TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/4 W248 2149323-2

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Veröffentlicht am 04.02.2019
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Entscheidungsdatum

04.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W248 2149323-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. NEUBAUER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1 Verfahrensgang:

1.1 Erster Antrag auf internationalen Schutz:

XXXX , geb. XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer) und seine Mutter

XXXX , geb. XXXX , afghanische Staatsangehörige aus der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitische Muslime, stellten am 24.06.2015 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes Anträge auf internationalen Schutz.

In ihrer Erstbefragung am 24.06.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (LPD Niederösterreich) gab die Mutter des Beschwerdeführers zu ihren Fluchtgründen an, Afghanistan ca. 1991 aufgrund des Krieges verlassen zu haben und in den Iran übersiedelt zu sein. Den Iran habe sie verlassen, weil ihre Kinder dort nicht hätten arbeiten dürfen.

Der Beschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen an, die Lebensumstände im Iran seien sehr schlecht gewesen. Die iranischen Behörden hätten ihn in den Krieg nach Syrien schicken wollen. Dies habe er jedoch nicht gewollt und daher den Iran verlassen.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) am 09.12.2015 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, seine Eltern hätten Afghanistan ca. 1991 wegen dem Krieg gegen die Russen verlassen. Sein Vater sei Mitte 2014 für 2 1/2 - 3 Monate nach Afghanistan zurückgekehrt, um sich über die Lage zu erkundigen. Er habe zurückkommen müssen und sei der Meinung gewesen, dass sich die Situation nicht gebessert habe. Im Iran hätten sie ihr Leben nicht weiter führen können. Er sei dort geboren, sei dort aber nicht respektiert oder beachtet worden. Flüchtlinge würden dort nicht gut behandelt. Afghanen würden einfach schlecht behandelt. Man könne sich nicht einmal eine einfache SIM-Karte kaufen, man müsse mehrere Bestätigungen vorlegen. Im Iran müsse ein Elternteil ein iranischer Staatsbürger sein, um ein Recht zu leben zu haben. Er sei zwar dort geboren, aber für solche Leute wie ihn gebe es keine Aussicht auf ein Leben im Iran und auch nicht die Möglichkeit, in ihr Heimatland zurückzukehren. Fremdenhass herrsche dort. Er habe Angst gehabt, wenn er einmal eine Familie gründe, dass seine Kinder das selbe Problem haben würden wie er. Er habe keiner Arbeit nachgehen können; er habe keine Arbeit bekommen, weil er Afghane sei. Andererseits gab der Beschwerdeführer an, im Iran die Universität besucht zu haben, nach fünfjährigem Studium einen Bachelor in Bauwesen erworben und sich für das Masterstudium angemeldet zu haben.

Auch wegen seiner Religionszugehörigkeit sei er diskriminiert worden. Afghanen hätten sogar zum Eid-Fest das Gebet nicht verrichten dürfen. Im Fastenmonat habe er hier in Österreich ohne Probleme in einer türkischen Moschee sein Gebet verrichten dürfen, ohne von der Polizei belästigt zu werden. Nach Afghanistan sei er nicht zurückgekehrt, weil er dort keine berufliche Zukunft habe. Er habe auch gehört, dass die Taliban Ingenieure entführen würden. 10 Jahre früher sei er wie bereits gesagt schon einmal in Afghanistan gewesen. Jemand habe versucht, ihn zu vergewaltigen, als er von Kabul in Richtung Herat unterwegs gewesen sei, aber es sei ihm gelungen, sich zu verteidigen. Es sei ein Reisender gewesen, genaueres wisse er auch nicht über ihn. Er habe sich wegen dieses Vorfalls nicht an die Behörden gewandt, weil ihm die Sache unangenehm gewesen sei, aber seither habe er ein schlechtes Bild von Afghanistan. Er sei bei den Behörden gewesen wegen seinem Reisepass und Visum, dort seien ihm Drogen angeboten worden. Er habe also keine guten Erinnerungen an Afghanistan.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens erließ das BFA am 13.02.2017 einen Bescheid (Zl. XXXX ), mit dem es den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten Asyl gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status des subsidiären Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abwies (Spruchpunkt II.), ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilte, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 erließ, gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellte, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und feststellte, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde und führte darin aus, er habe für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan die konkrete Befürchtung, aufgrund seiner Ausbildung zum Ingenieur ins Visier der Taliban zu geraten. Viele Ingenieure würden von den Taliban entführt, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Zudem gehöre er der sozialen Gruppe jener Personen an, welche großteils im Iran aufgewachsen seien.

