TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W164 2179622-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W164 2179619-1/13E

W164 2179614-1/13E

W164 2179622-1/12E

W164 2179624-1/12E

W164 2179616-1/12E

W164 2179572-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , geb. XXXX , (2.) XXXX , geb. XXXX , (3.) XXXX , geb. XXXX , (4.) XXXX , geb. XXXX , (5.) XXXX , geb. XXXX und (6.) XXXX , geb. XXXX , alle STA Afghanistan, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut Blum, Linz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 14.10.2017, (1.) Zl. 1081688401-151041409, (2.) Zl. 1079683610-150938753, (3.) Zl. 1079684204-150938966, (4.) Zl. 1079684106-150938931, (5.) Zl. 1079683806-150938907 und (6.) Zl. 1079685005-150939008 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 22.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und (1) XXXX , (2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX , (5.) XXXX , und (6.) XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass (1) XXXX ,

(2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX , (5.) XXXX , und (6.) XXXX , kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer, XXXX (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin, XXXX (BF2) sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt-, Viert-, Fünft- und SechstbeschwerdeführerInnen (BF3-BF6). Die BF2 stellte am 26.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz für sich und die vier mj. Kinder. Der BF1 stellte am 08.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Beide brachten im Verfahren erster Instanz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor, dass sie in Kabul geboren wurden, schiitischen Glaubens seien, der Volksgruppe der Hazara angehören und vor ihrer Ausreise gemeinsam in Kabul lebten. Der BF1 gab an, er habe zuletzt einen Laden für Elektrogeräte in Kabul gepachtet und gute Geschäfte gemacht. Eines Tages habe er SMS-Nachrichten mit Geldforderungen erhalten. Er habe nicht reagiert. Die Forderungen per SMS seien nach ein bis zwei Wochen erneut gekommen. Der BF1 habe wieder nicht reagiert. Daraufhin sei er von drei Personen in seinem Geschäft besucht, körperlich angegriffen und damit bedroht worden, dass er getötet werde bzw. dass seine Kinder entführt würden. Man habe USD 50 000,-- gefordert. Der BF1 sei der Meinung, dass diese Gruppe den Taliban nahe stand. Im Beschwerdeverfahren präzisierte der BF1, er könne zwar nicht genau sagen, ob diese Leute zu den Taliban oder zu einer anderen bewaffneten Gruppe gehörten. Er sei sich aber sicher, dass es sich um eine Mafiabande gehandelt habe. An der Mafia seien gewöhnlich alle bewaffneten Gruppen beteiligt.

Gemeinsam mit seinem Bruder und seinem Schwager sowie deren Familien habe der BF1 mit seiner Frau und seinen Kindern Afghanistan verlassen. An der türkisch iranischen Grenze sei er von seiner Frau und seinen Kindern getrennt worden. In Österreich habe der BF1 sie wieder gefunden

Mit den nun angefochtenen Bescheiden vom 14.10.2017, (1.) Zl. 1081688401-151041409, (2.) Zl. 1079683610-150938753, (3.) Zl. 1079684204-150938966, (4.) Zl. 1079684106-150938931, (5.) Zl. 1079683806-150938907 und (6.) Zl. 1079685005-150939008, hat das BFA die eingangs genannten Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und es wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

Begründend wurde ausgeführt, die Aussage des BF1 bezüglich seines Fluchtgrundes sei nicht glaubhaft gewesen. Der BF1 werde in Afghanistan nicht aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt. Er sei arbeitsfähig und habe Angehörige in Kabul, er habe Berufserfahrung und habe einen eigenen Laden. Die Sicherheitslage in Kabul sei vergleichsweise gut und Kabul sei sicher zu erreichen. Eine Rückkehrentscheidung sei zulässig. Die Bescheide betreffend die BF2, BF3, BF4, BF5 und den BF6 entsprechen im Wesentlichen dem Bescheid betreffend den BF1 bzw. wurde darin auf die im erstgenannten Bescheid angeführte Begründung verwiesen. Es seien keine eigenen Fluchtgründe festgestellt worden.

Mit Verfahrensanordnung vom 15.11.2017 wurde den BF1-6 amtswegig ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt.

