TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/23 W159 2166235-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2019
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Entscheidungsdatum

23.01.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2166235-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, am 06.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dassXXXX damit Kraft Gesetztes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, gelangte (spätestens) am 18.05.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 19.05.2015 wurde er von der XXXX und Anhaltevollzug einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass sein Vater seit zweieinhalb Jahren in Afghanistan verschollen sei und er zuvor als selbstständiger Unternehmer gearbeitet habe, er habe Waren aus Pakistan importiert und solche dorthin exportiert, ein Fahrer von ihm sei Mitglied der Taliban gewesen und habe heimlich Waffen nach Afghanistan geschmuggelt. Bei einer Kontrolle seien sie erwischt worden. Die Taliban hätten sich eingemischt und die an der dieser Aktion beteiligten Polizisten ermordet. Kurz danach sei sein Vater verschollen gewesen und habe er ihn nicht mehr wiedergesehen. Er sei seitdem immer wieder von den Taliban aufgesucht und bedroht worden, sowie erpresst worden keineswegs mit der Polizei zusammen zu arbeiten. Aus Angst um sein Leben sei er gezwungen gewesen aus Afghanistan zu Flüchten.

Nach Zulassung zum Asylverfahren legte der Beschwerdeführer zahlreiche Integrationsunterlagen insbesondere eine Leistungsinformation derXXXX sowie eine Bestätigung des Abschlusses der Übergangstufe der XXXX vor, weiters ein Deutschzertifikat im Niveau B1, schließlich legte er einen Lehrvertrag der Firma XXXXüber die Ausbildung im Lehrberuf Metalltechniker vor.

Am 24.04.2017 erfolgte eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich. Eingangs der Einvernahme gab der Antragsteller an wohl etwas nervös zu sein, aber sonst gesund. Er sei am XXXX im Distrikt XXXX, in der Provinz XXXX geboren, auch sein Heimatdorf nannte er. Hinsichtlich des Geburtsjahres sei er sich sicher, Tag und Monat sei von der Behörde angenommen worden. Er sei afghanischer Staatsbürger, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei Moslem, Schiit. Seine Muttersprache sei Dari, er könne auch Paschtu, ein wenig Urdu, Französisch, Deutsch und Englisch. Personaldokumente aus Afghanistan habe er nicht, er sei wohl noch nicht verheiratet, habe aber eine Freundin und feierte am 30.04. mit ihr Verlobung. Sie heiße XXXX, sie habe auch einen Sohn namens XXXX. Diese Asylwerberin habe einen negativen Bescheid bekommen und Beschwerde erhoben. Sie sei wohl mit dem Kindesvater nach Österreich gekommen, es sei aber hier zum Streit gekommen und seien sie in der Zwischenzeit geschieden.

Er selbst sei mit sechs Jahren in die Schule gegangen und habe diese bis zum 10. Lebensjahr besucht, er habe jedoch ein Zeugnis für zwölf Jahre Grundschule gegen Bestechung erhalten. Ab seinem 10. Lebensjahr habe er als Hilfsarbeiter und Lebensmittelhändler gearbeitet. Zuletzt habe er in XXXX gelebt. Seine Mutter und seine beiden jüngsten Geschwister würden bei dieser in XXXX leben, drei weitere Schwestern in XXXX, die älteste Schwester mit seinem einzigen Bruder in XXXX, im Iran. Seine Familie würde durch den Onkel väterlicherseits, der Lebensmittelhändler ist, unterstützt. Er habe als Hazara und Schiit in Afghanistan Probleme gehabt, aber sein Ausreisegrund hänge mit dem Verschwinden seines Vaters vor viereinhalb Jahren zusammen. Die Taliban hätten ihn festgenommen und Geld für die Freilassung verlangt. Sie hätten zwei Häuser verkauft, eines in XXXXund eines in XXXX, aber sein Vater sei trotzdem nicht freigelassen worden. Seither habe er von seinem Vater nichts mehr gehört. Da er das Geld selber an die Taliban bezahlt habe, hätten sie gewusst, wer er sei, wo er lebe und arbeite. Sie hätten weiter von ihm Geld erpresst. Als er erklärt habe, dass er kein Geld mehr habe, hätten sie ihn persönlich mit dem Umbringen bedroht. Er habe keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als Afghanistan zu verlassen. Außerdem sei sein Vater von der Polizei beschuldigt worden ein Verbrecher zu sein, deswegen hätte er als sein Sohn auch verhaftet werden können.

