TE Lvwg Erkenntnis 2019/1/30 LVwG-S-2888/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2019
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Entscheidungsdatum

30.01.2019

Norm

FSG 1997 §14 Abs8
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5a Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde der A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 6. Dezember 2017, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

1.   Das angefochtene Straferkenntnis wird wie folgt abgeändert:

a.   Die zur Last gelegte Tat gemäß § 44a Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:

„Das Fahrzeug gelenkt, obwohl der Alkoholgehalt ihres Blutes 0,75 Promille betragen hat.“

b.   Die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG lautet „§§ 14 Abs. 8 iVm 37a Führerscheingesetz (FSG)“.

c.   Die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe in der Höhe von 800,--Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 168 Stunden) wird auf den Betrag von 500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 105 Stunden) herabgesetzt, wobei die angewendete Gesetzesbestimmung gemäß § 44a Z 3 VStG nunmehr „§ 37a FSG“ lautet.

d.   Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens werden mit 50 Euro neu festgesetzt.

e.   Der Ausspruch über die Auferlegung von Barauslagen „Untersuchungskosten“ in der Höhe von 150 Euro wird ersatzlos aufgehoben.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Hinweise:

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 550,-- Euro und ist

gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen

einzuzahlen.

Mit Rechtskraft dieses Erkenntnisses wird die Begehung dieses Deliktes mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Deliktsbegehung im Führerscheinregister vorgemerkt. Sollten Sie innerhalb eines zweijährigen Beobachtungszeitraumes ein zweites Vormerkdelikt begehen oder begangen haben, wird die Behörde die Absolvierung einer besonderen Maßnahme anordnen. Sollte innerhalb des zweijährigen Beobachtungszeitraumes ein zweites Vormerkdelikt begangen werden, verlängert sich der Beobachtungszeitraum auf drei Jahre. Sollte innerhalb dieses Zeitraumes ein drittes Vormerkdelikt begangen werden, so wird Ihnen die Lenkberechtigung für mindestens drei Monate entzogen (vgl. zum Ganzen §§ 30a und 30b des Führerscheingesetzes, BGBl. I Nr. 120/1997).

Entscheidungsgründe:

1.   Feststellungen:

1.1.  Die Beschwerdeführerin lenkte ihr Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen *** am 3. September 2016 gegen 16:30 Uhr im Ortsgebiet *** auf der Landesstraße ***, nächst Strkm. ***, ***, Richtung ***. Der Alkoholgehalt des Blutes betrug 0,75 Promille. Das Kraftfahrzeug der Beschwerdeführerin beschleunigte aufgrund eines technischen Defektes plötzlich auf 85 km/h, weshalb es zu einem Verkehrsunfall mit Sachbeschädigungen und Körperverletzungen der Beschwerdeführerin und einer entgegenkommenden Motorradfahrerin kam.

1.2.  Mit Anordnung der Staatsanwaltschaft *** vom 3. September 2016 wurde aufgrund gerichtlicher Bewilligung die körperliche Untersuchung (Blutabnahme) der Beschwerdeführerin angeordnet. Diese Anordnung lautet auszugsweise wie folgt (Anonymisierung hier und in der Folge durch das Landesverwaltungsgericht):

„Laut Bericht der PI *** ist die [Beschwerdeführerin] verdächtig am 3.9.2016 […] als Lenkerin eines PKW, unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit – insbesondere infolge einer noch festzustellenden Alkoholisierung – dadurch, dass sie mit dem von ihr gelenkten PKW das Motorrad der [E] touchierte, wodurch diese eine leichte Beinverletzung erlitt, die Genannte in dem in § 81 Abs. 2 bezeichneten Fall fahrlässig am Körper verletzt.

[Die Beschwerdeführerin] ist daher verdächtig, das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 3 StGB begangen zu haben.“

1.3.  Aus dem Anlassbericht der Polizeiinspektion *** vom 5. September 2016 ergibt sich auszugsweise Folgendes:

„[Die Beschwerdeführerin] dürfte mit hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein, denn nach der zweiten Kollision kam [die Beschwerdeführerin] rechts von der Fahrbahn ab und fuhr zunächst auf die künstlich angeschüttete Steinböschung. […]

Mit [der Beschwerdeführerin] konnte aufgrund ihrer Verletzungen vorerst kein Alkotest durchgeführt werden. Aufgrund von Alkoholgeruch des Atmes, bestätigt auch durch den Notarzt, bestand jedoch der dringende Verdacht einer Beeinträchtigung durch Alkohol.

Aufgrund dessen wurde am 3.9.2016 um 18:31 Uhr mit der Staatsanwaltschaft *** telefonisch Rücksprache gehalten und der Sachverhalt dargelegt.

Aufgrund der Anordnung der StA *** […] wurde die Blutabnahme gem. § 123 StPO angeordnet. Ein Untersuchungsergebnis steht derzeit noch aus.“

1.4.  In der Folge fand eine Sicherstellung des von der Beschwerdeführerin gelenkten Kfz durch die Staatsanwaltschaft statt. Überdies ordnete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung dieses Kfz und der Unfallursache durch einen Sachverständigen an. Dieser Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 28. Mai 2017 zu folgender (auszugsweiser) Zusammenfassung, wobei er sich in seinem Gutachten nur mit technischen Fragen, nicht auch mit der Alkoholisierung der Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt befasste:

„Ein technischer Defekt für das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit konnte nicht festgestellt werden.

