Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der K G in G, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2-4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. Mai 2018, GZ LVwG-AV-481/001-2018, betreffend Berichtigung eines Bescheides gemäß § 62 Abs. 4 AVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landesschulrat für Niederösterreich, nunmehr Bildungsdirektion Niederösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht als Volksschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.
2 Mit Eingabe vom 23. April 2012 beantragte sie die bescheidmäßige Feststellung ihrer beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit gemäß § 115f Abs. 2 und 4 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984), BGBl. Nr. 302/1984.
3 Entsprechend der der Revisionswerberin zugestellten Ausfertigung des Bescheides des Landesschulrates für Niederösterreich vom 27. April 2012 wurde - abweichend von der Urschrift des zuletzt genannten Bescheides - festgestellt, dass die beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit mit Ende April 2012 35 Jahre 6 Monate und 4 Tage betrage. Begründend wurde nach Wiedergabe des § 115f Abs. 2 LDG 1984 darauf hingewiesen, dass eine doppelte Zählung ein und desselben Zeitraumes nicht zulässig sei. Die der Revisionswerberin zugegangene Ausfertigung enthielt in ihrer Begründung weiters eine tabellarische Aufschlüsselung jener Zeiträume, die für die Errechnung der beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit berücksichtigt worden seien. Entsprechend dieser Tabelle erfolgte eine zweifache Anrechnung der in den Zeitraum von 1. November 1982 bis 4. September 1983 fallenden Zeiten, nämlich einmal im Rahmen der als Tätigkeit für den Dienstgeber im Zeitraum von 1. September 1977 bis 30. April 2012 berücksichtigten Zeiten und ein weiteres Mal durch die Miteinbeziehung der Kindererziehungszeiten im Zeitraum von 1. November 1982 bis 4. September 1983.
4 Mit Bescheid vom 20. März 2018 berichtigte der Landesschulrat für Niederösterreich (in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Urschrift des Bescheides vom 27. April 2012) den (in der Ausfertigung dieses Bescheides enthaltenen) Spruch gestützt auf § 62 Abs. 4 AVG dahin, dass die gemäß § 115f Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4 LDG 1984 beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit der Revisionswerberin mit Ende April 2012 34 Jahre und 8 Monate betrage. Dazu hielt die Behörde fest, dass "mit dem berichtigten Bescheid vom 27. April 2012" irrtümlicher Weise eine doppelte Anrechnung von Kindererziehungszeiten erfolgt sei.
5 Gegen den Berichtigungsbescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.
7 Das Verwaltungsgericht führte unter Hinweis auf die Urschrift des Bescheides vom 27. April 2012 aus, dass § 62 Abs. 4 AVG grundsätzlich auch auf Fälle Anwendung finde, in denen - wie im vorliegenden Fall - die der Partei zugekommene Ausfertigung eines Bescheides mit dem genehmigten Bescheidkonzept nicht übereinstimme. Mit dem in Rede stehenden Berichtigungsbescheid sei lediglich die Feststellung (Klarstellung) des tatsächlichen Inhaltes des berichtigten Bescheides schon zum Zeitpunkt seiner in berichtigungsbedürftiger Form erfolgten Erlassung vorgenommen worden. Darüber hinaus enthalte die der Revisionswerberin zugestellte Ausfertigung des Bescheides vom 27. April 2012 einen offenkundigen und somit für die Revisionswerberin erkennbaren Fehler. Offenkundig sei die Unrichtigkeit dann, wenn sie jene Personen, für die der Bescheid bestimmt sei, also auch die Partei klar erkennen könnten. Maßstab dabei sei eine mit ihrem eigenen Fall vertraute durchschnittliche Verfahrenspartei.
In der Begründung der der Revisionswerberin zugestellten Ausfertigung sei klar dargestellt worden, welche ununterbrochenen Zeiträume jeweils für die beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit angerechnet worden seien. Der dargestellte und ausdrücklich als Kindererziehungszeiten angerechnete Zeitraum von 1. November 1982 bis 4. September 1983 sei zur Gänze in dem ebenso angerechneten Zeitraum von 1. September 1977 bis 30. April 2012 enthalten gewesen. Dass in der Ausfertigung des Bescheides vom 27. April 2012 eine nach dem Gesetz und entsprechend der Begründung dieses Bescheides ausdrücklich ausgeschlossene doppelte Anrechnung von Zeiten im Hinblick auf die in Rede stehenden Kindererziehungszeiten erfolgt sei, sei somit offenkundig und für die Revisionswerberin auch eindeutig erkennbar gewesen. Es seien daher die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 4 AVG vorgelegen.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit verbunden mit dem Antrag geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis aus diesem Grund aufzuheben.
9 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.
