TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/21 LVwG-AV-201/001-2019

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Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

FSG 1997 §28 Abs1
StVG §126
StVG §156b

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Mag. Gindl über die Beschwerde des A, vertreten durch die B Rechtsanwälte OG, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 4. Jänner 2019, Zl. ***, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausfolgung des Führerscheines, zu Recht:

1.    Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG keine Folge gegeben und diese abgewiesen.

2.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine ordentliche Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (in der Folge: belangte Behörde) vom 4. Jänner 2019, Zl. ***, wurde der Antrag des A (in der Folge: Beschwerdeführer) vom 29. Juni 2018 auf Ausfolgung des Führerscheines abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer, vertreten durch die ausgewiesene Rechtsvertreterin, fristgerecht mit Schreiben vom 6. Februar 2019 Beschwerde erhoben. In dieser führte er im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde im bekämpften Bescheid die Rechtsansicht vertrete, der Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Juni 2018 sei abzuweisen, weil die Verkehrszuverlässigkeit jeweils ausschließlich im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen sei, zumal nachträgliche Umstände bereits im Rahmen der Prognoseentscheidung Rechnung getragen worden sei und eine neuerliche Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit ausgeschlossen sei. Unbestritten bleibe, dass das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16.6.2015 zu
LVwG-AV-498/001-2015 (im Folgenden kurz das „Erkenntnis") in formeller und materieller Hinsicht in Rechtskraft erwachsen sei. Die belangte Behörde übersehe hierbei jedoch, dass dem Beschwerdeführer bereits am 14.8.2015 und somit zeitlich nach Fällung des Erkenntnisses, der gelockerte Strafvollzug seiner Freiheitsstrafe ermöglicht wurde (§ 126 Abs. 4 StVG). Überdies befinde sich der Beschwerdeführer seit März 2017 im Entlassungsvollzug und seien ihm folglich zusätzliche Ausgänge gemäß § 147 StVG gewährt worden.

Der Beschwerdeführer habe somit nach Fällung des Erkenntnisses zum Stichtag 19.3.2018 88 Ausgänge in der Dauer von 48 Stunden, 4 Ausgänge in der Dauer von 72 Stunden sowie 9 Ausgänge in der Dauer von 78 Stunden, sohin insgesamt 101 Ausgänge absolviert, ohne dass es hierbei jemals zu Vorfällen – welcher Art auch immer – infolge von Aggression gekommen sei. Der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass auch abseits der Ausgänge, dh innerhalb der Justizvollzugsanstalt, keine Auffälligkeiten des Beschwerdeführers, welche auf Aggressivität schließen lassen könnten, wahrgenommen worden seien.

Letztlich sei dem Beschwerdeführer gerade aufgrund seines tadellosen Verhaltens mit Beschluss des Oberlandesgerichtes *** vom 5.4.2018 zu *** die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe gewährt worden. Korrespondierend mit dessen Vorbringen attestierte der Anstaltsleiter der JA *** dem Beschwerdeführer „tadelloses Vollzugsverhalten” und eine „sehr gute Führung“. Zudem habe der Beschwerdeführer seit Juli 2015 zahlreiche Vollzugslockerungen in Form von Ausgängen konsumiert, welche allesamt ohne Vorkommnisse gewesen seien. Dem pflichtete das Oberlandesgericht *** implizit bei, indem es im vorgenannten Beschluss ausgeführt habe, dass gerade der bisherigen, positiv verlaufenen Haftzeit eine ausreichende spezialpräventive Wirkung beizumessen sei, der Beschwerdeführer doch über mehrere Jahre das HaftübeI verspürt habe und somit davon auszugehen sei, dass durch den Zeitablauf ein Reifungsprozess beim Beschwerdeführer eingetreten sei. Zudem lasse sich in generalpräventiver Hinsicht

„[f]allbezogen aus der Art und Weise der Tatbegehung [durch den Bf] aber keineswegs eine besondere Schwere der Tat ableiten“.

Rechtlich sei hierzu festzuhalten, dass die Erkenntniswirkungen, dh auch die damit einhergehende Rechtskraftwirkung, gemäß ständiger Rechtsprechung des VwGH sachlichen Grenzen unterliege und sich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erkenntnisfällung beziehe (VwGH 12.10.1993, 90/07/0039; VwGH 24.10.2017, Ra 2014/06/0041).

