TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/6 W159 2184675-1

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Veröffentlicht am 06.03.2019
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Entscheidungsdatum

06.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W159 2184675-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.12.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 34 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazare, schiitischen moslemischen Glaubens und verheiratet, gelangte mit seiner Ehefrau und einer Tochter sowie zwei Söhnen (spätestens) am 10.07.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am nächsten Tag erfolgte die Erstbefragung durch die LPD XXXX, XXXX.

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er hätte Afghanistan aufgrund von Problemen mit den Taliban verlassen müssen. Die Taliban hätten von ihm verlangt, er müsse mit ihnen zusammenarbeiten. Sein Sohn sei von den Taliban getötet worden. Um das Leben seiner Familie zu schützen, sei er mit seiner Familie in den Iran geflohen.

In der Niederschrift bei der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Hazara an, sei schiitischen Glaubens und verheiratet. Er hätte zwei Töchter, welche im Iran leben würden, einen Sohn welcher sich in Finnland aufhalten und auf einer Baustelle arbeiten würde sowie eine Tochter und zwei Söhne, die hier in Österreich im Familienverband leben würden. Er hätte sich nach seiner Flucht, 17 Jahren im Iran aufgehalten und mangels fehlender Bildung auf Baustellen gearbeitet. Er hätte einen Bruder, welcher verschollen sei, seine Frau hätte eine Schwester und einen Bruder und keinen Kontakt mehr zu ihnen. In Afghanistan hätte er kein eigenes Haus besessen, er hätte bei seinem Arbeitgeber gelebt und für ihn in der Landwirtschaft, auf den gepachteten Grundstücken, gearbeitet.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er Probleme mit den Taliban gehabt hätte. Er sei mit seinem Sohn bei der Arbeit am Feld gewesen, sie hätten mit dem Spaten umgestochen. Es seien zwei Taliban gekommen, die sie aufgefordert hätten, dass sie mit ihnen zusammenarbeiten sollten. Sie würden dem Beschwerdeführer und seinen Sohn Waffen geben und die beiden sollten an ihrer Seite kämpfen. Nachdem sie abgelehnt hätten, hätten sie noch bis zum Abend auf den Feldern gearbeitet und seien abends nach Hause gegangen. Am Abend, gegen 21.00 seien etwa 7 Personen der Taliban zur Familie nach Hause gekommen. Der älteste Sohn hätte die Türe geöffnet. Die Taliban hätten den 16 jährigen Sohn mitgenommen und den Beschwerdeführer mit dem Gewehrkolben bewusstlos geschlagen. Seine Frau und seine Kinder hätten den Beschwerdeführer gefunden, ins Haus getragen und die Wunden versorgt. Er hätte nach einer Stunde sein Bewusstsein wiedererlangt. Am nächsten Morgen seien die Nachbarn gekommen und hätten den Rat gegeben, dass die Familie ausreisen sollte, denn die Taliban würden die Schiiten töten. Die Familie sei zum Bruder in die Stadt Ghazni gegangen und hätte sich vier Tage dort aufgehalten und bei einem Freund des Bruders genächtigt. Der Freund sei in das Heimatdorf des Beschwerdeführers gefahren und hätte sich nach dem Sohn des Beschwerdeführers erkundigt. Bei seiner Rückkehr erzählte er, er habe erfahren, dass die Taliban den Sohn des Beschwerdeführers getötet und seinen Leichnam auf die Straße geworfen hätten sowie, dass er von den Nachbarn bestattet worden wäre. Der Hausbesitzer hätte der Ehefrau des Beschwerdeführers abgeraten ihren toten Sohn noch einmal zu sehen. Er hätte gegen Geld, die Ehefrau hätte ihren goldenen Armreif verkauft, die Familie mit dem Auto in den Iran gebracht. Der Bruder des Beschwerdeführers und seine Familie seien auch mitgereist. Der Bruder des Beschwerdeführers sei später nach Afghanistan abgeschoben worden und sei seitdem verschollen.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 22.12.2017, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 07.06.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 sowie des eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs 1 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan sei zulässig. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die belangte Behörde führte zu den Fluchtgründen aus, dass ein Familienverfahren zu seiner Ehefrau vorliegen würden. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung vom subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die reale Gefahr müsse sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohend Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Der VwGH habe auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Erkenntnissen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (Ra 2015/01/0134). Der EGMR gehe, auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR gestützt, davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistan zumutbar sei, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar sei. Alleinstehende Männer und Kleinfamilien sei es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch die Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergebe sich zunächst, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil sei, doch variiere die Sicherheitslage von Provinz zu Provinz und von Distrikt zu Distrikt. Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz und Stadt Kabul, (andere Regionen kämen nicht in Betracht), könne nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit drohe, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste. Die afghanische Regierung hätte die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren, die Sicherheitsverantwortung sei bei der afghanischen Armee und Polizei und schwere sicherheitsrelevante Zwischenfälle seien deutlich reduziert worden. Kabul sei für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten eine sichere und gute erreichbare Stadt und sogenannte Gefährdungsquellen seien in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen. Der Beschwerdeführer sei mobil, gesund sowie anpassungs- und arbeitsfähig. Er hätte im Iran das Leben durch die Arbeit auf Baustellen sichern können.

