Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg zu FN ***** eingetragenen C***** OG mit dem Sitz in ***** und der Geschäftsanschrift *****, wegen Verhängung von Zwangsstrafen, über den Revisionsrekurs der C***** GmbH, FN *****, der R***** GmbH, FN *****, sowie der M***** & Partner *****, FN *****, alle *****, alle vertreten durch Mag. Christoph Pichler als Substitut des öffentlichen Notars Dr. Gottfried Schachinger in Wals-Siezenheim, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. Dezember 2018, GZ 6 R 157/18b-10, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 7. November 2018, GZ 24 Fr 6881/18d-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die über die Revisionsrekurswerber verhängte Zwangsstrafe ersatzlos aufgehoben wird.
Text
Begründung:
Im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg ist unter FN ***** die C***** OG eingetragen. Ihre unbeschränkt haftenden Gesellschafter sind die
- C***** GmbH (FN *****),
- M***** & Partner ***** (FN *****) und
- R***** GmbH (FN *****).
Unbeschränkt haftende Gesellschafter der M***** & Partner ***** (FN *****), einer offenen Gesellschaft, sind
- Dkfm. Dr. J***** M*****, geboren *****
vertritt seit 02. 04. 1980 selbständig
- Mag. Dr. C***** M*****, geboren *****
vertritt sei 28. 12. 2005 selbständig
- Mag. Dr. S***** M*****, geboren *****
vertritt seit 08.02.2011 selbständig.
Mit Beschluss vom 17. 10. 2018, GZ 24 Fr 6881/18g-1, forderte das Erstgericht die unbeschränkt haftenden Gesellschafter der C***** OG auf, bei der C***** OG den Rechtsformzusatz gemäß § 19 Abs 2 UGB anzupassen, dies zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht besteht; widrigenfalls müsse eine Zwangsstrafe von jeweils 300 Euro verhängt werden.
In ihrer Äußerung teilten die unbeschränkt haftenden Gesellschafter mit, dass der Umstand, dass keine natürliche Person unbeschränkt haftet, dann aus dem Rechtsformzusatz nicht ersichtlich sein müsse, wenn auf irgendeiner Stufe eine natürliche Person unbeschränkt hafte. Auf der Ebene der M***** & Partner ***** würden mehrere unbeschränkt haftende natürliche Personen haften, sodass ein Rechtsformzusatz gemäß § 19 Abs 2 UGB entbehrlich sei.
Daraufhin verhängte das Erstgericht über die persönlich haftenden Gesellschafter der C***** OG die angedrohten Zwangsstrafen von jeweils 300 Euro. Es forderte sie neuerlich auf, den Rechtsformzusatz im Firmenwortlaut der C***** OG gemäß § 19 Abs 2 UGB anzupassen, widrigenfalls Zwangsstrafen von jeweils 400 Euro verhängt und der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe in der Ediktsdatei und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht werden würden. Es vertrat die Ansicht, die von den unbeschränkt haftenden Gesellschaftern vertretene Meinung stehe dem Gläubigerschutzinteresse entgegen. Werde nämlich eine OG oder KG in eine GmbH & Co KG geändert, müsse immer überprüft werden, ob diese bei einer anderen Personengesellschaft Komplementärin sei, weil auf einer unteren Stufe unbeschränkt haftende natürliche Personen wegfallen würden. Wenn also aus der offenen Gesellschaft „M***** & Partner *****“ eine M***** GmbH & Co KG werden würde, gebe es bei der vorliegenden C***** OG auch auf unteren Stufen nur mehr Kapitalgesellschaften als unbeschränkt haftende Gesellschafter.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. § 19 Abs 2 UGB stelle darauf ab, dass in einer offenen Handelsgesellschaft keine natürliche Person persönlich hafte. Dass eine Gesellschafterin eine OG sei, für deren Verbindlichkeiten natürliche Personen hafteten, spiele nach dem Wortlaut des § 19 Abs 2 UGB keine Rolle. Es laufe dem Bedürfnis des Publikums zuwider, bloß allein aus dem bei einer Personengesellschaft unterbliebenen Hinweis auf eine Haftungsbeschränkung darauf vertrauen zu müssen, dass schon auf irgendeiner höheren Stufe tatsächlich eine natürliche Person für diese Personengesellschaft haften werde. Zudem sei es jederzeit möglich, dass eine solche auf höherer Stufe haftende natürliche Person ihre Gesellschafterstellung an eine juristische Person abtrete. Dies habe dann zur Folge, dass auf keiner Stufe einer mehrstufigen Gesellschaft mehr eine natürliche Person hafte. Dem Schutz des Rechtsverkehrs durch Information über Haftungsbeschränkungen werde es besser gerecht, wenn der von § 19 Abs 2 UGB geforderte Firmenzusatz bereits dann erforderlich werde, wenn die im Firmenbuch eingetragenen unbeschränkt haftenden Gesellschafter der jeweiligen Gesellschaft keine natürlichen Personen sind.