Aus verkehrstechnischer Sicht ist die Ursache für den Unfall auf die überhöhte Geschwindigkeit in Verbindung mit einem Fahrfehler zurückzuführen.“

1.5.  Mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft *** vom 6. Juli 2017 wurde der Beschwerdeführerin Folgendes zur Last gelegt:

„[Die Beschwerdeführerin] hat am 3.9.2016 in *** als Lenkerin des PKW, Marke VW Phaeton, poI. KZ ***, im Ortsgebiet von *** durch Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, insbesondere dadurch, dass sie, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h im Ortsgebiet überschreitend, eine für die Straßenverhältnisse weit überhöhte Fahrgeschwindigkeit von zumindest 80 - 85 km/h einhielt, wodurch sie die Herrschaft über ihr Fahrzeug verlor und auf die Gegenfahrbahn geriet,

1) die entgegenkommende Motorradfahrerin [E] niedergestoßen und dadurch grob fahrlässig (§ 6 Abs.3 StGB) verletzt, nämlich ihr eine Prellung des Unterarms zugefügt,

2) grob fahrlässig (§ 6 Abs.3 StGB) eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer, nämlich von entgegenkommenden Lenkern, und zwar

a)       eines bislang unbekannten PKWs mit slowakischen Kennzeichen, welchen sie streifte, sodass dessen Seitenspiegel abriss und

b)       des [W], welcher sein Motorrad zur Vermeidung eines Zusammenstoßes verreißen musste,

herbeigeführt, wobei sie erst mit ihrem PKW zum Stillstand kam, als sie gegen die Pestsäule des Ortes prallte.

Sie hat hiedurch

zu 1)        das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und Abs.3 (§ 6 Abs.3) StGB

zu 2)        das Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach dem § 89 (§ 6 Abs.3) StGB begangen und wird hiefür unter Anwendung des § 28 Abs.1 StGB nach dem § 88 Abs.3 StGB zu bestrafen sein.“

1.6.  In der vor dem Bezirksgericht *** stattgefundenen Hauptverhandlung vom 14. September 2017 wurde die Alkoholisierung der Beschwerdeführerin laut Verhandlungsschrift wie folgt thematisiert:

„Wenn mir meine Angaben vor der Polizei vorgehalten werden, nämlich, dass ich zum Mittagessen auch Alkohol konsumiert hätte, so gebe ich an:

Ja, das ist richtig. Ich habe zwei ¼ Gläser Wein getrunken.

Wenn mir das entsprechende Gutachten vorgehalten wird, woraus sich ergibt, dass ich zum Zeitpunkt der Probeentnahme 0,47 Promille hatte, so gebe ich an:

Ich kann das nicht beurteilen. Es kann schon so gewesen sein.“

Die Verhandlung wurde in der Folge vertagt, um einen kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigen „zur aktuellen Erkenntnislage“ zu befragen.

1.7.  Die Verhandlung wurde am 28. November 2017 fortgesetzt und darin das Gutachten des Sachverständigen erstattet, in welchem dieser zusammenfassend zu folgendem Schluss gelangte (Ergänzungen in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):

„Das Hochdrehen [des Motors des Kfz der Beschwerdeführerin] war demnach aus meiner Sicht gesehen, bedingt durch den Partikelfilter bzw könnte auch sein, dass die Software dementsprechend einen Mangel aufgewiesen hatte. Andererseits haben wir auch festgestellt, dass der Ladedruckversteller etwas gehemmt war. Das bedeutet, der Motor ist zwar in die Höhe gegangen, weil sie ja Gas geben musste, allerdings nach dem Hochdrehen des Motors, selbst wenn sie den Fuß vom Gaspedal runtergenommen hat, hatte er nicht so schnell reagiert, dass das Gas weggekommen wäre.

Möglicherweise bzw aus dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass die Angeklagte eine Rechtskurve, in ihrer Fahrtrichtung gesehen, zu durchfahren hatte. Es ist dies möglich, dass sie durch das Hochdrehen des Motors und plötzliche Beschleunigung etwas in die Mitte gekommen ist, möglicherweise auch über die Mitte und mit dem entgegenkommenden Fahrzeug den Seitenspiegel berührte und in weiterer Folge hat sie dann ihr Fahrzeug wieder nach rechts zurückverrissen und kam dann letztlich auf diese Böschung hinauf und gegen den Baum. Zu bemerken ist, dass dieser ganze Vorfall eine Zeit von 3 s gedauert hatte. Ein Hochdrehen des Motors bedeutet auch, dass beim Automatikgetriebe es zu einem Zurückschalten der einzelnen Gänge kommt und das Fahrzeug dann richtig beschleunigt wird. Nach unseren ausgelesenen Daten ist davon auszugehen, dass der Motor, aus welchen Gründen auch immer, hochgedreht hatte und in diesem Fall der Angeklagten auch eventuell noch eine Schrecksekunde zugebilligt werden müsste, sodass sie letztlich für das Unfallgeschehen meiner Meinung nach, insbesondere aus technischer Sicht, zumindest im Strafverfahren kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann.“

