TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/21 W247 2172760-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8 Abs2
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

1.) W247 2172757-1/13E

2.) W247 2172763-1/13E

3.) W247 2172760-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ukraine, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.09.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF., als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.09.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF., als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Ukraine, gesetzlich vertreten durch XXXX, dieser vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.09.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF., als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die beschwerdeführenden Parteien sind ukrainische (BF1 und BF3) bzw. armenische (BF2) Staatsangehörige und der ukrainischen (BF1 und BF3) bzw. der armenischen (BF2) Volksgruppe zugehörig, sowie ohne religiöses Bekenntnis. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind miteinander verheiratet und Eltern der drittbeschwerdeführenden Partei (BF3). Der BF1 ist gesetzlicher Vertreter des minderjährigen BF3.

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF2) reisten spätestens am 06.12.2015 mittels in der Ukraine ausgestellter österreichischer Schengenvisa in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 11.12.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen der BF1 und die BF2 am 13.12.2015 vor der Landespolizeidirektion XXXXerstbefragt wurden. Nach Zulassung ihrer Verfahren wurden die Genannten am 07.09.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX, jeweils im Beisein eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Der BF3 wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter am 13.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.1. Der BF1 brachte im Rahmen seiner Erstbefragung vor, dass er in XXXX/Turkmenistan geboren wäre und in Kiew gelebt habe. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er an, dass er in seiner Heimat vom SBU (= ukrainischer Geheimdienst) mit seiner Verhaftung bedroht worden sei. Er habe die Separatisten in der Ukraine unterstützt, sie mit Essen und anderen Paketen versorgt, deren Inhalt ihm unbekannt gewesen sei. Er habe sie mit seiner Transportfirma unterstützt. Das sei aber von der Regierung verboten gewesen. Er sei gezwungen worden, vor dem SBU ein Geständnis abzulegen und zu unterschreiben, dass er mit den Separatisten zusammenarbeite, sonst würde ihn der SBU verhaften. Er sei 3 Tage in Haft gewesen. Von seiner Schwiegermutter habe er erfahren, dass ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Im Falle der Rückkehr in seine Heimat habe er Angst, dass ihm seine Freiheit weggenommen werde und er ins Gefängnis komme.

2.2. Die BF2 brachte im Rahmen ihrer Erstbefragung vor, dass sie in XXXX/Armenien geboren wäre und zuletzt in Kiew gelebt habe. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab sie an, dass ihr Mann bedroht worden sei und jederzeit ins Gefängnis kommen könne. Wenn sie im Heimatland geblieben wären, hätte sie sicher auch Probleme bekommen. Aber sie wolle natürlich mit ihm zusammenbleiben. Das seien ihre Asylgründe. Im Falle der Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst um ihr Leben und das Leben ihres Mannes.

3.1. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 07.09.2017 gab der BF1 auf die Frage nach seinen Fluchtgründen zusammenfassend an, dass er die Ukraine verlassen habe, da er Angst gehabt hätte, dort ins Gefängnis zu kommen, da man seine Tätigkeit als Hilfeleistung für die Separatisten ausgelegt habe und er damit kategorisch nicht einverstanden sei. Außerdem habe man ihm erklärt, dass es seit 2015 ein Embargo auf Lebensmittel in den Gebieten gebe, in denen Antiterroroperationen durchgeführt würden. Er habe Lebensmittel in die Gegend von Gorlovka in der Volksrepublik Donezk geliefert und freiwillige Spenden als freiwilliger Helfer. Er habe dies getan, um Leuten zu helfen und Geld zu verdienen. Man brauche dort niemanden zu kennen, man könne dort Lebensmittel verkaufen und bessere Preise erzielen. Der SBU habe ihm unterstellt, dass er für Separatisten Hilfe leiste. Er sei auf den BF1 aufmerksam geworden, als der BF1 von XXXX nach XXXX gefahren sei. Er sei im Oktober 2015 an einem Wachposten angehalten worden und habe man den Inhalt des LKW kontrolliert. Das Auto sei ausgeladen und die Fracht konfisziert worden. Er sei auf ein Verhör auf die Wache mitgenommen worden, wo er 3 Tage geblieben wäre. Der BF1 sei nach der Kontrolle des LKW nach Kiew gebracht worden, wo er im Büro des SBU angehalten worden wäre. Er sei gezwungen worden, ein Papier zu unterschreiben, dass er mit ihnen zusammenarbeiten solle. Ebenso hätte er all seine Gehilfen und Komplizen verraten sollen. Der BF habe nicht gewusst weshalb er freigelassen worden sei, entweder wegen der Unterschrift oder wegen des Anrufes eines Freundes, der beim Fernsehen arbeitet. Von der Zeit seiner Anhaltung im Oktober 2015 bis zu seiner Ausreise habe er weitergearbeitet. Im Jahr 2005 bzw. 2006 habe es einen weiteren Vorfall mit dem Geheimdienst gegeben, als er als Taxifahrer gearbeitet habe. Dieser Vorfall habe aber mit dem Fluchtgrund des BF1 nichts zu tun. Er habe in der Nacht einen Anruf bekommen, dass er als Zeuge zu einer Polizeiwache kommen solle. Es sei zu einem Mord gekommen, worin man ihn verwickeln habe wollen. Dadurch, dass sein Vater gute Kontakte zur Oberstaatsanwaltschaft gehabt hätte, sei er aber freigekommen. Als er bereits in Österreich gewesen sei, habe ihn seine Schwiegermutter weiters darüber informiert, dass Männer bei ihr gewesen seien, die nach ihm gesucht hätten. Sie hätten die Marke des SBU gezeigt und gesagt, dass eine Strafsache gegen ihn laufen würde. Auch sei er regelmäßig von Mitarbeitern der Abteilung für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens aufgesucht worden und wäre er beschuldigt worden, ohne Lizenz zu arbeiten. Er habe jedoch keine Lizenz gebraucht.

