Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde 1. des A und
2. der D, beide in Z, beide vertreten durch D und P, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 26. Jänner 1998, Zl. 1/02-36.604/4-1998, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: S-Gesellschaft mbH in Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 28. November 1997 bei der Bezirkshauptmannschaft Z (in der Folge kurz: BH) eingelangten Antrag beantragte die mitbeteiligte Partei die baubehördliche Bewilligung zur Änderung des Verwendungszweckes von Räumlichkeiten in einem bestehenden Gebäude von Geschäftslokal auf Gastlokal (den Akten ist zu entnehmen, dass diesbezüglich auch um eine entsprechende gewerberechtliche Bewilligung angesucht wurde). Die Beschwerdeführer sind Eigentümer benachbarter Grundstücke; das Grundstück des Erstbeschwerdeführers liegt nördlich, jenes der Zweitbeschwerdeführerin östlich der Liegenschaft, auf welcher das verfahrensgegenständliche Gebäude errichtet ist.
Die Beschwerdeführer erhoben in der Bauverhandlung vom 16. Dezember 1997 Einwendungen gegen das Vorhaben; sie brachten ua. vor, das Vorhaben sei angesichts der Flächenwidmung "erweitertes Wohngebiet" im Hinblick auf die damit verbundenen Geruchs- und Lärmbelästigungen der Nachbarschaft unzulässig.
Mit Bescheid der BH vom 23. Dezember 1997 wurde der mitbeteiligten Partei die angestrebte Bewilligung unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Dies wurde auf Grundlage des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973 (BauPolG) "in der geltenden Fassung (i.d.g.F.)" (die nicht genannt ist) damit begründet, dass gemäß § 7 Abs. 1 BauPolG Parteien im Bewilligungsverfahren der Bewilligungswerber und außerdem als Nachbarn gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. b leg. cit. bei den in § 2 Abs. 1 Z. 5 leg. cit. angeführten baulichen Maßnahmen die in lit. a angeführten Personen seien, soferne die Zweckänderung die in § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 BauPolG angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen berühren könne. Das Vorhaben umfasse einen umbauten oberirdischen Raum von 235 m3 (Anmerkung: das ist nicht der umbaute Raum des Gebäudes, in welchem sich die umzuwidmenden Räumlichkeiten befinden). Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a BauPolG hätten die Eigentümer jener Grundstücke als Nachbarn Parteistellung, welche von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt seien, als die nach § 25 Abs. 3 BGG maßgebenden Höhen der Fronten betrügen. Nur bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 m3 hätten die Eigentümer jener Grundstücke Parteistellung, welche von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt seien. Da die Grundstücke der Beschwerdeführer weiter entfernt seien, als die nach § 25 Abs. 3 BGG maßgeblichen Abstände, käme den Beschwerdeführern Parteistellung nicht zu.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in der sie vor allem die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten rügten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführer mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.
Nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der entscheidungswesentlichen Rechtsvorschriften gab die belangte Behörde eine gutachtliche Stellungnahme eines hochbautechnischen Amtssachverständigen, die sie im Berufungsverfahren zur Klärung der Frage der Parteistellung der Beschwerdeführer eingeholt (aber den Beschwerdeführern nicht zur Kenntnis gebracht) hatte, zur Gänze wieder. Aus dieser ergibt sich zusammenfassend, dass der von der Änderung des Verwendungszweckes betroffene Raum 288,15 m3 umfasse, jedenfalls weniger als 300 m3. Der hochbautechnische Amtssachverständige berechnete für die dem Grundstück des Erstbeschwerdeführers zugewandte Front eine Traufenhöhe von 6,39 m und für die dem Grundstück der Zweitbeschwerdeführerin zugewandte Front eine Traufenhöhe von 9,20 m. Abschließend kam der Amtssachverständige zu dem Ergebnis, dass die Liegenschaften der Beschwerdeführer "unter Beachtung der jeweiligen Eckpunkte der geplanten Umwidmung in größerer Entfernung als die maßgeblichen Traufenhöhen" lägen.
Die belangte Behörde kam auf Grund dessen zur Beurteilung, dass im gegenständlichen Bauvorhaben den Beschwerdeführern keine Parteistellung als Nachbarn zukomme (offenbar teilte die belangte Behörde die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde). Da somit die Beschwerdeführer mangels Parteistellung auch zur Erhebung der Berufung nicht berechtigt gewesen seien, sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen, ohne näher auf deren Inhalt einzugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist im Hinblick darauf, dass das Bauansuchen am 28. November 1997 eingebracht wurde, das Salzburger Baupolizeigesetz 1997 - BauPolG, LGBl. Nr. 40/1997 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 68/1997 (Druckfehlerberichtigung), anzuwenden. Dem Umstand, dass sich die Behörden des Verwaltungsverfahrens auf das Salzburger Baupolizeigesetz, LGBl. Nr. 117/1973, "i.d.g.F.", stützten (ohne diese "geltende Fassung" näher zu bezeichnen) kommt aber im Beschwerdefall keine entscheidende Bedeutung zu, weil die maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973, in der Fassung der (letzten) Novelle LGBl. Nr. 39/1997, und des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997, LGBl. Nr. 40, in der Fassung LGBl. Nr. 68/1997, inhaltsgleich sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/06/0017).
