TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/28 W189 2120043-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2019
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Entscheidungsdatum

28.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W189 2120043-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Georgien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2015, Zl. 1053630101-150269673, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde wird die spruchgemäße Erledigung zu § 55 AsylG 2005 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, Staatsangehöriger von Georgien, Zugehöriger der georgischen Volksgruppe, orthodoxen Glaubens und geschieden zu sein. Er spreche die Sprachen Georgisch, Russisch und Englisch und habe im Herkunftsstaat die Grundschule von 1989 bis 2000 besucht und sodann von 2000 bis 2005 auf der Universität das Jus Studium (Polizei und Zoll) gemacht; zuletzt habe der Beschwerdeführer als Buchhalter gearbeitet. In Georgien würden die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers leben und sei sein Vater im Jahr 2009 verstorben. Der Beschwerdeführer habe von 2000 bis 2004 Heroin konsumiert und stehe derzeit in einem Entzugsprogramm. Weiters leide er seit 2002 an Hepatitis C. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, dass ein Kollege bei der Polizei namens XXXX im Jahr 2005 zwei Personen entführt und erschossen habe. Im selben Jahr sei auch der Beschwerdeführer von dessen Leuten insgesamt drei Mal angeschossen worden. Auch sei er in den Jahren 2007 bis 2010 und 2011 bis 2012 festgenommen und eingesperrt worden, wobei er gefoltert, geschlagen und verletzt worden sei. Vor zwei Wochen sei der Beschwerdeführer von XXXX telefonisch informiert worden, dass er bei der Staatsanwaltschaft arbeite und sowohl ihn, als auch seine Mutter töten würde, da der Beschwerdeführer wisse, was er mit anderen Leuten gemacht habe.

2. Am 17.03.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB angezeigt. Dieses Verfahren wurde mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 30.03.2015 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt.

3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.08.2015 gab der Beschwerdeführer an, dass er im Herkunftsstaat, wo er gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder in einer Eigentumswohnung in Tiblisi gelebt habe, elf Jahre die Schule und sodann die Universität besucht habe. Er habe Bank, Finanzwesen und Jus studiert. Er sei geschieden und kinderlos. Seine Mutter habe eine weitere Eigentumswohnung und ein Auto und führe ein Damenbekleidungsgeschäft. Die wirtschaftlichen Verhältnisse seien "mittel" gewesen. Der Beschwerdeführer habe zunächst für die Abteilung für Korruptionsbekämpfung gearbeitet und sodann bei der Polizei, und zwar im Kampf gegen Drogen und Prostitution. Nach einem Vorfall sei er verletzt worden und habe daraufhin, ungefähr im Jahr 2003, begonnen Drogen zu nehmen. Er sei in Georgien drei Jahre lang in einem Drogenersatzprogramm gewesen. Auch leide er seit vielen Jahren an Hepatitis C und sei bereits im Herkunftsstaat in Behandlung gewesen.

Zu den Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Zeuge eines Mordes geworden sei. So habe er im Frühling 2003 beobachtet, wie sein Polizeikollege namens XXXX , angeblich Sohn eines Staatsanwaltes, gemeinsam mit einem anderen in ein Wohnhaus neben dem Polizeigebäude gegangen sei und XXXX daraufhin einen Mann aus dem vierten Stock runtergestoßen habe. Es sei aber niemand bestraft worden. Seitdem sei der Beschwerdeführer mehrmals verfolgt worden; so sei er im März 2006 zum Friedhof entführt worden und angeschossen worden. Auch als er im Krankenhaus gelegen sei, hätten sie Leute hingeschickt, die ihm gedroht hätten. Er sei ständig verfolgt worden und habe ihm die Polizei trotz erstatteter Anzeige auch nicht geholfen, weshalb er gekündigt habe. Seitdem habe er auch keine staatlichen Stellen aufgenommen. Weiters hätte der Beschwerdeführer auch zuhause Drohungen bekommen und seien ihm Delikte untergeschoben worden. So sei der Beschwerdeführer zwei Mal im Gefängnis gelandet, obwohl er unschuldig gewesen sei. Zum Schluss hätten sie seinen Bruder mit dem Auto angefahren. Für den Fall einer Rückkehr fürchte er das Gefängnis oder den Tod. Er habe sich nicht woanders in Georgien niederlassen können, da seine Verfolger überall seien.