3.2. Die BF2 gab im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem BFA am 07.09.2017 zusammengefasst an, dass sie aus der Ukraine ausgereist seien, da ihrem Mann Gefahr gedroht habe. Er sei bedroht worden. Er habe etwas unterschrieben und sei dann freigelassen worden. Die BF2 habe den oder die Bedroher nicht gesehen, das sei alles in ihrer Abwesenheit passiert. Sie sei da gerade zu Hause gewesen. Ihr Mann habe ihr keine Einzelheiten erzählt. Sie wüsste nur in groben Zügen, was passiert sei. Er habe einige Lebensmittel Richtung Osten transportiert. Er habe jemanden kennengelernt und offensichtlich jemandem helfen wollen, da er immer jemandem helfen wolle. Er sei, nachdem er festgehalten worden sei, zurückgekommen und habe nichts erzählen wollen, habe immer Angst gehabt. Ihr Mann habe ihr gesagt, dass sie fliehen müssten, da sie sonst ins Gefängnis komme würden. Er sei 4 Tage nicht zu Hause gewesen. Er sei in einem Raum gewesen und wäre er dort geschlagen und gefoltert worden. Ihr Mann habe ihr nichts Genaues verraten, da sie nichts für sich behalten könne. Sie wisse nur, dass ihr Mann mit diesem Bekannten nach XXXX gefahren sei, über XXXX. Ihr Mann habe öfter solche Lebensmitteltransporte durchgeführt, 3 oder 4 Mal. Er habe etwas verdienen und gleichzeitig den Leuten im Osten helfen wollen. Sie wüsste nicht, ob es dafür einen Vertrag gegeben habe. Während sie bereits in Österreich gewesen seien, habe ihre Mutter ihnen mitgeteilt, dass Männer zu ihr gekommen wären und nach ihrem Mann gefragt hätten. Die Schlüssel vom Haus wären der Mutter gegeben worden, damit sie die Katze füttern kann und die Schlüssel des Geschäfts habe der Bruder erhalten. Auch ins Geschäft seien Leute gekommen, die nach dem BF1 fragen würden. BF2 sei überzeugt, dass auch sie früher oder später verfolgt worden wäre. Sie glaube, dass die Leute vom SBU gewesen seien, wisse es aber nicht.

Der minderjährigen BF3 wurde aufgrund seines kindlichen Alters nicht niederschriftlich einvernommen.

Es wurden seitens der Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Beschwerden geltend gemacht.

Die Beschwerdeführer brachten erstinstanzlich folgende Dokumente/Unterlage in Vorlage:

* Diplome betreffend den BF1

* Inlandspässe des BF1 und der BF2

* Abschlusszeugnis des BF1

* Tschernobylausweis des BF1

* Geburtsurkunden des BF1 und der BF2

* Heiratsurkunde

* Führerschein des BF1

* Konvolut an Fotos

* Arbeitsbuch

* Bestätigung über internationale Transporte

* ÖSD Zertifikat Deutsch A2 des BF1 vom 12.12.2016

* Teilnahmebestätigung der "XXXX" vom 18.03.2016 betreffend den BF1 bezüglich des Besuches des Sprachkurses "Deutsch -Grundstufe Modul 1"

* Teilnahmebestätigung der "XXXX" vom 21.11.2016 betreffend den BF1 bezüglich des Besuches des Sprachkurses "Deutsch -Grundstufe Modul 2"

* Teilnahmebestätigung der "XXXX" vom 12.06.2017 betreffend den BF1 bezüglich des Besuches des Sprachkurses für Fortgeschrittene

* Diverse Empfehlungsschreiben

4.1. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde (BFA) vom 22.09.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine (BF1 und BF3) bzw. Armenien (BF2) abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine (BF1 und BF3) bzw. Armenien (BF2) zulässig ist (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

4.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat und führte aus, dass die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Furcht vor Verfolgung nicht festzustellen sei. Die Beschwerdeführer hätten in ihrem Vorbringen keine glaubhaften Sachverhalte anführen können, die die Annahme rechtfertigen würden, dass sie in ihrem Herkunftsstaat einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder unmenschlichen Behandlung im Fall einer Rückkehr ausgesetzt wären. Auch aus sonstigen Umständen habe keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer an lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes leiden würden. Der BF1 habe selbst angegeben, seinen Lebensunterhalt in Kiew und XXXX als LKW-Fahrer, Regionalmanager für den Fliesenverkauf, Büromitarbeiter und Selbständiger einer Transportfirma verdient zu haben. Er wäre arbeitsfähig und gesund und sei daher davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt sowie den seiner Familie sichern könnte. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer in der Ukraine bzw. in Armenien einer realen Gefahr des Todes, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung oder der Gefahr der Folter ausgesetzt wären bzw. ihr Leben auf sonstiges Weise gefährdet sei. Sie hätten keine Verwandten oder sonstige Angehörigen in Österreich. Die Abschiebung die BF2 betreffend beziehe sich aufgrund ihrer armenischen Staatsangehörigkeit auf Armenien, jedoch stehe es dieser frei, gemeinsam mit dem BF1 und dem BF3 in die Ukraine zu reisen, da sie dort aufenthaltsberechtigt wäre. Die Beschwerdeführer würden von der Grundversorgung leben und wären sie nicht selbsterhaltungsfähig. Es sei festzustellen, dass die Beschwerdeführer in Österreich Deutschkurse absolviert hätten. Der BF1 habe einen in Österreich gültigen Führerschein. Die Beschwerdeführer seien in Österreich strafrechtlich unbescholten.

4.3. Beweiswürdigend führte das BFA in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer nicht glaubwürdig wäre. So wäre unglaubwürdig, dass der BF1 Lebensmitteltransporte in die Ostukraine durchgeführt hätte, da ihm bewusst gewesen sei, dass niemand in dieses Gebiet etwas transportieren dürfe und es überall Kontrollen geben würde. Auch sei die geschilderte Anhaltung äußerst dubios und nicht nachvollziehbar vorgebracht worden, da der BF1 angegeben habe, zwischen XXXX 3 Tage lang angehalten worden zu sein, aber nach den 3 Tagen der Anhaltung 800 km entfernt in Kiew das Büro des SBU verlassen zu haben. Auch sei der BF1 den Fragen des Referenten ständig ausgewichen und habe er keine eindeutigen Antworten geben können bzw. wollen. Er habe so etwa nicht plausibel angeben können, wie er nach Kiew gekommen sei. Auch seien die Angaben zu den Fluchtgründen unglaubhaft, da der BF1 behauptet habe, dass er zwischen der Anhaltung und seiner Ausreise ganz normal seiner Arbeit nachgehen habe können. Wäre der BF1 tatsächlich von einer staatlichen Behörde bedroht worden, hätte er nie ein Visum erhalten und legal ausreisen können. Auch die BF2 habe zu den Fluchtgründen des BF1 nichts Genaues sagen können und wäre sie den Fragen des Referenten ausgewichen. Insgesamt betrachtet sei das Vorbringen der Beschwerdeführer völlig unglaubwürdig. Konkrete glaubwürdige Anhaltspunkte für persönliche oder staatliche Verfolgungshandlungen hätten dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht entnommen werden können.

