Entscheidungsdatum
08.03.2019Norm
GewO 1994 §74 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 12. Februar 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der GewO 1994, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Feststellungen:
1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, am 16. Juni 2018 von 15:00 bis 20:00 Uhr sowie am 18. Juni 2018 von 18:00 bis 21:00 Uhr am Standort *** eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (Kfz-Werkstätte – Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen [Kfz-Service]) ohne die erforderliche Genehmigung betrieben zu haben. Über den Beschwerdeführer wurde daher wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 2 GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von 218 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 20 Stunden) verhängt und ein Kostenbeitrag in Höhe von 21,80 Euro zur Bezahlung vorgeschrieben.
Begründend führte die belangte Behörde auszugsweise wie folgt aus:
„Der strafbare Tatbestand ist durch die Anzeige der Bezirkshauptmannschaft Baden, Anlagenabteilung, der anonymen Privatanzeige sowie durch das Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen anzusehen.
Mit 16.01.2018 haben Sie das Gewerbe „Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (KFZ-Service)“ am Standort ***, *** angemeldet.
Auf die Anfrage der Bezirkshauptmannschaft Baden, in welcher Art bzw. in welchem Umfang (Betriebsgebäude, Lagerräume, Maschinen und Geräte, Arbeitnehmer, Betriebsfahrzeuge etc.) dieses Gewerbe ausgeübt wird, gaben Sie Folgendes bekannt:
„Ich teile euch was dieses Gewerbe ausgeübt wird.
Auf eigene Gründstück im *** *** werde ich Reifen
service machen.
ich habe Reifenmontage-Maschine,Reifenwucht-Maschine ,Kompressor, Druckluft-
Schlagschrauber,diverses handwerkzeug und klein wagenheber.
ich habe noch keine arbeitnehmer und keine betriebsfahrzeuge.
Öffnungszeiten wird Nach Terminvereinbarung.
Mit freundlichen Grüßen
A“
Da nach Rücksprache mit einem Amtssachverständigen für Maschinenbautechnik durch die von Ihnen angegebenen Maschinen erhebliche Lärmemissionen verursacht werden können und diese geeignet sind Nachbarn iSd § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 zu belästigen, wurden Sie aufgefordert um Betriebsanlagengenehmigung anzusuchen.
Mangels Ansuchen Ihrerseits wurde am 20.06.2018 eine unangekündigte Überprüfung am Standort ***, ***, hinsichtlich des Bestehens einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage durchgeführt.
Bei dieser Überprüfung wurde Folgendes festgestellt:
Beim Gebäude *** handelt es sich um ein Einfamilienhaus mitten in einer ruhigen Wohngegend. Die Haustüre des Hauses stand offen und ein Hund war sowohl im Haus, als auch im Garten. Es wurde mehrmals vergeblich angeläutet. Auch mit Rufen wurde versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Das Grundstück wurde jedoch nicht betreten. (Es war auch durch einen Gartenzaun und ein Tor abgeschlossen).
Im Vorgarten unter einem Dach wurden mehrere Motorräder, Werkzeuge und
Maschinen z.B. eine Reifenwuchtmaschine, wahrgenommen. Auch wurden dunkle
Flecken auf dem Asphalt (möglicherweise Ölflecken?) wahrgenommen.
Bei Erkundigungen in der Nachbarschaft wurde angegeben, dass Sie im Standort ***, *** gewerblich tätig wären und dies auch allgemein bekannt sei. Sie würden täglich am Abend und jedes Wochenende Motorräder, hin und wieder auch PKW, reparieren. Regelmäßig würden mit einem Kastenwagen Motorräder angeliefert und abtransportiert werden. Auch Kunden würden immer wieder vorfahren. Die Arbeiten fänden innerhalb des Grundstückes statt. Des Öfteren sei bereits Öl ausgeronnen. Auch Benzin werde immer wieder im Freien gelagert. Der Lärm sei teilweise sehr hoch, da die reparierten Motorräder auch vor Ort gleich ausprobiert würden.
Am 02.07.2018 wurde eine Überprüfung der Technischen Gewässeraufsicht durchgeführt, diese hat folgendes ergeben:
Auf befestigten Flächen im Einfahrtsbereich sind Ölflecken vorhanden. Diese Spuren deuten auf Fahrzeugreparaturen hin. Die Flächen entwässern in den Randbereich, somit können dort mit Kohlenwasserstoff – Produkten belastete Abwässer unkontrolliert versickern.
Gutachten:
Durch die organoleptischen Wahrnehmungen vor Ort, besteht die Gefahr, dass es aufgrund der unkontrollierten Versickerungen von belasteten Oberflächenwässern zu einer negativen Grundwassser- und Bodenbeeinträchtigung kommt bzw. gekommen ist.
Sofortanordnungen durch die Veranlassung von unaufschiebbaren Maßnahmen (Gefahr in Verzug) als Behördenorgan waren durch die Gewässeraufsicht nicht zu setzen, dennoch sind durch die Amtssachverständigen die weiteren Maßnahmen und Vorschreibungen festzulegen.