1.8.  Sodann wurde nach Schluss der Verhandlung folgendes Urteil verkündet:

„[Die Beschwerdeführerin] wird von dem Vorwurf, sie habe am 03.09.2016 in *** als Lenkerin des PKW der Marke VW Pheton, polizeiliches Kennzeichen *** im Ortsgebiet von *** durch Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, insbesondere dadurch, dass sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h im Ortsgebiet überschreitet, eine für die Straßenverhältnisse weit überhöhte Geschwindigkeit von zumindest 80-85 km/h einhielt, wodurch sie die Herrschaft über ihr Fahrzeug verlor und auf die Gegenfahrbahn geriet,

1.   die entgegenkommende Motorradfahrerin [E] niederstoßen und dadurch grob fahrlässig verletzt, nämlich ihr eine Prellung des Unterarms zugefügt hat,

2.   grob fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit Anderer, nämlich von entgegenkommenden Lenkern und zwar

a)   eines bislang unbekannten PKW mit slowakischem Kennzeichen, welchen sie streifte, sodass dessen Seitenspiegel abriss und

b)   des [W], welcher sein Motorrad zur Vermeidung eines Zusammenstoßes verreißen musste,

herbeigeführt, wobei sie erst mit ihrem PKW zum Stillstand kam, als sie gegen die Säule des Ortes prallte,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.“

1.9.  Aus dem Protokollsvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung vom 28. November 2017 ist als Grund des Freispruchs lediglich „kein Schuldbeweis“ festgehalten. Dieses Urteil erwuchs mangels Einbringung von Rechtsmitteln am 2. Dezember 2017 in Rechtskraft.

1.10.  Mit Schreiben vom 14. September 2016 stellte die C GmbH die – aufgrund der Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgte – Untersuchung des Blutes der Beschwerdeführerin mit 150 Euro der belangten Behörde in Rechnung. Mit Auszahlungsanordnung vom 19. September 2016 beglich die belangte Behörde diese Rechnung; die tatsächliche Auszahlung erfolgte am selben Tag (vgl. die Auszahlungsbestätigung Aktenseite 54 des Aktes der belangten Behörde). Eine bescheidmäßige Festsetzung der Gebühr erfolgte nicht.

1.11.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:             03.09.2016, 16:30 Uhr

Ort:              Ortsgebiet ***
auf der Landesstraße ***, nächst Strkm. ***, ***

                  Richtung ***

Fahrzeug: ***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Das Fahrzeug gelenkt, obwohl Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben und der Alkoholgehalt Ihrer Atemluft 0,41 mg/l betrug.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 5 Abs.1, § 99 Abs.1b StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von             falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß

                              Ersatzfreiheitsstrafe von

          800,00            168 Stunden                               § 99 Abs.1b StVO 1960

Folgende Barauslagen sind ebenfalls einzuzahlen:

Barauslage von Zweck

        150,00  Untersuchungskosten

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2
Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro                                                         80,00

                                                    Gesamtbetrag:                             1.030,00“

Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, dass mit „Gerichtsurteil vom 05.12.2017 das Strafverfahren gegen [die Beschwerdeführerin] eingestellt und daher das Verwaltungsstrafverfahren von der Bezirksverwaltungsbehörde zu führen [sei], da keine Doppelbestrafung vorliegt.“

Zu den Einkommensverhältnissen hielt die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin ein monatliches Einkommen von 1.300 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ins Verdienen bringe.

1.12.  Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgetragen wird, dass das angefochtene Straferkenntnis dem „Doppelbestrafungsverbot“ wiederspreche.

1.13.  Die Beschwerdeführerin bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 1.300 Euro bei keinen Sorgepflichten und weist keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen auf.

2.   Beweiswürdigung:

2.1.  Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie dem im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht beigezogenen Strafakt des Bezirksgerichtes *** zur Zahl ***.

2.2.  Hinsichtlich der Feststellung des Alkoholgehaltes des Bluts der Beschwerdeführerin ist Folgendes auszuführen:

Aufgrund der angeordneten Blutabnahme gelangte das Untersuchungslabor *** GmbH, D, zum Schluss, dass bei der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Blutabnahme um 19:25 Uhr ein Blutalkoholgehalt von 0,46 bzw. 0,47 Promille Blutalkoholgehalt vorgelegen sei. In weiterer Folge hat die belangte Behörde die Amtsärztin E um eine Rückrechnung ersucht, in welcher diese unter Heranziehung von 0,12 Promille Abbaurate pro Stunde sowie der – für die Beschwerdeführerin ungünstigeren – Blutalkoholkonzentration von 0,47 Promille im Zeitpunkt der Blutabnahme zum Ergebnis kam, die Beschwerdeführerin habe zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt (16:30 Uhr) einen Blutalkoholwert von 0,82 Promille aufgewiesen.