4.4. Die Beschwerdeführer vermochten nicht darzulegen, dass ihnen im Falle ihrer Rückkehr in die Ukraine (bezogen auf den BF1 und den BF3) bzw. Armenien (bezogen auf die BF2) die Lebensgrundlage entzogen wäre. Außerdem hätten sie im Falle ihrer Rückkehr die Möglichkeit, sich an eine der zahlreichen NGO's im Hinblick auf Unterstützung zu wenden.

4.5. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätten. Es sei nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet der Ukraine bzw. von Armenien einer realen Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 3 EMRK ausgeliefert seien.

4.6. Demnach - so die belangte Behörde - könnten die von den Beschwerdeführern behaupteten Fluchtgründe nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus deren Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Die Beschwerdeführer seien erst relativ kurz in Österreich. Die Beschwerdeführer hätten Deutschkurse besucht und habe der BF1 den Führerschein in Österreich gemacht. Eine Integration am Arbeitsmarkt bestehe nicht. Es würden keine privaten Bindungen in Österreich bestehen. Im gegenständlichen Fall sei der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich durch die Stellung von - letztlich unbegründeten - Asylanträgen begründet. Die Beschwerdeführer hätten somit nie Aufenthaltstitel gehabt, die auf einen gesicherten Aufenthalt in Österreich schließen lassen hätten können. Die beabsichtigte Abschiebung der Beschwerdeführer würde nicht in ihr Familienleben untereinander eingreifen, da sie wenn gemeinsam durchgeführt würde. Weiters verfolge diese das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung eines geordneten Fremdenrechts. Da den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel ausberücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt würde und eine Rückkehrentscheidung zulässig sei, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 22.09.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Mit für alle Beschwerdeführer gleichlautendem Schriftsatz vom 02.10.2017 wurde durch ihren Rechtsberater für alle Beschwerdeführer Beschwerde gegen die gegenständlichen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich aller Spruchpunkte eingebracht. Begründend wurde von Beschwerdeseite im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb ihrem Vorbringen keine Asylrelevanz geschenkt werde. In casu habe die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht gravierend verletzt. Die Angaben des BF1 seien nachvollziehbar, konsistent und in keiner Weise widersprüchlich. Wenn ihm etwa die belangte Behörde entgegenhalte, dass die Beantragung eines Visums, wenn man staatlich verfolgt würde, unglaubwürdig sei, so sei dem zu entgegnen, dass sie die Visa wegen eines geplanten Schiurlaubs in Österreich bereits zu einem Zeitpunkt beantragt hätten, als noch keine Verfolgungshandlungen stattgefunden hätten. Dass ihre Ausreise möglich gewesen wäre, liege an der mangelnden Vernetzung der verschiedenen ukrainischen Regierungsbehörden. Aus dem Vorbringen des BF1 ergebe sich, dass er in seinem Heimatland aus politischen Gründen verfolgt werde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gebe es nicht, da es sich um Verfolgung durch eine staatliche Behörde handle. Insbesondere im Hinblick auf die BF2 hätte die Gewährung subsidiären Schutzes in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Armenien geprüft werden müssen, da die belangte Behörde diesfalls erkannt hätte, dass eine Abschiebung sie in ihren Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK verletzen würde. Sie habe seit dem Kleinkindalter nicht mehr in Armenien gelebt und verfüge dort über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte mehr. Sie würde im Falle einer Abschiebung nach Armenien in eine lebensbedrohliche Situation geraten. Der BF1 und die BF2 seien nachweislich knapp seit 2 Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig und hätten sie schon vielfältige Kontakte in Österreich geknüpft. Der BF3 sei sogar in Österreich geboren. Die Beschwerdeführer seien bestrebt, in Österreich ein Leben ohne staatliche Unterstützungsleistungen aufzubauen. Zu berücksichtigen sei weiters, dass die BF2 im Falle ihrer Abschiebung nach Armenien in ihren Rechten gemäß Art. 8 EMRK verletzt würde, da sie dadurch von ihrem Ehemann und ihrem Kind getrennt würde. Die Beschwerdeseite beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen und den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft zusprechen, 2.) in eventu subsidiären Schutz gewähren, 3.) in eventu die Rückehrentscheidungen als unzulässig aufheben und den Beschwerdeführern einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen.

7. Die Beschwerdevorlagen vom 04.10.2017 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 09.10.2017 ein.

8. Mit Schriftsatz vom 21.08.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern aktuelle Feststellungen zur Situation in der Ukraine (Länderinformationsblatt Ukraine vom 26.07.2017) und wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, dazu bis 14.09.2018 einlangend Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern die Ladung für die am 21.09.2018 anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

9. Am 21.09.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung eines Dolmetschers für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

[...]

RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Ukraine an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise aufgehalten haben.

BF1: Ich heiße XXXX,XXXX ist mein Vatername, bin am XXXX geboren. Ich wurde in der Stadt XXXX in Turkmenistan, geboren. Als ich geboren wurde, hat es noch die Sowjetunion gegeben. Damals hieß es Turkmenische-Sowjetische-Sozialistische Republik. Ich habe die ukrainische Staatsbürgerschaft. Bis zu meiner Ausreise habe ich mich in der Stadt Kiew, XXXX aufgehalten.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF1: Ukraine.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF1: Nein. Ich bin ohne religiöses Bekenntnis.

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Ukraine, welche Ihre Identität beweisen?

BF1: Ja. Mein Pass sollte sich in meinem Akt befinden. Ich habe auch einen österr. Führerschein vorgelegt. Mein ukrainischer Führerschein wurde hier vom Ministerium überprüft und ich habe hier alle Gruppen, außer Bus, bekommen.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie abgeschlossen? Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt?

