TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/21 98/03/0353

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Veröffentlicht am 21.04.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/03 Sonstiges Verkehrsrecht;
99/03 Kraftfahrrecht;

Norm

ADR 1973 Rn10315 Abs3;
ADR 1973 Rn10315 Abs5;
ADR 1973 Rn10381 Abs2;
GGSt §2 Abs1;
GGSt §3 Abs1 Z3;
GGSt §42 Abs2 Z28;
GGSt §42 Abs2 Z31;
GGSt §42 Abs2;
VStG §20;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des MK in Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Robert Mayrhofer und Dr. Johann Köpplinger, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Kapuzinerberg 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 27. Oktober 1998, Zl. KUVS-1733/4/97, betreffend Übertretung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes-Straße, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

"am 13.02.1997 um 14.05 Uhr in Villach, auf der Südautobahn (A 2), bei Km 356.5, in Fahrtrichtung Klagenfurt, die Beförderungseinheit Sattelzugmaschine PA-AZ34 / Sattelanhänger PA-AE147, beladen mit Gefahrgut der Klasse 6 Ziff. 1c ADR (24 Einw.pal. Naftomix G WX 1271) gelenkt und keine gültige B6-Bescheinigung mitgeführt, da die mitgeführte B6-Bescheinigung mit der Nr. 63/5142, ausgestellt durch IHK Passau am 19.10.1993 mit 16.10.1996 abgelaufen war."

Dadurch habe er "§ 42 Abs. 2 Ziff. 28 GGSt zu Rn 10381 Abs. 2 ADR" verletzt. Hiefür wurde er gemäß "§ 42 Abs. 2 Ziff. 28 GGSt" mit einer Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 150 Stunden) bestraft. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei unbestritten,

"daß der Beschuldigte die ADR-Bescheinigung über die Schulung der Führer von Kraftfahrzeugen und zur Beförderung gefährlicher Güter Nr. 63/5142 mitgeführt hat, jedoch war diese am 16.10.1996 abgelaufen. Gemäß RN 10315 der Anlage B zum ADR haben Fahrzeugführer jeweils nach 5 Jahren nachzuweisen, daß sie im Rahmen der besonderen Ausbildung für Fahrzeugführer von Gefahrguttransporten an einer Fortbildungsschulung teilgenommen haben. Dies vor Ablauf der Gültigkeit der Bescheinigung. Zufolge des GGVS der Bundesrepublik Deutschland ist für innerstaatliche Beförderungen gemäß der nationalen geltenden Gefahrgutverordnung Straße festgelegt, daß Fahrzeugführer eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeuges bereits nach drei Jahren eine entsprechende Fortbildungsschulung nachzuweisen haben. Daher sind die in der Bundesrepublik ausgestellten ADR-Bescheinigungen (mit) einer Gültigkeitsdauer von drei Jahren ausgestattet. Im Gegenstand ist auch unbestritten, daß zum Tatzeitpunkt der Beschuldigte um eine Verlängerung der ADR-Bescheinigung vor dem Tatzeitpunkt nicht angesucht hat. Nach Ansicht des erkennenden Senates war der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt nicht im Besitze einer gültigen Bescheinigung und hängt - dies wird vom Beschuldigten übersehen - die Frist mit dem Ablauf der Gültigkeit der Bescheinigung zusammen. Soweit sich der Beschuldigte auf einen Rechtsirrtum beruft, ist auszuführen, daß er sich als Berufskraftfahrer, welcher Gefahrguttransporte durchführt, über alle geltenden gesetzlichen Bestimmungen nach dem ADR/GGSt aber auch über alle straßenpolizeilichen Vorschriften informieren muß. Wenn nunmehr seine Bescheinigung bis zu einem Termin gilt, welcher bereits abgelaufen ist, so hat er bei der zuständigen Behörde nachzufragen, und dies auch beweismäßig darzulegen, um sich allenfalls auf einen schuldausschließenden Irrtum berufen zu können."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 42 Abs. 2 des im Beschwerdefall anzuwendenden Gefahrgutbeförderungsgesetz-Straße - GGSt, BGBl. Nr. 209/1979, begeht, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis S 50.000,-- zu bestrafen, wer

"28. den Bestimmungen der gemäß § 2 Abs. 1 in Betracht kommenden Vorschriften oder eines aufgrund des ADR im Sinne des § 1 Abs. 3 abgeschlossenen Staatsvertrages über den Verkehr mit Fahrzeugen und deren Betrieb zuwider handelt,

...