Sein Vater habe ein Import/Export Geschäft für Teppiche und Nüsse gehabt, er habe Teppiche nach Pakistan gebracht und Lebensmittel aus Pakistan geholt. Einer seiner Fahrer sei ein Taliban gewesen, er habe Waffen im LKW seines Vaters versteckt und habe damit nach Afghanistan wollen, ohne dass sein Vater etwas davon gewusst habe. Sie seien von der Polizei kontrolliert worden, man habe die Waffen gefunden, es seien jedoch Taliban in der Nähe gewesen und hätten die Polizisten getötet. Sein Vater habe ihn kurz nach diesem Vorfall kontaktiert und alles erzählt, er habe auch gesagt, dass er nicht wisse, ob er wieder nach Hause komme. Zur Polizei habe er nicht gehen können, da die Polizei davon ausgehe, dass sein Vater an diesen Machenschaften beteiligt gewesen sei. Er habe daher keinen anderen Ausweg gesehen, als das Land zu verlassen. Die Taliban hätten ihn bei der Geldübergabe auch aufgefordert nicht zur Polizei zu gehen. Die Taliban hätten für die Freilassung XXXX verlangt. Zur Aufbringung dieser Summe habe er ein Haus in XXXX und eines inXXXX verkauft. Insgesamt sei er von den Taliban zehn bis zwölf Mal bedroht worden, sie hätten ihn sowohl persönlich als auch telefonisch bedroht und immer wieder gesagt, wenn er seinen Vater sehen wolle, müsse er zahlen. Das letzte Mal sei er fünf Monate vor der Ausreise bedroht worden, daraufhin sei er in Ruhe gelassen worden. Ein anderer aus der Familie sei nicht bedroht worden, denn er sei quasi das Familienoberhaupt gewesen war. Nur er sei für die Taliban wichtig gewesen. Sein Vater habe keine Ahnung davon gehabt, dass sein Fahrer Mitglied der Taliban gewesen sei. Diesem habe auch als solchem nichts passieren können. Obwohl er seine Handynummer gewechselt habe, hätten die Taliban trotzdem wieder angerufen, vier Mal etwa sei er persönlich kontaktiert worden, der Rest sei telefonisch gewesen. Als Hazara und Schiit habe er nur allgemeine Schwierigkeiten gehabt, aber er habe immer Angst gehabt, dass etwas passieren könne. Er sei auch beschimpft worden. Bei einer Rückkehr sei er sicher, dass die Taliban ihn umbringen würden. Sein Bruder sei deswegen in den Iran gegangen, weil er auch Angst vor den Taliban gehabt habe.

Seine Freundin habe er am 25.02.2017 kennen gelernt. Wo ihr ehemaliger Mann sei, wisse er nicht. Sein Onkel XXXX, mit dem er gemeinsam nach Österreich gereist sei, wohne in XXXX. Er habe fast täglich mit ihm Kontakt. Er helfe ihm seelisch, dafür helfe er seinem Onkel beim Deutschlernen, aber in einem Haushalt hätten sie nicht gelebt. Er habe eine Lehre als Metalltechniker begonnen und möchte diese fertig machen und anschließend möchte er die Matura machen und beruflich aufsteigen. Mit seiner Freundin führe er derzeit noch keine Lebensgemeinschaft, sie würden im selben Haus, aber noch nicht im selben Zimmer leben, aber er versuche eine gemeinsame Wohnung zu finden. In den letzten Sommerferien habe er bei der XXXX mitgearbeitet. Er möchte sich bei Österreich bedanken, weil er in Sicherheit sei und Pateneltern habe und hier die Möglichkeit habe in die Schule zu gehen und eine Lehre zu machen. Ein weiters Vorbringen habe er nicht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Oberösterreich vom 17.07.2017, Zl. XXXX, wurde unter Spruchteil I. der Antrag internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungwürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zu lässig sei, sowie unter Spruchteil IV. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegeben Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Afghanistan getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass dem Vorbringen kein Glauben geschenkt werde, da sich der Antragsteller hinsichtlich der Forderungen der Taliban zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme durch das BFA widersprochen habe. Außerdem entbehre das Vorbringen, dass die Taliban einerseits so skrupellos gewesen wären alle Polizisten zu erschießen, andererseits jahrelang den Vater des Beschwerdeführers festhalten würden und Angst davor hätten, dass jemand zur Polizei gehen könnte, dass die Taliban den Beschwerdeführer mit der Tötung bedroht hätten, andererseits jedoch von keinem weiteren Familienmitglied etwas verlangt hätten erscheine es wenig plausibel, dass der Antragsteller als 14-jähriger die Geschäfte des Hausverkaufs, den Kontakt mit den Taliban und die Geldübergabe abgewickelt habe und nicht etwa ein Bruder seines Vaters. Auch sei es nicht nachvollziehbar, warum die Polizei davon hätte ausgehen sollen, dass es sich bei dem Vater um ein Mitglied der Taliban handle, da dieser den Angaben des Antragstellers zufolge von den Taliban entführt worden sei. Schließlich erfülle auch der Umstand, dass der Antragsteller Schiit und Hazara sei, nicht die Voraussetzungen einer asylrelevanten Verfolgung. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die vorgebrachten Fluchtgründe nicht der Wahrheit entsprechen würden.

Zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass eine Gruppenverfolgung der Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben sei. Dem Vorbringen war im Rahmen der Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit abzusprechen und hätte sich auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben.

