TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 W261 2179044-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W261 2179044-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 09.11.2015 gemeinsam mit seinem älteren Bruder, XXXX , IFA Zl. XXXX , als Minderjähriger in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 10.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari an, dass er aus der Provinz Baghlan stamme, Tadschike sei und neun Jahre lang die Grundschule besucht habe. Er habe Afghanistan verlassen, weil sein Vater, dessen Fahrer und zwei Bodyguards getötet worden seien. Sein Onkel sei jeden Tag zur Familie gekommen und habe behauptet, dass die Familie des BF daran schuld sei, dass eine Feindschaft entstanden sei. Nachts seien die Taliban gekommen und hätten die Mutter des BF damit bedroht, dass sie den Bruder des BF umbringen wollten. Die Mutter habe sie aus dem Heimatland gebracht. Sie habe die beiden Brüder nicht begleiten können, weil sie einen weiteren Bruder hätten, der am Bein behindert sei und alleine nicht überlebensfähig sei. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil der Kommandant Mirwais sowohl ihn als auch seinen Bruder umbringen würde. Auch seien sie immer wieder vom Onkel unterdrückt worden.

Aufgrund von Zweifeln an der Minderjährigkeit des BF veranlasste das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine medizinische Altersfeststellung. Im medizinischen Sachverständigengutachten der medizinischen Universität Wien vom 21.12.2016 ergab, dass der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig gewesen sei.

Am 21.04.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt (in der Folge belangte Behörde) im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari. Er gab im Wesentlichen das an, was er bereits bei seiner Ersteinvernahme ausgesagt hatte. Er sei nie persönlich bedroht worden, er habe Afghanistan im Alter von 16 Jahren verlassen. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.

Die belangte Behörde räumte dem BF mit Schreiben vom 21.04.2017 die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von einer Woche eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderinformationen abzugeben. Der BF gab keine Stellungnahme ab.

Die Landespolizeidirektion Wien informierte die belangte Behörde am 31.10.2017 darüber, dass der BF wegen eines Suchtgiftmitteldeliktes angezeigt worden sei.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung durch die Taliban nicht glaubhaft gemacht. In Bezug auf seine Herkunftsprovinz liege eine Gefährdungslage vor, nicht jedoch allgemein in Afghanistan. Es bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Kabul.

Die Landespolizeidirektion Wien informierte die belangte Behörde darüber, dass der BF am 26.11.2017 wegen eines Deliktes nach dem Waffengesetz angezeigt worden sei.

Der BF erhob mit Eingabe vom 04.12.2017, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass der BF Afghanistan verlassen habe, weil sein Bruder für ausländische Truppen im XXXX (Drogen und Terrorismusbekämpfung) gearbeitet habe. Auch sein Vater sei gemeinsam mit zwei Leibwächtern im März 2015 von den Taliban getötet worden, weil er als Sicherheitsbeauftragter gearbeitet habe. Aufgrund der Tätigkeit des Bruders des BF werde auch dieser von den Taliban bzw. von Hezb-e-Islami (Kommandant Mirwais) mit dem Umbringen bedroht. Auch die Mutter des BF werde bedroht. Dem BF drohe daher aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie asylrelevante Verfolgung. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative. Der BF gehöre auch genau jener Gruppe an, die durch Zwangsrekrutierungen durch die Taliban betroffen sein könne. Es liege daher eine zielgerichtete Verfolgung gegen den BF vor. Zudem sei die Lage der Binnenvertriebenen äußerst prekär. Sollte dem BF kein Asyl gewährt werden, so wäre ihm jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Es bestehe die Gefahr, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten könnte. Der BF sei in Österreich sehr gut integriert, er besuche derzeit eine Fachschule für Landwirtschaft. In seinem Fall sei zu befürchten, dass er sich nach mehrjähriger Abwesenheit im teils westlich geprägten Ausland nicht mehr in der konservativ geprägten Gesellschaft in Afghanistan zurechtfinden werde. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei prekär, ebenso die Situation der Rückkehrer, wie dies die Afghanistan Expertin Friederike Stahlmann in deren Artikel "Überleben in Afghanistan" ausführte. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem individuellen Vorbringen des BF auseinander zu setzen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 07.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien informierte die belangte Behörde darüber, dass der BF als junger Erwachsener wegen gewerbsmäßiger Suchtgiftmitteldelikte und des fahrlässigen unbefugten Besitzes eines Schlagringes mit Urteil vom 03.04.2018 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden sei, wobei die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren unbedingt nachgesehen worden sei.

Die belangte Behörde informierte das BVwG mit Schreiben vom 12.05.2018 darüber, dass sich der BF seit 10.05.2018 in Untersuchungshaft befinde.