Zu den Lebensumständen im Bundesgebiet führte er an, dass er keine Verwandten oder Familienangehörigen habe. Er lebe von der Grundversorgung und besuche einmal wöchentlich einen Deutschkurs in der Unterkunft. Er sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation, habe Kontakt zu Österreichern und Tschetschenen und habe sich in Österreich gut eingelebt. Zurzeit befinde er sich in Behandlung und in Substitutionstherapie. Im Herkunftsstaat würden auch weiterhin die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers in der Eigentumswohnung leben. Der Beschwerdeführer habe täglich Kontakt zu seinen Verwandten in Georgien.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer die Länderberichte der Staatendokumentation zur Lage im Herkunftsstaat auszugsweise ausgehändigt und ihm die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme binnen sieben Tagen gegeben.

Vorgelegt wurden:

* Befund des Universitätsklinikums St. Pölten, Abteilung für Neurologie (in Kopie)

* Betreuungsvertrag für Substitutionstherapie (in Kopie)

* Medikamentenblatt (in Kopie)

* Ein Ambulanzbrief Landesklinikum Lilienfeld, Abteilung Innere Medizin vom 13.05.2015 (in Kopie)

* Laborbefunde vom 05.05.2015 (in Kopie)

* Eine Benachrichtigung über die Einstellung des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft Wien vom 30.03.2015 (in Kopie)

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurden dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht habe glaubhaft darlegen können, weshalb die Behörde davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine Verfolgung zu befürchten habe. Auch sonst seien keine Hinderungsgründe hervorgekommen, womit eine Rückkehr zumutbar und möglich sei und würden unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände existieren, welche einer Abschiebung der Person des Beschwerdeführers nach Georgien entgegenstünden. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I., dass der Beschwerdeführer eine seine Person betreffende asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung nicht habe glaubhaft machen können. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vorlägen, die dafürsprechen würden, dass er bei einer Rückkehr nach Georgien in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Unter Spruchpunkt III. wurde mit näherer Begründung insbesondere im Hinblick auf die nur auf den Asylantrag begründeten Aufenthaltsdauer und dem nicht schützenswerten Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet darauf verwiesen, dass im Fall der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung und bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig sei. Letztlich wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise verpflichtet sei.

4. Gegen diesen Bescheid wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben und nach Wiedergabe des Verfahrensganges insbesondere moniert, dass die Erstbefragung sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe, weshalb es möglich sei, dass er im Zuge dessen Fehler begangen habe. Weiters könne er keine Beweismittel zu seiner Tätigkeit als Polizist vorlegen, zumal sein Verfolger (bzw. dessen Verwandten bei der Staatsanwaltschaft) jegliche Zugänge blockiert habe. Auch könne er seine eigenen Familienangehörigen nicht hinschicken, da es zu gefährlich wäre. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerde beigelegt wurde eine Haftbestätigung des Beschwerdeführers.

5. Mit elektronischer Eingabe vom 25.01.2016, 27.01.2016, 19.12.2016 und 27.12.2016 07.07.2017 wurden Unterlagen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers eingebracht.

6. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 24.05.2017, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 4,- Euro (200,- Euro), im Falle der Nichteinbringung zu 25 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

7. Mit elektronischer Eingabe vom 03.07.2017 wurde die Heiratsurkunde des Beschwerdeführers vorgelegt.

8. Am 07.07.2017 wurden weitere Unterlagen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zur Vorlage gebracht.

9. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 21.11.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 4,- Euro (240,- Euro), im Falle der Nichteinbringung zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

10. Am 19.02.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Georgisch statt, zu welcher der Beschwerdeführer und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Im Rahmen dessen wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten, ausführlich zu seinen Fluchtgründen und zur Integration im Bundesgebiet Stellung zu nehmen. Auch wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen. Die Behörde verzichtete mit Beschwerdevorlage vom 22.01.2016 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und ist ein Vertreter der Behörde entschuldigt nicht erschienen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurden: Befundbericht vom 07.07.2017 betreffend Behandlung einer Beinvenenthrombose, ein Ambulanzbrief der UNI-Klinik St. Pölten vom 20.07.2017 betreffend Hepatitisambulanz und eine Inskribtionsvereinbarung vom 14.01.2019 betreffend A1-Kurs.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers, beinhaltend die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.03.2015, die niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.08.2015, durch die Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.02.2019 und durch Einsicht in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und IZR sowie durch Einsichtnahme in das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Georgien (Länderinformationsblatt vom 22.03.2017).