Da die Amtsärztin ausgeführt hat, dass auch „wesentlich höhere oder niedrigere Werte“ als der von ihr angenommene denkbar seien, geht das Landesverwaltungsgericht im Zweifel zugunsten der Beschwerdeführerin einerseits von einem Blutalkoholgehalt im Zeitpunkt der Blutabnahme von 0,46 Promille aus. Dieser niedrigere der beiden erzielten Werte, also 0,46 Promille, ist bei der weiteren Beurteilung heranzuziehen. Zugunsten der Beschwerdeführerin ist im Zweifel überdies der durchschnittliche Verbrennungswert des Alkohols im Blut im Verlauf einer Stunde mit 0,10 (und nicht 0,12) Promille pro Stunde in Abzug zu bringen. In Bezug auf den Tatzeitpunkt 16:30 Uhr und dem im Zeitpunkt der Blutabnahme um 19:25 Uhr festgestellten Wertes von 0,46 Promille ergibt sich somit ein Blutalkoholwert von 0,75 Promille, jedenfalls mehr als 0,5 aber weniger als 0,8 Promille.

Eine „relative“ Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin durch den Alkoholgehalt von 0,75 Promille beim Lenken des Kraftfahrzeuges kann nicht festgestellt werden. Auch die Staatsanwaltschaft hat die Qualifikation gemäß § 81 Abs. 2 StGB gerade nicht bei der Formulierung ihres Strafantrages herangezogen.

2.3.  Die übrigen Feststellungen sind im getroffenen Umfang nicht strittig.

3.   Rechtliche Erwägungen:

3.1.  Zum Nichtvorliegen einer „Doppelbestrafung“:

3.1.1.  Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach dem Vorbringen in ihrer Beschwerde dahingehend in einem Recht verletzt als aufgrund des rechtskräftigen Abschlusses des gerichtlichen Strafverfahrens mit einem Freispruch die belangte Behörde das alkoholisierte Lenken nicht mehr hätte verfolgen bzw. bestrafen dürfen, da damit gegen das „Doppelbestrafungsverbot“ verstoßen würde.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich teilt diese rechtliche Beurteilung aus nachstehenden Gründen nicht, wobei festzuhalten ist, dass die von der belangten Behörde gewählte Begründung (keine Doppelbestrafung schon aufgrund des erfolgten Freispruchs) deutlich zu kurz greift.

3.1.2.  Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 15. April 2016, Ra 2015/02/0226, ausführlich mit der Frage der „Doppelbestrafung“ insbesondere iZm Lenken unter Alkoholeinfluss beschäftigt und führte darin auszugsweise wie folgt aus:

„18 Gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Schon der Wortlaut der Bestimmung macht deutlich, dass Art. 4 7. ZPEMRK nicht nur eine doppelte Bestrafung verbietet, sondern auch die doppelte Verfolgung einer strafbaren Handlung (vgl. EGMR vom 3. Oktober 2002, Zigarella gegen Italien, Nr. 48154/99 und vom 10. Februar 2009, Zolotukhin gegen Russland, Nr. 14939/03; vgl. auch das Erkenntnis des VfGH vom 29. Juni 2001, G 108/01).

19 Für die Beurteilung der Frage, ob das LVwG das Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf Art. 4 7. ZPEMRK zu Recht eingestellt hat, ist zunächst zu klären, ob die besonderen Umstände des § 81 Abs. 1 Z 2 StGB und die verwaltungsstrafrechtliche Übertretungshandlung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 überhaupt dieselbe strafbare Handlung (idem) betreffen.

20 Im Fall Gradinger (EGMR vom 23. Oktober 1995, Gradinger gegen Österreich, Nr. 15963/90) hat der EGMR zu den Bestimmungen des § 81 Abs. 1 Z 2 StGB (im vom EGMR zu entscheidenden Fall: § 81 Z 2 StGB idF BGBl. 60/1974) und des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 festgehalten:

„Der Gerichtshof ist sich völlig bewusst, dass die in Rede stehenden Bestimmungen verschieden sind, nicht nur was die Bezeichnung der strafbaren Handlung betrifft, sondern was wichtiger ist, auch was ihre Art und ihren Zweck anlangt. Er bemerkt weiters, dass die in § 5 StVO vorgesehene Strafbestimmung nur einen der Gesichtspunkte (‚aspect') der gemäß § 81 Z 2 StGB strafbaren Handlung widerspiegelt."

Im konkreten Fall stellte der EGMR eine Verletzung von Art. 4 7. ZPEMRK fest, weil sich die Entscheidungen der Verwaltungsbehörde - über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe verhängt - und des Strafgerichtes - es verneinte eine Alkoholisierung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des Unfalles - auf dasselbe Verhalten gründeten.

21 Im Fall Franz Fischer (EGMR vom 29. Mai 2001, Franz Fischer gegen Österreich, Nr. 37950/97) hatte der EGMR zu entscheiden, ob die verwaltungsbehördliche Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Verletzung des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 sowie die gerichtliche Bestrafung wegen Verletzung des § 81 Z 2 StGB (idF BGBl. 60/1974), nachdem der Beschwerdeführer im alkoholisierten Zustand eine Radfahrerin niedergefahren und tödlich verletzt hatte, eine Verletzung von Art. 4 7. ZPEMRK darstellt. Im Unterschied zum Fall Gradinger wurde der Beschwerdeführer in diesem Fall zuerst von der Verwaltungsbehörde wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bestraft; das gerichtliche Strafverfahren wurde im Anschluss daran abgeführt.

Der EGMR nahm zunächst auf seine Entscheidung im Fall Gradinger Bezug und merkte an:

"Im Fall Gradinger unterschieden sich die wesentlichen Elemente der Verwaltungsübertretung des Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht von denen, die die speziellen Umstände nach § 81 Z 2 StGB konstituieren, nämlich das Fahren eines Fahrzeuges mit einem Blutalkoholwert von 0,8 g/l oder mehr."