Die belangte Behörde informierte das BVwG am 10.07.2018 darüber, dass der BF am 12.06.2018 wegen eines Suchtgiftmitteldeliktes zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden sei, wobei die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren unbedingt nachgesehen worden sei. Die Vorhaft vom 10.05.2018 bis 12.06.2018 werde auf die verhängte Strafe angerechnet. Gleichzeitig werde die mit dem oben genannten Ersturteil gewährte Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Für die Dauer der Probezeit werde Bewährungshilfe angeordnet.

Der Verein Menschenrechte Österreich legte am 16.07.2018 die am 27.11.2018 erteilte Vollmacht für den BF zurück.

Das BVwG führte am 01.08.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung sowohl für den BF als auch dessen Bruder durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde ohne Rechtsvertretung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, die UNHCR Richtlinie vom 19.04.2016, den Landinforeport zu Afghanistan "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne", vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von vier Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF und die belangte Behörde gaben keine Stellungnahme zu den Länderinformationen ab.

Die belangte Behörde informierte das BVwG am 01.08.2018 darüber, dass der BF am selben Tag auf frischer Tat beim Verkauf von Suchtmitteln betreten wurde.

Die belangte Behörde informierte das BVwG am 20.08.2018 darüber, dass der BF am 03.08.2018 wegen Suchtgiftmitteldelikten in Untersuchungshaft genommen worden sei.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 06.09.2018 wegen Suchtgiftmitteldelikten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Der BF wurde am 23.10.2018 wegen des Verdachtes des Betruges angezeigt, wie dies die Landespolizeidirektion Wien mit Schreiben vom selben Tag mitteilte.

Das BVwG führte am 18.02.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 11.11.2015 mit Unterbrechungen Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

Aus dem vom BVwG am 18.02.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den BF drei strafrechtliche Verurteilungen, allesamt wegen Suchtgiftmitteldelikten, aufscheinen.

Das BVwG übermittelte den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 18.02.2019 das aktuelle Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 08.01.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, Auszüge aus den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.07.2018 zu AFGHANISTAN: Hezb-e Islami: Unterstützung in Shamshatu, Rekrutierung, Verfolgung durch Taliban, Aktivitäten Provinz Baghlan und räumte diesen die Möglichkeit ein, hierzu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Die belangte Behörde und der BF gaben keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX in XXXX , XXXX in der Provinz Baghlan, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Moslem, gesund, ledig und kinderlos. Die Muttersprache des BF ist Dari.

Der BF wuchs an seinem Geburtsort in der Provinz Baghlan im Haus seiner Eltern auf. Der BF besuchte neun Jahre lang die Schule.

Der Vater des BF hieß XXXX . Der Vater des BF war Mitarbeiter beim afghanischen Geheimdienst und war für die afghanische Regierung tätig. Er verstarb im Jahr 2015 bei einem Anschlag auf seine Person, bei welchen auch sein Fahrer und seine beiden Bodyguards ums Leben kamen. Zu diesem Anschlag auf den Vater des BF bekannten sich die Taliban.

Seine Mutter heißt XXXX , sie ist ca. 45 Jahre alt und lebt nach wie vor im Haus der Familie. Die Mutter des BF ist Ärztin. Vormittags arbeitet sie in einem Krankenhaus als Hebamme, nachmittags zuhause als Ärztin.

Der BF hat Geschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern. Ein Bruder des BF, XXXX , IFA Zl. XXXX , reiste mit dem BF gemeinsam aus Afghanistan aus und ist ebenfalls Asylwerber in Österreich. Der Bruder des BF lebt nach wie vor an dessen Heimatort gemeinsam mit deren Mutter. Die beiden Schwestern sind verheiratet, eine in der Provinz Khost und eine in der Provinz Baghlan.

Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie.

Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken im Ausmaß von 4 Jirib.

Der BF hat zwei Onkel väterlicherseits, eine Tante und zwei Onkel mütterlicherseits, die alle in der Provinz Baghlan leben. Der Mann der Tante ist Verkäufer, ein Onkel mütterlicherseits war Dolmetscher in Kandahar bei kanadischen Soldaten, der zweite Onkel mütterlicherseits ist Bauer. Der eine Onkel väterlicherseits ist bei XXXX , einer Hilfsorganisation tätig, und der zweite Onkel väterlicherseits ist Landwirt.

Der BF war in Afghanistan nicht beruflich tätig. Der BF ist Zivilist. Der BF ist mittlerweile volljährig.

Der BF reiste im Jahr 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 09.11.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die ihn persönlich treffende Gefahr, aufgrund der Tätigkeit seines Bruders, XXXX , als Mitglied einer Sondereinheit der afghanischen Polizei bzw. aufgrund der Tätigkeit seines Vaters für den Geheimdienst von den Taliban und/oder den Mitgliedern der Hezb-e-Islami getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.

Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich seit etwas mehr als drei Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise mit Unterbrechungen Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF besuchte Deutschkurse, und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besucht in Österreich keine Schule. In seiner Freizeit trainiert der BF und spielt Fußball. Der Bruder des BF, XXXX , lebt auch als Asylwerber in Österreich. Die beiden Brüder leben nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 14.03.2018, Zl. XXXX wegen zwei Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgift und des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Diese Freiheitsstrafe wurde ihm auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 12.06.2018, Zl. XXXX als junger Erwachsener wegen zweier Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgift zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde ihm unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die erlittene Vorhaft vom 10.05.2018 bis 12.06.2018 wurde ihm auf die verhängte Strafe angerechnet. Die Probezeit für seine erste Verurteilung wurde auf fünf Jahre verlängert. Für die Dauer der Probezeit ordnete das Landesgericht Bewährungshilfe an.

Der BF wurde knapp eine Stunde nach der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 01.08.2018 um 14:55 Uhr neuerlich auf frischer Tat bei der Begehung eines Suchtgiftmitteldeliktes betreten und in Haft genommen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 04.09.2018, Zl. XXXX wurde der BF als junger Erwachsener wegen eines Suchtgiftmittelvergehens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, die am 28.12.2018 vollzogen war.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Baghlan aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Auch seine Familie kann ihn finanziell unterstützen. Er hat neun Jahre lang die Schule besucht.

Der BF ist gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 08.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, der in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.07.2018 zu "Afghanistan: Hezb-e Islami: Unterstützung in Shamshatu, Rekrutierung, Verfolgung durch Taliban, Aktivitäten in Baghlan" enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1 Herkunftsprovinz Baghlan

Baghlan, die Herkunftsprovinz des BF, liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt.

Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Andarab, Baghlan-e-Jadid/Baghlan-e Markazi, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah/Banu, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri, Tala Wa Barfak/Barfak, Jalga/Khwajahejran. Im Nordosten grenzt Baghlan an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 943.394 geschätzt.

Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken. Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diese Gruppierungen vor. Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach. Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden von UNAMA 222 zivile Opfer (66 getötete Zivilisten und 156 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien. Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet.

Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv. Anfang 2017 fiel der Distrikt Tala Wa Barfak an die Taliban; später wurde er jedoch von den Regierungsmächten wieder eingenommen.

In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar, nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war. Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohle-transportierenden Fahrzeugen.

Bei der Provinz Baghlan handelt es laut den EASO Richtlinien vom Juni 2018 um einen Landesteil Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

1.5.1.2 Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2 Sichere Einreise

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4 Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar-e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken, der auch der BF angehört, ist die zweitgrößte; und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten: In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

1.5.6 Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.

1.5.7 Sicherheitsbehörden

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA- Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.

Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.

Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.

Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats.". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt. Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden USamerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen. Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF- Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden.

Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei. Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich. Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf. Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020.

Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anm.) und das

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert.

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren. Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind. Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben. Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern.

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorfältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen. Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen. Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel.

Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden. Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw.

Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3% .

1.5.8 Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.5.9 Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Hezb-e Islami ist in der Provinz Baghlan aktiv. Es gibt Berichte über die Gründung einer Koalition durch ehemalige Mitglieder der Hezb-e Islami, von Verwicklung in Morde, Entführungen, Landraub und Bergbau sowie militärische Präsenz. Die Provinz Baghlan war früher eine Hochburg der Hezb-e Islami, fiel jedoch in den Jahren nach 2011 sukzessive an die Taliban.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben decken sich mit jenen seines Bruders. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager und unplausibler Angaben als unglaubhaft. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des BF noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der BF nicht schlüssig zu erklären vermochte.

Der Vater des BF war für den afghanischen Geheimdienst tätig und kam bei einem Anschlag ums Leben, zu dem sich die Taliban bekannten. Der Bruder des BF, XXXX , arbeitete in einer Spezialeinheit der afghanischen Polizei und war gemeinsam mit dem britischen Militär an Kämpfen gegen die Taliban beteiligt. Das diesbezügliche Vorbringen seines Bruders, welcher mit dem BF gemeinsam nach Österreich gekommen ist, ist glaubhaft. Dieser brachte auch vor, selbst vom Kommandanten der Hezb-e Islami in Baghlan, namens Mirwais, bedroht und aufgefordert worden zu sein, seine Tätigkeit zu beenden.