Gegen die eben genannten Bescheide erhoben die BF1-BF6 durch ihre Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass sie ihre Heimat aus wohlbegründeter Furcht verlassen hätten. Der afghanische Staat sei nicht gewillt oder im Stande ihnen den notwendigen Schutz zu bieten. Im vorliegenden Fall sei eine Verfolgung durch eine kriminelle Bande, aufgrund von Volksgruppenzugehörigkeit und Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe gegeben. Betreffend die BF2 wurde angeführt, dass sie in Afghanistan keine Schule besucht und kaum das Haus verlassen habe. Sie habe das Haus nicht ohne männliche Begleitung verlassen dürfen. Außerdem habe sie sich verschleiern müssen. Das Leben in Afghanistan sei für sie als Frau unerträglich gewesen. Sie sei froh, dass sie sich in Österreich nicht mehr verschleiern müsse. Sie wünsche sich eine bessere Zukunft und ein gutes Leben für ihre Kinder. Sie habe erst hier verstanden, was es bedeute das Leben zu erleben. Die Behörde habe sich mit dem Fluchtvorbringen nur oberflächlich auseinandergesetzt. Es seien bis auf die Einvernahme keinerlei Ermittlungen durchgeführt worden, obwohl der Grundsatz der Offizialmaxime im Asylverfahren gelte. Zur Zumutbarkeit der Rückkehr nach Afghanistan wurde die Kurzinformation der Staatendokumentation vom 25.09.2017 zitiert, wonach die aktuelle Sicherheitslage höchst instabil und volatil sei. Weiters wurde auf einen Bericht von Amnesty International verwiesen. Aus diesen Quellen ergebe sich, dass der Familie bei der Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen würde. Daher hätte ihnen zumindest der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Zur Integration wurde vorgebracht, dass sie Deutsch gelernt, sich sozial integriert und starke Bindungen zu Österreich aufgebaut hätten. Die Kinder würden den Kindergarten besuchen und der BF1 sei auch ehrenamtlich aktiv. Die BF1-6 beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, sowie, die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurückzuverweisen, in eventu die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass ihnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, allenfalls die Rückkehrentscheidungen aufzuheben und die Abschiebung nach Afghanistan für unzulässig zu erklären.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens legten die BF1-6 durch ihre Rechtsvertretung Schulzeugnisse des BF3 und der BF4, weiters eine ärztliche Bestätigung betreffend eine diagnostizierte Entwicklungsverzögerung des BF6, weiters Nachweise über den Abschluss des Deutsch-A2 Kurses nach dem gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen, GER, durch die BF2, über den Abschluss des Vorbereitungslehrgangs für den Pflichtschulabschluss durch die BF2 und über die Teilnahme an weiteren integrationsfördernden Kursen durch die BF2. Vorgelegt wurden weiters afghanische Geburtsurkunden, die für den BF1 das Geburtsjahr XXXX , für die BF2 das Geburtsjahr XXXX , für den BF3 das Geburtsjahr XXXX , für die BF4 das Geburtsjahr XXXX , für die BF5 das Geburtsjahr XXXX und für den BF6 das Geburtsjahr XXXX auswiesen.

Am 22.02.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der alle BF im Beisein ihrer nunmehrigen rechtlichen Vertretung und einer von ihnen beigebrachten Zeugin sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen.

Die BF2 machte dabei im Wesentlichen die folgenden Angaben:

Sie habe in Afghanistan das Haus nicht verlassen können. Ihre Schwiegereltern, bei denen sie gelebt habe, hätten ihr nicht erlaubt, allein hinauszugehen. Außerhalb des Hauses würden Frauen außerdem häufig von Männern belästigt, z.B. beim Busfahren. Die BF habe selbst einmal ein solches Erlebnis gehabt und sich danach sehr schlecht gefühlt. Sie habe als Frau in Afghanistan keine Möglichkeit, sich gegen solche Vorfälle zu wehren oder sich zu beschweren. In einem solchen Fall würde sie als schlechte Frau bezeichnet werden bzw. als Schande für ihre gesamte Familie. Aus diesem Grund habe die BF2 die ganze Zeit zu Hause verbracht, sich um den Haushalt gekümmert und um die Kinder. Als Kind hätten die Eltern die BF2 in die Moschee geschickt, damit sie Koran lesen lerne. Einmal in der Woche habe der Lehrer mit den Kindern auch lesen und schreiben geübt. Als die BF2 sieben oder acht Jahre alt gewesen sei, habe man entschieden, dass sie nicht mehr am Unterricht teilnehmen solle, da sie nun ein "großes Mädchen" sei. Auch die schlechte Sicherheitslage habe dabei eine Rolle gespielt. Mädchen würden in Afghanistan entführt und vergewaltigt. Die Familien seien deshalb besorgt und würden den Mädchen verbieten, hinauszugehen. Die BF2 sei danach zu Hause geblieben und habe mit 16 Jahren geheiratet und Kinder bekommen. Als die Kinder dann das Alphabet lernten, habe die BF2 mit ihnen mitgeübt.

