TE Vwgh Beschluss 1999/4/22 98/20/0419

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Veröffentlicht am 22.04.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, in der Beschwerdesache des am 15. Juni 1965 geborenen JM, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchnerstraße 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Juli 1998, Zl. 203.877/0-VIII/22/98, betreffend Asylgewährung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 26. April 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27. April 1998 die Gewährung von Asyl.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Juni 1998 wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchteil I) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in den Irak gemäß § 8 AsylG als nicht zulässig erklärt (Spruchteil II).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Juli 1998 wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid (Spruchteil I) erhobene Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde langte am 25. September 1998 beim Verwaltungsgerichtshof ein.

In der Gegenschrift der belangten Behörde wurde geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei bereits am 30. September 1998 aus Österreich ausgereist und in die USA eingewandert. Aus diesem Grund fehle es an einer möglichen Rechtsverletzung des Beschwerdeführers, weshalb die vorliegende Beschwerde zurückzuweisen sei. Als Beleg für die Auswanderung des Beschwerdeführers werde ein Schriftstück der "International Organisation for Migration" vom 30. September 1998 vorgelegt, aus welchem hervorgehe, dass der Beschwerdeführer (und seine Familie) an diesem Tag aus Wien kommend in die USA (New York) eingereist sei(en). Mit weiterem Schriftsatz vom 8. Jänner 1999 legte die belangte Behörde einen Auszug aus dem bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen geführten Fremdenakt des Beschwerdeführers vor, dem zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer an einer näher bezeichneten Adresse in Kirchberg am Wechsel in der Zeit vom 3. September 1998 bis 30. September 1998 gemeldet gewesen und schließlich "ins Ausland verzogen" sei.

Mit Verfügung vom 20. Jänner 1999 wurde dem Verfahrenshelfer des Beschwerdeführers Gelegenheit gegeben, zur Frage der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde infolge der Auswanderung des Beschwerdeführers in die USA binnen 4 Wochen Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme des Verfahrenshelfers erfolgte jedoch nicht.

Mangels einer entgegenstehenden Äußerung des Verfahrenshelfers und auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Beschwerdeführer am 30. September 1998 (mit seiner Familie) in die USA ausgewandert ist.

Vorauszuschicken ist, dass sich die Beschwerde deshalb als zulässig erweist, weil sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde, dies war der 25. September 1998, noch im Inland aufhielt und von einem Fehlen einer Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den angefochtenen Bescheid im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung somit nicht ausgegangen werden kann.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. dazu den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980, darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. unter vielen den hg. Beschluss vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026). Ob in letzterem Sinne das rechtliche Interesse eines Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen; er ist nicht an die Erklärung des Beschwerdeführers gebunden, dieser habe das rechtliche Interesse an seiner Beschwerde verloren. Andernfalls wäre es in die Hand einer beschwerdeführenden Partei gegeben, anstelle einer Zurückziehung der Beschwerde auf eine Gegenstandslosigkeitserklärung auszuweichen und damit Kostenfolgen einer Zurückziehung zu vermeiden (vgl. hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, Zl. 88/07/0061).

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer in die USA ausgewandert ist, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, welche praktische Bedeutung die Entscheidung über die Beschwerde für diesen noch haben sollte. Für den Beschwerdeführer besteht kein rechtliches Interesse an einer Sacherledigung des Verwaltungsgerichtshofes in der vorliegenden Beschwerdesache. Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 ist bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei einer Beschwerde nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Berücksichtigte man den nachträglichen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der vorliegenden Beschwerde nicht, so ist davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hatte in seiner Berufung - mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - ein neues Sachvorbringen erstattet (wonach er wegen seiner Eigenschaft als Christ und als Armenier mit "zusätzlicher, exzessiv harter Bestrafung zu rechnen" hätte, die iranischen Behörden eine "organisierte subversive Aktivität christlicher Drückeberger konstruieren" könnten und ihm unterstellt würde, wegen seiner Religion und wegen seiner Volkszugehörigkeit "gegen den iranischen Staat zu konspirieren"). Angesichts dieses (neuen) Sachvorbringens war der Sachverhalt, der der Entscheidung der belangten Behörde zugrundelag, nicht bereits aufgrund der Aktenlage ausreichend geklärt, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde notwendig gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0339).

Darüberhinaus setzte sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nur unter dem Aspekt einer drohenden strengen Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung auseinander, übersah jedoch, dass der Beschwerdeführer vorbrachte, "als Christ und Armenier mit einer zusätzlichen, exzessiv harten Bestrafung rechnen zu müssen", sodass ohne nähere Auseinandersetzung mit diesem Berufungsvorbringen nicht ausgeschlossen werden kann, der Beschwerdeführer mache damit eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung geltend (vgl. zur Asylrelevanz eines derartigen Sachverhaltes das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Slg. Nr. 14.089/A).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 22. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200419.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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