Anlässlich einer vom Bundesverwaltungsgericht anberaumten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 12.10.2017 wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des Beschwerdeführers und Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Behörde und den Akt des Bundesverwaltungsgerichts. Der Beschwerdeführer wiederholte im Wesentlichen seine bis dahin im Verfahren gemachten Angaben. Nach Abschluss der Schule im Iran sei er im Jahr 2005 wegen dem Studium nach Afghanistan gegangen, wo er sich eineinhalb Jahre aufgehalten habe. Er habe zwar einen Studienplatz an der Universität Herat erhalten, aber nicht in dem von ihm bevorzugten Studienzweig. Im Iran habe er immer wieder gehört, dass junge Afghanen, die im Iran ihre Schule oder ihr Studium abgeschlossen haben, in der Heimat willkommen seien und dass man ihnen Arbeits- und Studienmöglichkeiten anbieten würde; aber als er in die Heimat zurückgekehrt sei, sei es nicht so gewesen wie er es sich vorgestellt und erwartet habe. Er sei nach Kabul gegangen und habe versucht, über das Ministerium für höhere Berufsbildung den Wechsel seines Studienzweigs zu seinem gewünschten Studienzweig zu veranlassen. Das sei leider nicht möglich gewesen, und er sei zurück in den Iran gereist. Dort habe er die Aufnahmeprüfung für die Universität abgelegt, sei dort auch aufgenommen worden.

Mit Schreiben vom 25.10.2017 erstatteten der Beschwerdeführer und seine Mutter eine schriftliche Stellungnahme zu den seitens des Bundesverwaltungsgerichts herangezogenen Länderberichten.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.04.2018, XXXX , wurde die gegen den Bescheid des BFA vom 13.02.2017, Zl. XXXX erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.06.2018, XXXX , zurückgewiesen.

1.2 Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz:

Am 07.08.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag bei der PI XXXX , Fremdenpolizei AGM einer niederschriftlichen Befragung unterzogen. Dabei gab er, zu seinen Fluchtgründen befragt, an, dass er in Afghanistan gegen seinen Willen mit einer Frau verheiratet worden sei, deren Familie streng religiös sei. Er sei aber damals bereits ohne Religionsbekenntnis gewesen. Er habe keine Wahl gehabt, er habe sie heiraten müssen, da dies bereits nach seiner Geburt beschlossen worden sei. Den Vater seiner Frau habe es gestört, dass der Beschwerdeführer nicht streng gläubiger Moslem sei. Sein Schwiegervater habe gemeint, dass der Beschwerdeführer eine Schande für ihn darstelle. Er habe dann deshalb einen Streit mit seiner Ehefrau gehabt. Da ihn sein Schwiegervater mit dem umbringen bedroht habe, sei er aus Herat weggelaufen. Seine Familie habe zu diesem Zeitpunkt bereits im Iran gelebt. Der Schwiegervater habe die Familie des Beschwerdeführers angerufen und sie und den Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht. Der Beschwerdeführer habe auch nicht mehr in Herat bleiben können, da der Schwiegervater überall nach ihm gesucht habe und ihn habe umbringen wollen. Deshalb habe der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen. Als Beleg für seine Behauptungen legte der Beschwerdeführer eine (schlechte) Kopie einer Heiratsurkunde vor. Die nunmehr angegebenen Fluchtgründe habe der Beschwerdeführer in seinem ersten Asylverfahren nicht genannt, weil er sie nicht nachweisen habe können. Nun liege ihm jedoch seit eineinhalb Monaten die Heiratsurkunde vor, sodass er jetzt einen neuerlichen Asylantrag stelle.