In Österreich habe die BF2 den A1 Kurs und den A2 Kurs besucht und abgeschlossen Anschließend habe sie einen dreimonatigen Vorbereitungskurs für die Aufnahme für den Pflichtschulabschluss gemacht. Auch diese Prüfung habe sie erfolgreich abgelegt. Seit etwa zwei Monaten besuche sie eine Schule und mache den Pflichtschulabschluss. Sie gehe täglich von 8:00 bis 15:00 Uhr in die Schule und habe neben Deutsch auf Unterricht in Mathematik, Englisch, Natur Technik, Gesundheit und Soziales sowie EDV. Die BF2 gehe allein in die Schule. Zwei bis dreimal in der Woche gehe sie im Anschluss in das Fitnessstudio und komme an diesen Tagen zwischen 18:00 Uhr und 18:30 Uhr nach Hause. Es sei nicht notwendig, dass sie in Österreich jemand begleitet. Sie fühle sich hier sehr sicher und wisse, dass sie das alles allein schaffen könne. Ihr Ehemann habe in Afghanistan aus Respekt vor seinen Eltern zur BF2 gesagt, dass sie auf ihn hören solle. Er sei jedoch ein guter Mann und habe sie nie gequält. In Österreich bekomme sie sehr viel Unterstützung von ihm. Er übernehme die Betreuung der Kinder, damit die BF2 ihre Ausbildung machen könne. Er mache die gesamte Haushaltsarbeit, koche sogar und versorge die Kinder. Die BF2 habe in Österreich Schwimmen, Radfahren und Schneidern gelernt. Auch während dieser Zeit habe der BF1 die Betreuung der Kinder übernommen. Der BF1 selbst habe den A1 Kurs abgeschlossen. Die Prüfung Deutsch A2 habe er leider nicht geschafft, er habe aber seinen Führerschein gemacht. Das Ehepaar habe dann beschlossen, dass die BF2 die Möglichkeiten nützen solle, der ihr angebotenen Ausbildung nachzugehen und der BF1 Haushalt und Kinder übernehme. Der BF6 mache eine Sprachtherapie. Die beiden älteren Kinder würden die Schule besuchen und die beiden jüngeren den Kindergarten. Die BF2 habe mit Frau XXXX , der beigebrachten Zeugin Kontakt geschlossen: Sie habe bei ihrem Heimleiter angefragt, ob es die Möglichkeit gäbe, mit einer Österreicherin in Kontakt zu treten, da die BF2 ihre Sprachkenntnisse verbessern wollte. Auf die Weise habe sie vor etwa einem Jahr Frau XXXX kennengelernt. Man treffe sich regelmäßig. Frau XXXX unterstütze die Kinder und die BF2 bei den Hausaufgaben und spreche mit ihnen Deutsch. Die BF2 plane in Österreich nach dem Pflichtschulabschluss eine Ausbildung als Pflegerin zu machen und später in einem Altersheim zu arbeiten. Bezüglich ihrer Kinder sei es ihr Wunsch, dass diese die Schule beenden und anschließend ihren Wunschberufen nachgehen können. Vor allem die Töchter sollen keinesfalls ein Leben führen müssen, wie die BF2 dies bisher musste. Befragt ob sie akzeptieren würde, dass ihre Kinder später einen österreichischen Partner/ eine österreichische Partnerin wählen würden, gab die BF 2 an, sie wünsche sich, dass ihre Kinder in ihrem Leben glücklich sind. Es spiele für sie keine Rolle vorher der Partner jeweils stamme. Das gemeinsame Geld verwaltete die BF2. Die BF2 erschien ohne Kopfbedeckung und in einer in Österreich üblichen Bekleidung. Von ihrem Rechtsvertreter befragt, ob sie so gekleidet in Afghanistan auf die Straße gehen könnte, verneinte die BF2: sie würde dann ihren Tod riskieren. Ihre Familie würde das auch nicht erlauben.

Der BF1 machte bezüglich des Zusammenlebens mit seiner Familie in Österreich die folgenden Angaben: Seine Frau gehe in der Früh von Zuhause weg und komme etwa um 16:00 Uhr nach Hause. Er erledige die ganze Hausarbeit, bringe die Kinder in den Kindergarten, koche, putze und hole die Kinder wieder ab. Mit dem BF6 gehe er jeden Dienstag und Donnerstag zur Therapie. Seine Frau habe ihm gesagt, dass sie arbeiten möchte. Der BF1 habe nichts dagegen. Bezüglich der Kinder vertrete der BF1 die Meinung, dass diese eine Ausbildung für den von ihnen gewünschten Beruf machen sollen. Auch ihren Partner/ihre Partnerin sollen die Kinder selbst wählen. Der BF selbst plane, sobald dies möglich sei, eine Arbeitsgenehmigung zu erlangen, sich dann bei Firmen zu bewerben und, sobald er genug Geld beisammen habe, ein Lebensmittelgeschäft für afghanische Spezialitäten zu eröffnen. Sein Vater sei bereits Geschäftsmann gewesen. Der BF habe von klein auf im Laden mitgeholfen und den Laden dann von seinem Vater übernommen. Diesen Laden führe nun ein ehemaliger Mitarbeiter. Der BF1 könne nicht mehr in diesen Laden in Afghanistan zurückkehren. Er würde die gleichen Probleme bekommen, die vor seiner Ausreise für ihn bestanden. Der BF sei, da die Familie immer wohlhabend war, ins Blickfeld der Mafia geraten.