Zu Spruchteil II. wurde zunächst ausgeführt, dass das Bestehen einer Gefährdungslage im Sinne des § 50 FPG bereits geprüft und verneint worden sei und sich aus dem Vorbringen keine wie immer geartete Rückkehrgefährdung ergeben würde. Es sei auch in keiner Weise hervorgekommen, dass der Antragsteller an gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder schweren Erkrankungen leiden würde. Aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage könne eine Gefährdung nicht erkannt werden, mag die Sicherheitslage in Afghanistan auch schwierig sein. Jedoch ist im vorliegenden Fall eine ausreichende Versorgung an Lebensmitteln, Trinkwassern und adäquater medizinischer Betreuung zu erwarten. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Antragsteller im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohende Notlage geraten würde. Vielmehr sei er ein junger arbeitsfähiger Mann, der seinen Unterhalt zumindest mit Gelegenheitsjobs finanzieren könnte. Es hätten sich somit unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von subsidiären Schutz hätte führen müssen, ergeben.

Zu Spruchteil III. wurde zunächst festgehalten, dass kein Sachverhalt im Sinne des § 57 AsylG vorliege. Der Antragsteller sei wohl gemeinsam mit seinem Onkel eingereist, aber eine besondere enge Beziehungsintensität habe nicht erkannt werden können und der Antragsteller führe wohl eine Beziehung mit seiner Freundin, es bestehe aber noch keine Lebensgemeinschaft. Damit liegt insgesamt kein schützenswertes Familienleben in Österreich vor. In Hinblick auf sein Privatleben wurde ausgeführt, dass der Antragsteller wohl mehrere Deutschkurse besucht habe und ein Sprachdiplom B1 vorgelegt habe und derzeit eine Lehre absolviere, Freiwilligenarbeit geleistet habe und österreichische Pateneltern habe, aber andererseits auch eine starke Bindung zu seinem Heimatland Afghanistan, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht habe und sich nach illegaler Einreise erst seit dem 18.05.2015 in Österreich aufhalte. Insgesamt sei das private Interesse am Verbleib in Österreich im gegenständlichen Fall geringer zu werten als das öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher trotz privater Anknüpfungspunkte gerechtfertigt, zumal ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen gewesen sei. Es bestehe auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG und stehe auch hinsichtlich Afghanistan keine Empfehlung des EGMR einer Abschiebung entgegen, sodass eine solche als zulässig zu bezeichnen sei. Auch Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller vertreten durch die XXXX fristgerecht gegen alle Spruchteile Beschwerde an das BVwG. In dieser wurde zunächst insbesondere die Beweiswürdigung kritisiert und vorgebracht, dass bei richtiger Beweiswürdigung das ausführliche und widerspruchsfreie Vorbringen der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen gewesen sei. Der Antragsteller gehöre aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara unter eine besondere Risikogruppe, wozu Länderquellen zitiert wurden. Mangelns familiären Netzwerkes in Kabul könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller dort in eine hoffnungslose Lage gerate und liege daher keine taugliche inländische Fluchtalternative vor. Angesichts der fortgeschrittenen und bescheinigten Integration des Beschwerdeführers hätte die Behörde bei richtiger Würdigung eine dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und eine Aufenthaltsberechtigung plus erteilen müssen, wobei zahlreiche weitere Integrationsdokumente und Fotos vorgelegt wurden.

Das BVwG beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 06.12.2018 an. Mit Eingabe vom 20.11.2018 zeigte Rechtsanwalt XXXX seine Bevollmächtigung des Beschwerdeführers an.

Die belangte Behörde ließ sich für die Nichtteilnahme entschuldigen. Der Beschwerdeführer erschien zur genannten Beschwerdeverhandlung, welche mit jener seiner (nach islamischem Recht) angetrauten Ehefrau XXXX verbunden wurde, in Begleitung seines ausgewiesenen Vertreters, während sich die belangte Behörde für die Nichtteilnahme entschuldigten ließ. Der Beschwerdeführervertreter beantragte zum Beweise der guten Integration insbesondere der Berufstätigkeit die Einvernahme des Zeugen XXXX, des Arbeitsgebers des Beschwerdeführers, weiters legte er eine Schweißerprüfungsbescheinigung, eine Bestätigung seines Arbeitgebers, eine Bestätigung der XXXX, eine Unterstützungserklärung der "XXXX" XXXX, ein Jahreszeugnis der Berufsschule XXXX mit ausgezeichnetem Erfolg sowie einen Finanzführerschein der XXXX vor. Der Beschwerdeführer, der schon äußerst gut Deutsch sprach, wollte auf Deutsch die Fragen des Vorsitzenden Richters beantworten und griff nur im Bedarfsfall auf die Unterstützung der Dolmetscherin zurück.

Er hielt sein bisheriges Vorbringen einschließlich der Beschwerde aufrecht, wollte nichts ergänzen oder korrigieren. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und Schiit. Er gab an, dass jeder Hazara und Schiit in Afghanistan Probleme habe, er habe sich in Afghanistan nicht einmal getraut auszusprechen, dass er dieser Volksgruppe angehöre.