Am 14.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer schriftlich mitgeteilt, dass das BFA beabsichtige, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Am 05.09.2018 wurde der Beschwerdeführer beim BFA einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, seine afghanischen Schwiegereltern seien ebenso wie die Bevölkerung sehr gläubig gewesen, während er selbst aber keinen Glauben gehabt habe. Das habe keiner gewusst, aber in der Zeit des Ramadan sei es aufgefallen, dass er nicht gebetet und gefastet habe. Es habe Diskussionen mit seiner Frau und seinen Schwiegereltern gegeben, und seine Schwiegereltern hätten ihm gesagt, wenn die Leute wissen, dass er nicht bete und faste, wäre das eine Schande für seine Schwiegereltern. Eines Abends habe es einen Streit mit seiner Ehefrau gegeben, nach welchem der Beschwerdeführer in der Wohnung Möbel zerstört habe. Seine Nachbarn hätten davon erfahren, sogar der Dorfmullah habe davon erfahren und habe wissen wollen, ob der Beschwerdeführer "diese Ideologie verbreite an andere", und er habe sich an die Polizei wenden wollen.

Auf die Frage, warum er in seinem ersten Asylverfahren erklärt habe, Moslem zu sein, führte der Beschwerdeführer aus, er habe damals nicht gewusst, dass man offen sprechen kann. Nachdem er 2016 einen Kurs besucht habe, habe er gewusst, dass er frei sprechen könne. Seine Ehe habe er im ersten Verfahren nicht erwähnt, da er keine diesbezüglichen Dokumente gehabt habe und daher nicht hätte sagen können, dass er verheiratet ist. In der Einvernahme vor dem BFA bekräftigte der Beschwerdeführer nochmals, dass sich seit der rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren nichts Wesentliches in seinem Leben geändert habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.01.2019, Zl. XXXX , wurde der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.08.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI).

Begründend wurde zu den Spruchpunkten I. und II. ausgeführt, dass das BFA in einer Zusammenschau des gesamten vorliegenden Sachverhalts aufgrund zahlreicher Unstimmigkeiten davon ausgehe, dass die vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen nicht den Tatsachen entsprechen und dass keine Verfolgungsgefahr im Heimatland des Beschwerdeführers bestehe. Selbst bei Wahrunterstellung wären die vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründe (Änderungen / Neuigkeiten Fluchtvorbringen) an sich nicht geeignet, die Gefahr einer Verfolgung im Sinne der GFK, die eine staatliche bzw. vom Staat geduldete Verfolgung voraussetzt, zu begründen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe sei widersprüchlich, und es liege auch eine Steigerung des Fluchtvorbringens vor.

Der lediglich unbegründete Austausch des verfahrensbegründenden Sachverhaltes vermöge per se keine Verpflichtung zu einer abermaligen inhaltlichen Auseinandersetzung im Rahmen eines zweiten Rechtsganges zu begründen. Durch den normierten Grundsatz "nie bis in idem" solle eine nochmalige Auseinandersetzung mit einer bereits entschiedenen, abgehandelten Sache, abgesehen von den Fällen der §§ 68 Abs. 2 bis 4, § 69 und § 71 AVG nicht erfolgen. Gegenüber dem Vorverfahren habe sich offensichtlich nichts geändert.

Zur Lage in Afghanistan ergebe sich aus den herangezogenen Länderinformationen, auch unter Berücksichtigung von aktualisierten Versionen des im Erstverfahren verwendeten Quellenmaterials, dass es in der Zeit seit dem ersten Verfahren zu keiner maßgeblichen Änderung der Lage in Afghanistan gekommen sei, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers als unmöglich erscheinen lasse.

