC mit einer Dose oä., die er beim Spielen gefunden hatte, an ein Fenster schlug. Ich meinte, es würde gleich die Scheibe zerbrechen. Aufgrund des vorhergehenden Gespräches mit der Klassenlehrerin hatte ich Angst, dass das Kind „verloren“ gehen könnte. Ich packte ihn an der Jacke und schüttelte ihn mehrmals und rief zu ihm: „Was soll aus dir werden? Möchtest du im Gefängnis landen?“ Ich habe ihn dabei sicher nicht geohrfeigt, das kann ich ausschließen. Es ist jedoch richtig, dass ich ihm mit meiner Schildkappe mehrmals auf den Kopf gehaut habe. Ich gehe davon aus, dass dieses Vorkommnis ca. 5 Sekunden gedauert hat. Ich kann nicht ausschließen, dass ich ihn dabei auch an den Ohren gezogen habe. Ich packte ihn auch an der Jacke und schüttelte ihn mehrmals. Anschließend nahm ich ihn an der Hand und ließ sie nicht mehr los. Wir gingen dann weiter. Ich hörte dann, wie hinter uns ein Auto daher kam. Es stieg DD aus dem Auto und fragte mich, was ich denn da tue. Ich kannte sie, da sie gleichzeitig Kindergärtnerin meiner jüngsten Tochter ist. Ich sagte ihr, ich hätte Angst, dass CC die Scheibe einschlage. Dann kam eine zweite Nachbarin und fragte das Gleiche. In meiner Anwesenheit telefonierte diese mit der Direktorin. Ich machte mit der Direktorin im Rahmen dieses Telefonates aus, dass wir einander alle in der Schule um 16.30 Uhr treffen würden. Ich ging dann mit den Kindern allein zur Schule und brachte CC zu seinen Eltern, die unmittelbar in der Nähe der Schule wohnen, zurück. Ich berichtete seiner Mutter von dem Vorfall und überreichte ihr das Kind. Ich sagte ihr auch, dass es um 16.30 Uhr ein Gespräch gäbe und sie könnte gerne dazu kommen. Ich bekenne mich schuldig, im Sinne meiner Ausführungen. Ich habe sicherlich überreagiert und es tut mir auch sehr leid. Meiner Einschätzung nach, haben sich die Zeuginnen verständlich verhalten. Ich würde auch einschreiten, wenn ich in ihrer Situation gewesen wäre. Zwischenzeitlich habe ich Fortbildungen, hinsichtlich gewaltfreie Kommunikation besucht.

In weiterer Folge wurde das Ermittlungsverfahren durch die Aussagen der Schulleiterin, der Zeugin und der Mutter von CC erweitert.

Die Schulleiterin sagte aus, sie habe von dem Vorfall durch den Anruf der Zeugin DD erfahren. Bei der anschließenden Besprechung um halb fünf in der Schule, habe sich der Beschuldigte sofort entschuldigt und geschildert, wie es zu diesem Vorfall gekommen sei. Es käme zwar vor, dass der Beschuldigte in der Schule etwas lauter würde, aber sie habe noch nie gesehen, dass er Gewalt anwende. Vor ca. zwei Jahren hätten die Kinder erzählt, dass er ein Kind fest angepackt hätte. Sie habe daraufhin mit ihm darüber gesprochen und darüber im Dienstcomputer diesbezüglich eine Gesprächsnotiz gemacht. Sie sei froh, dass der Beschuldigte die Arbeit der Nachmittagsbetreuung übernehme, zumal die Kinder, die er betreue, allgemein als sehr schwierig gälten. Sie zeigte die Angelegenheit bei der Behörde an, da es sich um einen für sie gravierenden Vorfall handelte.

Die Zeugin DD erklärte, sie sei zu Hause am Computer gesessen und habe gehört, wie ein Kind geschrien hätte. Sie habe beim Fenster heraus gesehen und gesehen, wie der Beschuldigte ein kleines Kind am Arm packte, es hin und her schüttelte, sodass es von einer Seite zur anderen bewegt wurde. Er habe auch das Kind angeschrien. Dann habe er seine Mütze genommen und auf das Kind eingeschlagen. Sie sei zu ihrem Auto gegangen und der Gruppe nachgefahren, weil sie zwischenzeitlich weiter gegangen sei. Sie sei ausgestiegen und habe gefragt, was das solle. Er habe ihr gesagt, dass das Kind eine Scheibe einschlagen wollte. Sie habe dann sofort die Direktorin angerufen, die ihr den Vorschlag machte, zu einer Besprechung zur Schule zu kommen. Zu dieser Besprechung wären dann auch ihre zwei Kinder und eine Bekannte hingefahren, da diese den Vorfall ebenfalls mitbekommen hätten. Bei dieser Besprechung habe der Beschuldigte alles zugegeben. Er sagte, er wisse, dass er falsch gehandelt hätte. Die Direktorin wäre beschwichtigend gewesen und sagte, bei diesen Kindern „müsse“ man ab und zu ausflippen. Dann wäre auch noch die Mutter dazu gekommen, diese habe auch nicht zu ihrem Kind gehalten sondern gesagt, „es funktioniere nicht richtig“. Von ihrem Zimmer, von dem sie den Vorfall beobachtet hätte und dem Tatort lägen ca. 50 m. Das Kind habe furchtbar laut geschrien. Sie habe nicht gesehen, dass es an den Ohren oder Hand gerissen worden sei. Es habe höchstens zwei bis drei Minuten gedauert, vom Erkennen der Situation bis sie beim Beschuldigten war. Das Kind habe sicherlich aus Angst geschrien, sie habe drei Kinder und könne daher beurteilen, wie ein Kind schreie.