Im Gegensatz zu seinem Bruder konnte der BF jedoch keine gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung glaubhaft machen. Der BF war bei seiner Flucht etwa 16 Jahre alt und bis dahin in Afghanistan Schüler; als Zivilist war er somit in keiner exponierten Position. Auf Befragen seitens der belangten Behörde, ob er selbst ebenfalls vom Kommandanten Mirwais bedroht worden sei, antwortete er zunächst, die gesamte Familie sei bedroht worden. Als die belangte Behörde in aufforderte, dies genauer zu erklären, machte der BF vage und ausweichende Angaben und schilderte die Tötung des Cousins seines Vaters, welche jedoch erst nach seiner Flucht aus Afghanistan stattgefunden haben soll. Nach mehrmaligem Nachfragen verneinte der BF schließlich, persönlich bedroht worden zu sein (vgl. S 7 der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 21.04.2017).

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG gab der BF erstmals an, die Taliban oder Hezb-e Islami hätten einen Zettel auf die Eingangstüre der Familie geheftet, auf dem gestanden sei "Falls Ihr Sohn zurückkehrt, werden wir ihn köpfen". Auf erneute Nachfrage der erkennenden Richterin, was auf dem Zettel gestanden sei, sagte der BF, die Nachricht habe "Wenn Ihr Sohn nicht zurückkehrt, werden wir die ganze Familie köpfen." gelautet. Neben diesem in sich widersprüchlichen Vorbringen erscheint es auch gänzlich unplausibel, dass der Bruder des BF, der ja offenbar Hauptadressat bzw. Grund des Briefes gewesen sein soll, diesen in sämtlichen Befragungen während des gesamten Verfahrens nie erwähnte. Auch der BF erwähnte das Schreiben erstmals in der Beschwerdeverhandlung, auch wenn er auf Vorhalt dieses Umstandes behauptete, diesbezügliche Angaben bereits bei der Einvernahme vor dem BFA getätigt zu haben (vgl. S 25 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 01.08.2018). Dem ist entgegen zu halten, dass die gesamte Niederschrift der Einvernahme vor der belangten Behörde wortwörtlich rückübersetzt wurde, und der BF die Richtigkeit seiner Angaben mit seiner Unterschrift bestätigte. Am Beginn seiner Befragung vor dem BVwG wurde er erneut zu seinen vorherigen Einvernahmen befragt und ihm die Möglichkeit gegeben, etwas richtig zu stellen, was er nicht tat, sondern nur angab, die Wahrheit gesagt zu haben (vgl. S 18 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 01.08.2018). Diese Steigerung seines Fluchtvorbringens ist nach Ansicht des BVwG zumindest als Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Vorbringen zu werten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der BF, trotz mehrmaliger Möglichkeit, eine persönliche Verfolgung und Bedrohung vorzubringen, erstmals in der Verhandlung vor dem BVwG über eine Bedrohung der Familie durch einen Brief an der Haustür erzählt. Dabei ist hervorzuheben, dass der BF grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich schlüssiger Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftssaat geflüchtet zu sein, über wesentlich Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann. Dabei wird durchaus berücksichtigt, dass der BF zum Zeitpunkt seiner Erstbefragung noch minderjährig war.

Weitere Widersprüche in seinem Vorbringen in der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA zeigten sich darüber hinaus betreffend eine weitere Bedrohung der Taliban und die Konflikte mit seinem Onkel. Während der BF in der Erstbefragung noch angab, die Taliban seien nachts gekommen und hätten seiner Mutter gedroht, seinen Bruder umzubringen, erwähnte er diesen Vorfall weder vor der belangten Behörde noch vor dem BVwG. Dies ist umso bemerkenswerter, als laut seinen Angaben in der Erstbefragung dieser Vorfall zum Entschluss der Mutter geführt habe, den BF und seinen Bruder noch in derselben Nacht aus Afghanistan wegzuschicken. Weiters gab der BF in der Erstbefragung an, nach dem Tod seines Vaters sei sein Onkel sei jeden Tag zu ihnen gekommen, habe auf seine Mutter eingeschlagen und behauptet, dass sie schuld daran seien, dass nun Feindschaften entstanden seien. Vor dem BFA und dem BVwG schilderte der BF zwar erneut die Probleme mit dem Onkel und beschrieb eine schlechte Umgangsweise und Beschimpfungen, gab hingegen nicht mehr an, seine Mutter sei von seinem Onkel geschlagen worden.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der BF zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch minderjährig war. Dass der BF das Aufsuchen des Hauses durch die Taliban und deren Drohung, seinen Bruder umzubringen, was in der Folge noch in derselben Nacht zur Ausreise der Brüder geführt haben soll, und damit die eigentlichen Ausreisegründe aus Afghanistan hingegen nur in der Erstbefragung und in sämtlichen weiteren und ausführlicheren Befragungen nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das BVwG jedoch nicht nachvollziehbar. Auch die widersprüchlichen Angaben bezüglich des Onkels sind seitens des BVwG als Indiz für ein insgesamt nicht glau

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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