Der BF3 gab an, dass er einmal Fußballer werden möchte, er spiele als Stürmer beim Fußballverein XXXX und habe zahlreiche Preise gewonnen. In der Schule seien seine Lieblingsfächer Deutsch, Sachunterricht und Lesen. Die BF4 gab an, dass ihr Wunsch sei, Ärztin zu werden. Sie habe österreichische Freundinnen und gehe gerne Radfahren.

Die Zeugin gab an, sie habe im Flüchtlingsheim geholfen und so die Familie 2017 kennen gelernt; sie habe beim Deutsch lernen und Hausübung machen geholfen; mit der Zeit habe sich der Kontakt intensiviert und sie habe mit der Familie gemeinsam etwas unternommen, wie Schwimmen, Einkaufen gehen oder Eislaufen. Letztens habe der BF1, während die Zeugin mit der BF2 und den drei älteren Kindern Eislaufen war, gekocht und den Jüngsten betreut. Die Familie sei sehr engagiert.

BF1 und BF2 brachten ergänzend vor, dass der Vater des BF1 die Geburtstage des BF3 ( XXXX ) und der BF4 ( XXXX ) in einem Buch notiert habe. Der BF1 habe nach dem Tod des Vaters diese Notizen anlässlich der Geburt der BF5 ( XXXX ) und des BF6 ( XXXX ) fortgesetzt. Bezüglich der Kinder würden daher nun genaue Geburtsdaten vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF2, führt den Namen XXXX sie wurde im Jahr XXXX in Kabul, Afghanistan, geboren ist Schiitin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die BF hatte in Afghanistan als Kind so gut wie keine Möglichkeit, sich zu bilden. Sie heiratete mit etwa 16 Jahren den BF1, geb. XXXX , und lebte mit ihm bei ihren Schwiegereltern, die ihr nicht erlaubten, das Haus allein zu verlassen. Die BF bekam vier Kinder, den BF3, geb. am XXXX , die BF4, geb. am XXXX , die BF5, geb. am XXXX und den BF6, geb. am XXXX . Als die älteren Kinder in die Schule kamen, strebte die BF2 danach, mit den Kindern mit zu lernen. In Österreich hat die BF2 die Deutschprüfung A2 nach dem gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen abgelegt und den Vorbereitungslehrgang für die Pflichtschule erfolgreich abgeschlossen. Sie besucht nun ganztags die Schule und strebt den Pflichtschulabschluss und danach eine Ausbildung zur Altenpflegerin an. Der BF1, der in Afghanistan aus Respekt vor seinen Eltern die BF2 dazu anhielt, sich an die dort vorgegebenen Regeln zu halten, unterstützt sie nun bei ihrem Vorhaben, eine Ausbildung nachzuholen und entlastet sie maßgeblich bei der Haushaltsführung und Kinderbetreuung. Die Kinder besuchen Schule und Kindergarten und werden von ihren Eltern gefördert. Der BF3 spielt in einem Fußballverein. Die Familie lässt sich von der als Flüchtlingsbetreuerin engagierten Frau XXXX beim Erlernen der deutschen Sprache, bei der Ausbildung und bei ihren Bemühungen, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, unterstützen.

Allgemeine Länderfeststellungen:

Quelle: UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30. August 2018, HCR/EG/AFG/18/02:

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.

Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten "erodierenden Pattsituation" geführt haben. Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlasssen. Es heißt jedoch, dass die ANDSF mit unhaltbar hohen Ausfallraten und sinkender Moral zu kämpfen haben.