BF1: Ich habe die Grundschule besucht und zwar 10 Jahre lang. Nach der Schule habe ich ein Bautechnikum besucht. Parallel habe ich am Abend eine Fahrschule besucht. Das war keine gewöhnliche Fahrschule, wo man nur den B-Führerschein macht, das war eine Berufsfahrschule. Nach dem Abschluss des Bautechnikums bin ich arbeiten gegangen. Zuerst habe ich als einfacher Arbeiter auf Baustellen gearbeitet. Dann habe ich als Meister gearbeitet. Das ist so wie hier ein Bauleiter, ein Helfer vom Bauleiter. Ich habe die Schule 1993/94 abgeschlossen und das fiel zeitlich mit dem Zerfall der Sowjetunion zusammen. Offiziell wurden deswegen sehr niedrige Gehälter ausbezahlt, auch deswegen, weil ich noch keine große Arbeitserfahrung hatte. Ich wurde dann, auf Anraten eines Bekannten selbständig, das war damals Mode, dass man Privatunternehmer wird. Das war auch zu meinen Gunsten. Parallel habe ich Schuhe auf dem Markt verkauft. Die Schuhe haben wir aus Polen gebracht. Dann habe ich einen Mann kennengelernt, in der Firma hat auch meine Schwester gearbeitet. Die Firma heißt XXXX. Man hat mir dann nämlich den Rat gegeben, dass es trotzdem besser ist, offiziell zu arbeiten, besser als ein Privatunternehmer auf dem Markt. Abgesehen davon, war die Tätigkeit gut bezahlt, weil ich einen professionellen Führerschein hatte und die Arbeit mit Geschäftsreisen verbunden war.

RI: Wie hieß Ihr Unternehmen, das Sie gegründet haben und was haben Sie da gemacht?

BF1: Damals habe ich Schuhe verkauft. Das war meine selbständige Tätigkeit.

RI: Dann haben Sie nebenbei bei der Firma XXXX gearbeitet?

BF1: Ich wollte parallel arbeiten, aber das ist mir nicht gelungen. Deshalb musst ich meine selbständige Tätigkeit beenden und nur mehr bei XXXX arbeiten.

RI: Wann haben Sie Ihre Selbständigkeit aufgegeben und bei XXXX sind eingestiegen?

BF1: Das war 2001. Das bestätigen auch die von mir vorgelegten Dokumente. Ich habe meinen alten Auslandspass vorgelegt. In diesem wurden alle Grenzüberquerungen vermerkt. Abgesehen davon gibt es auch noch mein Arbeitsbuch, wo die entsprechenden Einträge vorhanden sind.

RI: Was haben Sie bei der Firma XXXXT gemacht?

BF1: Ich saß am Steuer und habe aus Polen und der Slowakei Sanitärzubehör transportiert. Ich war Spediteur und Fahrer in einem. Alle Begleitdokumente wurden daher auf mich ausgestellt, aber ich war bei der Fa.XXXXangestellt. Dann habe ich den Leiter des Departements für Verkaufsangelegenheiten kennengelernt. Es hat nämlich sehr viele Beschwerden gegeben, dass die Waren beschädigt ankommt. Es war so, dass wir mit einem vollen LKW von einer Ortschaft zur anderen gefahren sind und erst mit dem leeren LKW sind wir in die Slowakei gefahren. Weil die Straßen in der Ukraine so schlecht waren. Deswegen wurde eine Überprüfung durchgeführt wer Schuld ist, der Fahrer oder die Produzenten in der Slowakei.

RI: Diese Erzählung hat nichts mit der eigentlichen Fluchtgeschichte zu tun. Bitte antworten Sie überblicksmäßig zu den Arbeitserfahrungen.

BF1: Das ist deswegen von Bedeutung, weil ich den Leiter des Departements kennengelernt habe und er mich gefragt hat, warum ich als Fahrer arbeite. Er hat mir gesagt, dass ich im Departement arbeiten könnte und ich deswegen mit meinem Wirtschaftsstudium begonnen habe.

RI: Erklären Sie mir überblicksmäßig, wann Sie wo gearbeitet haben, damit wir uns nicht in Details verlieren?

BF1: Nach der Kündigung von der XXXX habe ich als Taxiunternehmer gearbeitet. Ich war damals wieder selbständig und habe mit meinem eigenen Auto gearbeitet. Ich wollte bei der Firma XXXX weiterarbeiten, aber der Mann hatte einen tödlichen Autounfall. Bei uns in der Firma hat es folgendes Prinzip gegeben, dass der Direktor entschieden hat, was die Leute unmittelbar unter ihm zu tun hatten. Sonst haben das dann die Leiter getan. Es wurde ein neuer Leiter bestellt und der hat zu mir gesagt, dass ich dort die Arbeit zu quittieren habe, ich aber wieder als Fahrer arbeiten kann. Im Nachhinein bedauere ich, dass ich nicht gesagt habe, dass ich als Fahrer arbeiten werde. Damals war aber mein Stolz verletzt und ich habe gesagt, dass ich gehe.

RI: Wann haben Sie wieder selbständig als Taxifahrer gearbeitet?

BF1: Das war 2004/2005. 2007 habe ich meine Frau kennengelernt und wir haben beschlossen, unser eigenes Lebensmittelgeschäft aufzumachen. Das war 2008, ein Jahr, nachdem wir uns kennengelernt haben. Wir haben in der Bank einen Kredit aufgenommen. Mir wurde der Kredit auch gerne von der Bank gewährt, weil ich die Ware auf Kredit genommen habe und dann das Geld wieder zurückgegeben habe. Das war 2008. Ich glaube, dass das auch gut ausgegangen wäre, wenn es nicht zu der Situation gekommen wäre, zu der es gekommen ist.

RI: Das heißt von 2008 bis 2015 waren Sie als Lebensmittelhändler tätig?

BF1: Ja, und als Taxifahrer. Ich kann erklären warum. Ich kann erklären, wie man das parallel machen kann. Ich hatte ein bestimmtes Programm auf meinem Handy und konnte mit Hilfe dieses Programmes Aufträge entgegennehmen. Ob das nun ein Auftrag pro Woche war oder mehr, das habe ich entschieden. Deswegen war das möglich.

RI: Wer betreibt das Geschäft jetzt?

BF1: Als wir weggefahren sind, haben wir die Wohnungsschlüssel und die Schlüssel vom Geschäft dem Bruder meiner Frau überlassen. Nachdem wir weggefahren sind, sind Leute in die Wohnung gekommen, in der wir gelebt haben und haben nach mir gefragt. Die Schlüssel waren bei der Mutter von XXXX. Sie hat die Blumen gegossen und hat sich um die Katze gekümmert.

RI: Das heißt, seit Ihrem Weggang aus der Ukraine sind die Schlüssel Ihrer Wohnung bei der Mutter und beim Bruder Ihrer Gattin, stimmt das?

BF1: Ja, ich habe einen Mietvertrag, ich konnte die Wohnung nicht einfach so zurücklassen. Die Wohnung wurde nach unserer Ausreise zurückgegeben, der Mietvertag wurde gekündigt, damit keine weiteren Kosten entstehen.