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Anwendung des § 19 Abs 2 UGB auch auf mehrstöckige Personengesellschaften keine Rechtsprechung vorgefunden werden konnte.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
1.1. § 19 Abs 2 UGB lautet: „Wenn in einer offenen Gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft keine natürliche Person unbeschränkt haftet, muss dieser Umstand aus der Firma erkennbar sein, auch wenn sie nach den §§ 21, 22, 24 oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird.“
1.2. Nach den Gesetzesmaterialien (1058 BlgNR 22. GP) soll als Korrektiv zur weitgehenden Firmenliberalisierung im Interesse des Rechtsverkehrs jeder protokollierte Unternehmer künftig verpflichtet sein, auch die von ihm gewählte Rechtsform in der Firma anzugeben. Da auch Personengesellschaften die Möglichkeit der freien Firmenwahl und damit auch die Wahl einer Phantasiefirma zukäme, bestünde die Gefahr, dass in Personengesellschaften, die keine natürliche Person als unbeschränkt haftende Gesellschafter haben, die daraus resultierenden Haftungsbeschränkungen nicht mehr offen gelegt werden müssten. Dies betreffe insbesondere den praktisch wichtigen Fall der GmbH & Co KG. Die diesem Umstand entgegenwirkende Regelung des § 19 Abs 2 UBG sei daher eine notwendige Ergänzung zum Schutz des Rechtsverkehrs und trage der Forderung nach gesetzgeberischer Klarstellung sowie der ständigen Rechtsprechung Rechnung. Sie erfasse bewusst auch den Fall der mehrstöckigen Gesellschaft, die die Haftungsbeschränkung zum Ausdruck bringen müsse, wenn auf keiner Stufe eine natürliche Person unbeschränkt hafte.
2.1. In der Entscheidung 6 Ob 132/07s sprach der erkennende Senat aus, dass der Gesetzgeber in § 19 Abs 2 UGB die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausdrücklich kodifiziert habe, wonach bei Personengesellschaften der Umstand, dass keine natürliche Person unbeschränkt hafte, aus der Firma erkennbar sein muss. Diese Rechtsprechung betrifft jedoch – soweit überblickbar – ausschließlich Fälle einer GmbH & Co KG, nicht aber den Fall einer mehrstöckigen OG (vgl Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht2 Rz 2/337).
2.2. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck (3 R 67/17b = NZ 2019, 30) muss, wenn sich die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG in eine AG umwandelt, der Rechtsformzusatz „GmbH & Co KG“ nicht in „AG & Co KG“ geändert werden, weil der Firmenzusatz bereits hinreichend zum Ausdruck bringe, dass die einzige Komplementärin eine haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft sei (zustimmend Epicoco/Walch NZ 2019, 1).
2.3. Auch in der Literatur wird § 19 Abs 2 UGB überwiegend so interpretiert, dass mit dieser Regelung eine Klarstellung der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs erfolgte und eine materielle Änderung (gegenüber der Regelung vorher) damit nicht verbunden ist (Herda in Jabornegg/Artmann, UGB I2 [2010] § 19 Rz 38; Eiselsberg/Haberer, Das neue Firmenrecht der Gesellschaften, ecolex 2004, 16 [19]; Jennewein in U. Torggler, UGB2 [2016] § 19 Rz 8).
3.1. Die Literatur behandelt – soweit ersichtlich – die Rechtslage im Fall einer mehrstöckigen OG nicht.
3.2. In Feltl, UGB § 19 Anm 5 wird lediglich auf die Materialien zum HaRÄG verwiesen. In Dehn/Krejci, Das neue UGB2 41, wird auf den Fall einer mehrstöckigen Gesellschaft nicht Bezug genommen. Auch von Epicoco/Walch (Der Rechtsformzusatz der GmbH & Co KG, NZ 2019, 1) wird die Frage der mehrstöckigen OG nicht behandelt.