Somit sei seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (Erkenntnis vom 03.04.2018, XXXX ) weder hinsichtlich der geltend gemachten Fluchtgründe noch hinsichtlich der privaten Situation des Beschwerdeführers noch hinsichtlich der zu berücksichtigenden Verhältnisse im Herkunftsstaat eine wesentliche Änderung eingetreten. Daher war handle es sich letztlich um eine bereits entschiedene Sache, sodass der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei.

Gegen den Bescheid des BFA vom 09.01.2019, Zl. XXXX , erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23.01.2019, vertreten durch RA Dr. Helmut XXXX , wegen behaupteter Gesetzeswidrigkeit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Begründend brachte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nach einer kurzen Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges vor, er könne nun Beweismittel vorlegen, dass ihm im Falle der Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr drohe, verfolgt zu werden. Im Jahr 2015 habe er dieses Fluchtvorbringen nicht vorbringen können, weil er keine Beweismittel gehabt habe und die Angst gehabt habe, dass niemand ihm glauben werde, ohne etwaige Beweismittel vorzulegen. Deswegen habe er sich entschlossen, einen Folgeantrag zu stellen. Der Entscheidung des BFA, den Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer erstmals im Asylverfahren in Österreich vorgebracht habe, mittlerweile keine Religion mehr zu haben und vom Islam abgefallen zu sein. In seinem ersten Verfahren habe er ständig Zweifel an seiner Religion gehabt, habe allerdings nicht gewusst, dass man ohne Religion leben kann. Einige Tage nach der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht habe er einen Herrn Wolfgang kennengelernt, der ebenfalls ohne Religion lebe. Dieser habe dem Beschwerdeführer gezeigt, dass es möglich ist, ohne Glaubensbekenntnis zu leben. Seither sei er immer mehr vom Islam abgefallen. Er bete nicht mehr und halte die islamischen Glaubensregeln nicht mehr ein. Im Vergleich zu seinem ersten Asylverfahren sei dies keine entschiedene Sache, über die die österreichischen Asylbehörden bzw. Gerichte entschieden hätten. Bereits aus diesem Grund hätte das BFA nach Ansicht des Beschwerdeführers eine inhaltliche Entscheidung treffen müssen. Die Bekanntgabe von Beweismitteln zu der Tatsache, dass er vom Islam abgefallen sei, behalte sich der Beschwerdeführer ausdrücklich vor.

Jedenfalls hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers das BFA seinen Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht wegen entschiedener Sache zurückverweisen (sic!) dürfen. Erst am 30.08.2018 seien UNHCR Richtlinien zu Afghanistan erschienen, aus denen nun hervorgehe, dass Kabul keine innerstaatliche Fluchtalternative mehr darstelle. Dies widerspreche eindeutig den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach eine Abschiebung nach Kabul zulässig wäre. Auch habe das BFA es unterlassen, zu überprüfen, wie der Beschwerdeführer in die vermeintlich sicheren Regionen, wie z.B. Herat oder Mazar, gelangen könne, ohne dass er in eine existenzbedrohende Situation gerate. Das sei ein wesentlicher Punkt, der nach seinem Verfahren aufgetreten sei, weshalb die Entscheidung, es handle sich um eine entschiedene Sache, nicht nachvollziehbar sei.

Außerdem habe sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers mittlerweile auch sehr verschlechtert. Er habe unerträgliche Bauchschmerzen und auch psychische Probleme. Er stelle daher den Antrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens. Sein Gesundheitszustand werde es ihm nicht erlauben, ein zumutbares Leben in Afghanistan zu führen.