Er sei im Jahre XXXX in der ProvinzXXXX geboren, wobei er auch das Heimatdorf nannte, das Geburtsdatum wisse er nicht, deswegen sei der 01.01. als Geburtsdatum angenommen worden. Er habe drei Schwestern, die älter sind als er, und zwei Schwestern, die jünger sind und einen jüngeren Bruder, also insgesamt sechs Geschwister. Bis zu seinem 8. Lebensjahr habe er in der Heimatprovinz XXXX gelebt, nachher in XXXX. Er habe nur vier Jahre die Grundschule besucht, habe aber gegen Bezahlung ein Abschlusszeugnis für die 12. Schulstufe erhalten. Sein Vater habe ein Lebensmittelgeschäft besessen, er habe auch einen Teppichhandel betrieben und mit Trockenfrüchten gehandelt. Er selbst habe schon seit seinem 10./11. Lebensjahr als Arbeiter und Kleinhändler gearbeitet.

Sein Vater habe bis zu einer Reise nach Pakistan keine Probleme gehabt, sie hätten für das Lebensmittelgeschäft einen LKW gehabt, mit dem Ware transportiert worden sei. Der Fahrer sein ein Taliban gewesen, was sie aber nicht gewusst hätten. Sein Vater habe ihn nach Pakistan begleiteten wollen, es sei aber beim Grenzübergang eine Kontrolle gewesen. Das Fahrzeug sei auf seinen Vater zugelassen gewesen. Sein Fahrer habe aber ohne des Wissens seines Vaters Waffen geschmuggelt. Die Polizisten hätten die Waffen sichergestellt, aber als sie auf die Waffen hätten zugreifen wollen, hätten sie Taliban überfallen und erschossen. Dem Fahrer sei als Mitglied der Taliban nichts zugestoßen. Sein Vater habe kurz anrufen können, dass es zu dem besagten Vorfall gekommen sei und dass es ungewiss sei, wann er zurückkommen werde. In der Folge hätten dann die Taliban für die Freilassung seines Vaters Geld erpresst. Sein Vater habe Teppiche nach Pakistan transportiert und von dort Mandeln und Wallnüsse geholt. Nach etwa zwei bis zweieinhalb Monaten sei er von den Taliban kontaktiert worden (ungefähr Ende 2012), ein direktes Lebenszeichen von seinem Vater habe er nicht erhalten. Die Taliban hätten für die Freilassung seines Vaters XXXX verlangt (dies entspricht laut Dolmetscherin den beim BFA angegebenen XXXX). Um die Summe aufzubringen habe er ein Haus in XXXX und ein Haus in XXXX verkauft. Er selbst habe die Hausverkäufe als älteste männliche Person im Hause abgewickelt, sei dann angerufen worden, die Taliban hätten ihm eine Gegend genannt, wo er hinzugehen gehabt hätte. Er habe dort vier bis fünf Personen wahrgenommen, welche maskiert und bewaffnet gewesen wären. Er habe das Geld in bar mitgehabt, sie hätten ihm versprochen, dass bei Geldübergabe sein Vater freikomme. Er sei aber in der Folge nicht freigekommen, er habe dann die Taliban wieder angerufen und gefordert, dass sein Vater freigelassen werde, da er seinen Teil der Abmachung eingehalten habe, sie hätten aber gesagt, dass sie noch mehr Geld wollten, erst dann sein Vater freikommen würde. Er habe dann geantwortet, dass er kein Geld mehr habe, sie hätten dann keine zusätzliche Summe genannt, sondern gemeint, dass er so viel Geld wie möglich organisieren solle, wenn er nicht bezahle, würden sie seinen Vater töten und ihn genauso. Die Taliban hätten ihn das erste Mal mit nicht unterdrückter Nummer angerufen, diese Nummer sei mitgeschickt worden und bei dieser Nummer habe er dann angerufen. Er habe dann nicht mehr weiter gewusst, er habe auch niemanden gekannt, der bereit gewesen wäre ihm eine hohe Summe Geld zu leihen, er habe auch von den Verwandten versucht das Geld auszuborgen, aber es sei nicht möglich gewesen. Zur Polizei sei er deswegen nicht gegangen, weil diese vermutet hätten, dass sein Vater ebenfalls Mitglied der Taliban sei, da bei der Grenzkontrolle Waffen in seinem LKW festgestellt worden seien und die Taliban die Polizisten erschossen hätten.

Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung (AS11) angegeben habe, dass er von den Taliban deswegen erpresst und bedroht worden sei keinesfalls mit der Polizei zusammen zuarbeiten, beim BFA (AS110) aber angegeben habe, dass er bedroht worden sei, damit er Geld an die Taliban liefere, gab er an, dass beides stimme, sie hätten ihn aufgefordert sich nicht an die Polizei zu wenden, wenn er das tun würde, würden sie ihn und die restliche Familie töten. Das Gleiche hätten sie gedroht, wenn er das Geld nicht aufbringe, die Taliban hätten ihn dann regelmäßig angerufen, auch mit einer weiteren Nummer, sie hätten immer wieder Geld gefordert und hätten ihn einschüchtern wollen, damit er sich nicht an die Polizei wende. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS113) angegeben habe, dass er die letzten fünf Monate vor der Ausreise nicht mehr bedroht worden sie, gab er an, dass das nicht richtig aufgenommen worden sei, er habe die letzten fünf Monate vor der Ausreise nur die Männer gebeten ihm Zeit zu geben um das Geld aufzutreiben. Sie hätten noch ein zweites Haus in XXXX besessen, dort hätten sie wohnen können, wenn sie dieses Haus auch noch verkauft hätten, hätten sie nicht gewusst, wo sie wohnen hätten sollen, da sie die Miete nicht aufbringen hätten können. Er sei telefonisch bedroht worden, zu Hause sei er nicht aufgesucht worden, aber bei der Übergabe des Geldes sei er bedroht worden und darüber hinaus auch noch am Weg in die Arbeit. Dies sei kurz vor seiner Flucht gewesen. Traditionell gekleidete Personen seien auf ihn zugegangen, hätten gefordert, dass er das Geld organisieren solle und nicht die Polizei einschalten solle. Dies seien zwei Personen gewesen. Wenn er die telefonischen und direkten Bedrohungen zusammennehme, komme er auf sechs bis sieben Mal. Über Vorhalt dass er beim BFA (AS113) davon gesprochen habe zehn bis zwölf Mal bedroht worden zu sein, korrigierte er auf sechs bis sieben Mal. Er habe keine weitere Summe aufbringen können und es sei ihm bewusst gewesen, dass wenn er nicht zahle, dann würden sie ihn töten, deswegen sei er dann ausgereist. Er sei nicht gemeinsam mit seinem Onkel ausgereist, sondern habe er seinen Onkel auf der Flucht unterwegs getroffen. Was dieser für Probleme gehabt habe, wisse er nicht, er habe ihm darüber nichts erzählt.

Er stehe in Kontakt mit seiner Mutter, auch mit seinen Schwestern, aber mit diesen seltener. Seine Mutter lebe inXXXX, der letzte persönliche Kontakt mit seinem Vater sei gewesen, als er ihn bei der Grenzkontrolle angerufen habe. Sein Onkel väterlicherseits unterstütze seine Mutter und seine Geschwister. Lebenszeichen von seinem Vater habe er keine erhalten. Die Taliban hätten gesagt, dass er bei ihnen eingesperrt und am Leben sie. Er habe Beweise verlangt, aber die Taliban hätten nur gesagt, wenn sie das sagen würden, dann stimme das. Über den Verbleib des Mitarbeiters seines Vaters wisse er nichts, er sei überzeugt, dass ihm nichts passiert sei, da er Mitglied der Taliban sei.

Er sei gesund. Am 17.02.2017 sei er mit der Schule fertig gewesen, am 18. sei der dann in eine andere Unterkunft übersiedelt. Seine jetzige Frau sei dort schon länger untergebracht gewesen und habe er sie bereits am ersten Tag dort kennen gelernt. Sie sei dann damals nicht mehr mit ihrem ersten Mann zusammen gewesen. Wegen einer Heirat hätten sie zuerst mit dem Mullah gesprochen und seien sie dann mit vier Zeugen gekommen. Am 30.04.2017 sei die Hochzeitsfeier gewesen, der Mullah habe schon eine Woche vorher die Ehe nach islamischem Recht geschlossen. Es sei ein türkischer Mullah gewesen, der kaum Deutsch verstehe und zwar ein sunnitischer, weil seine Frau Sunnitin sei. Sie hätten auch gerne in der Zwischenzeit standesamtlich geheiratet, aber hätten nicht die erforderlichen Dokumente gehabt. Er lebe seit dem 30.04.2017 mit seiner Frau zusammen, sie sei jetzt im fünften Monat schwanger. Er selbst mache eine Lehre als Metall- und Blechtechniker, er habe bereits den Pflichtschulabschluss absolviert und ein B1 und B2 Sprachdiplom, jetzt mache er beim Wifi die Prüfung für den B1 Werte- und Orientierungskurs, vorher habe er die Übergangsstufe und die erste Klasse der XXXX besucht. Außerdem habe er eine Schweißerprüfung gemacht und auch den Staplerführerschein, eine Lenkerberechtigung aber noch nicht. Er arbeite von 07:00 bis 17:00 Uhr. Seien Frau lebe hier in Österreich ganz anders als in Afghanistan, sie darf hier alles machen, sie trägt auch kein Kopftuch, für den Sohn seiner Frau sei er schon wie ein Vater. Er verbringe sehr viel Zeit mit seiner Familie und lerne mit seiner Frau. Er habe viele österreichische Freunde und eine österreichische Patenfamilie. Sein Patenvater sei auf den Rollstuhl angewiesen, er leide an Multipler Sklerose. Er möchte zunächst einmal seine Lehre abschließen und dann die Abendschule besuchen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würden sie ihn dort sofort umbringen, weil er den Taliban versprochen habe, dass er das Geld auftreiben würde und dann geflüchtet sei. Sie würden fast nichts mehr an Unterstützungsleistungen erhalten. Er müsse mit seiner Frau davon leben, was er als Lehrling verdiene.

