Entscheidungsdatum
14.02.2019Norm
AVG 1991 §68Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch
Mag. Eichberger, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, in ***, vertreten durch die Sachwalterin B, in ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 17. August 2018, Zl. ***, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Rückzahlung eines Pflegeregresses aus dem Jahr 2017, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Antrag vom 19. März 2018 begehrte die Beschwerdeführervertreterin im Namen ihrer Mutter C die Rückzahlung des 2017 geleisteten Betrages in der Höhe von € 48.680,29, da nach der neuen Gesetzeslage auf die Ersparnisse für die stationäre Pflege nicht mehr zurückgegriffen werden dürfe.
Hierzu gab sie die Kontodaten ihrer Mutter bekannt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 17. August 2018,
Zl. ***, wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung dahingehend, dass aufgrund eines Verpflichtungsbescheides vom 14. Februar 2017 die vollständige Überweisung des vorgeschriebenen Kostenersatzes in der Höhe von € 48.680,29 veranlasst wurde und gegen diesen Bescheid innerhalb der Beschwerdefrist kein Rechtsmittel erhoben wurde.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Rechtzeitig mit E-Mail vom 16. September 2018 erhob die Sachwalterin Beschwerde und beantragte die Aufhebung des Verpflichtungsbescheides vom 14. Februar 2017, da es sich bei der Bezahlung dieser Verpflichtung ausschließlich um die eigenen Ersparnisse ihrer Mutter gehandelt habe und ihre Mutter auch nach Abschaffung des Pflege Regresses noch lebe und es somit sich immer noch um ein laufendes Verfahren handele.
Als Begründung zitierte sie einen Auszug eines Urteils des Obersten Gerichtshofes vom 30. April 2018, Zl. 1 Ob 62/18a, indem sie vorbrachte, dass das Verbot, auf das Vermögen des von der Neuregelung erfassten Personenkreises zur Abdeckung der Kosten für die stationäre Aufnahme in einer Pflegeeinrichtung zuzugreifen, auch dann zum Tragen komme, wenn die Leistungen des Sozialhilfeträgers vor dem 1. Jänner 2018 erbracht wurden, und das Verfahren zur Durchsetzung eines solchen Anspruches vor diesem Stichtag anhängig gemacht worden sei. Die geänderte Rechtslage sei in jeder Lage des Verfahrens, daher auch im Rechtsmittelverfahren, von Amts wegen anzuwenden.
Vor diesem Hintergrund ersuchte sie daher im Namen ihrer Mutter um Rücküberweisung des Betrages in der Höhe von € 48.680,29.
3. Feststellungen:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 14. Februar 2017,
Zl. ***, wurde die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Sachwalterin, verpflichtet, einen Teil der Kosten der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 2. Juni 2009 bewilligten Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege für die Zeit vom 1. Jänner 2012 bis 31.12. 2016 in der Höhe von € 48.680,29 dem Land Niederösterreich zu ersetzen.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb der 4-wöchigen Rechtsmittelfrist keine Beschwerde erhoben. Dieser Verpflichtungsbescheid wurde durch Hinterlegung am 17. Februar 2017 zugestellt, war somit mit Ablauf des 17. März 2017 rechtskräftig und das Verfahren abgeschlossen.
Der zum Ersatz verpflichtete Betrag in der Höhe von € 48.680,29 wurde dem Land Niederösterreich bezahlt.
Im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung im ggst. Verfahren (Antrag auf Rücküberweisung der geleisteten Zahlung) handelte es sich bei dem Verfahren, bei dem die Beschwerdeführerin zur Zahlung von € 48.680,29 verpflichtet wurde um eine entschiedene Sache (res iudicata).
4. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen sich auf den unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde.
Es war während des gesamten Verfahrens unbestritten, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet wurde, den Betrag in der Höhe von € 48.680,29 in Form des Pflegeregresses zu ersetzen.
Auch unbestritten blieb, dass dieser Betrag dem Land Niederösterreich ersetzt wurde, führte doch die Beschwerdeführervertreterin in ihrer Beschwerde aus, dass es sich hierbei um die eigenen Ersparnisse der Beschwerdeführerin handelte.
Das Vorbringen der Beschwerdeführervertreterin, dass das eigentliche Verfahren des Pflegeregresses (Bescheid vom 14. Februar 2017) noch laufen würde, geht allerdings ins Leere. Da sie selbst vorbringt, gegen diesen Verpflichtungsbescheid kein Rechtsmittel eingebracht zu haben, bestätigt sie selbst, dass dieser Bescheid rechtskräftig wurde, das Verfahren mit einer Entscheidung erledigt wurde und somit das Verfahren aufgrund der Rechtskraft dieser Entscheidung abgeschlossen wurde.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin selbst noch am Leben ist, hält ein Verfahren nicht am Laufen.
5. Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten wie folgt:
§ 17
Anzuwendendes Recht
Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren anzuwenden hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28
Erkenntnisse
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…]
Die maßgebliche Bestimmung des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:
Abänderung und Behebung von Amts wegen(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1.
von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2.
einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3.
tatsächlich undurchführbar ist oder
4.
an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.
Die maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) lautet wie folgt:
Revision
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
6. Erwägungen:
Das Vorbringen der Beschwerdeführervertreterin, es handle sich beim Verfahren zur Verpflichtung zur Zahlung des Pflegregresses um ein laufendes, da die eigentliche Beschwerdeführerin noch lebt, führt sie nicht zum Erfolg.
Mit Bescheid vom 17. Februar 2017 wurde, noch bevor der Pflegeregress mit 1. Jänner 2018 abgeschafft wurde, die Beschwerdeführerin verpflichtet, einen Kostenersatz in der Höhe von € 48.680,29 für die in Anspruch genommene bewilligte Sozialhilfe durch das Land Niederösterreich für die Jahre 2012 bis 2016 zu leisten.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft, da von der Beschwerdeführervertreterin keine Beschwerde erhoben wurde.
Auch wurde der zu leistende Betrag dem Land Niederösterreich als Träger der Kosten der bewilligten Sozialhilfe ersetzt.
Somit wurde die Verpflichtung erfüllt und das Verfahren zum Ersatz der Kosten abgeschlossen.
Es findet nun seit Abschaffung des Pflegeregresses auch kein Zugriff durch das Land Niederösterreich auf das Privatvermögen mehr statt. Dieser endete, als die Verpflichtete ihre Verpflichtung erfüllte. Das Vorbringen der Beschwerdeführervertreterin, es dürfe kein Rückgriff auf das Privatvermögen mehr stattfinden, geht daher im gegenständlich Fall ins Leere, da seit 1. Jänner 2018 kein Zugriff auf das Vermögen der Beschwerdeführerin mehr stattfindet. Dieser Zugriff wäre auch nicht mehr möglich gewesen, da die Verpflichtung zur Zahlung des Ersatzes bereits im Jahre 2017 erfüllt wurde.
Aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 68 AVG ist abzuleiten, dass nach dem Grundsatz „ne bis in idem“ über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen (res iudicata). Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl. VwGH vom
9. August 2018, Ra 2018/22/0078).
Die belangte Behörde hat daher den Antrag auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung der damalig rechtmäßigen Verpflichtung zum Pflegeregress zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Es hat sich zwar die Rechtslage geändert, da mit 1. Jänner 2018 ein Regress der Kosten aufgrund bewilligter Sozialhilfe abgeschafft wurde, jedoch war diese geänderte Rechtslage nicht mehr auf die Beschwerdeführerin anwendbar, da der Verpflichtungsbescheid bereits am 17. März 2017 rechtskräftig wurde und daher das Verfahren vor dem 1. Jänner 2018 abgeschlossen war.
Auch die Zitierung einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu Zl. 1 Ob 62/18a führt die Beschwerdeführervertreterin nicht zum Erfolg, da diese geänderte Rechtslage bei einem abgeschlossenen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist. Die Anwendung wäre nur dann möglich gewesen, hätte die Beschwerdeführervertreterin gegen den Verpflichtungsbescheid das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und sich das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich über den 1. Jänner 2018 hinausgezogen.
Das gegenständliche Beschwerdeverfahren ist jedoch kein Verfahren, in dem das bereits abgeschlossene Verfahren wiederaufzunehmen ist. Gegenstand dieses Verfahren ist lediglich die Zurückweisung des Antrages auf Rückerstattung einer geleisteten Zahlung, durch welche ein Verfahren abgeschlossen wurde. Die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Zahlung eines Kostenersatzes zu einem Zeitpunkt, bei welchem dies gesetzlich noch möglich war, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Bei der Abschaffung des Pflegeregresses handelt es sich um eine Verfassungsbestimmung, die mit 01.01.2018 in Kraft getreten ist. Ab diesem Zeitpunkt ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen unzulässig. Da der Verpflichtungsbescheid bereits im Februar 2017 erlassen wurde, war zu diesem Zeitpunkt eine Verpflichtung zum Kostenersatz jedenfalls rechtmäßig.
Vor diesem Hintergrund ist es auch im Sinne des § 68 AVG unmöglich den Verpflichtungsbescheid vom 14. Februar 2017 aufzuheben.
7. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte die Durchführung einer – ohnehin nicht beantragten - öffentlich mündlichen Verhandlung entfallen, da bereits die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder
Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen. Darüber hinaus war der Sachverhalt unstrittig und musste lediglich eine Rechtsfrage geklärt werden.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Überdies ist die Rechtslage klar und eindeutig.
Schlagworte
Sozialrecht; Sozialhilfe; Pflegeregress; entschiedene Sache; Rechtskraft; res iudicata; Bindungswirkung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1008.001.2018Zuletzt aktualisiert am
08.04.2019