[…]
Am 24.07.2018 waren Sie persönlich bei der Bezirkshauptmannschaft Baden und
gaben folgendes zum Sachverhalt an:
„Ich habe das Gewerbe „Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (KFZ-Service)
angemeldet, da ich ab September 2918 [offenkundig gemeint: September 2018] mit dem Gewerbe anfangen wollte. Es wurde mir versichert, dass ich keine Betriebsanlagengenehmigung benötige und in dem Zeitraum Jänner 2018 bis September 2018 die notwendigen Geräte anschaffen kann.
Ich habe bis dato keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und habe an dem gegenständlichen Standort nur meine eigenen Motorräder gewartet.
Die festgestellten Ölflecken im Eingangsbereich wurden bereits entfernt. Das Gewerbe wurde nunmehr wieder abgemeldet und es ist nicht beabsichtigt dort wieder ein Gewerbe anzumelden.
Die erforderlichen Unterlagen (Nachweis des Besitzes von Motorrädern und Einkommensnachweis, sowie Foto vom Eingangsbereich) werden übermittelt.“
Mit E-Mail vom selbigem Tag übermittelten Sie die oben angeführten Beilagen.
Nach Angabe des anonymen Anzeigers wurden Ihrerseits jedenfalls am 16.6.2018, von 15:00 Uhr bis 20:00 Uhr und am 18.6.2018, von 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr gewerbliche Tätigkeiten am Standort ***, *** ausgeübt.
Aufgrund dieser Tatsache wurde die Tatzeit auf den angeführten Tatzeitraum
eingeschränkt.“
1.2. Die Beschwerde lautet auszugsweise wie folgt:
„Ich habe keine gewerbliche tätigkeit ausgeübt !
Sie haben geschrieben dass, ich am 16.6.2018 von 15:00 Uhr bis 20:00 Uhr und
18.6.2018 von 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr gemacht habe.
Ich bin Motorrad Rennfahrer und ich bin am 16.6.2018 Meine Rennmotorrad ins mein Kleinbus eingeräumt Vormittag und ca 15 Uhr bin ich schon unterwegs nach Ungarn zu dem Rennstecke (***).
Am 17.6.2018 bin ich wieder nach Hause gekommen und am 18.6.2018 bin ich zu dem nächste Rennstecke (***) ca um 18 Uhr schon unterwegs also ich war im disem zeit im ausland und ich habe nur meine Motorräder und Autos repairt. Ich bitte deswegen höflich dass disem strafe zum Löschen.
Ich schicke noch diverses unterlagungen zum bestätigen.
Liebe Grüße
[Beschwerdeführer]“
1.3. Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. März 2019 wurde die belangte Behörde aufgefordert, Name und ladungsfähige Adresse des „anonymen Anzeigers“ bekanntzugeben, worauf diese mit Schreiben vom 8. März 2019 wie folgt ausführte:
„[…] hinsichtlich Ihres Schreibens vom 05.03.2019 wird mitgeteilt, dass die Daten des anonymen Anzeigers ha nicht aufliegen.
Es handelte sich um einen anonymen Anruf.“
2. Erwägungen:
Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.
Gemäß § 25 Abs. 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.
Die im Straferkenntnis – neben dem „anonymen Anzeiger“ – angesprochenen Beweismittel, sind allenfalls Indizien für den Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung, reichen jedoch nicht aus, um mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit von einem konsenslosen Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage auszugehen.
Der Beschwerdeführer hat stets bestritten, am Tatort gewerbliche Tätigkeiten entfaltet zu haben, sondern angegeben, nur privat an eigenen Fahrzeugen gearbeitet zu haben. Dieser Verantwortung des Beschwerdeführers stehen für die vorgeworfenen Tatzeitpunkte (nur) die Angaben des „anonymen Anzeigers“ entgegen.
Der Grundsatz, dass es im rechtsstaatlichen Strafverfahren keine geheimen Beweismittel gibt, auf die in der Anonymität gehaltene Gewährsleute hinausliefen, duldet keine Ausnahme (zB VwGH vom 13.9.1991, 91/18/0065). Eine Beweisführung darf sich daher nicht auf Angaben einer Person stützen, die zwar den Beschwerdeführer an zwei Tagen in den Abendstunden bei der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten gesehen haben will, aber offensichtlich nicht bereit war, über die für den Schuldspruch der belangten Behörde mitentscheidenden Beobachtungen im Zuge einer Einvernahme als Zeuge auszusagen.
Mangels Möglichkeit der Einvernahme des wesentlichsten Belastungszeugen verbleiben aber aufgrund der bestreitenden Verantwortung des Beschwerdeführers und den sonstigen Beweismitteln Zweifel, ob vom Beschwerdeführer tatsächlich eine gewerbliche Betriebsanlage ohne erforderliche Bewilligung betrieben wurde.
Das angefochtene Straferkenntnis ist daher – gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG unter Entfall einer mündlichen Verhandlung – aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung abweicht und ansonsten lediglich Fragen der Beweiswürdigung vorliegen (zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Revision in Fragen der Beweiswürdigung vgl. VwGH vom 14.11.2018, Ra 2017/17/0894)
Schlagworte
Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Beweismittel;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.496.001.2019Zuletzt aktualisiert am
04.04.2019