3.3. Nach W. Schumacher/Fuchs in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 19 Rz 15 entspricht die Bestimmung des § 19 Abs 2 UGB der bereits zuvor herrschenden Ansicht und kodifiziere diese; diese Bestimmung beziehe sich insbesondere auf die GmbH & Co KG, umfasse aber auch mehrstöckige Gesellschaften.
3.4. Jenewein (in Torggler, UGB2 § 19 Rz 8) vertritt, bei verdeckten (auch mehrstöckigen) Kapitalgesellschaften müsse der Umstand, dass keine natürliche Person persönlich hafte – wie schon bisher – aus der Firma erkennbar sein.
3.5. Verweijen (in Zib/Dillinger, UGB I/1 § 19 Rz 47) ist unter Berufung auf die Entscheidung des BayObLG vom 8. 9. 1994, 3 Z BR118/94, DNotZ 1995, 230, der Auffassung, es sei unerheblich, auf wievielter Gesellschafterebene einer mehrstöckigen GmbH & Co KG eine natürliche Person unbeschränkt hafte. Die Haftungsbeschränkung sei nur dann in der Firma zum Ausdruck zu bringen, wenn auf keiner der Stufen letztlich eine der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person sei.
3.6. Letztere Auffassung entspricht der herrschenden Auffassung in Deutschland. Dort muss die Haftungsbeschränkung in der Firma immer nur dann zum Ausdruck gebracht werden, wenn auf keiner der Stufen eine natürliche Person haftet, sondern letztlich nur ein beschränkte Vermögensmasse (vgl Hopt in Baumbach/Hopt, HGB38 § 19 Rz 25; Heidinger in MünchKomm HGB4 § 19 Rz 26; BayObLG DNotZ 1995, 230).
4.1. Nach Auffassung des erkennenden Senats lässt sich die herrschende Lehre zum deutschen Recht auch auf Österreich übertragen, zumal § 19 Abs 2 des deutschen HGB offensichtlich Vorbild für die Neufassung des § 19 Abs 2 UGB durch das HaRÄG 2005 war. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass die Neufassung des § 19 Abs 2 HGB in Deutschland dazu diente, die vorher strittige Frage, inwieweit auch mehrstöckige Gesellschaften von der Regelung erfasst sind, zu klären (Heidinger in MünchKomm HGB4 § 19 Rz 26).
4.2. Eine Einschränkung dahin, dass eine natürliche Person bereits auf der ersten Ebene haften müsse, ist aus § 19 Abs 2 UGB nicht abzuleiten. Ein derartiges Verständnis würde die Entstehungsgeschichte der Bestimmung sowie ihren Zweck nicht ausreichend würdigen.
4.3. Die „Warnung“ der beteiligten Verkehrskreise sieht der Gesetzgeber offenbar dann als erforderlich an, wenn für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft keine natürlichen Personen haften. Dies ist aber nicht der Fall, wenn – wie in der vorliegenden Konstellation – die Gesellschafter der OG zwei natürliche Personen sind, die Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der OG haften. In einer derartigen Konstellation ist daher entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen kein haftungsbeschränkender Zusatz erforderlich. Ein derartiger Zusatz wäre nur dann geboten, wenn keine natürliche Person (gleichgültig auf welcher Ebene) unbeschränkt haften würde. Dies trifft im vorliegenden Fall nach dem Gesagten jedoch nicht zu.
4.4. Was die in der Entscheidung des Rekursgerichts angesprochene Gefahr anlangt, dass eine auf höherer Stufe haftende natürliche Person ihre Gesellschafterstellung an eine juristische Person abtritt, ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Fall eine Anpassung der Firma nach § 19 Abs 2 UGB vorgenommen werden müsste. Dieser Fall ist nicht anders zu behandeln, als wenn auf der „ersten Ebene“ der einzige persönlich haftende Gesellschafter wegfiele.
5. Damit erweist sich der Revisionsrekurs als berechtigt. In Stattgebung des Revisionsrekurses waren die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die Verhängung der Zwangsstrafe ersatzlos aufgehoben wird.
Textnummer
E124485European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00028.19I.0227.000Im RIS seit
08.04.2019Zuletzt aktualisiert am
10.02.2020