31. in sonstiger Weise dem ADR oder einem auf Grund des ADR im Sinne des § 1 Abs. 3 geschlossenen Staatsvertrag zuwider handelt".

§ 2 Abs. 1 leg. cit. ordnet an, daß die Vorschriften der Anlagen A und B des ADR und deren Anhänge auf nationale Beförderungen gefährlicher Güter sinngemäß anzuwenden sind, sofern in diesem Bundesgesetz und den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nichts anderes bestimmt ist.

Eine nationale Beförderung ist gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. jede Beförderung, die im Bundesgebiet beginnt und endet und die ausschließlich auf Bundesgebiet erfolgt und jede grenzüberschreitende Beförderung, auf die das ADR nicht anzuwenden ist, für den im Bundesgebiet liegenden Teil der Beförderungsstrecke.

Im Beschwerdefall ergibt sich aus den in Ablichtung der Anzeige beigeschlossenen Beförderungspapieren, daß die Beförderung in Arnoldstein begann und in Marmoutier, Frankreich, enden sollte. Eine derartige Beförderung fiele nicht unter den Tatbestand einer nationalen Beförderung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 3 GGSt. Es handelte sich vielmehr um eine internationale Beförderung, auf welche unmittelbar (nicht erst im Wege des § 2 Abs. 1 GGSt) die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), BGBl. Nr. 522/1973, anzuwenden sind. Dies hätte zur Folge, daß ein Zuwiderhandeln gegen Bestimmungen des ADR im Beschwerdefall nicht den Tatbestand nach § 42 Abs. 2 Z. 28 GGSt, sondern den der Z. 31 der genannten Bestimmung erfüllte. Da beide Bestimmungen aber Blankettstrafnormen für dieselben Verweisungsstraftatbestände (verletzte Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 44a Z. 2 VStG) darstellen und auch die Strafdrohungen ident sind, kann dahingestellt bleiben, welche von beiden Normen (im Sinne des § 44a Z. 3 VStG) im Beschwerdefall Anwendung zu finden hätte. Die Anwendung der falschen Norm würde den Beschwerdeführer nämlich bei einer derartigen Konstellation in keinem subjektiven Recht verletzen.

Als durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift hat die belangte Behörde zu Recht Rn. 10381 Abs. 2 (lit. b) ADR herangezogen. Nach dieser Bestimmung muß, falls es die Vorschriften dieser Anlage vorsehen, in der Beförderungseinheit die Bescheinigung über die Schulung des Fahrzeuglenkers nach Rn. 10315 in der im Anhang B. 6 dargestellten Form mitgeführt werden.

Rn. 10315 Abs. 5 sieht vor, daß jede Bescheinigung über die Schulung nach dieser Randnummer, die nach dem im Anhang B. 6 dargestellten Muster von den zuständigen Behörden einer Vertragspartei oder von einer anderen von diesen Behörden anerkannten Stelle ausgestellt wurde, während ihrer Geltungsdauer von den zuständigen Behörden der anderen Vertragspartei anerkannt wird.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die vom Beschwerdeführer mitgeführte ADR-Bescheinigung über die Schulung der Lenker von Kraftfahrzeugen zur Beförderung gefährlicher Stoffe im Tatzeitpunkt in Geltung gestanden ist. Diese Frage wurde von der belangten Behörde zu Recht verneint, weil die Gültigkeit der Bescheinigung in der Urkunde selbst bis zum 16. Oktober 1996 befristet war.