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Georgien und führt den im Spruch genannten Namen. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprachen Georgisch, Russisch und etwas Englisch, hat im Herkunftsstaat elf Jahre die Schule und sodann fünf Jahre die Universität (Fächer: Bank, Finanzwesen und Jus) besucht. Er ist geschieden und kinderlos. Er lebte gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder in einer Eigentumswohnung und ist sein Vater bereits verstorben. Dazu besitzt seine Mutter eine weitere Wohnung und führt ein Damenbekleidungsgeschäft; die wirtschaftlichen Verhältnisse waren normal. Der Beschwerdeführer ist drogensüchtig und hat in Georgien drei Jahre lang an einem Drogenersatzprogramm teilgenommen. Er litt auch über Jahre hinweg an Hepatitis C, wurde bereits im Herkunftsstaat behandelt und ist mittlerweile als geheilt anzusehen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei der georgischen Polizei gearbeitet hat.

1.2. Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Georgien ausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Der Beschwerdeführer, ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, kann auch weiterhin im Herkunftsort leben.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat Georgien in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Georgien in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Der Beschwerdeführer ehelichte im Bundesgebiet am 21.06.2017 eine georgische Staatsangehörige, lebt gemeinsam mit dieser und ihrer in die Ehe gebrachten zwölfjährigen Tochter und kümmert sich um letztere, wenn ihre Eltern dazu nicht in der Lage sind. Der Beschwerdeführer hat ansonsten keine Verwandten oder Familienangehörigen im Bundesgebiet. Er bezog bis 21.08.2017 Leistungen aus der Grundversorgung, ging niemals einem Erwerb nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er hat sich niemals darum bemüht, einen Saisonjob zu bekommen oder beim AMS vorzusprechen. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs besucht, beherrscht die deutsche Sprache kaum, ist nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen und geht keinen besonderen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach. Der Beschwerdeführer geht seinen Hobbies nach indem er manchmal trainiert, oder malt und hat er sich über die Jahre einen internationalen Bekanntenkreis aufgebaut. Der Beschwerdeführer befindet sich nach wie vor im Substitutionsprogramm. Im Herkunftsstaat leben auch weiterhin die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers, zu denen er in regelmäßigem Kontakt steht. Dort leben auch seine Schwiegereltern und seine Schwägerin, die sowohl den Beschwerdeführer, als auch seine Familie gut kennengelernt haben.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht unbescholten:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 24.05.2017, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 4,- Euro (200,- Euro), im Falle der Nichteinbringung 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 21.11.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 4,- Euro (240,- Euro), im Falle der Nichteinbringung 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

1.3. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben:

Politische Lage:

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf

69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).

Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).

Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).

Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).

Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

* EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,

http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

* GeoStat - National Statistics Office of Georgia (2017):

population,

http://www.geostat.ge/index.php?action=page&p_id=473&lang=eng, Zugriff 21.2.2017

* HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/295489/430521_de.html, Zugriff 21.2.2017

* IFES - International Foundation for Electoral Systems (9.3.2015a):

Election Guide, Democracy Assistance & Elections News - Georgia, http://www.electionguide.org/elections/id/2287/, Zugriff 10.11.2015

* OSCE/ODIHR u.a. - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (17.11.2013):

Margvelashvili Sworn In As Georgia's New President, http://www.rferl.org/content/georgia-president-inauguration/25170650.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (29.12.2015): Giorgi Kvirikashvili Confirmed As Georgia's New Premier, http://www.rferl.org/content/georgian-parliament-vote-kvirikashvili-government-december-29/27454801.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 21.2.2017

* TI-G - Transparency International - Georgia (31.10.2016):

Assessment of the 2016 Parliamentary runoff elections, http://www.transparency.ge/en/blog/assessment-2016-parliamentary-runoff-elections, Zugriff 21.2.2017

* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 21.2.2017

Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).

Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).

Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellschaftlichen Veranstaltungen jenseits der Grenze teilzunehmen. Auch wird der Zugang zu Schulbildung für Kinder mit georgischer Muttersprache, die aus Abchasien kommend die Grenze nach Georgien überqueren, behindert (UN 26.1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017

* UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River,

http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Regionale Problemzone: Abchasien

Die Autonome Republik Abchasien in Nordwest-Georgien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter der Kontrolle der georgischen Regierung. Die Sicherheitslage in diesem Landesteil ist seitdem nicht berechenbar. Es kommt zu Zwischenfällen, auch krimineller Natur. In einigen Teilen der Region liegen teils nicht gekennzeichnete Minenfelder. Abchasien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Eine legale Ein- und Ausreise in bzw. aus dem Gebiet heraus ist gemäß dem georgischen "Gesetz über die besetzten Gebiete" über die russisch-georgische Grenze in Abchasien nicht möglich - außer in besonderen Ausnahmefällen mit vorheriger Zustimmung der georgischen Regierung. Ein ungenehmigter Grenzübertritt wird von den georgischen Behörden als illegaler Grenzübertritt behandelt. Bei anschließender Weiterreise über die Verwaltungsgrenze in benachbarte georgische Landesteile bzw. bei der Ausreise über reguläre georgische Grenzübergänge drohen Festnahme und Strafverfahren (AA 20.3.2017a).

Abchasien erstreckt sich auf einer Fläche von rund 8.600 Quadratkilometern. Nach offiziellen Angaben, wie jenen des abchasischen Außenministeriums, betrug 2011 die Einwohnerzahl 243.000 (MAARA o.D.). Beobachter vor Ort rechnen mit maximal 190.000 Einwohnern (NZZ 31.5.2014).

Das Rote Kreuz schätzt die Opferzahl der kriegerischen Auseinandersetzungen der neunziger Jahre auf 10.000 bis 15.000. Andere Quellen führen bis zu 30.000 Tote an. Von den 200.000 geflüchteten ethnischen Georgiern, sind zwischen 40.000 und 60.000 zurückgekehrt, insbesondere in die Grenzregion Gali. Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 2011 machen Georgier rund 19% der Einwohner Abchasiens aus (FP 26.8.2014).

Viele Abchasen besitzen einen russischen Pass. Nur nach Russland und in die Türkei können sie ohne erheblichen administrativen Aufwand reisen (NZZ 31.5.2014). 2015 begannen die Behörden neue abchasische Reisepässe auszugeben (FH 1.2016)

Die Unabhängigkeit von Abchasien wird nur von Russland, Venezuela, Nicaragua und dem Pazifikstaat Nauru anerkannt, nachdem zwei andere pazifische Inselstaaten ihre vormalige Anerkennung zurückgezogen haben (RFE/RL 31.3.2014, vgl. FH 1.2016).

Politische Oppositionsgruppen und NGOS sind in Abchasien aktiv und beeinflussen die Politik. 2014 führten Massenproteste der Opposition zum Rücktritt des damaligen Präsidenten Ankwab und zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, die Chadschimba gewann. Im Juni 2015 musste sich wiederum Chadschimba mit Forderungen der Opposition und der Kritik, sich zu sehr unter die Kontrolle Moskaus zu begeben, auseinandersetzen. Als Folge der Forderungen verabschiedete das Parlament mehrere Gesetze, die das Justiz-, Medien- und Bankensystem reformieren sollten. Die Möglichkeiten der gewählten Autoritäten die beschlossenen politischen Maßnahmen auch umzusetzen, sind durch den Einfluss Russlands, das einen beträchtlichen Teil des Staatshaushaltes finanziert, begrenzt (FH 1.2016).

Die politische Krise in Abchasien setzte sich 2016 fort. Nach ausgedehnten Massenprotesten am 15.12.2016 machte Defacto-Präsident Chadschimba Konzessionen an die Opposition. Chadschimba hat keine Kontrolle mehr über die Mehrheit im Parlament, welches zunehmend zu einem unabhängigen Akteur wird (EN 20.12.2016).

Das Justizsystem leidet unter chronischen Problemen, einschließlich des beschränkten Zugangs zu qualifizierter Rechtsvertretung, der Verletzung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens sowie langer Untersuchungshaft. Die Gefängnisse sind mangelhaft ausgestattet (FH 1.2016).