Sodann führte der EGMR weiter aus:

"Wie bereits oben erwähnt, betrifft die Frage, ob der Grundsatz des ne bis in idem verletzt ist, die Verwandtschaft zwischen den beiden in Rede stehenden strafbaren Handlungen und kann daher nicht von der Reihenfolge abhängen, in welcher die betreffenden Verfahren geführt werden. Was den Umstand anlangt, dass Herr Gradinger von der besonderen Qualifikation des § 81 Z 2 StGB freigesprochen, aber wegen alkoholisierten Fahrens schuldig gesprochen wurde, während der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall wegen beider strafbarer Handlungen schuldig erkannt wurde, wiederholt der Gerichtshof, dass Art. 4 7. ZPEMRK nicht nur das Recht beinhaltet, nicht zweimal bestraft zu werden, sondern auch das Recht, nicht zweimal vor Gericht gestellt zu werden. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist, dass der Beschwerdeführer auf Grundlage einer Handlung zweimal vor Gericht gestellt und bestraft wurde, da die Verwaltungsstraftat des alkoholisierten Fahrens nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO und die besondere Qualifikation nach § 81 Z 2 StGB so wie sie von den Gerichten ausgelegt wird, sich in ihren wesentlichen Elementen nicht unterscheiden."

22 Aus den Urteilen in den Fällen Gradinger und Franz Fischer wird deutlich, dass der Straftatbestand des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 nach Ansicht des EGMR zwar nur einen der Gesichtspunkte nach § 81 Abs. 1 Z 2 StGB widerspiegelt, es sich bei diesem Teil aber um den wesentlichen Gesichtspunkt ("aspect") dieses Straftatbestandes handelt, sodass sich die Bestimmung des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und die besonderen Umstände des § 81 Abs. 1 Z 2 StGB in ihren wesentlichen Elementen nicht unterscheiden. Dementsprechend schließt eine Verfolgung oder Bestrafung nach § 81 Abs. 1 Z 2 StGB eine neuerliche Beurteilung oder Bestrafung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 aus.

23 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich diesem Ergebnis an. Die strafrechtliche Anklage gemäß § 88 Abs. 4 zweiter Fall (§ 81 Abs. 1 Z 2) StGB umfasst die Fakten der Verwaltungsstraftat des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960. Es kann auch nicht in Abrede gestellt werden, dass der Straftatbestand der Qualifikation nach § 88 Abs. 4 zweiter Fall (§ 81 Abs. 1 Z 2) StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 vollständig erschöpft. Somit wäre eine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung bzw. Verurteilung nach rechtskräftig beendetem Strafverfahren eine Verletzung des Art. 4

7. ZPEMRK und damit unzulässig.

24 Vor diesem Hintergrund gilt es in einem nächsten Schritt zu klären, ob auch das Urteil des Landesgerichtes W. in der konkreten Konstellation des vorliegenden Falles - gegen den Mitbeteiligten wurde Anklage gemäß § 88 Abs. 1 und 4 zweiter Fall (§ 81 Abs. 1 Z 2) StGB erhoben, eine Verurteilung erfolgte gemäß § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB - Sperrwirkung im Sinne von "ne bis in idem" für eine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 entfaltet. Nur in diesem Fall wäre die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens durch das LVwG zur Hintanhaltung einer Verletzung von Art. 4 7. ZPEMRK zu Recht erfolgt.

25 Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung - Freispruch oder Verurteilung - ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, d.h. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind. Wann eine Entscheidung als rechtskräftig anzusehen ist, ist nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen, wiewohl dabei von einem autonomen Verständnis des Begriffes "Rechtskraft", welches sich am traditionellen Begriffsbild im Sinne von Unwiderruflichkeit orientiert, auszugehen ist. Die Möglichkeit der Erhebung außerordentlicher Rechtsmittel - wie einer Wiederaufnahme - ändert hingegen nichts an der Rechtskraft einer Entscheidung. Art. 4

7. ZPEMRK verbietet nicht die gleichzeitige Führung mehrerer Strafverfahren, wenn das zweite Verfahren nach endgültiger Beendigung des ersten Verfahrens eingestellt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2015, 2012/02/0238, mit Hinweisen auf die Urteile des EGMR vom 10. Februar 2009, Zolotukhin gegen Russland, Nr. 14939/03 und vom 17. Februar 2015, Boman gegen Finnland, Nr. 41604/11, das Erkenntnis des VfGH vom 2. Juli 2009,

B 559/08 sowie Thienel/Hauenschild, Verfassungsrechtliches "ne bis in idem" und seine Auswirkung auf das Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafverfahren, JBl 2004,153 ff.).

26 Allerdings kommt nicht jeder endgültigen Entscheidung die Fähigkeit zu, ein Wiederholungsverbot im Sinne des Art. 4 7. ZPEMRK zu bewirken. Zu prüfen ist, auf welcher inhaltlichen Basis und aufgrund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Eine Sperrwirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, die im Strafverfahren herangezogen und geprüft wurden (vgl. das zuvor zitierte hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2015, 2012/02/0238, hier in Bezug auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 190 Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 35/2012; allgemein Thienel/Hauenschild, aaO, 156, wonach maßgeblich sei, dass die jeweilige Entscheidung einen mit einem Sachurteil vergleichbaren Inhalt besitze und der Beschuldigte in ähnlicher Intensität verfolgt worden sei; vgl. auch Birklbauer in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung, Rz 38 zu § 17 StPO).