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe jedoch sein Erkenntnis ausschließlich auf Basis der Sach- und Rechtslage am 16.6.2015 fällen und daher denkrichtigerweise keine Antizipation des künftigen Verlaufs des Strafvollzugs des Beschwerdeführers sowie seines Verhaltens, insbesondere während der unzähligen Ausgänge, vornehmen können, sodass die Anrechnung auf die Dauer des Führerscheinentzugs lediglich nach § 126 Abs. 2 Z 2 zweiter Fall, § 126 Abs. 2 Z 3 erster Fall sowie § 156b StVG ausgesprochen werden habe können.

Im Rahmen der Ausgänge habe der Beschwerdeführer jedoch nachträglich sein Wohlverhalten in faktischer Freiheit, das heißt ohne Überwachung durch die Strafvollzugsbehörden, unter Beweis stellen können. Die Zeiten einer solchen Bewährung in Freiheit seien jedoch trotz aufrechter Haft jedenfalls in die Dauer der Entziehung der Lenkerberechtigung einzurechnen (VwSlg 16.398 A/2004).

Infolge des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere im Rahmen seiner Ausgänge, sei es folglich zu einer grundlegenden Änderung des dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich zugrundeliegenden Sachverhalts gekommen und habe sich dessen Rechtskraftwirkung folgerichtig keinesfalls auf die neuen Sachverhaltselemente erstrecken können. Hinzu trete die nunmehr vom Oberlandesgericht *** beschlussmäßig angeordnete bedingte Entlassung des Beschwerdeführers mit 7.5.2018, welche vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich noch weit weniger antizipatorisch hätte gewürdigt werden können als die Vollzugserleichterungen des Beschwerdeführers, sodass dieser Umstand denkrichtigerweise keinesfalls von der Rechtskraftwirkung des damaligen Erkenntnisses erfasst sein habe können. Es müsse der belangten Behörde die Möglichkeit einer neuerlichen Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit bei Hinzutreten neuer Sachverhaltselemente, demnach die Korrektur der ursprünglichen Prognoseentscheidung in Bezug auf die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers, auch deshalb offenstehen, weil sich bereits im Justizstrafrecht ein entsprechendes Korrektiv in Gestalt der bedingten Entlassung aus der Strafhaft Anwendung findet. Mit anderen Worten sei es dem Vollzugsgericht im Justizstrafrecht möglich, wie im Falle des Beschwerdeführers auch durch das OLG *** im Beschwerdeweg geschehen, die bei Urteilsverkündung getroffene „Prognoseentscheidung“ des Strafgerichts in Bezug auf die im Einzelfall – unter anderem – aus general- und spezialpräventiven Gründen für den Verurteilten notwendige Dauer der Freiheitsstrafe korrigierend einzugreifen und diesen bei entsprechendem Wohlverhalten im Rahmen des Strafvollzugs früher aus der Strafhaft zu entlassen. Um dahingehende Wertungswidersprüche, wonach zwar im Justizstrafrecht eine nachträgliche Korrektur der „Prognoseentscheidung" möglich sei, diese jedoch der belangten Behörde im Verwaltungs- bzw. Verwaltungsstrafrecht nicht offenstehen soll, zu verhindern, hätte die Behörde ein neuerliches Beweisverfahren zur Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers durchzuführen gehabt; dies auch eingedenk des eklatanten Gefälles zwischen dem im Justiz- und Verwaltungsstrafrecht vertypten Unrecht. Demzufolge sei die belangte Behörde in Bezug auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 29.6.2018, mit dem die Wiederausfolgung des Führerscheins begehrt worden sei, nicht an die Prognoseentscheidung des Erkenntnisses gebunden gewesen, sodass diese eine neuerliche Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers, und zwar unter Zugrundelegung des höchstpositiven Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers seit Fällung des Erkenntnisses, zu treffen gehabt hätte. Die bescheidmäßige Abweisung des Antrags durch die belangte Behörde sei daher in normwidriger Weise erfolgt.

Der Beschwerdeführer beantragte gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen, und gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG, § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, der Beschwerde Folge zu geben und den bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines stattgegeben werde, in eventu der bekämpfte Bescheid gemäß
§ 28 Abs. 3 VwGVG beschlussmäßig aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen werde.