RI: Was ist mit dem Lebensmittelgeschäft?

BF1: Es ist so, dass ich dieses Geschäft gesetzlich und legal betrieben habe. Es wurde auch registriert. Deswegen ist es bekannt, wo sich das Geschäftslokal befindet. Als die Wohnung zurückgegeben wurde, sind die Leute deswegen zum Geschäft gekommen. Das waren Leute, die nach mir gefragt haben.

RI: Zu Ihren Fluchtgründen kommen wir später. Mir geht es jetzt um folgende Fragen: Wann wurde Ihre Wohnung zurückgegeben und wird das Lebensmittelgeschäft weiterbetrieben?

BF1: Das Geschäft wird nicht weiter betrieben. Der Bruder meiner Frau war nämlich nicht offiziell bei mir gemeldet. Wann die Wohnung zurückgegeben wurde weiß ich nicht mehr genau. Wir sind im Dezember 2015 ausgereist. Ich glaube, dass die Wohnung nach dem neuen Jahr zurückgegeben wurde, das hat mich aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr interessiert.

RI: Haben Sie sich außer an dem von Ihnen angegebenen, letzten Wohnort in der Ukraine auch an einem anderen Wohnort längere Zeit aufgehalten?

BF1: Ich habe zuerst im Elternhaus gelebt. Ich bin dort auch registriert bzw. gemeldet. Bei uns ist da nämlich nicht so, dass man unbedingt dort gemeldet sein muss, wo man gerade lebt. Ich könnte zB in Dnjepr petrovsk leben und trotzdem bei meinen Eltern gemeldet sein.

RI: Wo ist Ihr Elternhaus?

BF1: Die Stadt heißt XXXX und die Straße heißt XXXX.

RI: Wer wohnt dort zur Zeit?

BF1: Niemand lebt dort, weil meine Eltern bereits verstorben sind. Wir haben das Haus nur als Wochenendhaus genutzt. Mein Meldezettel ist aber auf diese Adresse ausgestellt. Bei uns in der Ukraine ist die Praxis auch so, dass, wenn man eine Wohnung mietet, einen der Vermieter niemals anmeldet, dass der Mieter Besitzanforderungen stellen könnte.

RI: Haben Sie sich sonst noch irgendwo, außer den genannten Adressen, wo länger aufgehalten?

BF1: Ich habe mich zum Schluss an der genannten Adresse aufgehalten.

RI: Das heißt, Sie haben sich zuletzt an Ihrer eigenen Adresse bzw. in Ihrem Elternhaus aufgehalten?

BF1: Wir hatten zwischendurch auch andere Wohnungen gemietet. Hier in Österreich ist es so, dass man einen Mietvertrag über ein, zwei oder mehrere Jahre haben kann. Bei uns in der Ukraine ändern sich ständig die Preise, es kann durchaus sein, dass der Vermieter einen wesentlich höheren Mietpreis verlangt, dann sucht man sich eine neue Wohnung.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zur Zeit in der Ukraine und in welcher Stadt?

BF1: Meine Schwester, mein Neffe und meine Tochter aus erster Ehe. Alle leben in Kiew.

RI: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren in der Ukraine lebenden Verwandten? Und wenn ja, wie oft?

BF1: Praktisch nicht.

RI: Auch nicht zu Ihrer Tochter?

BF1: Über Whatsapp habe ich manchmal Kontakt zu meiner Tochter. Wir haben uns getrennt, als sie noch sehr klein war. Einmal in sechs Monaten haben wir Kontakt. Da rufe aber immer ich an, wenn sie abhebt.

RI: Zu Ihrer Schwester haben Sie keinen Kontakt?

BF1: ich habe mit meiner Schwester gestritten, wegen des Todes meiner Mutter. Bei meiner Mutter wurde ein Bauchspeicheldrüsenkrebs entdeckt. Meine Schwester wollte unbedingt, dass sich meine Mutter operieren lässt. Diese Operation haben die Ärzte vorgeschlagen. Das wäre eine Pankreasresektion gewesen und ich habe im Internet gelesen, dass nur 3 Prozent der Personen, die diese Operation durchführen lassen, überleben. Meine Mutter ist am 21. oder 25. Tag nach der OP verstorben. Ich habe keinen Kontakt zu meiner Schwester.

RI: Haben Sie Verwandte, die außerhalb der Ukraine leben und haben Sie Kontakt zu diesen?

BF1: Nein, habe ich nicht. Ich habe keine Verwandten mehr.

RI: Wann haben Sie Ihre Frau geheiratet?

BF1: Für mich war das niemals wichtig, nur die Tatsache, dass man unterschreibt. Es ist beschämend für mich, aber ich kann kein Datum nennen. Ich habe vor mir das Originaldokument liegen, da steht der XXXX.

RI: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

BF1: Am 06. oder 07. Dezember 2015 bin ich nach Österreich gekommen.

RI: Sind Sie oder Mitglieder Ihrer Familie seit Ihrer Ausreise aus der Ukraine wieder einmal in der Ukraine gewesen, sei es auf Besuch oder auf Urlaub?

BF1: Natürlich nicht. Warum bin ich dann geflüchtet, wenn ich dann zurückkehren sollte?

RI: Schildern Sie bitte Ihre Fluchtgründe? Ich ersuche Sie mir ein möglichst klares und stimmiges Bild des Geschehenen zu vermitteln.

BF1: Als ich und meine Frau begonnen haben, unser Lebensmittelgeschäft zu betreiben, begannen die Umstände in der Ukraine, die allen bekannt sind, ich meine die Antiterroroperationen. Als ich als Taxifahrer gearbeitet habe, habe ich einen Mann kennengelernt. Er hat mir eine Zusatzverdienstmöglichkeit vorgeschlagen. Ich habe mich nämlich mit Lebensmitteln beschäftigt und konnte diese zu Großhandelspreisen kaufen. Die Idee war die, dass ich ein großes Auto miete und Lebensmittel in den Osten der Ukraine bringe. Am Beginn des Krieges ist das sogar "in die Mode gekommen", auch wenn es mir bewusst ist, dass das Wort nicht wirklich passend ist. Das Volk war nämlich damals sehr positiv gestimmt, alle waren für Poroschenko und wollten in den Krieg. Vor der Tür des Wehrkommandos standen Freiwillige für den Krieg. Damals war aber noch kein Krieg, das hieß Antiterroroperation. Ich glaube, dass ganz Europa über diesen Begriff lacht. Eine Antiterroroperation betreibt immer ein Spezialtrupp der Polizei aber niemals die Militärangehörigen. Die Leute waren patriotisch gestimmt, wir auch. Abgesehen davon, war das auch eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit.