27 So stellte der EGMR im Fall Bachmaier (EGMR vom 2. September 2004, Bachmaier gegen Österreich, Nr. 77413/01) trotz rechtskräftigen Freispruches des Beschwerdeführers vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 80, § 81 Z 2 StGB) und der nachfolgenden Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 keine Verletzung des Art. 4 7. ZPEMRK fest. Er begründete dies damit, dass der Erschwerungsgrund der Alkoholisierung vom Strafgericht nicht geprüft worden sei, weil nicht festgestellt werden habe können, ob der Beschwerdeführer den tödlichen Verkehrsunfall überhaupt verursacht habe. Für das Strafgericht sei deshalb nur das wesentliche Element der "fahrlässigen Tötung" relevant gewesen, während das zusätzliche Element des "Fahrens im Zustand der Trunkenheit" ausschließlich Gegenstand im Verwaltungsstrafverfahren gewesen sei.

28 Auch in dem von der revisionswerbenden BH in der Begründung der Zulässigkeit der Revision zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 2009, B 559/08, verneinte dieser das Vorliegen einer Verletzung von Art. 4 7. ZPEMRK. In dem vom Verfassungsgerichtshof zu beurteilenden Fall wurde das strafgerichtliche Verfahren gegen den Beschwerdeführer betreffend das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 3 iVm § 81 Abs. 1 Z 2 StGB nach Zurückziehung des Nachtragsstrafantrages durch die Staatsanwaltschaft aus dem Grund des § 34 Abs. 2 Z 1 StPO idF BGBl. I Nr. 153/1998, gemäß § 227 Abs. 1 StPO idF BGBl. Nr. 526/1993 eingestellt, weil die Verfolgung weder auf die Strafe noch die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen wesentlichen Einfluss gehabt hätte. Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge u.a. wegen Verletzung des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 verwaltungsstrafrechtlich belangt. Der Verfassungsgerichtshof wertete die Einstellung des Strafverfahrens aufgrund des Anklagerücktrittes als rechtskräftige Entscheidung (Freispruch) im Sinne des Art. 4 7. ZPEMRK, zumal eine Fortsetzung des Strafverfahrens, außer durch Erhebung einer Subsidiarklage, nur unter den Voraussetzungen des § 352 Abs. 1 StPO (Wiederaufnahme) möglich war. Mit Hinweis auf die Entscheidung des EGMR im Fall Bachmaier verneinte der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen einer Verletzung von Art. 4 7. ZPEMRK. Nach Zurückziehung des Nachtragsstrafantrages sei es für das Strafgericht nicht mehr von Bedeutung gewesen, ob der Beschwerdeführer ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt habe; es habe die Alkoholisierung des Beschwerdeführers daher nicht geprüft. Das Landesgericht habe das Verfahren ohne Bezugnahme auf das Element der Alkoholisierung eingestellt, weil die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung aus dem Grund zurückgetreten sei, dass dies weder auf die Strafen noch auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen wesentlichen Einfluss habe.

29 Anders gestaltete sich die Ausgangslage in dem dem hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2015, 2012/02/0238, zugrunde liegenden Fall. Hier stellte die Staatsanwaltschaft das wegen Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 1 StPO idF BGBl. I Nr. 35/2012 ein, weil ein sorgfaltswidriges Verhalten des Beschuldigten nicht ausgemacht werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete im konkreten Fall alle Voraussetzungen für die Sperrwirkung dieser Entscheidung im Sinne des "ne bis in idem-Prinzips" als erfüllt. Zum einen sei die Einstellung des Verfahrens rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich geworden - der Beschuldigte wurde einvernommen (§ 193 Abs. 2 Z 1 StPO), nach der Aktenlage erfolgte keine Anordnung der Fortführung des Verfahrens gemäß § 193 Abs. 2 Z 2 StPO, die Frist für einen Fortführungsantrag des Opfers war bereits abgelaufen (§ 195 Abs. 2 StPO) und auch in dieser Hinsicht erfolgte keine Anordnung der Fortführung durch die Staatsanwaltschaft nach § 195 Abs. 3 StPO -, zum anderen habe im Ermittlungsverfahren eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den wesentlichen Tatbestandselementen stattgefunden und sei das Verschulden des Angeklagten mit ausführlicher Begründung verneint worden. Somit sei eine inhaltliche Entscheidung erfolgt, welche die Qualität eines Freispruches im Sinne des Art. 4 7. ZPEMRK erreiche.

