TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/22 98/20/0355

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Veröffentlicht am 22.04.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32 Abs1 idF 1999/I/041;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des SA in S, geboren am 2. Februar 1964, vertreten durch Dr. Karl Haas, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr. Karl-Renner-Promenade 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. April 1998, Zl. 202.783/0-V/15/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer ist liberianischer Staatsbürger. Er reiste am 15. Oktober 1997 illegal nach Österreich ein und stellte am 9. Jänner 1998 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. März 1998 gemäß § 6 AsylG 1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 31. März 1998 zugestellt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer die mit 2. April 1998 datierte und am 3. April 1998 zur Post gegebene Berufung.

Mit dem bekämpften Bescheid vom 21. April 1998 wies die belangte Behörde die erst nach Ablauf der zweitägigen Berufungsfrist erhobene Berufung zurück.

2. Darauf stellte der Beschwerdeführer am 30. April 1998 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung, dass der Flüchtlingsbetreuer des Beschwerdeführers irrtümlich der Meinung gewesen sei, die Berufungsfrist betrage 14 Tage. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer bei der Fremdenpolizei in der Bundespolizeidirektion St. Pölten die falsche Auskunft erhalten, dass die zweitägige Berufungsfrist erst am 3. April 1998 ende. Dieser Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. August 1998 mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei der fehlerhaften Auskunft an den Beschwerdeführer nicht um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehandelt habe. Der Beschwerdeführer hätte aus der Rechtsmittelbelehrung entnehmen können, dass die Berufungsfrist nur zwei Tage dauere. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 3. September 1998 eine Berufung, über die nach Aktenlage bisher noch nicht entschieden wurde.

3. Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21. April 1998, mit dem die Berufung zurückgewiesen wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Mittelpunkt der Beschwerde stehen die Ausführungen über die Zulässigkeit und die Berechtigung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Dieser Antrag ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Nach Aktenlage trifft auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei keiner weiteren Behandlung zugeführt worden, nicht zu.

2. Soweit der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel geltend macht, dass die belangte Behörde nach Prüfung der Rechtzeitigkeit der Berufung dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme hätte einräumen müssen, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass die Relevanz des behaupteten Verfahrensverstoßes nicht ersichtlich ist, weil der von der belangten Behörde zugrunde gelegte Sachverhalt gar nicht bestritten wurde.

3. Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Zurückweisung seiner Berufung das Gesetz verletze. Damit ist er im Ergebnis im Recht.

Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. März 1998, gegen den sich die verspätete Berufung richtete, wurde dem Beschwerdeführer unstreitig am 31. März 1998 zugestellt. Nach dem § 32 Abs. 1 AsylG 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 76 konnte gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden sind, nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden. Die belangte Behörde hat auf dem Boden der damaligen Rechtslage grundsätzlich richtig erkannt, dass die erst am 3. April 1998 zur Post gegebene Berufung des Beschwerdeführers verspätet war, weil die Berufungsfrist bereits mit Ablauf des 2. April 1998 geendet hat.

Nun hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., die Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" in § 32 Abs. 1 erster Satz des AsylG 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 76 und der Kundmachung BGBl. I Nr. 106/1998 als verfassungswidrig aufgehoben (siehe die Kundmachung des Bundeskanzlers vom 4. Februar 1999, BGBl. I Nr. 41) und ausgesprochen, dass die bezeichnete Gesetzesstelle nicht weiter anzuwenden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar grundsätzlich einen angefochtenen Bescheid auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen, sodass nachträgliche Rechtsänderungen oder nachträgliche Sachverhaltsänderungen nicht zu berücksichtigen sind (Ringhofer,

Der Verwaltungsgerichtshof (1955), 216 ff). Hat der Verfassungsgerichtshof aber das vom Verwaltungsgerichtshof seiner Kontrolle der behördlichen Tätigkeit zugrunde zu legende Gesetz aufgehoben und - wie hier - die Wirkung seines aufhebenden Erkenntnisses ausdrücklich auf alle vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände erstreckt, so ist das aufgehobene Gesetz vom Verwaltungsgerichtshof auch dann nicht zu beachten, wenn es sich nicht um einen Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG handelt (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 142 f; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0303).

Für die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. März 1998, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 AsylG 1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, gilt gemäß § 23 Asylgesetz 1997 i.V.m. § 63 Abs. 5 AVG eine Berufungsfrist von zwei Wochen. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 31. März 1998 zugestellt. Die mit 2. April 1998 datierte und am 3. April 1998 zur Post gegebene Berufung ist daher rechtzeitig.

Der Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf die Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 22. April 1999

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200355.X00

Im RIS seit

29.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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