Es wird berichtet, dass die Taliban zum 31. Januar 2018, 43,7 Prozent aller Distrikte Afghanistans kontrolliert oder für sich beansprucht haben. Die Taliban haben ihre Angriffe in Kabul und anderen großen Ballungsräumen verstärkt, mit zunehmenden Fokus auf afghanische Sicherheitskräfte, die große Verluste zu beklagen haben. Das ganze Jahr 2017 hindurch führten die Taliban mehrere umfangreiche Offensiven mit dem Ziel durch, Verwaltungszentren von Distrikten zu erobern. Es gelang ihnen mehrere solcher Zentren unter ihre Kontrolle zu bringen und vorübergehend zu halten. Meldungen zufolge festigten die Taliban gleichzeitig ihre Kontrolle über größtenteils ländliche Gebiete, was ihnen ermöglichte, häufigere Angriffe - insbesondere im Norden Afghanistans - durchzuführen. Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISIS)52 inzwischen trotz verstärkter internationaler und afghanischer Militäroperationen widerstandsfähig blieb. Sein kontinuierliches Engagement hinsichtlich Auseinandersetzungen sowohl mit der afghanischen Regierung als auch mit den Taliban scheint "anzudeuten, dass die Gruppe ihren geografischen Aktionsradius ausgeweitet und begonnen hat, ihre Präsenz auch über den Osten des Landes hinaus zu festigen". ISIS soll inländische und ausländische militärische Ziele und die Zivilbevölkerung angegriffen haben, wovon insbesondere religiöse Stätten, geistige Führer und Gläubige, Schiiten, Journalisten und Medienorganisationen betroffen waren, sowie Anschläge gegen Ziele verübt haben, die sich anscheinend gegen die internationale Gemeinschaft richteten. Es heißt, dass diese Angriffe konfessioneller Art "eine beängstigende Entwicklung im bewaffneten Konflikt Afghanistans" anzeigten.

Auch von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen wird berichtet, dass sie die Autorität der Regierung in ihrem Einflussbereich untergraben; sie werden auch mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor unbeständig und die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts. In den Jahren nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte 2014 waren eine fortgesetzte Verschlechterung der Sicherheitslage und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in Afghanistan zu beobachten. Aus Berichten geht hervor, dass die Taliban ihre Offensive zur Ausweitung ihrer Kontrolle über weitere Distrikte fortsetzt, während der Islamische Staat angeblich immer nachdrücklicher seine Fähigkeit unter Beweis stellt, seine geografische Reichweite auszudehnen, was eine weitere Destabilisierung der Sicherheitslage zur Folge hat.

Von dem Konflikt sind weiterhin alle Landesteile betroffen. Seit dem Beschluss der Regierung, Bevölkerungszentren und strategische ländliche Gebiete zu verteidigen, haben sich die Kämpfe zwischen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) und der afghanischen Regierung intensiviert. Es wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte immer öfter bewusst auf Zivilisten gerichtete Anschläge durchführen, vor allem durch Selbstmordanschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und komplexe Angriffe. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen ihre groß angelegten Angriffe in Kabul und anderen Städten fort und festigen ihre Kontrolle über ländliche Gebiete. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit und Effektivität der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) geäußert, die Sicherheit und Stabilität in ganz Afghanistan zu gewährleisten.

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung einschließlich Frauen, Kindern, ethnischer Minderheiten, Häftlingen und anderer Gruppen sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert. In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die (teilweise) von regierungsnahen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen. Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Etablierung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen. Aus Berichten geht hervor, dass besonders schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten weit verbreitet sind.

Berichten zufolge begehen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) extralegale Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen. Sie hinderten Zivilisten zudem an der Ausübung ihrer Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, auf politische Teilhabe sowie auf Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sowie zu ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) nutzen das Fehlen staatlicher Justizmechanismen oder -dienste dazu aus, eigene, parallele "Justiz"-Strukturen - vor allem, wenn auch nicht ausschließlich - in Gebieten unter ihrer Kontrolle, durchzusetzen. UNAMA stellt fest, dass "alle von einer parallelen Justizstruktur durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen verhängten Strafen nach afghanischem Recht unrechtmäßig sind, eine rechtswidrige Handlung darstellen und als Kriegsverbrechen eingestuft werden können". Zu den durch parallele Justizstrukturen verhängten Strafen zählen öffentliche Hinrichtungen durch Steinigung und Erschießen, Schläge und Auspeitschung sowie Amputation. Berichten zufolge erheben regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zudem in Gebieten, in denen sie die Einrichtung paralleler Regierungsstrukturen anstreben, illegale Steuern.

Im Juli 2018 äußerte UNAMA Besorgnis über den neuerdings zu beobachtenden Trend, dass regierungsfeindliche Kräfte auf Operationen regierungsnaher Kräfte mit Angriffen auf Schulen und Beamte im Bildungswesen reagieren. Schulen wurden Berichten zufolge außerdem besetzt und für militärische Zwecke benutzt, wodurch ihr geschützter Status nach dem humanitären Völkerrecht gefährdet und den Kindern der Zugang zu Bildung entzogen wurde. Außerdem bleiben Berichten zufolge viele Schulen in Afghanistan aufgrund der vor Ort herrschenden Sicherheitsverhältnisse geschlossen.

Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte den Zugang zu medizinischer Versorgung beschränken. 2017 dokumentierte UNAMA 75 gegen Krankenhäuser und medizinisches Personal gerichtete Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte mit 31 Toten und 34 Verletzten gegenüber 120 Zwischenfällen mit 10 Toten und 13 Verletzten im Jahr 2016. Außerdem heißt es, dass regierungsfeindliche Kräfte in einigen Teilen des Landes Polio-Impfkampagnen verbieten und wiederum andere Teile aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit nicht von Impfhelfern erreicht werden können.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der nach nationalem und internationalem Recht bestehenden Verpflichtung Afghanistans diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsführung Afghanistans und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen.

Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte seien oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Der UN-Ausschuss gegen Folter brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Regierung keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten vor Repressalien für ihre Arbeit ergreift.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass afghanische Bürger Bestechungsgelder zahlen müssen, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten, etwa dem Büro des Provinzgouverneurs, dem Büro des Gemeindevorstehers und der Zollstelle. Innerhalb der Polizei, so heißt es, sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem sei auf ähnliche Weise von weitverbreiteter Korruption betroffen.

Berichten zufolge wenden sich lokale Gemeinschaften in einigen Gebieten an parallele Justizstrukturen, etwa örtliche Räte oder Ältestenräte oder Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle zu regeln. UNAMA stellt allerdings fest, dass diese Strukturen den Gemeinschaften in der Regel aufgezwungen werden und dass die in diesem Rahmen verhängten Strafen wie Hinrichtungen und Amputationen nach afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen.

In Gebieten, in denen die Taliban versuchen, die lokale Bevölkerung von sich zu überzeugen, nehmen sie Berichten zufolge eine mildere Haltung ein. Sobald sich jedoch die betreffenden Gebiete unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, setzen die Taliban ihre strenge Auslegung islamischer Prinzipien, Normen und Werte durch. Es liegen Berichte über Taliban vor, die für das "Ministerium der Taliban für die Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" tätig sind, in den Straßen patrouillieren und Personen festnehmen, weil diese sich den Bart abrasiert haben oder Tabak konsumieren. Frauen ist es Berichten zufolge nur in Begleitung ihres Ehemanns oder männlicher Familienmitglieder gestattet, das Haus zu verlassen und ausschließlich zu einigen wenigen genehmigten Zwecken wie beispielsweise einen Arztbesuch. Frauen und Männer, die gegen diese Regeln verstoßen, wurden Berichten zufolge mit öffentlichen Auspeitschungen bestraft, ja sogar getötet. In Gebieten, die von mit dem Islamischen Staat verbundenen Gruppen kontrolliert werden, wird Berichten zufolge ein sittenstrenger Lebensstil durch strikte Vorschriften und Bestrafungen durchgesetzt. Es wird berichtet, dass Frauen strenge Regeln, einschließlich Kleidungsvorschriften, und eingeschränkte Bewegungsfreiheit auferlegt wurden.

Die Regierung hat seit 2001 eine Reihe von Schritten zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Verabschiedung von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe der Frauen und die Schaffung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Allerdings stieß die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung immer wieder auf Widerstände. Das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen wurde 2009 durch Präsidialerlass verabschiedet, doch lehnten es konservative Parlamentsabgeordnete und andere konservative Aktivisten weiterhin ab. Das überarbeitete Strafgesetzbuch Afghanistans, das am 4. März 2017 mit Präsidialerlass verabschiedet wurde, enthielt ursprünglich alle Bestimmungen des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und stärkte die Definition des Begriffs Vergewaltigung. Jedoch wies Präsident Ghani das Justizministerium im August 2017 angesichts der Ablehnung durch die Konservativen an, das diesem Gesetz gewidmete Kapitel aus dem neuen Strafgesetzbuch zu entfernen. Das neue Strafgesetzbuch trat im Februar 2018 in Kraft, während in einem Präsidialerlass klargestellt wurde, dass das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 2009 als eigenes Gesetz weiterhin Geltung hat.

Laut Berichten, halten sich die Verbesserungen in der Lage der Frauen und Mädchen insgesamt sehr in Grenzen. Laut der Asia Foundation erschweren "der begrenzte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, ungerechte Bestrafungen für Verbrechen gegen die Sittlichkeit, ungleiche Teilhabe an der Regierung, Zwangsverheiratung und Gewalt" nach wie vor das Leben der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Depressionsraten aufgrund von häuslicher Gewalt und anderen Menschenrechtsverletzungen nehmen Berichten zufolge unter afghanischen Frauen zu. Es wird berichtet, dass 80 Prozent der Selbstmorde in Afghanistan von Frauen begangen werden und sich manche von ihnen durch Selbstverbrennung das Leben nehmen.