30 Im vorliegend zu beurteilenden Fall wurde der Mitbeteiligte mit Urteil des Landesgerichtes W. vom 23. Februar 2015 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen verurteilt. Aus der Aktenlage ergibt sich, dass das Landesgericht W. die dem Mitbeteiligten mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft W. ausdrücklich zur Last gelegte Qualifikation des § 88 Abs. 4 zweiter Fall (§ 81 Abs. 1 Z 2) StGB nicht als verwirklicht erachtete, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Mitbeteiligte zum Zeitpunkt des Alkoholgenusses vorhersah oder hätte vorhersehen können, später noch ein Fahrzeug lenken zu müssen. Damit ergibt sich aber bereits aus dem Vorbringen der Parteien, dass das Landesgericht die Alkoholisierung des Mitbeteiligten - anders als in dem von der revisionswerbenden BH zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 2009, B 559/08 - prüfte. Auch der vom Landesgericht bei der Strafbemessung angenommene Erschwerungsgrund - "die Alternative nach Hause zu gehen, wobei der Heimweg nur 2 km betragen hätte" - ist ein Indiz dafür, dass die Alkoholisierung im strafgerichtlichen Verfahren sehr wohl von Bedeutung war.“

3.1.3.  In dem vom VwGH genannten Fall „Bachmaier“ wurde eine Doppelbestrafung vom VfGH (in weiterer Folge bestätigt durch den EGMR) aus folgenden Gründen verneint (vgl. VfGH vom 19. Juni 2000, B 344/98):

„Gegenstand des Strafverfahrens vor dem Landesgericht *** war (siehe dazu Punkt I.1.3.) die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer dadurch, daß er infolge einer Unachtsamkeit links von der Fahrbahn abkam und gegen einen Baum prallte, fahrlässig den Tod seines Beifahrers herbeigeführt und ob er die fahrlässige Tötung in der Tatqualifikation des §81 Z2 StGB dadurch begangen hatte, daß er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzte, obwohl er vorhergesehen hatte, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, sohin eine Tätigkeit bevorstand, deren Vornahme in diesem Zustand geeignet war, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern.

 

Das Landesgericht *** hat in diesem Verfahren neben dem Beschuldigten vier Zeugen einvernommen und den Beschuldigten im Hinblick auf das Verfahrensergebnis gemäß §259 Z3 StPO wegen des Nichtgelingens des Schuldbeweises freigesprochen.

 

Der Schuldbeweis gelingt gemäß §259 Z3 StPO dann nicht, wenn "der Gerichtshof erkennt, daß (...) der Tatbestand nicht hergestellt oder nicht erwiesen sei, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe". Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens konnte das Strafgericht nicht ausschließen, daß der Beifahrer des Beschwerdeführers, der seinerseits zum Tatzeitpunkt alkoholisiert war, den Verkehrsunfall verursacht hatte, weil er dem Beschwerdeführer ins Lenkrad griff, und sah es daher nicht als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat wirklich begangen hatte.“

3.1.4.  Gerade der Vergleich mit dem Fall „Bachmaier“ führt dazu, dass auch betreffend die Beschwerdeführerin nicht von einem Verstoß gegen das „Doppelbestrafungsverbot“ ausgegangen werden kann:

3.1.4.1.  Zum einen ist festzuhalten, dass der Strafantrag der Staatsanwaltschaft eine Qualifikation im Sinne des § 81 Abs. 2 StGB („Herbeiführung der Tat durch wenn auch nur fahrlässigen Alkoholgenuss“) gar nicht umfasst, sondern den § 88 Abs. 3 StGB lediglich durch grobe Fahrlässigkeit gemäß § 6 Abs. 3 StGB und gerade nicht gemäß § 81 Abs. 2 StGB als verwirklicht ansah.

3.1.4.2.  Zum anderen erfolgte der Freispruch durch das Bezirksgericht – vergleichbar dem Fall „Bachmaier“ –, da es offenbar schon aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen der Ansicht war, dass wegen eines technischen Defektes ein Schuldbeweis gemäß § 259 Z 3 StPO nicht erbracht werden könne. Deshalb erfolgte keine eingehende Prüfung des Einflusses der Alkoholisierung der Beschwerdeführerin beim Unfall.

Dies wird durch das Vorbringen des Beschwerdeführervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 11. Jänner 2019 bekräftigt, wonach die zuständige Richterin des Bezirksgerichtes außerhalb des Protokolls ausgeführt habe, dass ein KFZ-technischer Defekt zur Debatte stehe und eine Rückrechnung 0,8 Promille nicht erreiche, weshalb eine Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin, gemeint eine „relative Beeinträchtigung“ der Beschwerdeführerin durch Alkohol, nicht mehr geprüft werde.

3.1.5.  Eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Lenkens eines Kraftfahrzeugs in alkoholisiertem Zustand trotz Freispruch des Strafgerichts vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung im Zuge derselben Tathandlung ist daher fallbezogen nicht gegeben.

3.2.  Zur von der Beschwerdeführerin begangenen Tat:

Nach den Feststellungen war die Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt zwar nicht durch Alkohol beeinträchtigt, wies allerdings einen Alkoholgehalt von mehr als 0,5 und weniger als 0,8 Promille Blutalkohol auf.

Eine Bestrafung gemäß §§ 5 Abs. 1 iVm 99 Abs. 1b StVO 1960 kommt daher nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin hat jedoch den objektiven Tatbestand des § 14 Abs. 8 FSG verwirklicht, wonach ein Kraftfahrzeug nur in Betrieb gelenkt werden darf, wenn beim Lenker der Alkoholgehalt des Blutes weniger als 0,5 g/l (0,5 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l beträgt. Da nichts hervorgekommen ist, das an einem zumindest fahrlässigen Verhalten Zweifel aufkommen ließe, ist ihr die Verwaltungsübertretung auch subjektiv vorwerfbar (vgl. § 5 Abs. 1 VStG).