Der bevollmächtigte am 16.01.2018 die XXXX, zur rechtlichen Vertretung in Asylangelegenheiten.

Am 24.01.2018 langte die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtwidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung, gegen alle Spruchpunkte ein.

Der Beschwerdeführer sei von den Taliban zusammengeschlagen worden, der älteste Sohn entführt und später getötet worden. Die Narben beim Beschwerdeführer seien noch heute sichtbar. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau seien mit ihren Kindern in den Iran geflohen. Da die Familie keinen legalen Aufenthaltstitel gehabt hätte, hätten die Kinder nicht die offizielle Schule besuchen dürfen. Die Familie sei nunmehr nach Österreich geflüchtet, weil sie befürchtet hätte, dass die Söhne in den Krieg nach Syrien abgeschoben werden würden.

Der Beschwerdeführer hätte in der Befragung eindeutig ausgesagt, dass der er wegen seines Religionsbekenntnisses und der Volksgruppenzugehörigkeit Probleme mit den Taliban gehabt hätte. Die belangte Behörde hätte einen komplett falschen Sachverhalt der Beweiswürdigung zugrunde gelegt. Es sei auch unlogisch und unwahrscheinlich anzunehmen, dass die Taliban nur den ältesten Sohn der Familie aufgrund seiner Konfession umbringen würden und die restliche Familie verschonen würde. Wahrscheinlicher würde erscheinen, dass der älteste Sohn zwangsrekrutiert worden sei, da er sich für die Taliban im interessanten, wehrfähigen Alter befunden hätte. Detaillierte Ermittlungen seien von der belangten Behörde unterlassen worden. Es sei auch fraglich ob der Beschwerdeführer und seine Ehefrau in Kabul überlebensfähig seien. Es werde auf einen Zeitungsbericht des Standards

(derstandard.at/2000006313925(Studie-Leben-fuer-alte-Menschen-in Norwegen-am-besten) verwiesen, wonach Afghanistan als Wohnort für alte Menschen von allen untersuchten Ländern den letzten Platz (Platz 96) belegen würde. Es sei die Bewertung in den vier Kategorien: Einkommensicherheit, Freiheit, öffentlicher Personennahverkehr und soziale Beziehungen. Der Beschwerdeführer sei ungefähr 65 Jahre alt und es sei unwahrscheinlich, dass er von den anderen geflohenen Familienmitgliedern unterstützt werden würde.

Die belangte Behörde hätte auch unzureichende Länderfeststellungen der Beurteilung zugrunde gelegt. Die Lage in ganz Afghanistan habe sich derart verschlechtert, dass bei Rückführung eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK bestehen würde wie auch ein Bericht aus dem Standard vom 05.10.2017

(http://derstandard.at/20000065325848/Von-Europa-nach-AfghanistanRueckkehr-in-ein-Land-der-Gewalt). Laut einem Amnesty-Bericht würden die Menschen Gewalt, Verfolgung und Folter erwarten. Afghanistan sei so gefährlich wie lange nicht mehr.

Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens und der mangelhaften Beweiswürdigung seien unrichtige Feststellungen getroffen worden. Zufolge von Berichten (UNHCR, ACCORD) seien die Hazara besonderer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.

Am 12.02.2019 fand eine Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer und die Familienglieder (Ehefrau, volljährige Tochter, volljähriger Sohn, mj. Sohn) als Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen, ein Rechtsvertreter, ein Zeuge und eine Dolmetscherin teilnahmen. Am 29.01.2018 teilte die belangte Behörde mit, dass sie auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichte.

Nach Befragung eines Zeugen und der Ehefrau setzte der Richter die Verhandlung mit der Befragung des Beschwerdeführers fort. Der Beschwerdeführer brachte vor, sein Vorbringen und seine Beschwerde aufrechtzuerhalten. Er sei afghanischer Staatsbürger, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer gab an, er hätte in Afghanistan gelebt und in der Landwirtschaft gearbeitet, er hätte Weizen, Äpfel, Trauben und andere Früchte angebaut. Vor 17 Jahren sei er in den Iran geflohen und hätte dort als Bauarbeiter gearbeitet. Seiner Familie sei es gut gegangen, sie hätten genug zum Essen gehabt. In Afghanistan hätten sie keine Probleme mit staatlichen Organen, jedoch mit bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban, gehabt. Der Beschwerdeführer gab an, sie hätten seinen ältesten Sohn mitgenommen und getötet. Er persönlich sei am Arm und im Bereich des Nackens verletzt worden (Anmerkung: Er zeigte seine Narben)

Nachgefragt, bestätigte der Beschwerdeführer er hätte in Afghanistan keine Probleme mit Privatpersonen, sondern nur mit den Taliban gehabt, deswegen hätte er illegal im Iran gelebt, gearbeitet und seine Miete bezahlt. Sein ältester Sohn sei in Afghanistan von den Taliban getötet worden, nunmehr hätten seine Söhne in den Krieg nach Syrien geschickt werden sollen und er hätte keinen anderen Ausweg gesehen, als auch den Iran zu verlassen. Der Beschwerdeführer gab zu seiner Gesundheit befragt an, er hätte 3 Operationen, zwei Mal im Iran, einmal in Österreich gehabt. Er hätte Probleme mit dem Magen, sei regelmäßig in ärztlicher Behandlung und müsse ständig Medikamente nehmen.

Der Beschwerdeführer erzählte weiter, er würde in Österreich den Damen seiner Region helfen. Er würde Salat, Gemüse und auch Knoblauch anbauen. Manchmal würde er für die Gemeinde arbeiten und den Garten seiner Unterkunft pflegen. Aufgrund der weiten Entfernung zu Linz würde er bevorzugen, mit seinen Kindern Deutsch lernen. Er würde Kontakte zu Österreichern pflegen, sie würden sich gegenseitig besuchen und zusammen essen. Er sei glücklich über die Veränderungen im Leben seiner Frau und seiner Tochter. Seine Tochter würde studieren und um 23 Uhr nach Hause kommen. Seine Frau und seine Tochter würden gemeinsam in die Stadt fahren, er fühle sich wohl dabei. Seine Tochter könne sich ihren Partner selbst aussuchen. Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, dass sein jüngster Sohn in die Schule gehen würde und dieser hätte keine eigenen Fluchtgründe. Er würde am Fußballplatz mit anderen Kinder spielen, jedoch nicht bei einem Verein. Er selbst sehe sich persönlich als streng religiösen Schiiten, aber mit seinen Kinder hätte das nicht zu tun. Die Frage, ob er sich in Österreich integriert fühle, bejahte er. Er würde auch selbst zum Hofer, Lidl und Penny einkaufen gehen, um das Benötigte einzukaufen. Für den Beschwerdeführer würde eine Rückkehr nach Afghanistan bedeuten, getötet zu werden, denn sollte ein Hazara bzw. ein Schiite sich weigern mitzukämpfen, würde er getötet werden.

Die verlesene Strafregisterauszug zeigt keine Verurteilung des Beschwerdeführers.