10 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, es lägen fallbezogen die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 4 AVG nicht vor. Es handle sich nicht um einen "besonders offenkundigen" Fehler der Behörde. Es liege insbesondere kein Rechenfehler vor, weil die Addition der tabellarisch aufgeschlüsselten Zeiten betreffend die Tätigkeit für den Dienstgeber und der in der Tabelle für die Kindererziehungszeiten ausgewiesenen Zeiträume exakt 35 Jahre 6 Monate und 4 Tage ergebe. Das Ergebnis im Bescheid vom 27. April 2012 beruhe offenbar vielmehr auf einer falschen Grundannahme, weil entgegen der im Bescheid zitierten Bestimmung des § 115f Abs. 2 LDG 1984 eine doppelte Anrechnung von Kindererziehungszeiten erfolgt sei. Es sei im Jahr 2018 eine Korrektur der im Jahr 2012 festgestellten beitragsgedeckten Dienstzeiten zu Lasten der Revisionswerberin erfolgt und sei der Bescheid in rechtlicher und "tatsächlicher" Hinsicht nachträglich verändert worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes biete § 62 Abs. 4 AVG aber weder eine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende Auslegung des Spruches eines Bescheides noch könne aufgrund dieser Gesetzesstelle eine unrichtige rechtliche Beurteilung berichtigt werden. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
14 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festhielt, ermöglicht § 62 Abs. 4 AVG auch die Berichtigung von schriftlichen Ausfertigungen, die von der genehmigten Urschrift des Bescheides abweichen (siehe z.B. VwGH 22.7.2004, 2004/10/0047; 22.12.1992, 91/04/0269; 24.3.1980, 0109/80). Fallbezogen erfolgte die Berichtigung der Ausfertigung des dienstbehördlichen Bescheides vom 27. April 2012 zwecks Behebung einer Abweichung, welche die der Revisionswerberin zugegangene Ausfertigung im Hinblick auf die im Akt befindliche, genehmigte Urschrift aufwies.
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Letzteres liegt vor, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit der Entscheidung erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung hätte vermieden werden können. Es sind insbesondere solche Unrichtigkeiten einer Berichtigung zugänglich, die - gleichgültig, ob im Spruch oder in der Begründung des Bescheides (vgl. dazu auch VwGH 22.7.2004, 2004/10/0047) - erkennbar nicht der behördlichen Willensbildung selbst, sondern alleine ihrer Mitteilung anhaften. Für die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 4 AVG kommt es auch auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile sowie auf den Akteninhalt an (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/17/0330 mwN). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit der Berichtigung für den - hier vorliegenden - Fall ab, dass die schriftliche Ausfertigung nicht mit der Urschrift übereinstimmt (vgl. VwGH 25.3.1994, 92/17/0133).
16 Ob auch in einer solchen Fallkonstellation darüber hinaus eine inhaltliche Unrichtigkeit der ausgefertigten Erledigung offenkundig sein muss, kann dahingestellt bleiben.
17 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gelangte nämlich zu dem - der einzelfallbezogenen Rechtsanwendung zuzurechnenden (vgl. dazu VwGH 20.9.2018, Ra 2018/17/0001) - Ergebnis, wonach in Anbetracht des Inhaltes der fehlerhaften Ausfertigung von einem unter Berücksichtigung der Bescheidbegründung für die Revisionswerberin offensichtlichen und berichtigungsfähigen Versehen der Behörde auszugehen gewesen und mit dem berichtigenden Bescheid lediglich die Feststellung des tatsächlichen Inhaltes des berichtigten Bescheides zum Zeitpunkt seiner Erlassung erfolgt sei. Aus welchem Grund diese Auffassung im Lichte der oben dargestellten Leitlinien der Judikatur nicht als zumindest vertretbar zu qualifizieren ist, zeigt die Zulässigkeitsbegründung nicht substantiiert auf.
18 Wenn die Revisionswerberin auf einen aus Sicht der Adressatin der Ausfertigung korrekten Rechenvorgang sowie auf die Summe verweist, die sich exakt aus der Addition der als Dienstzeiten und als Kindererziehungszeiten tabellarisch gelisteten Zeiträume ergeben habe, verkennt sie die Stoßrichtung der tragenden Begründung des angefochtenen Erkenntnisses. Das Verwaltungsgericht stützte seine Beurteilung nicht auf das Vorliegen eines Rechenfehlers, sondern zentral auf die Ansicht, es sei aus der Tabelle leicht erkennbar gewesen, dass der Zeitraum von 1. November 1982 bis 4. September 1983 aufgrund eines Versehens der Behörde in der Ausfertigung zweimal erfasst (sowie aus diesem Grund zweimal bei der Addition berücksichtigt) worden sei, wobei diese (lediglich der Ausfertigung anhaftende) Unrichtigkeit offenbar - wie auch aus der Begründung des Bescheides ersichtlich - nicht von der behördlichen Willensbildung umfasst gewesen sei. Dieser Argumentation des Gerichts hält die Zulässigkeitsbegründung nichts Stichhaltiges entgegen.
19 Aus den dargelegten Gründen liegen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.
20 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 28. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018120041.L00Im RIS seit
08.04.2019Zuletzt aktualisiert am
10.04.2019