Vor diesem Hintergrund war der Tatvorwurf, die verletzte Verwaltungsvorschrift und die bei der Bestrafung angewendete Gesetzesbestimmung spruchgemäß abzuändern, wozu das Landesverwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist (vgl. VwGH vom 20. Mai 2015, Ra 2014/09/0033, sowie vom 30. März 2016, Ra 2016/09/0027).

3.3.  Zur Strafhöhe:

Wer entgegen der Bestimmung des § 14 Abs. 8 FSG ein Kraftfahrzeug in Betrieb nimmt oder lenkt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern nicht auch ein Verstoß gegen § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 vorliegt, gemäß § 37a FSG mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis 3700 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Strafbemessung sind auch der Grad der Alkoholisierung und die Häufigkeit der Verstöße zu berücksichtigen.

Vor dem Hintergrund des bis zu 3700 Euro reichenden Strafrahmens, dem Umstand, dass die Alkoholisierung mit 0,75 Promille am „oberen Ende“ des noch § 14 Abs. 8 FSG unterliegenden Strafrahmens liegt sowie dem Umstand ihrer Unbescholtenheit, war die verhängte Geldstrafe auf das im Spruch ersichtliche Maß zu reduzieren. Dies vor allem auch deshalb, da die belangte Behörde ihrer Strafbemessung – unzutreffenderweise – den Strafrahmen gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 (800 Euro bis 3700 Euro) zu Grunde legte.

Eine weitere Herabsetzung der Strafe kommt nicht in Betracht, weil nicht nur auf die beschwerdeführende Partei selbst spezialpräventiv eingewirkt werden soll, sondern durch Strafen auch andere Normadressaten von der Begehung gleich gelagerter strafbarer Handlungen abgehalten werden sollen („Generalprävention“; zur Zulässigkeit der Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Überlegungen bei der Strafzumessung vgl. zB schon VwGH vom 15. Mai 1990, 89/02/0093; zur Generalprävention überdies VwGH vom 10. April 2013, 2013/08/0041).

3.4.  Zum Kostenausspruch:

3.4.1.  Aufgrund der Herabsetzung der Strafhöhe war gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG iVm § 38 VwGVG auch der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde neu festzusetzen. Da der Beschwerde somit teilweise Folge gegeben wurde, waren zu diesem Spruchpunkt gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

3.4.2.  Zur Auferlegung der Barauslagen „Untersuchungskosten“ in Höhe von 150 Euro:

Gemäß § 5a Abs. 2 StVO 1960 sind die Kosten der Untersuchung vom Untersuchten zu tragen, wenn bei einer Untersuchung nach § 5 Abs. 2, 4a, 5, 6 oder 8 Z 2 StVO 1960 eine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden ist.

Die Kosten werden vom Untersuchten auch dann zu tragen sein, wenn der Blutalkoholwert unter 0,8 Promille oder 0,4 mg/l liegt, aber eine Bestrafung nach § 99 Abs. 1 b erfolgt, weil der Lenker infolge seiner körperlichen und geistigen Verfassung ein Fahrzeug nicht zu beherrschen und die beim Lenken desselben zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht zu befolgen vermag („relative Fahrunfähigkeit“; vgl. Pürstl, StVO-ON14.01 §§ 5 bis 5b StVO [Stand 1.2.2017, rdb.at], Anmerkung 46).

Nach den Feststellungen lag bei der Beschwerdeführerin keine „relative Fahrunfähigkeit“ vor, weshalb eine Auferlegung der Kosten gemäß § 5a Abs. 2 StVO 1960 ausscheidet.

Eine Vorschreibung im Wege des § 64 Abs. 3 VStG ist ebenfalls nicht zulässig, sind diese Barauslagen doch nicht „im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens“, sondern auf Anordnung der Staatsanwaltschaft im gerichtlichen Strafverfahren erwachsen (vgl. in diesem Sinn Messiner, StVO9, Seite 172, Anmerkung 32 zu § 5 StVO, sowie VwGH vom 20. Februar 1991, 90/*02/0147, betreffend Abschleppkosten).

Der diesbezügliche Ausspruch im angefochtenen Straferkenntnis ist daher ersatzlos aufzuheben.

3.5.  Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und im Übrigen lediglich Fragen der Beweiswürdigung zu lösen waren (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision in Fragen der Beweiswürdigung Allgemein, VwGH vom 22. Oktober 2018, Ra 2018/16/0177, hinsichtlich des Umstandes, dass die Hinzurechnung eines fiktiven Abbauwertes keiner Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen bedarf, VwGH vom 16. Dezember 2011, 2011/02/0344, sowie zur Annahme des durchschnittlichen Verbrennungswerts des Alkohols im Blut im Verlauf einer Stunde mit 0,10 %o bis 0,12 %o VwGH vom 28. Februar 2003, 99/02/0167). Fragen der Strafbemessung stellen im Allgemeinen ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH vom 25. Jänner 2018, Ra 2016/06/0025).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Alkohol; Atemluftmessung; Blutabnahme; Untersuchungskosten; strafgerichtliche Verurteilung; Doppelbestrafung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.2888.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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