RI: An wen haben Sie die Lebensmittel verkauft?

BF1: Damals war das überhaupt kein Problem, man konnte zum Markt fahren oder auch jemandem die Ware zum Großhandelspreis verkaufen. Poroschenko hat gemeint, dass das unsere Leute sind, aber sie wurden trotzdem vom Rest der Ukraine abgeschnitten. Dann hat man den Leuten sogar keine Pensionen mehr ausbezahlt.

RI: Sie sprechen von den Leuten in Donezk und den Krisengebieten?

BF1: Ja. Worin besteht meine Gesetzesverletzung? Als Privatunternehmer konnte ich Lebensmittel kaufen. Ich kann sie zB in XXXX kaufen und sie in XXXXg verkaufen. Das ist doch kein Problem? Mir wurde jedoch erklärt, dass ein bestimmtes Embargo besteht. Das heißt, dass ich auf diesem "okkupierte Territorium" keine Ware verkaufen darf. Ich hätte die Ware nicht einmal hinbringen können, abgesehen davon, dass ich sie nicht verkaufen hätte dürfen. Es gibt zwar keine Grenzen, aber es standen überall Kontrollposten. Es handelte sich nicht um Drogen, nicht um Überschreitung von Grenzen. Es waren nur Lebensmittel.

RI: Wann wurden Sie erstmalig über das Bestehen des Embargos aufgeklärt?

BF1: Als ich aufgehalten wurde. Bei uns im Land ist die Situation so, dass man die Miliz und Polizei lediglich dazu geschaffen hat, um Geld zu verdienen. Ich lebe in Österreich seit drei Jahren und wurde nur einmal von der Polizei kontrolliert, das ist in der Ukraine undenkbar. Die Kontrolle in Österreich bestand auch nur darin, dass die Polizisten mich gebeten haben, das Fenster herunterzulassen und kontrolliert haben, ob das Kind angegurtet ist. Ich möchte auch noch sagen, dass das nicht mein Auto ist, sondern das Auto einer österreichischen Familie, bei der wir leben.

RI: Wenn Sie, wie Sie vorher gesagt haben, regelmäßig von der Polizei kontrolliert wurden bei Ihren Fahrten in Donezk, wurde Ihnen da niemals zuvor gesagt, dass Sie keine Lebensmittel dorthin bringen und verkaufen dürfen?

BF1: Bis zu meiner Festnahme habe ich die Lebensmittel zwei Mal dorthin gebracht. Es war das dritte Mal. Gewöhnlich ist es so, wenn man etwas macht, das man nicht hätte tun sollen, wenn man alkoholisiert am Steuer ist, oder illegale Sachen über die Grenze transportiert, dann geht es nur um die Summe. Man kann immer eine Vereinbarung treffen. Man muss an den Kontrollposten immer bezahlen, auch wenn alles in Ordnung ist, weil man sonst etwas sucht und findet, wofür man bezahlen muss. Die Polizisten bekommen eine Aufgabe, zB 10 betrunkene Fahrer anzuhalten, das ist nur ein Beispiel. Es ist so, dass man eine gewisse Anzahl von Personen an der Grenze anhalten soll. Das ist eine Show für die Vorgesetzten. Das ist sozusagen der Beweis, wie gut man arbeitet.

RI: Sie sind zwei Mal zuvor mit Lebensmittel nach Donezk gefahren und beim dritten Mal sind Sie angehalten worden. Was ist dabei passiert?

BF1: So wie ich es verstanden habe, gab es damals einen Streifzug, man sollte eine gewisse Anzahl von Personen festnehmen. So habe ich das verstanden.

RI: Sie waren eine davon?

BF1: So habe ich es verstanden.

RI: Das heißt, Sie hatten nur das Pech, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein?

BF1: Ja. Ich glaube deswegen, dass es so war, weil wir versucht haben, mit den Leuten dort eine Vereinbarung zu treffen. Ich kenne einen Journalisten, der führt ein Fernsehprogramm, das in der Ukraine bekannt ist, ich glaube, dass der Kanal "XXXX" geheißen hat. Der hat mir auch geholfen, von dort rauszukommen.

RI: Was heißt "dort"?

BF1: Ich wurde nach Kiew gebracht.

RI: Bitte der Reihe nach. Was ist nach Ihrer Anhaltung passiert?

BF1: Nachdem ich festgenommen wurde, wurde ich beschuldigt, dass ich die ukrainischen Gesetze verletze, genauer gesagt, gegen das Embargo verstoßen habe.

RI: Bitte erzählen Sie mir, was genau bei der Anhaltung passiert ist?

BF1: Ich wurde angehalten und gefragt, was ich transportiere. Ich sagte: "Lebensmittel". Dann wurde ich gefragt, was und wohin. Ich sagte: "Auf den Markt". Was hätte ich sonst antworten sollen. Man hat mich gefragt, ob ich weiß, dass dies gesetzlich verboten ist und ich weiß, dass dies gesetzlich verboten wäre. Ich habe das zuerst als Witz empfunden. Ich habe dann natürlich gleich gefragt, ob wir eine Vereinbarung treffen können, aber dann habe ich verstanden, dass das irgendwie anders ist als sonst, weil man mir gesagt hat, dass alles ausgeladen und konfisziert wird. Am Abend wurde ich zu einer - glaube ich Polizeiabteilung - gebracht. Es war spät am Abend.

RI: Wo war die?

BF1: Ich weiß es nicht, es war schon dunkel, als ich dort hingebracht wurde. Es war schon dunkel, ich war dort eine Nacht, danach wurde ich woanders hingebracht. Man hat mich lange dorthin geführt, der Reiseweg war lang. Ich wusste nicht, wohin man mich bringt. Aber dann hat mir der Journalist geholfen, freizukommen. Ich musste noch einige Schriftstücke unterschreiben, habe aber keine Möglichkeit gehabt, sie vollständig durchzulesen, weil mich die Leute geschlagen haben und mir kein Essen gegeben haben, sie haben mich unmenschlich behandelt. Man wollte von mir ständig, dass ich zugebe, dass ich Separatisten unterstütze. Aber nicht einfach so, dass ich dorthin die Lebensmittel auf den Markt gebracht und verkauft habe. Man hat mir vorgeworfen, dass ich ein Komplize der Separatisten bin und diese unterstütze. Es gäbe einen entsprechenden Paragraphen. Es wurde mir also vorgeworfen, dass ich die Separatisten unterstütze und dass ich gegen das Embargo verstoße.