In Afghanistan sei es ganz unüblich, das Schiiten und Sunniten heiraten, auch das Verhältnis zwischen Tadschiken und Hazrara sei schwierig. In seiner früheren Heimat gibt es fast jede Woche Anschläge. Das sei auch vor seiner Ausreise schon so gewesen. Ein weiteres Vorbringen habe er nicht.

Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers in dem keine Verurteilung aufscheint.

Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers gab zusammengefasst an, dass der Beschwerdeführer bei einem betriebsinternen Aufnahmetest einer der besten Bewerber gewesen und schon damals "herausgeleuchtet" sei. Er könne sich auf Deutsch auch schon sehr gut ausdrücken. Der Zeuge leite eine Firma mit 110 Mitarbeitern, die im Glasdach- und Fassadenbau tätig sei. Der Beschwerdeführer habe das erste Lehrjahr mit guten Erfolg und das zweite mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschossen. Nach Abschluss der Lehre im Jahr 2020 möchte er den Beschwerdeführer unbedingt weiter beschäftigen, da es in nächster Zeit zu vielen Pensionierungen komme. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seines Lebenslaufes sehr reif und gewohnt Verantwortung zu übernehmen.

Nach Befragung der (nach islamischen Recht angetrauten) Ehefrau des Beschwerdeführers wurde den Verfahrensparteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan unter Setzung einer Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen zur Kenntnis gebracht.

Von dieser Möglichkeit wurde nicht Gebrauch gemacht. Es wurde allerdings eine handschriftliche "Heiratsurkunde" sowie eine Anmeldung zur Fahrschule in XXXX und "Hochzeitfotos" vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers wird folgendes festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, Hazara und Moslem/Schiit und wurde im Jahre XXXXin der Provinz XXXX in Afghanistan geboren, wo er bis zu seinem 8. Lebensjahr lebte. Anschließend hielt er ich in XXXX auf. Er hat in Afghanistan lediglich vier Klassen der Grundschule besucht und dann als Hilfsarbeiter und Kleinhändler gearbeitet. Sein Vater hatte einen Lebensmittelhandel und Waren Import/Export. Als er Ende 2012 nach Pakistan unterwegs war, um dort Teppiche zu verkaufen und Mandeln und Wallnüsse einzukaufen, wurde er an der Grenze kontrolliert. Sein Fahrer, der ohne sein Wissen Mitglied er Taliban war, hatte in seinem LKW Waffen versteckt, die von der Polizei entdeckt wurden. Es kam zum Überfall der Taliban, wobei die Polizisten getötet wurden und sein Vater entführt wurden. Die Taliban verlangten in der Folge ein hohes Lösegeld und dass der Beschwerdeführer nicht die Polizei einschalte. Als ältestes männliches Familienmitglied wickelte der damals ca. 14-jährige Beschwerdeführer den Verkauf eines Hauses in XXXX und in XXXX ab und brachte das Lösegeld von XXXX auf und übergab dieses den Taliban. Trotzdem wurde sein Vater nicht freigelassen und der Beschwerdeführer weiter erpresst und damit bedroht, dass nicht nur sein Vater, sondern auch er und seine Familie getötet würden, wenn er nicht einen weiteren hohen Geldbetrag aufbringe oder die Polizei einschalte. Der Beschwerdeführer wurde mehrfach telefonisch und zuletzt auf dem Weg zur Arbeit persönlich bedroht. Obwohl er versuchte zusätzliche Geldbeträge von Verwandten oder Freunden aufzutreiben, gelang ihm dies nicht.

Da der Beschwerdeführer keinen Ausweg mehr sah, entschloss er sich zur Ausreise. Er reiste dann im März 2008 aus Afghanistan aus und traf unterwegs seinen Onkel XXXX und gelangte (spätestens) am 19.05.2015 nach Österreich uns stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Schon in kurzer Zeit konnte er die Deutsche Sprache lernen, absolvierte zunächst die Übergangsstufe und dann die erste Klasse der XXXX in XXXX, erwarb Sprachdiplome im Niveau B1 und B2 und ist seit Anfang 2017 Metalltechnikerlehrling (in einem Mangelberuf) bei der XXXX. Nach Ende seiner Lehrzeit 2020 möchte ihn die Firma unbedingt behalten, er absolviert äußerst erfolgreich die Berufsschule XXXX, im zweiten Lehrjahr sogar mit ausgezeichnetem Erfolg und hat über dies Schweißerprüfung sowie den Staplerführerschein und den Finanzführerschein erworben und beginnt mit dem Kurs für die Lenkerberechtigung. Er lernte im Februar 2017 die afghanische Staatsangehörige (tadschikischer Volksgruppenzugehörigkeit) XXXXkennen, die sich von ihrem Mann getrennt hatte, mit diesem einen Sohn hat (XXXX). Der Beschwerdeführer heirate diese nach islamischen Recht am 27.04.2017 und ist seine Ehefrau von dem Beschwerdeführer schwanger. Er führt mit ihr und ihrem Sohn aus erster Ehe ein Familienleben. Der Beschwerdeführer hat nach wie vor Kontakt zu seiner Mutter, teilweise auch zu seinen in XXXX verbliebenenn Schwestern. Er ist gesund und unbescholten.