Mit Beginn des Schuljahres 2015/16 haben die abchasischen Behörden Georgisch als Unterrichtssprache im Bezirk Gali, der von ethnischen Georgiern bewohnt wird, abgeschafft (GT 3.9.2015). Es gibt nunmehr keine Schulen mehr in Gali, wo 97% der Einwohner ethnische Georgier (Mengrelier) sind, die Georgisch als Unterrichtssprache verwenden. Georgische Kinder müssen die Unterrichtsfächer auf Russisch bewältigen, auch wenn sie geringe Kenntnisse des Russischen besitzen. Die abchasischen Behörden verbieten den Lehrern, die russischen Wörter auf Georgisch zu erklären. LehrerInnen wurden strikt gewarnt, den Unterricht auf Russisch abzuhalten, ansonsten drohe die Kündigung. Während die Verwendung des Georgischen unterbunden wird, fördern die abchasischen Behörden die Verwendung des Mengrelischen (ebenso wie Georgisch eine kartvelische Sprache), die eigentliche Muttersprache der meisten ethnischen Georgier in Abchasien. Mengrelisch ist wiederum in Georgien weder Amts- noch Unterrichtssprache, weil man separatistische Strömungen fürchtet. Georgischer Sprachunterricht als solcher findet weiterhin statt. Als separates Sprachfach werden drei Stunden wöchentlich unterrichtet (GINSC 19.4.2016).

Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin viele Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. Das abchasische Gesetz von 2008 macht es Binnenflüchtlingen, die anderswo in Georgien leben, unmöglich ihr Eigentum zu reklamieren, da das während des Krieges 1992-93 verlassene Eigentum als enteignet gilt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* EN - EurasiaNet: (20.12.2016): Explaining the Crisis in Abkhazia,

http://www.ecoi.net/local_link/334022/462400_en.html, Zugriff 22.2.2017

* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 22.2.2017

* FP - Foreign Policy (26.8.2014): You Can't Go Home Again, http://foreignpolicy.com/2014/08/26/you-cant-go-home-again-4/?wp_login_redirect=0, Zugriff 22.2.2017

* GINSC - Gender Information Network of South Caucasus (19.4.2016):

Georgian no longer language of instruction in Gali, Abkhazia, http://www.ginsc.net/home.php?option=article&id=34110&lang=en, Zugriff 22.2.2017

* GT - Georgia Today (3.9.2015): Georgian Language Banned from Gali Schools,

http://georgiatoday.ge/news/1111/Georgian-Language-Banned-from-Gali-Schools, Zugriff 22.2.2017

* MAARA - Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Abchasien (o.D.): Allgemeine Informationen, http://mfaapsny.org/de/apsny/overview.php, Zugriff 22.2.2017

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (31.5.2014): Frustration über Misswirtschaft - Politische Pattsituation in Abchasien, http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/kritik-an-der-schutzmacht-russlands-politische-pattsituation-in-abchasien-1.18313140, Zugriff 22.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (31.3.2014): Tuvalu Retracts Recognition Of Abkhazia, South Ossetia, http://www.rferl.org/content/tuvalu-georgia-retracts-abkhazia-ossetia-recognition/25315720.html, Zugriff 22.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Regionale Problemzone: Südossetien

Das Gebiet Südossetien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter dem Einfluss der georgischen Regierung. Die Lage in Südossetien ist weiterhin unsicher. Nach den Waffenstillstandsvereinbarungen seit dem Krieg 2008 ist die Verwaltungsgrenze zu Südossetien Sperrgebiet. Ein Zutritt wird von georgischen Sicherheitskräften verhindert. Es besteht in diesem Gebiet darüber hinaus eine erhöhte Gefahr durch Minen und nicht explodierte Munition. Südossetien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Ein Grenzübertritt von Russland nach Südossetien und umgekehrt (Roki-Tunnel) ist nach georgischen Gesetzen illegal (AA 20.3.2017a).

2008 schuf Russland nach einem Fünf-Tage-Krieg gegen Georgien Fakten, indem es nebst Abchasien auch Südossetien als unabhängigen Staat anerkannte und dessen Existenz bis heute mit einer starken Militärpräsenz sichert. Der 2008 geschlossene Waffenstillstand ist fragil. Immer wieder kommt es an den Verwaltungsgrenzen zu Zwischenfällen. Auch verschob das weltweit überwiegend nicht anerkannte Regime Südossetiens mehrmals seine "Staatsgrenze" weiter in georgisches Gebiet hinein. Unklar ist auch das Schicksal von bis zu 130.000 Georgiern, die aus Südossetien fliehen mussten und denen eine Rückkehr in ihre beschlagnahmten bzw. zerstörten Häuser vom de-facto-Regime in Tskhinvali, der Hauptstadt Südossetiens, verweigert wird. Die meisten dieser Binnenflüchtlinge leben bis heute in Flüchtlingssiedlungen nahe ihrer alten Heimat. Die meisten Südossetier sind mittlerweile russische Staatsbürger und der de-facto-Präsident Südossetiens, Leonid Tibilov, fordert gar eine Aufnahme des Gebietes in den russischen Staatsverband (FNS 8.4.2016).