Wohl ordnet Rn. 10315 Abs. 3 an, daß der Fahrzeugführer jeweils nach fünf Jahren durch eine entsprechende Eintragung der zuständigen Behörde oder der von dieser Behörde anerkannten Stelle nachweisen können muß, daß er während des letzten Jahres vor Ablauf der Gültigkeit der Bescheinigung einen Fortbildungslehrgang besucht und einen von dieser Behörde anerkannten Test bestanden hat; diese Bestimmung hindert die Behörde jedoch nicht an der Ausstellung einer Bescheinigung mit einer Geltungsdauer von weniger als fünf Jahren. Sie läßt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine Deutung dahin zu, daß eine Befristung der Geltungsdauer der Bescheinigung auf weniger als fünf Jahre nur für "innerstaatliche", nicht aber für "länderübergreifend durchgeführte" Beförderungen gelte.

Wenn sich der Beschwerdeführer in Ansehung der Geltungsdauer der Bescheinigung auf einen Rechtsirrtum zu berufen versucht, ist dies angesichts der klaren und eindeutigen Angabe der Geltungsdauer der Bescheinigung in der Urkunde selbst zum Scheitern verurteilt. Daß ihm die von ihm vertretene, oben skizzierte Rechtsansicht etwa vor Begehung der Tat von einer zur Erteilung von Rechtsauskünften auf diesem Gebiet berufenen Stelle mitgeteilt worden sei, hat er nicht behauptet.

Daß die Geltungsdauer der Bescheinigung - am 24. Februar 1997 - bis 16. Oktober 1998 verlängert wurde, hat weder für die Tatbildmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers noch für die Verschuldensfrage Bedeutung. Der Beschwerdeführer hätte die Tat auch dann zu verantworten, wenn er zur Tatzeit über eine gültige Bescheinigung verfügt, diese jedoch bei der Beförderung nicht in der Beförderungseinheit mitgeführt hätte.

Wenn der Beschwerdeführer in Ansehung der Strafbemessung die Nichtanwendung von § 20 VStG rügt, ist er darauf zu verweisen, daß eine außerordentliche Strafmilderung nach dieser Bestimmung nur bei solchen Strafdrohungen in Betracht kommt, die eine gesetzliche Untergrenze haben (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 859). Dies trifft auf § 42 Abs. 2 GGSt nicht zu.

Von § 21 VStG wurde von der belangten Behörde zu Recht nicht Gebrauch gemacht, weil das Verschulden des Beschwerdeführers entgegen seiner Ansicht keineswegs als geringfügig anzusehen ist. Von einem Berufskraftfahrer wie dem Beschwerdeführer muß die gewissenhafte Einhaltung der für die Beförderung gefährlicher Güter geltenden Bestimmungen verlangt werden. Angesichts der eindeutigen und klaren Angabe der Geltungsdauer der Bescheinigung in der Urkunde selbst durfte er sich keineswegs "auf die internationale 5-Jahresregel der ADR" verlassen.

Bei diesem Sachverhalt kann keine Rede davon sein, daß die Tat unter Umständen begangen worden sei, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen, bzw. "in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum". Die "völlige Unbescholtenheit" des Beschwerdeführers wurde schon im erstinstanzlichen Straferkenntnis berücksichtigt. Daß das beanstandete Verhalten mit dem Lebenswandel und sonstigen Verhalten des Beschwerdeführers in einem auffallenden Widerspruch stünde, vermag der Verwaltungsgerichtshof ebensowenig zu erkennen wie den vom Beschwerdeführer behaupteten Umstand, daß er durch seine Aussagen wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen habe. Daß die Tat schon vor längerer Zeit im Sinne des § 34 Z. 18 StGB begangen worden sei, kann bei einem Zeitraum von weniger als zwei Jahren zwischen der Tat und der Erlassung des angefochtenen Bescheides gleichfalls nicht gesagt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof kann daher auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung das ihr eingeräumte Ermessen überschritten hätte, zumal ohnedies nur eine im untersten Bereich des anzuwendenden Strafrahmens gelegene Geldstrafe verhängt wurde.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. April 1999

Schlagworte

Verwaltungsvorschrift Blankettstrafnorm Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der Tat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998030353.X00

Im RIS seit

23.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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