Aus dem seitens der belangten Behörde vorgelegten Akt, Zl. *** ergibt sich nachstehender unstrittiger entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2015, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen AM und B auf die Dauer von fünf Jahren ab Zustellung des Bescheides entzogen. Auf Grund der rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Juni 2015,
LVwG-AV-498/001-2015, die Entziehungsdauer mit 18 Monaten festgesetzt, wobei Haftzeiten auf die Dauer der Entziehung nicht anzurechnen sind, es sei denn, dass der Strafvollzug in gelockerter Form nach § 126 Abs. 2 Z 2 zweiter Fall StVG (Arbeit außerhalb der Anstalt) oder § 126 Abs. 2 Z 3 erster Fall StVG (Berufsaus- oder
-fortbildung) oder in Form des elektronisch überwachten Hausarrests nach
§ 156b StVG erfolgt.

Gegen dieses Erkenntnis wurde weder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof noch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2018 begehrte der Beschwerdeführer die Wiedererteilung der entzogenen Lenkberechtigung. Dieser Antrag wurde seitens der belangten Behörde mit Bescheid vom 4. April 2018, ***, zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 30. Oktober 2018, LVwG-AV-479/001-2018, wurde dieser Bescheid aufgehoben (auf Grund der Abänderung des Antrages auf Wiederausfolgung des Führerscheines im Zuge der Verhandlung am 29. Juni 2018).

Aus den bisher vorgelegten Unterlagen bzw. aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 09.03.2015 den Strafvollzug angetreten hat.

Der Vollzug in gelockerter Form nach § 126 Abs. 2 Z 3 erster Fall StVG fand zu folgenden Zeiten statt:

06.10.2016: 07.59 – 09:19 (1h 20 min)

01.09.2016: 08:00 – 13:25 (5h 25 min)

22.08.2016: 09:00 – 14:10 (5h 10 min)

25.11.2015: 14:00 – 18:23 (4h 23 min

11.11.2015: 14:00 – 18:25 (4h 25 min)

Der Vollzug in gelockerter Form am 6.10.2016, am 1.9.2016 und am 22.8.2016 fand nicht zu Zwecken der Berufsaus- oder -fortbildung, sondern zur medizinischen Behandlung statt.

Der Strafvollzug wurde bislang nicht in gelockerter Form nach § 126 Abs. 2 Z 2 zweiter Fall (Arbeit außerhalb der Anstalt) oder in Form des elektronisch überwachten Hausarrests nach § 156b StVG, durchgeführt.

Strafvollzug in gelockerter Form wurde dem Beschwerdeführer in zahlreichen Fällen auf anderer Rechtsgrundlage, insbesondere nach § 126 Abs. 2 Z 5 StVG gewährt.

Mit 07.05.2018 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Haft entlassen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Sache des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Gemäß § 28 Abs. 1 FSG ist der Führerschein nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn

1.   die Entziehungsdauer nicht länger als 18 Monate war und

2.   keine weitere Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet wird.

Gemäß § 28 Abs. 2 FSG ist vor Wiederausfolgung des Führerscheines das Lenken von Kraftfahrzeugen unzulässig.

Aus der unstrittigen Aktenlage kann von einer rechtskräftigen Entziehung der Lenkberechtigung (für Kraftfahrzeuge der Klassen AM und B) des Beschwerdeführers (Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2015,
Zl. ***, in der Fassung des Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. Juni 2015,
LVwG-AV-498/001-2015) auf die Dauer von 18 Monaten, wobei Haftzeiten auf die Dauer der Entziehung nicht anzurechnen sind, es sei denn, dass der Strafvollzug in gelockerter Form nach § 126 Abs. 2 Z 2 zweiter Fall StVG (Arbeit außerhalb der Anstalt) oder § 126 Abs. 2 Z 3 erster Fall StVG (Berufsaus- oder -fortbildung) oder in Form des elektronisch überwachten Hausarrests nach § 156b StVG erfolgt, ausgegangen werden.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2015, Zl. ***, in der Fassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. Juni 2015, LVwG-AV-498/001-2015, wurde die Entziehungszeit somit rechtskräftig festgesetzt. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu beurteilen (vgl. auch VwGH vom 04.10.2000, 2000/11/0203). Das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung ist insoferne ein einheitliches, als die Behörde das Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen zu beurteilen hat, demnach auch wie lange der betreffende Lenker nicht im Besitze seiner Lenkberechtigung sein soll bzw. ihm eine neue Lenkberechtigung nicht erteilt werden darf. Die Prognoseentscheidung hat sie aufgrund aller bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides verwirklichten Tatsachen zu treffen (Hinweis E 12.1.1993, 92/11/0205). Für die Festsetzung der Entziehungsdauer ist die – unter Berücksichtigung der Wertungskriterien gemäß § 7 Abs. 5 FSG zu erstellende – Prognose maßgebend, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen werde (vgl. VwGH vom 20.09.2001, Zl. 2001/11/0119, 06.07.2004, 2002/11/0130). Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers und somit die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung wurde rechtskräftig mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2015, Zl. ***, in der Fassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Juni 2015, LVwG-AV-498/001-2015, bestimmt. Die nachträgliche Korrektur dieser Prognoseentscheidung ist der belangten Behörde – wie auch dem Verwaltungsgericht – gegenständlich (auf Grund der Bindungswirkung) verwehrt.