Südossetiens Außenbeziehungen waren im Laufe des Jahres 2015 ein wichtiges Thema der öffentlichen Diskussion. Im Parlament Südossetiens prallten Gegner und Befürworter einer engeren Bindung an Russland aufeinander. Im März 2015 unterzeichnete Südossetiens De-facto-Präsident, Leonid Tibilov, einen umfassenden bilateralen Vertrag über die Allianz bzw. die Integration Südossetiens in die Russische Föderation. Die russischen Hilfsleistungen machen fast zur Gänze den südossetischen Staatshaushalt aus. Fiskale Prozesse und entsprechende Entscheidungen sind größtenteils intransparent. Die Medien werden fast vollständig von der Regierung kontrolliert. Während vor 2008 es so gut wie keine Demonstrationen gegen die Regierung gab, hat sich die Situation deutlich verändert. Es fanden regelmäßig Proteste gegen den schleppenden Wiederaufbau und die Korruption statt. Anlässlich der Parlamentswahl 2014 konnten sich die Unterstützer der verschiedenen Kandidaten und Plattformen ohne nennenswerte Einschüchterungen versammeln. Südossetiens Justiz ist nicht unabhängig. Die Gerichtsbarkeit wird manipuliert, um die vermeintlichen Gegner der separatistischen Führung zu bestrafen. Regierungsunterstützer können laut Berichten bei Gesetzesbruch mit Straffreiheit rechnen. In den Gefängnissen sind Misshandlungen üblich und die Ausstattung ärmlich (FH 1.2016).

Im Juni 2014 wurden Parlamentswahlen abgehalten, die von Georgien, der EU und den USA nicht anerkannt wurden. Gewinnerin war die prorussische Partei "Geeintes Ossetien" (Jedinaja Ossetija) mit 43% bzw. 20 der 34 Abgeordnetensitze. Nebst "Geeintes Ossetien", das sich für die Vereinigung mit Nordossetien einsetzt und nach dem Vorbild der Krim einen Anschluss an Russland anstrebt, haben noch die Partei "Einheit des Volkes" (Jedinstwo Naroda), die "Volkspartei" (Norodnaja Partija) und die Partei "Nykhas" die Sieben-Prozent-Hürde übersprungen (CK 9.6.2014, vgl. auch Standard 9.6.2014).

Die südossetischen "Behörden" inhaftieren weiterhin viele Personen, die die administrative Grenze zu Georgien illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter übergaben diese regelmäßig an die de facto-Machthaber. Laut georgischem Sicherheitsdienst werden die Festgenommenen nach zwei bis drei Tagen unter Bezahlung einer Geldstrafe freigelassen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* CK - Caucasian Knot (9.6.2014): Official of South Ossetian CEC confirms victory of "United Ossetia" at parliamentary elections, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28376/, Zugriff 23.2.2017

* Der Standard (9.6.2014): Prorussische Partei gewinnt Wahl in Südossetien,

http://derstandard.at/2000001865997/Parlamentswahl-in-Suedossetien-begonnen, Zugriff 23.2.201

* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 23.2.2017

* FNS - Friedrich Naumann Stiftung (8.4.2016): Hintergrund Georgien:

Der lange Weg Georgiens nach Europa, https://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahUKEwj0rOSin6bSAhWE0RQKHaSNDpsQFgglMAE&url=https%3A%2F%2Fshop.freiheit.org%2Fdownload%2FP2%40597%2F67536%2FHG%252007-16_Georgien.pdf&usg=AFQjCNEgZxELnXYMm19agimSqTrqrSqMHQ&bvm=bv.147448319,d.d24, Zugriff 23.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justizreform wurde der Instanzenzug neu geregelt und eine radikale Verjüngung der Richterschaft durchgesetzt (AA 11.2016b).

Fortschritte sind insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug zu erkennen, wo inzwischen eine unmenschliche Behandlung (auch Folter), die in der Vergangenheit durchaus systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Zwei Reformwellen wurden bereits durchgeführt, die dritte Reformwelle steht seit einiger Zeit bevor. Sie betrifft insbesondere die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter und die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren. Sehr aktive NGOs und der unabhängige Ombudsmann beobachten diesen Prozess aufmerksam (AA 10.11.2016).