RI: Was ist dann passiert?

BF1: Ich weiß, dass ich in einer solchen Situation das Recht habe, einen Anruf zu tätigen und das habe ich dort auch ständig gesagt.

RI: Dann wurde Ihnen der Anruf gewährt?

BF1: Nein, man hat mir gesagt, dass ich nur dazu das Recht habe, was man mir erlaubt und dass es für mich besser wäre, dass ich die Wahrheit sage, alle Kontakte, die ich mit Separatisten habe bekanntgebe, was ich transportiere und wem ich damit helfe.

RI: Das haben die doch gesehen, die haben den LKW doch geleert?

BF1: Das, was man tatsächlich transportiert ist eine Sache, aber was man bei der Konfiszierung sieht ist eine andere Sache.

RI: Wieso?

BF1: Sagen wir einmal, Sie werden auf der Straße mit Ihrem Auto angehalten. Wenn Sie dem Polizisten, aus welchem Grund immer, nicht gefallen haben, kann man Sie fragen: "Soll man in Ihrem Auto Gras finden"?

RI: Gehen wir weg von dem Beispiel und hin zu Ihrem konkreten Fall. Was wurden Sie konkret gefragt und was hat man angegeben, bei Ihnen gefunden zu haben?

BF1: Man hat mir gesagt, dass die Lebensmittel, die ich transportiert habe schon Grund genug sind, aber, wenn ich zusammenarbeiten werde, wenn ich alles sage was ich weiß, wird es gut. Das heißt, dass auch, wenn ich mit den Separatisten nichts zu tun hatte, es in dieser Situation besser für mich war, mir etwas auszudenken und auch, dass ich die Papiere unterschreibe, die man mir vorlegt. Ich fand das irgendwie lächerlich, aber nur bis zu dem Zeitpunkt, als man begonnen hat physische Gewalt gegen mich anzuwenden.

RI: Wer hat psychische Gewalt gegen Sie angewandt?

BF1: Die Leute, die mich verhört haben.

RI: Wie viele Leute waren das?

BF1: Zwei.

RI: Waren das die Leute, die Sie angehalten haben?

BF1: Nein.

RI: Wo waren die Leute, die Sie angehalten haben?

BF1: So wie ich das verstanden habe, waren die Leute, die mich angehalten haben, einfache Mitarbeiter.

RI: Einfache Mitarbeiter von wem?

BF1: Die Pflicht eines Polizisten, sich auszuweisen, besteht nur auf dem Papier.

RI: Meine Frage, von wem waren sie Mitarbeiter?

BF1: Es war ja nicht so, dass ich irgendwo mitten im Feld angehalten wurde. Dort gibt es Kontrollposten mit einem Schlagbaum. Dort werden alle angehalten. Die zwei, die mich angehalten haben waren Polizeimitarbeiter. Dort beim Posten gibt es auch Militärangehörige, die für die Sicherheit zuständig sind. Dort gibt es immer zumindest 5 Personen.

RI: Wer hat Sie mitgenommen?

BF1: Ein Polizeimitarbeiter. Die Polizeimitarbeiter dort arbeiten niemals einzeln, weil sie Angst haben.

RI: Der, der Sie festgenommen hat, war das einer der zwei die Sie angehalten haben?

BF1: Ja, einer von ihnen.

RI: Sie wurden zu einem Posten gebracht und wo war dieser?

BF1: Ja, aber das kann ich nicht sagen. Ich weiß es deswegen nicht, weil die Kontrollposten mobile Kontrollposten sind, sie sind keine fixen Posten. Ich kenne mich in der Ortschaft nicht so aus wie in Kiew. Es kann sein, dass es in Donezk war.

RI: Der Posten oder dort wo Sie hingebracht worden sind?

BF1: Ich meine, dass ich vielleicht nach Donezk gebracht worden bin.

RI: Dort wurden Sie verhört?

BF1: Ja.

RI: Erzählen Sie weiter.

BF1: Dort hat man mehr oder weniger normal mit mir gesprochen und ich habe damals noch gehofft, dass das alles gut enden wird und dass man nur Geld von mir verlangen wird. Ich dachte, dass man vielleicht eine Show veranstaltet, damit man mehr Geld verlangen könnte. Man sagte mir jedoch, dass ich von dort woanders hingebracht werde, dass es eine Überprüfung gibt und Pläne, die zu erfüllen sind.

RI: Wann hat sich die Stimmung geändert? Wann hat die physische Gewalt begonnen?

BF1: So wie ich das verstanden habe am zweiten Tag, das war schon in Kiew.

RI: Das heißt, am ersten Tag in Donezk wurde mit Ihnen noch normal gesprochen?

BF1: Ja, mehr oder weniger.

RI: Hat man Sie damals schon zu einer Unterschrift bewegen wollen?

BF1: Nein.

RI: Das heißt, man hat Sie am ersten Tag nur befragt?

BF1: Ja, deswegen habe ich immer noch geglaubt, dass wir eine Vereinbarung treffen könnten und ich nur Geld bezahlen muss. Bei uns ist das eine bestimmte Vorgehensweise. Zuerst wird man in Angst versetzt und dann gibt es eine Vereinbarung.

RI: Wie sind die Polizisten mit Ihnen am Tag 1 verblieben?

BF1: Man hat mir zum Schluss gesagt, dass es keine Möglichkeit gibt, eine Vereinbarung zu treffen und dass ich dorthin geraten bin und dass es für mich besser wäre, mit den Leuten zusammenzuarbeiten, weil es in dieser Sache nur um Zeit geht. Ich meine, wenn es mir nicht jetzt bewusst wird, wird es mir später bewusst. Es geht um meine Gesundheit.

RI: Wie ging es weiter, wo wurden Sie untergebracht über die Nacht und was wurde Ihnen in Aussicht gestellt?

BF1: Nein.

RI: Sie wurden einfach wortlos in die Zelle gesperrt?

BF1: Ja, bei dem Vorgespräch wurde mir gesagt, was ich falsch gemacht hätte und man hat mir gesagt, dass ich jetzt warten sollte. Es war spät und ich habe die Nacht in der Zelle verbracht.

RI: Was ist am nächsten Tag geschehen?