CC’s Mutter führte aus, dass der Beschuldigte zu ihr nach Hause gekommen wäre und ihr CC übergeben hätte. Er habe ihr erklärt, dass CC eine Scheibe einschlagen wollte und er versucht habe, ihn aufzuhalten. CC habe darauf nicht reagiert und er habe ihn am Arm festgehalten, um ihn von der Zerstörung abzuhalten. Gleichzeitig seien Nachbarn gekommen und hätten sich eingemischt. Sie könne sich nicht erinnern, dass der Beschuldigte gesagt hätte, er habe mit der Kappe auf CC eingeschlagen. Als CC ihr übergeben wurde, habe er ihr nicht gesagt, dass etwas Schlimmes passiert sei. Sie hätte auch keine Verletzungen an ihm gesehen. Die Hand wäre vielleicht etwas gerötet gewesen. Er wäre anschließend still gewesen. Sie habe ihm angesehen, dass er etwas angestellt hätte, was er nicht hätte machen sollen. Als sie ihn fragte, ob er noch zur Nachmittagsbetreuung wolle, sagte er ja, da der Lehrer „eine zweite Chance verdient“ hätte.

Die Disziplinarkommission hat hierüber erwogen wie folgt:

Landeslehrer sind nach § 29 Abs. 1 LDG verpflichtet, die ihnen obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Sie haben gemäß § 29 Abs. 2 LDG in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Lehrer haben gemäß § 47 Abs. 1 SchUG im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung der Schüler in ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden, die insbesondere Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein können. Gemäß § 47 Abs 3 SchUG sind körperliche Züchtigungen verboten.

Der Beschuldigte hat unangemessene Erziehungsmittel angewendet und den betroffenen Schüler körperlich gezüchtigt, indem er ihn fest an den Oberarmen gepackt und ihn geschüttelt hatte und ihn mehrmals mit der Kappe auf den Kopf schlug. Es ist davon auszugehen, dass die gegenständliche Misshandlung dem Schüler einerseits Schmerzen bereitete, andererseits ihn in Furcht und Unruhe versetzte und bewirkte, dass er laut schrie.

Durch die Zeugenaussagen und das Geständnis des Beschuldigten ist der Sachverhalt ausreichend geklärt und wurde widerspruchsfrei festgestellt.

Es war daher der Beschuldigte schuldig zu sprechen.

Betreffend der Strafhöhe ist festzuhalten, dass diese schuld- und tatangemessen ist. Der Beschuldigte hat ein reumütiges Geständnis abgegeben und wesentlich zur Klärung des Sachverhaltes beigetragen. Er hat sofort seine Schuld eingestanden und zeigte sich sowohl bei der Besprechung mit der Direktorin und den Zeuginnen als auch vor dem erkennenden Senat einsichtig. Er hat zwischenzeitlich Schulungen besucht, die auf ein gewaltfreies Miteinander hin zielen. Weiters war zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte disziplinarrechtlich bisher noch nie negativ aufgefallen ist. Andererseits war auch zu bewerten, dass es sich um einen massiven Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Kindes handelte, der in aller Öffentlichkeit erfolgte. Ein „Ausrasten“ einer Lehrperson verbunden mit Gewaltanwendung ist ein absolutes „no go“ und war daher auch aus generalpräventiven Gründen ein deutliches Signal zu setzen, dass ein solches Verhalten nicht toleriert werden kann. Dass die Strafe letztlich gesehen, sich im unteren Rahmen bewegte, lag auch an der finanziellen angespannten Situation des Beschuldigten, aufgrund seiner Sorgepflichten für seine Familie und der Tatsache, dass der Senat aufgrund der oben beschriebenen Milderungsgründe davon ausgehen konnte, dass ein solches Verhalten beim Beschuldigten nie mehr vorkommen wird.

Der Senat hat gemäß § 86 Abs. 2 LDG beschlossen, dass die Tragung der Verfahrenskosten aufgrund des geringen verursachten Verfahrensaufwandes von Amts wegen erfolgt.

Abschließend ist aus Gründen der Vollständigkeit festzuhalten, dass nach mündlicher Verkündung des gegenständlichen Disziplinarerkenntnisses am 28.2.2019 sowohl die Disziplinaranwältin, als auch der Beschuldigte Rechtsmittelverzicht erklärten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben werden. In der Beschwerde sind der angefochtene Bescheid und die Behörde, die ihn erlassen hat, zu bezeichnen. Sie hat ein Begehren zu enthalten und die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, darzulegen. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen ab Erlassung des Bescheides beim Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Justiziariat schriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder auf andere technisch mögliche Weise einzubringen und hat Angaben zu enthalten, die eine Beurteilung ihrer Rechtzeitigkeit möglich machen. Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

In der Beschwerde kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungs-gericht Tirol beantragt werden.

Hinweis zum Datenschutz:

Zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens werden vom Landesverwaltungsgericht personenbezogene Daten verarbeitet. Informationen zur Datenverarbeitung und den damit im Zusammenhang stehenden Rechten finden Sie unter: www.lvwg-tirol.gv.at/datenschutz/.“

Für die Disziplinarkommission

Der Vorsitzende

Zepharovich

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2019
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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