Das dritte Paket an Gesetzesänderungen, das den anhaltenden Mangel an Transparenz im Justiz-Management bereinigen soll, wozu auch die Rechenschaftspflicht des Hohen Rates der Justiz sowie die zufällige Zuweisung von Fällen gehören, konnte laut Europäischer Kommission zwar Fortschritte verzeichnen, ist jedoch noch nicht vollständig angenommen worden. Die Begründungen für das Abhalten von geschlossenen oder öffentlichen Anhörungen werden nicht immer richtig kommuniziert. Die Transparenz bei der Zuteilung von Fällen, bei der Auswahl der Richteranwärter und der Gerichtsverwalter ist nicht vollständig gewährleistet. Der Umgang mit Disziplinarverfahren erfordert eine Stärkung. Die Mehrheit der Richter hat keine dauerhafte Amtszeit und die umstrittene dreijährige Probezeit für Richter besteht weiterhin. Die Justiz ist immer noch ernsthaft unterbesetzt und der Aktenrückstand steigt (EC 25.11.2016).

Kritisch betrachtet werden muss weiterhin die starke Neigung von Politikern, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen eine vorrangig politische Motivation zu unterstellen und ggf. gesetzliche Änderungen vorzuschlagen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Nach dem Regierungswechsel wurden 190 in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft als politische Gefangene erklärte Häftlinge entlassen. Seit 2012 laufende Ermittlungen und teilweise schon mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden aus Sicht des [deutschen] Auswärtigen Amtes nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern sind Teil der erforderlichen juristischen Aufarbeitung der rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren (AA 10.11.2016).

Freedom House bewertete Anfang 2016 die Einmischung der Regierung und der Legislative in die Justiz weiterhin als erhebliches Problem, obwohl sich die gerichtliche Transparenz und die Rechenschaftspflicht in den letzten Jahren verbessert haben, letztere zum Teil aufgrund des verstärkten Medienzugangs zu den Gerichtssälen. Menschenrechtsorganisationen haben konsequent die Praxis der Staatsanwaltschaft kritisiert, wiederholt neue Anklagen gegen Gefangene einzureichen, um ihre Zeit in der Untersuchungshaft zu verlängern, eine Vorgehensweise, die durch eine Diskrepanz zwischen dem Strafgesetzbuch und der Verfassung möglich gemacht wird. Im September 2015 allerdings befand das Verfassungsgericht im Fall des ehem. Bürgermeisters von Tiflis, Ugulava, diese Praxis der Verlängerung der Untersuchungshaft als verfassungswidrig, weil die verfassungsmäßige Grenze von neun Monaten nicht überschritten werden darf. Ugulava gehörte zu zahlreichen ehemaligen UNM-Vertretern, die seit 2012 mit Strafprozessen konfrontiert wurden, was Fragen über den politischen Einflussnahme auf den Staatsanwalt aufwarf (FH 27.1.2016).

Während viele der Richter bemerkenswerte Anstrengungen unternahmen, ihr Niveau dadurch zu verbessern, indem sie ihren Entscheidungen mehr Substanz verliehen, besonders bei hochkarätigen Fällen, bleibt die Staatsanwaltschaft das schwächste Glied im Justizbereich. Bis 2012 war die Staatsanwaltschaft ein Teil der Exekutive, und die Gerichte waren bis zu einem gewissen Grad von der Exekutive abhängig. Die Staatsanwälte haben sich mittlerweile daran gewöhnt, ihren Vorbringen eine adäquate Qualität zu verleihen. Nur bei wenigen Gelegenheiten scheinen sie zurückhaltend zu sein. Nach der Trennung der Staatsanwaltschaft vom Justizministerium wurde allerdings keine Aufsichtsbehörde für die Staatsanwaltschaft institutionalisiert. Dieser Umstand beschädigt potentiell den Ruf des gesamten Justizsystems. Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 4.000 Anträge von Opfern angeblicher Folter, unmenschlicher Behandlung oder Zwang erhalten, sowie von Personen, welche gezwungen wurden, ihr Eigentum während der Herrschaft von Mikheil Saakaschwili aufzugeben. Seit 2012 stellt der Umfang der Strafverfahren gegen die ehemalige Führung eine Herausforderung für die aktuelle Regierung dar. Ihr wird vorgeworfen, politisch motivierte Untersuchungen einzuleiten bzw. Gerichtsprozesse zu führen. Gleichzeitig wird die Staatsanwaltschaft oft kritisiert, weil sie nicht die Fälle von Beamten untersucht hat, die ihre Befugnisse überschritten haben, oder von Polizisten, die gegen das Gesetz verstoßen haben oder von Menschen, die behaupten, im Gefängnis misshandelt worden zu sein. Als Reaktion auf diese Situation hat die Staatsanwaltschaft ihre Absicht bekundet, eine neue Abteilung zu schaffen, die im Rahmen von Gerichtsverfahren begangene Straftaten untersuchen wird (BTI 1.2016).