Zuletzt werde noch darauf verwiesen, dass die Integration des Beschwerdeführers in Österreich sehr vorbildlich sei. Er spreche sehr gut Deutsch und werde bald die B1-Prüfung absolvieren. Er ersuche daher das Bundesverwaltungsgericht, ihm im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Gelegenheit zu geben, seine Integration in das österreichische Bundesgebiet unter Beweis zu stellen. Weitere Beweismittel behalte sich der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer ausdrücklich vor.

Schließlich führt der Beschwerdeführer noch aus, der sofortige Vollzug des angefochtenen Bescheides sei für ihn mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden, da ihm die Abschiebung nach Afghanistan drohe. Er sei dabei der Gefahr ausgesetzt, in eine existenzbedrohende Situation zu geraten. Diesen Tatsachen stünden öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in keiner Weise entgegen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seien daher erfüllt. Zur Wahrung seiner rechtlichen Interessen stelle der Beschwerdeführer daher den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

2 Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1 Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der vom Beschwerdeführer gestellten Anträge auf internationalen Schutz, der Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie durch das BFA, aufgrund des Bescheides vom 09.01.2019 und der dagegen erhobenen Beschwerde vom 23.01.2019 sowie der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt und in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1.1 Zum Verfahrensgang:

Der Ablauf des Verfahrensganges wird festgestellt, wie er oben unter Punkt 1. wiedergegeben ist.

2.1.2 Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX und ist am XXXX geboren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an schweren psychischen Störungen und/oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leidet.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus Herat, Distrikt XXXX , Dorf XXXX . Sie verließen ca. 1991 Afghanistan und lebten seitdem im Iran. Dennoch behauptet der Beschwerdeführer (Geburtsdatum XXXX ), im Iran geboren zu sein. Dort besuchter er elf Jahre lang die Schule und hielt sich daraufhin eineinhalb Jahre in Herat auf. Nach seiner Rückkehr in den Iran besuchte er fünf Jahre lang die Universität und schloss ein Bachelorstudium im Bauwesen ab. Sowohl im Iran als auch in Afghanistan (Herat) leben Verwandte des Beschwerdeführers, zu denen ein regelmäßiger Kontakt besteht.

Der Beschwerdeführer lebt seit (spätestens) 24.06.2015 in Österreich, ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 abgelegt und nahm an einem Werte- und Orientierungskurs teil. Der Beschwerdeführer war ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig, ist dort auch Mitglied und besuchte im Schuljahr 2016/17 die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule in Waidhofen an der Ybbs. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich mit seiner Mutter (deren neuerlicher Asylantrag ebenso wie der des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde) und seiner Schwester zusammen. Ansonsten hat der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten.

Festgestellt wird, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seines nunmehrigen zweiten Antrages auf internationalen Schutz vom 07.08.2018, soweit es sich auf eine vermeintliche Bedrohung durch seinen Schwiegervater bezieht, um einen Umstand handelt, der vom Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt seines ersten, mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens vorgebracht hätte werden können.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz kann ebensowenig festgestellt werden wie eine maßgebliche Änderung der vom Beschwerdeführer bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe und der im Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des ersten Asylverfahrens vorliegenden Umstände. Fluchtgründe, welche erst nach Abschluss des ersten Asylverfahrens eingetreten wären, hat der Beschwerdeführer im Folgeverfahren bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorgebracht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlag entzogen wäre. Der Beschwerdeführer leidet an keiner zwischenzeitlich aufgetretenen lebensbedrohlichen oder im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Krankheit.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

Soweit im vorliegenden Verfahren in der Beschwerde zum ersten Mal eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers vorgebracht wird, ist an dieser Stelle festzuhalten, dass aus rechtlichen Gründen (siehe dazu die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung) auf dieses Vorbringen nicht näher einzugehen ist.

2.1.3 Zur Situation im Herkunftsstaat:

2.1.3.1 Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 23.11.2018:

"[...]

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet.

30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

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Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Sprengoder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen.

Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018). Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

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Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demonstration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018:

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Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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