Entscheidungsdatum
14.12.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2199749-1/4Z
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. des XXXX, 2. des XXXX und 3. des XXXX, alle vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. XXXX, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX vom 22.05.2018, XXXX, wegen Gerichtsgebühren zu Recht:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Schriftsatz vom 17.11.2017 erhoben die durch den Rechtsanwalt XXXX vertretenen Beschwerdeführer (BF), die als beklagte Parteien im Besitzstörungsverfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX einer klagenden Partei gegenüberstanden, einen Rekurs gegen den Endbeschluss vom 19.07.2017. Der Rechtsmittelschriftsatz trägt den Vermerk "Keine Ermächtigung zum Gebühreneinzug! Vorschreibung bitte an die Rekurswerber".
Nach erfolgloser Lastschriftanzeige wurden den BF mit dem Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 29.12.2017 zur ungeteilten Hand die Pauschalgebühr gemäß TP 2 GGG von EUR 165,60 (ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 750) und die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 173,60, zur Zahlung vorgeschrieben.
Mit der am 31.01.2018 per Fax sowohl beim Landesgericht XXXX als auch beim Bezirksgericht XXXX eingebrachten Eingabe, die zunächst unvollständig war und nach einem Verbesserungsauftrag vollständig vorgelegt wurde, erhoben die BF dagegen eine Vorstellung an die Präsidentin des Landesgerichts XXXX. Daraufhin wurden den BF mit dem angefochtenen Bescheid folgende Gerichtsgebühren zur ungeteilten Hand vorgeschrieben:
Pauschalgebühr TP 2 GGG iVm § 19a GGG EUR 165,60
(Bemessungsgrundlage: EUR 750)
Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8
Mehrbetrag § 31 GGG EUR 22
Gesamtbetrag EUR 195,60.
Es wurde ausgesprochen, dass für die Einhebungsgebühr und den Mehrbetrag nach § 31 GGG auch XXXX als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.
In der Bescheidbegründung werden Grund und Höhe der zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert begründet und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.
Dagegen richtet sich die am 22.06.2018 eingebrachte, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene gemeinsame Beschwerde der BF mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Gleichzeitig beantragten die BF, der Beschwerde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit" die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die BF begründen die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren grundsätzlich zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK sowie Art 7 und Art 18 B-VG. Bei der Entscheidung, eine Klage oder ein Rechtsmittel zu erheben, stünden nicht inhaltliche, sondern finanzielle Fragen im Vordergrund. Personen aus der Mittelschicht, die es sich nicht leisten könnten, Rechtsstreitigkeiten zu führen, aber auch nicht die Voraussetzungen zur Erlangung der Verfahrenshilfe erfüllten, würde der Zugang zum Recht verwehrt. Der Schwierigkeitsgrad und Arbeitsaufwand eines Verfahrens steige nicht mit dem Streitwert. Die Gebühr sei unabhängig von der Verfahrensdauer und vom anfallenden Aufwand zu entrichten. Die Gebührenschuld entstünde auch dann, wenn über ein Rechtsmittel nicht inhaltlich entschieden, sondern es aus formellen Gründen zurückgewiesen würde. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine "verbotene Steuer" seien. Die Verpflichtung, Gebühren für die Wahrnehmung staatlicher Pflichten zu zahlen, widerspräche den Anforderungen an ein faires Verfahren.
Die Präsidentin des Landesgerichts XXXX legte - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo diese am 02.07.2018 einlangten. Ergänzend wurden am 19.07.2018 die vom BVwG angeforderten Aktenbestandteile des Grundverfahrens (Klage, Endbeschluss und Rekurs) übermittelt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und aus dem Gerichtsakt des BVwG. Die Beschwerde tritt den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht entgegen.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung, die unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden kann (vgl §§ 13 Abs 2, 22 VwGVG). Da die aufschiebende Wirkung hier weder von der belangten Behörde noch von BVwG ausgeschlossen wurde, kann der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zusätzlich zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 2 Z 1 lit c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Rechtsmittelwerber.
Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.
Bei Streitigkeiten über Besitzstörungsklagen beträgt die Bemessungsgrundlage gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c letzter Fall GGG EUR
750.
Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen.
Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.
Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.
Die Einziehung der Gerichtsgebühren blieb hier erfolglos.
Der Pauschalgebühr nach TP 2 GGG unterliegen ua Verfahren über Rekurse gegen Endbeschlüsse in Besitzstörungsverfahren (siehe Anm 1 zu TP 2 GGG). Ausgehend von der Bemessungsgrundlage von EUR 750 beträgt die Pauschalgebühr dafür EUR 144.
Gemäß § 19 a GGG ("Streitgenossenzuschlag") erhöhen sich die in TP 1 bis 4 GGG angeführten Gebühren ua dann, wenn in einer Rechtssache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen oder gerichtlich in Anspruch genommen werden. Die Erhöhung beträgt 10 %, wenn zumindest auf einer Seite zwei Streitgenossen vorhanden sind, und 5 % für jeden weiteren Streitgenossen, jedoch nie mehr als insgesamt 50 %. Da hier im Grundverfahren die drei BF als Rekurswerber einer Partei gegenüberstehen, beträgt der Streitgenossenzuschlag 15 % oder EUR 21,60. Die Pauschalgebühr für die Besitzstörungsklage beträgt daher insgesamt EUR 165,60.
Ausgehend davon ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der belangten Behörde verwiesen werden.
Das BVwG teilt die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe - insbesondere ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 zu § 1 GGG und zu TP 2 GGG E 1 angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen - nicht, sodass sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen unterbleiben. Gerichtsgebühren sind nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-) Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe zuletzt VfGH 18.06.2018, E 421/2018).
Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet. Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (zB Verfahrenshilfe) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich). Von einer exzessiven Höhe der Gebühr kann hier keine Rede sein.
Die BF zeigen nicht konkret auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).
Im Ergebnis ist die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung einer - ohnehin nicht beantragten - Beschwerdeverhandlung unterbleibt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.
Zu Spruchteil C):
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Bemessungsgrundlage, Besitzstörungsklage,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2199749.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.04.2019