Das georgische Strafrecht mit dem ursprünglichen Ansatz einer "zero tolerance policy" zeigte eine enorm hohe Verurteilungsrate von 99%, mitunter wegen konstruierter Straftaten, sowie hohe Haftstrafen. Mit dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts durch Reduzierung der Strafmaße, aber auch eine erkennbar geringere Verurteilungsrate; diese ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 10.11.2016).

Am 12.1.2016 präsentierte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, seine Beobachtungen zur Menschenrechtslage in Georgien. Mehrere Gesprächspartner wiesen auf die Mängel bei der Auswahl, Ernennung und Versetzung von Richtern hin. Versetzungen und Beförderungen von Richtern scheinen nicht durch spezifische Regeln und Kriterien reguliert zu sein, was die diesbezüglichen Entscheidungen als willkürlich erscheinen lässt und folglich das öffentliche Vertrauen in die Justiz untergräbt. Der Menschenrechtskommissar empfahl die diesbezügliche Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des Direktorats für Menschenrechte des Europarats (DHR) aus dem Jahr 2014. Überdies empfahl er, dass die Gerichtsfälle nach dem Zufallsprinzip den Richtern zugeteilt werden. Denn es gab Befürchtungen, dass prominente Fälle Richtern zugeteilt wurden, die als loyal zur Regierung gelten. Überdies sah der Menschenrechtskommissar die geltende dreijährige Probezeit für Richter als bedenklich an, weil letztere hierdurch anfälliger gegenüber einer möglichen Druckausübung sind. Auch in diesem Punkt empfahl Muižnieks die Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des DHR, welche die Abschaffung der Probezeit für Richter vorsahen. Dem Menschenrechtskommissar wurden Berichte zuteil, wonach es wiederholt zu Drohungen und Einschüchterungen von Verfassungsrichtern kam. So beispielsweise im Fall "Ugulava [ehem. Bürgermeister von Tiflis] gegen das Parlament Georgiens". Richter und deren Familienmitglieder wurden von Bürgern bedrängt, die sich vor den Privathäusern der Richter versammelten und u.a. mit physischer Gewalt drohten (CoE-CommHR 12.1.2016).

Am 21.7.2016 erklärte der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, dass einige Richter des Gerichtshofes von den Behörden unter Druck gesetzt worden seien, in mehreren hochkarätigen Fällen Urteile zu verschieben oder zugunsten Angeklagten zu entscheiden. Staatsanwälte haben am 1.8.2016 darauf reagiert und eine Untersuchung zu den Vorwürfen eingeleitet (AI 22.2.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/336488/466107_en.html, Zugriff 27.2.2017

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2016), BTI 2016 - Georgia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017

* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Observations on the human rights situation in Georgia: An update on justice reforms, tolerance and non-discrimination [CommDH(2016)2], https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?coeReference=CommDH(2016)2, Zugirff 27.2.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017

* FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/327696/454796_en.html, Zugriff 27.2.2017

Sicherheitsbehörden

Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die begonnene juristische Aufarbeitung sowie Reformen in Polizei und erkennbare Verbesserungen im Strafvollzug, inklusive radikaler Veränderungen im Gefängnismanagement, haben Vorfälle von Gewaltanwendung überaus deutlich reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 10.11.2016).

Im Verlaufe des Jahres 2016 gab es keine Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte unter Straflosigkeit Missbrauch begangen haben. Der Ombudsmann dokumentierte Fälle von übermäßigem Einsatz von Gewalt durch die Polizei. Laut Innenministerium wurden zwischen Jänner und Juli 2016 rund 1.300 Disziplinarverfahren eingeleitet. 23 Fälle sind dem Generalstaatsanwalt zu Ermittlungen überreicht worden, wobei zehn Fälle mit einer Verurteilung endeten (USDOS 3.3.2017).

Angesichts der Sorge in Bezug auf Folter, Misshandlungen und andere Missbräuche durch die Strafverfolgungsbeamten hat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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