Für den gegenständlichen Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen von Bedeutung (auszugsweise zitiert):
"Begriffsbestimmungen
§ 1
(1) Im Sinn dieses Gesetzes gilt als:
Bau: ein überdachtes oder überdecktes Bauwerk, das von Menschen betreten werden kann und wenigstens einen Raum zum Aufenthalt von Menschen oder zur Unterbringung von Sachen umfasst; als Bauwerk ist hiebei eine bauliche Anlage anzusehen, die bei ordnungsgemäßer Errichtung mit dem Boden verbunden ist und zu deren Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind; das Vorliegen von Seitenwänden ist für einen Bau nicht wesentlich;
..."
"Bewilligungspflichtige Maßnahmen
§ 2
(1) Soweit sich aus den Abs 2 und 3 sowie § 3 nicht anderes ergibt, bedürfen folgende Maßnahmen unbeschadet der nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Bewilligungen udgl einer Bewilligung der Baubehörde:
...
5. die Änderung der Art des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen von solchen;
..."
"Parteien
§ 7
(1) Parteien im Bewilligungsverfahren sind der Bewilligungswerber und außerdem
1. als Nachbarn
a) bei den im § 2 Abs. 1 Z. 1 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind als die nach § 25 Abs. 3 des Bebauungsgrundlagengesetzes maßgebenden Höhen der Fronten betragen. Bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 m3 haben jedenfalls auch alle Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, Parteistellung. Bei unterirdischen Bauten oder solchen Teilen von Bauten haben die Eigentümer jener Grundstücke Parteistellung, die von den Außenwänden weniger als zwei Meter entfernt sind;
b) bei den im § 2 Abs. 1 Z. 5 angeführten baulichen Maßnahmen die in lit. a angeführten Personen, soferne die Zweckänderung die im § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen berühren kann;
c) ........"
"Entscheidungen über das Bewilligungsansuchen
§ 9
(1) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme vom Standpunkt des öffentlichen Interesses unzulässig erscheint. Dies ist der Fall, wenn
1. die bauliche Maßnahme der durch den Flächenwidmungsplan gegebenen Widmung widerspricht, sofern es sich nicht um eine im Einzelfall zulässige Verwendung (§ 24 Abs 3 und 8 ROG 1992) handelt;
2. die bauliche Maßnahme mit einem Bebauungsplan oder der Bauplatzerklärung nicht im Einklang steht;
..."
§ 25 des Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG), LGBl. Nr. 69/1968 in der Fassung LGBl. Nr. 38/1997, lautet auszugsweise:
"(3) Für den Abstand der Bauten von der Grundgrenze gegen die Verkehrsfläche gilt die Baufluchtlinie oder die Baulinie. Im Übrigen müssen die Bauten im Bauplatz so gelegen sein, dass ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von 3/4 ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m, haben. ..."
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass das Vorhaben gemäß § 2 Abs. 1 Z. 5 BauPolG bewilligungspflichtig ist; strittig ist aber, ob den Beschwerdeführern Parteistellung im Bewilligungsverfahren zukam.
Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, es komme ihnen Parteistellung gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. b BauPolG zu, und führen hiezu in ihrer Beschwerde aus, dass die Abstandsbemessung nicht von der Innenwand, die das bewilligungsgegenständliche Geschäftslokal begrenze, sondern von den jeweiligen, den Grundstücken der Beschwerdeführer zugewandten, Fronten des Baukörpers, in dem sich dieses Geschäftslokal befinde, zu erfolgen habe. In diesem Fall lägen die Liegenschaften der Beschwerdeführer innerhalb der maßgeblichen Traufenhöhe, sodass sie Nachbarn im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. b iVm § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a BauPolG seien und ihnen somit Parteistellung zukomme.
Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer jedenfalls im Ergebnis im Recht:
Vorliegendenfalls geht es um die Änderung des Verwendungszweckes von Teilen eines Baues (§ 2 Abs. 1 Z. 5 BauPolG). Vor dem Hintergrund der Definition des "Baues" in § 1 BauPolG und angesichts des Umstandes, dass § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. b iVm lit. a BauPolG zur Bestimmung der für die Parteistellung des Nachbarn rechtserheblichen Entfernungen auf die "Fronten des Baues" bzw. auf die Kubatur von "oberirdischen Bauten" schlechthin, dh. nicht etwa auf Teile von Bauten abstellt, ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass vorliegendenfalls diese rechtserheblichen Entfernungen nicht etwa ausgehend "von den jeweiligen Eckpunkten der geplanten Umwidmung" und von der Kubatur der umzuwidmenden Räumlichkeiten, sondern vielmehr grundsätzlich ausgehend von den (jeweiligen) Fronten des Baues, also des Gebäudes, in welchem sich die umzuwidmenden Räumlichkeiten befinden, und unter Bedachtnahme auf dessen Kubatur, zu bestimmen sind. (Für den Fall, dass das Gebäude aus mehreren selbständigen Baukörpern bestünde, könnte im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 15. Mai 1986, Zl. 85/06/0012, auf die Fronten des entsprechenden Baukörpers abgestellt werden.) Geht man davon aus, dass das Gebäude (der Bau), in welchem sich die umzuwidmenden Räume befinden, einen umbauten Raum von mehr als 300 m3 aufweist (was den Bauplänen zufolge wohl der Fall sein dürfte), wäre im Beschwerdefall überdies der 15-Meter-Abstand maßgeblich.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. April 1999
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998060034.X00Im RIS seit
21.02.2002