In der Stellungnahme vom 05.02.2019 wurde auf die Verfolgungssituation der Frauen in Afghanistan verwiesen. Die Frauen in Afghanistan hätten keine Grundrechte und würden sowohl unter gesellschaftlichen als auch staatlichem Druck stehen, weil sie der sozialen Gruppe der Frauen angehören würden. Im Falle einer Rückkehr würde es zu einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK kommen. Keine Frau und kein Mädchen, die ein eigenständiges Leben wolle, ihre eigenen Entscheidungen treffe, die über ihre sexuelle Selbstbestimmung verfüge, die als gleichberechtigter Mensch behandelt werden wolle, sei ein Leben in Afghanistan zumutbar. Dies würde in zahlreichen Berichten belegt werden. Die vorherrschenden konservativ-islamischen Ansichten zur Rolle der Frauen zeige sowohl massive Einschnitte in die Freiheit als auch Gefahren im Falle der Übertretung der konventionellen Normen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und schiitischen Glaubens. Die angegebenen Fluchtgründe haben sich mehr als 17 Jahre vor der Einreise ereignet. Er ist am 10.07.2015 in das Bundesgebiet eingereist und hat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Bundesgebiet hält er sich mit seiner Ehefrau und drei seiner Kinder auf. Diese sind ebenso Staatsbürger von Afghanistan.

Glaubhaft ist, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers eine westlich orientiere Frau ist, die sich seit ihrer Ankunft ein freies und selbstbestimmtes Leben lebt. Sie und der Beschwerdeführer haben sich in Österreich integriert.

Der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde mit einem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag der Status von Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

- Beweis wurde erhoben durch Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Beamte der LPD XXXX am 10.07.2015 sowie durch das BFA, Regionaldirektion OÖ am 14.11.2017, durch Befragung des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.02.2019 sowie durch Vorhalt der oben näher bezeichneten länderkundlichen Dokumente durch das Bundesverwaltungsgericht.

2. Beweiswürdigung:

Der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde Asyl gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt, ihr kommt damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zu.

Die angegebenen Fluchtgründe sind wegen des langen Zeitlaufs keiner Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen, ebenso wenig Ereignisse im Iran. Da Asyl im Familienverfahren gewährt wurde, mussten auch keine Länderfeststellungen aufgenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idF BGBl. I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.03.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10)

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Im Fall des Beschwerdeführers liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl im Familienverfahren vor, weil seine Ehefrau asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft dargelegt hat, weil es sich bei dieser um eine Angehörige der besonders vulnerablen Gruppe der Frauen mit "westlichen Gesinnung" handelt.

Der Beschwerdeführer selbst hat - wie beweiswürdigend dargelegt - keine aktuelle Verfolgung in Afghanistan aus einem in der GFK genannten Grund glaubhaft machen können, denn Umstände die schon lange zurückliegen, sind asylrechtlich nicht beachtlich ( siehe z.B. VwGH 07.11.1995, 95/20/0025 und VwGH vom 10.10.1996, 95/20/150 u. a.).

Die Fluchtgründe müssen sich auf eine Bedrohung im Herkunftsstaat beziehen und nicht auf einen anderen Staat, um asylrelevant zu sein. Wenn keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde, ist die Abweisung des Asylantrages nicht als rechtswidrig zu erkennen (VwGH vom 02.06.2006, Zl. 2004/20/0240).

Die Ereignisse im Iran sind asylrechtlich daher ebenso unbeachtlich.

§ 34 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes."

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art. 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt.

Ehegatten führen ebenso wie Kinder mit ihren Eltern ipso iure ein Familienleben.

Mit seiner Ehefrau führt der Beschwerdeführer ein Familienleben. Er und seine Ehefrau sind Familienangehörige gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005, wie dies unbestritten das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt hat.

Seiner Ehefrau wurde der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, wonach dem Beschwerdeführer ein Familienleben getrennt von seiner Ehefrau in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl im Zuge eines Familienverfahrens gegeben sind.

Dem Beschwerdeführer war daher Asyl zu gewähren.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 11.07.2015 - und somit vor dem 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Vielmehr wurden die in dem vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen auf Basis der bisherigen Judikatur der Höchstgerichte entschieden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W159.2184675.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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