BF1: Am nächsten Tag wurde ich in ein Auto verfrachtet und weggebracht. So wie ich das später erfahren habe, wurde ich nach Kiew gebracht. Man hat mir gesagt, dass ich durch mein Verhalten die ukrainischen Gesetze in Bezug auf das Embargo verletzt hätte und mir abgesehen davon die Hilfe auf Separatisten vorgeworfen wird und es einen entsprechenden Paragrafen gibt und dass dafür eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren droht, aber ich weiß es nicht.

RI: Wann begannen die physischen Misshandlungen?

BF1: Als ich gemeint habe, dass ich das alles nicht verstehe, für mich war das alles wie ein Witz. Man hat mir gesagt, dass man mir das jetzt anders erklären würde, wenn ich das bis jetzt nicht verstanden hätte.

RI: Das war bereits in Kiew am 2. Tag?

BF1: Ja. Man bat mich, die Brille abzunehmen, damit sie nicht kaputt wird. An meinen Händen waren Handschellen. Glauben Sie mir, das ist tatsächlich so, dass es nur eine Zeitfrage ist, wann man die Sachen unterschreibt.

RI: Welcher Art waren die Misshandlungen, beschreiben Sie bitte die Vorfälle.

BF1: Wenn die Hände mit Handschellen fixiert sind und man keine Möglichkeit hat, Widerstand zu leisten, weil das auch keinen Sinn hat, dann reichen ein paar Schläge auf den Kopf. Bei uns werden die Leute mit Brille oft als "Botaniker oder Professor" beschimpft. Man hat mich auch gefragt, ob ich meinen Militärdienst geleistet habe. Ich habe keinen Militärdienst geleistet. Leute, die nicht bei der Armee waren, werden von Polizisten und Armeeangehörigen nicht gemocht.

RI: Welcher Art waren die Misshandlungen und beschreiben Sie die Vorfälle.

BF1: Man hat mir gesagt, "Du warst also nicht bei der Armee und du weißt nicht, was ein Fahrrad ist?" Aber ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, was die Leute unter einem "Fahrrad" verstanden haben. Das "Fahrrad" besteht darin, dass man die Schuhe ausziehen muss und zwischen die Zehen werden dann Papierzettel gegeben. Die sind so groß wie eine halbe Zigarettenschachtel. Man wird gefesselt und dann werden die Papierstücke mit einem Zündholz angezündet und dann strampelt man wie beim Fahrradfahren.

RI: Was hat man noch mit Ihnen gemacht?

BF1: Scheinbar bin ich nicht so stark, aber das war schon genug für mich.

RI: Sie haben auch von Schlägen auf den Kopf gesprochen. Haben die stattgefunden?

BF1: Ja. Allerdings wissen die Leute, wie sie zu schlagen haben. Normalerweise bekommt man blaue Flecken, wenn man geschlagen wird. Aber die haben so geschlagen, dass man keine blauen Flecken bekommt.

RI: Wurden Sie mit den bloßen Händen geschlagen oder hat man Werkzeuge benutzt?

BF1: Mit den bloßen Händen, keine Werkzeuge.

RI: Haben Sie Verbrennungen an den Füßen vom "Fahrradfahren" davongetragen?

BF1: Ja. Aber das sind nicht solche Brandwunden, wie ich zB im Gesicht von einer schweren Verletzung davongetragen habe. Sie tun nur sehr weh und die Zehennägel verfärben sich bräunlich vom Rauch. Das tut sehr weh, deswegen sagen die meisten, dass sie alles sagen würden und alles unterschreiben würde.

RI: Wie oft sind Sie gefoltert worden?

BF1: Einmal mit dem "Fahrradfahren" und einmal mit den Kopfschlägen.

RI: Hat es weitere Vorfälle dieser Art gegeben?

BF1: Ja, ich wurde auch mit einem Polizeiknüppel auf den Rücken geschlagen. Davon hat es rote Streifen auf dem Rücken gegeben.

RI: Hat es auch bleibende Verletzungen gegeben?

BF1: Nein.

RI: Was geschah dann am zweiten und dritten Tag?

BF1: Ich sah keine Möglichkeit mehr und habe gesagt, dass ich mit den Leuten von der SBU zusammenarbeiten werde, alles unterschreiben werde und alle verraten werde. Ich habe auch ein Schriftstück unterschrieben, in dem sich die Auflistung der Ware befand, die konfisziert wurde.

RI: War auf der Liste etwas Auffälliges?

BF1: Ich konnte nicht alles durchlesen, mir ist nichts aufgefallen. Man hat mir gesagt, dass alles gut würde.

RI: War das am zweiten oder dritten Tag?

BF1: Es war am zweiten Tag.

RI: Was ist dann passiert?

BF1: Man hat mir gesagt, dass ich mich verbessert habe. Ich habe gebeten, dass man mir die Möglichkeit eines Anrufes gibt und man hat mir gesagt, da ich mich verbessert habe, dass ich nun jemanden anrufen könnte.

RI: Was ist dann passiert?

BF1: Ich habe den mir bekannten Journalisten, von dem ich heute erzählt habe, angerufen. Ich habe gehofft, dass er mir helfen wird, dass ich von dort freikomme, da unter seinen Bekannten, so wie er es mir erzählt hat, Politiker und einflussreiche Leute waren.

RI: Was ist dann passiert?

BF1: Ich weiß nicht, ob man mich sowieso bereits freilassen wollte, oder ob das der Journalist bewirkt hat. Ich denke, dass sie wahrscheinlich wissen wollten, wen ich zuerst anrufen wollte.

RI: Haben Sie über ein eigenes Handy angerufen oder vom Telefon der Dienststelle dort?

BF1: Ich durfte von meinem Handy anrufen und dann wurde mir das Handy weggenommen und man hat geschaut, mit wem ich telefoniert habe.

RI: Wie lange dauerte es dann noch vom Anruf bis zu Ihrer Freilassung?

BF1: Das war am 2. Tag und am 3. Tag in der Früh wurde ich freigelassen.

RI: Das heißt, Sie wurden, obwohl Sie bereits alles unterschrieben haben, was Sie unterschreiben mussten, noch eine weitere Nacht festgehalten?

BF1: Ich weiß nicht, warum das so war.

RI: Irgendetwas muss man Ihnen dazu doch gesagt haben bzw. in Aussicht gestellt haben, schließlich haben Sie ja alles unterschrieben, was Sie unterschreiben mussten?

BF1: Ich habe auch gefragt, was passieren wird. Sie haben gesagt:

"Warte bis es entschieden ist".

RI: Was geschah weiter, wollen Sie noch etwas sagen?

BF1: Ich habe dann den Journalisten gefragt, ob er mir geholfen hat oder nicht. Er hat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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