Gemäß § 28 Abs. 1 FSG steht eine aufrechte Entziehung der Lenkberechtigung der Ausfolgung des Führerscheines entgegen. Es ist daher hierfür entscheidend, ob die Dauer der Entziehung bereits abgelaufen ist, da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Behörden und Parteien an den Ausspruch einer Behörde in einem rechtskräftigen Bescheid gebunden sind (VwGH 29.05.1995, 94/10/0173).

Die Verkehrszuverlässigkeit (im Zuge eines Entziehungsverfahrens) ist jeweils ausschließlich zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde zu prüfen, wobei nachträglichen Umständen (wie anschließendes Wohlverhalten) ohnehin bereits im Rahmen der durchgeführten Prognoseentscheidung Rechnung zu tragen ist. Insoweit scheidet eine neuerliche Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers – wie teilweise inhaltlich begehrt – aus.

Aus den bisher vorgelegten Unterlagen bzw. aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 09.03.2015 den Strafvollzug angetreten hat.

Der Vollzug in gelockerter Form nach § 126 Abs. 2 Z 3 erster Fall StVG fand zu folgenden Zeiten statt:

06.10.2016: 07.59 – 09:19 (1h 20 min)

01.09.2016: 08:00 – 13:25 (5h 25 min)

22.08.2016: 09:00 – 14:10 (5h 10 min)

25.11.2015: 14:00 – 18:23 (4h 23 min

11.11.2015: 14:00 – 18:25 (4h 25 min)

Der Vollzug in gelockerter Form am 6.10.2016, am 1.9.2016 und am 22.8.2016 fand nicht zu Zwecken der Berufsaus- oder -fortbildung, sondern zur medizinischen Behandlung statt.

Der Strafvollzug wurde bislang nicht in gelockerter Form nach § 126 Abs. 2 Z 2 zweiter Fall (Arbeit außerhalb der Anstalt) oder in Form des elektronisch überwachten Hausarrests nach § 156b StVG, durchgeführt.

Strafvollzug in gelockerter Form wurde dem Beschwerdeführer in zahlreichen Fällen auf anderer Rechtsgrundlage, insbesondere nach § 126 Abs. 2 Z 5 StVG gewährt.

Mit 07.05.2018 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Haft entlassen.

Es ergibt sich daher bereits aus der Aktenlage – und wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten – dass unter Außerachtlassung der Haftzeiten die Entziehungszeit von 18 Monaten noch nicht abgelaufen ist. Seit der bedingten Haftentlassung am 7. Mai 2018 sind weniger als zehn Monate vergangen. Selbst unter Berücksichtigung der oben dargestellten Zeiten des Vollzuges in gelockerter Form nach § 126 Abs. 2 Z 3 erster Fall StVG ist daher noch nicht die Entzugszeit von 18 Monaten abgelaufen. Die noch laufende rechtskräftige Entziehung steht der Ausfolgung des Führerscheines entgegen. Die belangte Behörde hat daher zu Recht den Antrag abgewiesen.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S.389, entgegenstanden. Es handelt sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH vom 24. 6.2014, 2014/05/0059, 17.4.2012, 2012/05/0029 bzw. 21.12.2012, 2012/03/0038).

Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Führerschein; Wiederausfolgung; Strafvollzug; Lenkberechtigung; Entziehungsverfahren; Prognose;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.201.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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