TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/29 W107 2196459-1

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Veröffentlicht am 29.01.2019
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Entscheidungsdatum

29.01.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W107 2196459-1/11E

Schriftliche Ausfertigung des am 23.10.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Sibyll Andrea BÖCK über die Beschwerde des mj. XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch seinen Vater XXXX , dieser vertreten durch RAin Mag.a Nadja LORENZ, Burggasse 116, 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.04.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der minderjährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste gemeinsam mit seiner Mutter (BF zu W107 2196497-1), seinem Vater (BF zu W107 2196501-1) und seiner mj. Schwester (BF zu W107 2196492-1) unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.10.2018, vertreten durch seinen Vater, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen [gemeint: 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

3. Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF, vertreten durch seinen Vater, amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Mit Schreiben vom 17.05.2018 erhob der BF, vertreten durch seinen Vater, dieser unterstützt durch den beigegebenen Rechtsberater, vollinhaltliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

5. Am 25.05.2018 legte das BFA die Beschwerde und die dazugehörigen Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Unter einem verzichtete die belangte Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.10.2018 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Usbekisch in Anwesenheit eines Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit jenen der Eltern und der mj. Schwester des BF zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und die Eltern des BF zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2018, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte sowie Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

1. Feststellungen:

Der minderjährige (in Folge: mj) BF ist am XXXX geboren, führt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan.

Der mj BF reiste gemeinsam mit seiner Mutter XXXX (W107 2196497-1), seinem Vater XXXX (W107 2196501-1) und seiner mj. Schwester XXXX (W107 2196492-1) unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.10.2015, vertreten durch seinen Vater, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt war der mj BF ledig.

Der BF hält sich aktuell gemeinsam mit seinen Eltern und seiner mj. Schwester in Österreich auf und lebt mit diesen zusammen.

Der BF ist aufgrund seiner Minderjährigkeit strafunmündig und daher in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2019, Zl. W107 2196497-1/11E, wurde der Beschwerde der Mutter des mj BF stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt. Im Falle der Mutter des mj BF ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt des mj BF und jenem seiner Mutter (BF zu W107 2196497-1).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Allgemeines:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

3.2. Zu Spruchpunkt A) - Stattgabe der Beschwerde:

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.209, Zl. W107 2196497-1/11E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Anhand der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass sich die Mutter des mj BF angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") aus wohlbegründeter Furcht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2019, Zl. W107 2196497-1/11E). Es liegt auch in Bezug auf die Mutter des BF keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.

Gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Der minderjährige und ledige BF ist der Sohn von XXXX (W107 2196497-1). Somit ist der BF als Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu betrachten.

Der BF ist nicht straffällig geworden. Gegen die Mutter des BF ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig.

Dem BF ist daher gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 27.10.2015 - somit vor dem 15.11.2015 - gestellt wurde, weshalb die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im vorliegenden Fall keine Anwendung finden.

3.3. Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Asylgewährung, Asylverfahren, Familienangehöriger,
Familienverfahren, Flüchtlingseigenschaft, mündliche Verhandlung,
mündliche Verkündung, schriftliche Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W107.2196459.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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