Seiner nach islamischen Recht angetrauten Ehefrau wurde wegen westlicher Gesinnung mit Bescheid vom gleichen Datum internationaler Schutz zuerkannt, deren Sohn im Familienverfahren.

Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hattedessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

Quellen:

1TV (31.10.2018): Suicide attack kills seven outside Kabul prison, http://www.1tvnews.af/en/news/

afghanistan/36271-suicide-attack-kills-seven-outside-kabul-prison? fbclid=IwAR2WADPVHTuF8LZMwm0-LYci05vz1p06BygjhELlFr-wLKNDNo8XQRLXnuQ,Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (21.11.2018): 'Brutal and barbaric': Victims recount horror of Kabul attack, https:// www.aljazeera.com/news/2018/11/barbaric-victims-recount-horror-kabul-attack- 181121162807917.html, Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (12.11.2018): Kabul: Suicide bomber targets protesters demanding security,

https://www.aljazeera.com/news/2018/11/afghanistan-suicide-bomber-targets-protesters-kabul- 181112094659291.html, Zugriff 22.11.2018

ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (12.11.2018): Afghanistan:

67 morti in 24 ore, http://

www.ansa.it/sito/notizie/topnews/2018/11/12/afghanistan-67-morti-in-24-ore_71bfd73c-c68f-4182- a798-34b9ace3ae65.html, Zugriff 22.11.2018

Dawn (1.11.2018): Seven killed in suicide attack near Kabul prison, https://www.dawn.com/news/1442782/seven-killed-in-suicide-attack-near-kabul-prison, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (20.11.2018): Mehr als 50 Tote bei Anschlag in Kabul, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/afghanistan-kabul-explosion-anschlagattentat-ulema-rat-versammlung-tote, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (12.11.2018): Mehrere Tote bei Anschlag nahe Anti-Taliban-Demo,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/kabul-anschlag-explosion-demonstration-talibanregierungstruppen-ghasni, Zugriff 12.11.2018

IFQ - Il Fatto Quotidiano (20.11.2018): Afghanistan, attacco kamikaze a Kabul durante incontro religioso: almeno 50 morti e 80 feriti gravi,

https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/11/20/afghanistanattacco-kamikaze-a-kabul-durante-incontro-religioso-almeno-40-morti-e-80-feriti/4779194/, Zugriff 22.11.2018

KP - Khaama Press (12.11.2018): Protesters gather near Presidential Palace in Kabul over recent wave of violence, https://www.khaama.com/protesters-gather-near-presidential-palace-in-kabulover-recent-wave-of-violence-02722/?

fbclid=IwAR2cNyRcLjWNmzaEoWNieBq37J1eVAKL2aT_4yCqbU9HdYKpr30O1NoXe-g, Zugriff 22.11.2018

LE - L'Express (21.11.2018): Attentat à Kaboul : la lecture de verset du Coran soudain interrompue, raconte un blessé, https://www.lexpress.fr/actualites/1/monde/attentat-a-kaboul-lalecture-de-versets-du-coran-soudain-interrompue-raconte-un-blesse_2049660.html, Zugriff 22.11.2018

NYT - New York Times (20.11.2018): At Leas 55 Killed in Bombing of Afghan Religious Gathering,

https://www.nytimes.com/2018/11/20/world/asia/afghanistan-wedding-hall-bombing.html, Zugriff 22.11.2018

Pajhwok Afghan News (31.10.2018): Suicide blast in front of Pul-i-Charhi prison leave 6 people dead, https://www.pajhwok.com/en/2018/10/31/suicide-blast-front-pul-i-charkhi-prison-leave-6- people-dead, Zugriff 22.11.2018

SS - Stars and Stripes (20.11.2018): Suicide bomb attack in Kabul kills at least 43, wounds 83,

https://www.stripes.com/news/suicide-bomb-attack-in-kabul-kills-at-least-43-wounds-83-1.557397, Zugriff 22.11.2018

TNAE - The National (21.11.2018): Kabul reels in grief after wedding hall attack,

https://www.thenational.ae/world/asia/kabul-reels-in-grief-after-wedding-hall-attack-1.794365, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (20.11.2018): Death Toll Rises To 50 In Kabul Wedding Hall Explosion,

https://www.tolonews.com/afghanistan/40-killed-80-wounded-kabul-wedding-hall-blast, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (12.11.2018): MoI Confirms 6 Death In Kabul Explosion, https://www.tolonews.com/afghanistan/casualties-feared-explosion-rocks-kabul, Zugriff 22.11.2018