Die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan (AIHRC) stellte fest, dass Gewalt gegen Frauen noch immer eine "weit verbreitete, allgemein übliche und unleugbare Realität" ist und dass Frauen in unsicheren Provinzen und im ländlichen Raum besonders gefährdet durch Gewalt und Missbrauch sind. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte sehr oft straflos bleiben. Sexuelle Belästigung und die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleiben, so die Berichte, endemisch.

Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen Berichten zufolge überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz der Frauenrechte weiterhin nur langsam umgesetzt werden, vor allem was das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen betrifft. Das Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge jedoch der Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend werde es nicht vollständig angewendet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Frauen hätten nur in sehr geringem Maße Zugang zur Justiz. Die überwiegende Mehrheit der Fälle von gegen Frauen gerichteten Gewaltakten, einschließlich schwerer Verbrechen gegen Frauen, würden noch immer nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen geschlichtet, anstatt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt.

Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere für Frauen diskriminierende Bestimmungen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.

"Trotz der Forderungen nach Bildung für Mädchen wirken sich die vorherrschenden Geschlechternormen nachteilig auf Mädchen aus und verwehren ihnen den Zugang zu Bildung. Nachteilige Geschlechternormen sind auch der Grund dafür, dass die Barrieren, die den Mädchen den Zugang zu Bildung erschweren, unverhältnismäßige Auswirkungen auf die Mädchen haben." [Übersetzung druch UNHCR]. HRW, "I Won't Be A Doctor, and One Day You'll Be Sick": Girls' Access to Education in Afghanistan, 17. Oktober 2017, http://www.refworld.org/docid/59e5af3e4.html.

"Es sind insbesondere die schutzbedürftigsten Gruppen, wie Frauen und Mädchen, die eher an Mangelernährung leiden. Armut ist geschlechtsspezifisch und es besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen häufiger als Männer von Armut betroffen sind [...] Genauso wie Frauen aufgrund patriachalischer Normen und Strukturen nur einen beschränkten Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung haben, so ist auch deren Zugang zu Nahrung und Lebensmitteln beschränkt." [Übersetzung durch UNHCR]. Heinrich Böll Foundation, Food Discrimination Against Women in Afghanistan, 7. August 2017,

https://www.boell.de/en/2017/08/07/food-discrimination-against-women-afghanistan.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan ist nach wie vor weit verbreitet: Die Zahl der angezeigten Fälle nimmt zu, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein als die angezeigten Fälle. Im März 2018 bezeichnete die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan Gewalt gegen Frauen als "eine der größten Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte in Afghanistan". Dazu gehören "Ehrenmorde", Entführungen, Vergewaltigungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche und häusliche Gewalt.

Da sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe von weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft als Schande für die Familie betrachtet werden, besteht für Opfer von Vergewaltigungen außerhalb der Ehe die Gefahr, geächtet, zur Abtreibung gezwungen, inhaftiert oder sogar getötet zu werden. Es wurde festgestellt, dass gesellschaftliche Tabus und die Angst vor Stigmatisierung und Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich durch die eigene Gemeinschaft oder Familie, ausschlaggebend dafür sind, dass Überlebende von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt keine Anzeige erstatten. Das neue Strafgesetzbuch Afghanistans, das im Februar 2018 in Kraft trat, stellt ohne die Zustimmung der Frau durchgeführte "Jungfräulichkeitstests" unter Strafe. Obwohl diese Praxis einen Straftatbestand darstellt, ist das "Jungfräulichkeitstesten" von Frauen, die des Ehebruchs beschuldigt werden oder Opfer sexueller Straftaten sind, einschließlich Vergewaltigung oder sexueller Nötigung, in Afghanistan Berichten zufolge nach wie vor weit verbreitet. Diese Praxis wurde als "sexuelle Nötigung und Folter" beschrieben.

Der Zugang zur Justiz wird für Frauen, die Gewalttaten anzeigen möchten, zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass der Anteil der Frauen unter den Polizeikräften im Land nur bei etwas unter zwei Prozent liegt, da Polizistinnen weitgehend stigmatisiert werden. Berichten zufolge sind Polizistinnen selbst der Gefahr von sexueller Belästigung und von Übergriffen am Arbeitsplatz, unter anderem der Vergewaltigung durch männliche Kollegen, ausgesetzt. Sie seien außerdem durch gewalttätige Angriffe seitens regierungsfeindlicher Kräfte gefährdet.

Berichten zufolge besteht Straflosigkeit bei Handlungen von sexueller Gewalt auch deswegen weiter fort, weil es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern in einigen Gebieten um mächtige Befehlshaber oder Mitglieder bewaffneter Truppen oder krimineller Banden handelt oder um Personen, die zu solchen Gruppen oder einflussreichen Personen Kontakt haben und von ihnen vor Inhaftierung und Strafverfolgung geschützt werden.

Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative:

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus. In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden. Wenn eine interne Schutzalternative im Zuge eines Asylverfahrens in Betracht gezogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen werden und es müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern. eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben Geht die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften aus, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte, einschließlich der Taliban und des Islamischen Staates, existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine interne Schutzalternative. Ferner müssen die Nachweise in Abschnitt II.C hinsichtlich der aufgrund ineffektiver Regierungsführung und weit verbreiteter Korruption eingeschränkten Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte zu bieten, berücksichtigt werden.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, durch Einsichtnahme in die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente - diese werden in Punkt 1. "Verfahrensgang im einzelnen genannt - durch Einsichtnahme in die zitierten allgemeinen Länderfeststellungen sowie durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2019. Die Identität der BF2 erscheint unbedenklich. Ihr gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern bestehender aktueller Wohnort ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich. Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF2 und des BF1 ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Angaben des BF2 und die von ihr vorgelegten Ausbildungsnachweise. Die Angaben der BF2 bezüglich ihres Lebens in Afghanistan stehen auch mit den aktuell verfügbaren Länderberichten über die Situation in Afghanistan im Einklang. Der BF1 und die der Verhandlung beigezogene Zeugin haben die Vorbringen der BF2 bezüglich ihres Lebens in Österreich bestätigt.

Bezüglich des Geburtsdatums der BF2 war auf die nachträglich vorgelegte Geburtsurkunde zurückzugreifen, die das Geburtsjahr XXXX auswies. Das im bisherigen Verfahren geführte Geburtsdatum war entsprechend abzuändern. Das Gleiche gilt für das Geburtsdatum des BF1, dessen Geburtsurkunde das Geburtsjahr XXXX ausweist. Hinsichtlich der Kinder konnten die BF2 und der BF1 in der mündlichen Verhandlung auf anlässlich der jeweiligen Geburten gemachte handschriftliche Notizen verweisen, die der Vater des BF1 und später des BF1 selbst jeweils anlässlich der einzelnen Geburten gemacht hatten. Die sich daraus ergebenden Geburtsjahre stimmen mit den im Laufe des Verfahrens für jedes Kind vorgelegten Tazkiras überein. Sie waren der nunmehrigen Feststellung der Geburtsdaten des BF3, der BF4, der BF5 und des BF6 zu Grunde zu legen. Dem gegenüber hatten sich die im bisherigen Verfahren geführten Geburtsdaten auf die in der Erstbefragung nur ungefähr gemachten Angaben der BF2 und des BF1 gestützt. Die Geburtsdaten waren daher entsprechend abzuändern.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen is

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".

Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 17.3.2009, 2007/19/0459 ausgesprochen hat, wird die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 94/20/0793 vom 7.11.1995).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates liegt nicht schon dann vor, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine BürgerInnen gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (vgl. VwGH 2006/01/0191 vom 13.11.2008); Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates ist jedoch dann gegeben, wenn der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256). Für eine/n Verfolgte/n macht es nämlich keinen Unterschied, ob er/sie aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm/ihr dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm/ihr nicht möglich bzw im Hinblick auf seine/ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.

Die Voraussetzungen der GFK sind nur dann gegeben, wenn der Flüchtling im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255).

Verfolgungsgefahr muss nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem/der Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der/die Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er/sie könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2001 2000/01/0322).

Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:

Die BF2 befindet sich aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Frauen außerhalb Afghanistans. Die BF2 hätte im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan eine sie in ihrer Gesamtheit bedrohende Situation von asylrechtlicher Relevanz zu erwarten. In ihrem Heimatland würde die BF2 infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung finden. Die von der BF2 dargelegte Furcht vor Verfolgung ist daher dem Staat Afghanistan zuzurechnen. Die von BF2 dargelegte Verfolgung hat ihre Ursache in einem Grund, welchen Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt. Sie ist Ursache dafür, dass sich die BF2 außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die von der BF2 erwartete Verfolgung ist als ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der BF2 anzusehen. Sie ist geeignet, die Unzumutbarkeit ihrer Rückkehr nach Afghanistan zu begründen. Die von der BF2 dargelegte Verfolgung droht ihr mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit. Sie ist auch aktuell. Eine innerstaatliche Fluchtalternative für die BF2 besteht nicht, im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, in der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind. Die von der BF2 dargelegte Furcht vor Verfolgung ist unter Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse in Afghanistan objektiv nachvollziehbar. Es liegen auch keine der in § 6 Abs 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vor. Der Beschwerde ist daher stattzugeben, der BF2 gem. § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen und dies gem. § 3 Abs. 5 AsylG mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt, zu verbinden.

Zu den weiteren BeschwerdeführerInnen

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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