TS - Tagesschau (21.11.2018): Deutschland verurteilt Anschlag in Kabul, https://www.tagesschau.de/ausland/anschlag-kabul-135.html, Zugriff 22.11.2018

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Quellen:

AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): Before Election Day

Three: Looking at Kandahar's upcoming vote, https://www.afghanistan-analysts.org/before-election-day-threelooking-at-kandahars-upcoming-vote/, Zugriff 29.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018a): Election Day One (Evening Update): Voter determination and technical shambles, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-oneevening-update-voter-determination-and-technical-shambles/ Zugriff 22.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018b): Election Day Two:

A triumph of administrative chaos, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-two-a-triumph-of-administrative-chaos/, Zugriff 22.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (20.10.2018): Election Day One: A rural-urban divide emerging,

https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-one-a-rural-urban-divide-emerging/, Zugriff 22.10.2018

AFP - Agence France Presse (20.10.2018): Nearly 170 casualties as violence rocks chaotic Afghan elections, https://www.afp.com/en/news/15/nearly-170-casualties-violence-rocks-chaoticafghan-elections-doc-1a599v9, Zugriff 22.10.2018

AJ - Al Jazeera (19.10.2018): Afghanistan: Kandahar elections delayed by a week after killings, https://www.aljazeera.com/news/2018/10/afghan-election-polls-kandahar-delayed-week- 181019082632025.html Zugriff 22.10.2018

CNN - Cable News Network (27.10.2018): Kandahar goes to the polls in Afghan parliamentary vote delayed by violence, https://edition.cnn.com/2018/10/27/asia/afghan-elections-kandahar-intl/ index.html, Zugriff 29.10.2018

LS - La Stampa (21.10.2018): Ancora sangue sul secondo giorno di voto in Afghanistan,

http://www.lastampa.it/2018/10/21/esteri/ancora-sangue-sul-secondo-giorno-di-voto-inafghanistan-quhK2AP00HBuCKGBEHU8TN/pagina.html, Zugriff 22.10.2018

RN - Rainews (21.10.2018): Chiusi I seggi in Afghanistan, 4 milioni al voto nonostante gli attacchi dei Talebani, http://www.rainews.it/dl/rainews/articoli/Chiusi-i-seggi-in-Afghanistan-4-milioni-alvoto-nonostante-gli-attacchi-52f120d0-cda8-4c1c-b469-363549cb767c.html, Zugriff 22.10.2018

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018),

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_ 3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 25.10.2018

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a) Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

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(UNAMA 15.7.2018)

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

Quellen:

AAN - Afghanistan Analysts Network (9.10.2018): Afghanistan Election Conundrum (16): Basic facts about the parliamentary elections, https://www.afghanistan-analysts.org/afghanistan-electionconundrum-16-basic-facts-about-the-parliamentary-elections/, Zugriff 19.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (26.9.2018): Afghanistan Election Conundrum (14): District council and Ghazni parliamentary elections quietly dropped, https://www.afghanistan-analysts.org/ afghanistan-election-conundrum-14district-council-and-ghazni-parliamentary-elections-quietlydropped/, Zugriff 2.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (4.8.2018): Qari Hekmat's Islan Overrun: Taleban defeat 'ISKP' in Jawzjan, https://www.afghanistan-analysts.org/qari-hekmats-island-overrun-talebandefeat-iskp-in-jawzjan/, Zugriff 31.8.2018

AJ - Al Jazeera (19.8.2018): Afghanistan's Ghani declares Eid ceasefire with Taliban,

https://www.aljazeera.com/news/2018/08/afghanistan-ghani-declares-eid-ceasefire-taliban- 180819143135061.html, Zugriff 31.8.2018

ANSA - Agenzia Nationale Stampa Associata (13.8.2018): Afghanistan:

a Ghazni 120 morti, http://

www.ansa.it/sito/notizie/mondo/asia/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120-morti_695579f5-407b- 4e4f-8814-afcd60397435.html, Zugriff 31.8.2018

BFA Staatendokumentation (15.10.2018a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Mai-September 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

BFA Staatendokumentation (15.10.2018b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q2 und Q3, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

CBS News (14.8.2018): Taliban overruns Afghan base, killing 17 soldiers,

https://www.cbsnews.com/news/afghanistan-base-overrun-taliban-faryab-afghan-troops-killedghazni-fight/, Zugriff 31.8.2018

GT - Gulf Today (12.9.2018): Scores killed in Afghan suicide attack, http://gulftoday.ae/portal/efd26c1a-5e54-42e8-a810-7e18341d14e4.aspx, Zugriff 2.10.2018

IEC - Independent Election Commission of Afghanistan (o.D.), http://www.iec.org.af/pdf/vr-2018/vr- statistics.pdf, Zugriff 19.10.2018

NYT - The New York Times

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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