TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/28 W241 2192949-1

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Veröffentlicht am 28.01.2019
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Entscheidungsdatum

28.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W241 2192949-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde vonXXXX, geboren am XXXX alias XXXX, Staatsangehörigkeit Pakistan, vertreten durch RAXXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2018, Zahl 1106849006/160303305, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 26.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 27.02.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Urdu im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme ausXXXX in Pakistan, sei sunnitischer Moslem und ledig. Sein Geburtsdatum sei der XXXX. Seine Eltern und eine Schwester lebten in Pakistan. Er habe Pakistan vor etwa vier Monaten verlassen und sei über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn nach Österreich gereist.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er in Pakistan finanzielle Probleme gehabt habe und ausgewandert sei, um ein neues Leben zu beginnen. Bei einer Rückkehr werde er Probleme mit den Leuten bekommen, von denen er sich Geld ausgeborgt habe.

1.3. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF am 26.11.2015 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt worden war und am 10.02.2016 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.4. Ein Altersfeststellungsgutachten vom 30.06.2016 ergab ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 19,6 Jahren, das "fiktive" Geburtsdatum laute XXXX.

1.5. Mit Verfahrensanordnung vom 19.07.2016 wurde das Geburtsdatum des BF mit XXXX festgesetzt.

1.6. Bei seiner Einvernahme am 24.01.2018 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Urdu, gab der BF betreffend sein Fluchtvorbringen Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe so detailliert wie möglich.

A: In Pakistan habe ich einen Onkel, der Bruder meines Vaters, XXXX. Wir hatten eine gemeinsame Landwirtschaft. Bei der Verteilung des Grundstücks ist ein großer Streit entstanden. Der Onkel hat 5 Söhne, die haben ihn beim Streit unterstützt. Der Streit ist im Juni 2013 entstanden, der Onkel hat uns bei der Polizei angezeigt. Es hat einige Gerichtsverhandlungen gegeben, die haben viel Geld gekostet, das mein Vater nicht hatte. Mein Vater ist zu meinem Onkel mütterlicherseits übersiedelt, dann sind wir nach Sheikhupura gegangen und mein Vater hat einen Teil des Grundstücks verkauft, das er geerbt hat um einen Schlepper zu bezahlen, der meine Ausreise organisiert hat.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund, Ihre Angaben sind vage und unkonkret. Nennen Sie mir Details und Einzelheiten.

A: Die Anzeigen kann ich nachbringen, ich werde meinem Vater sagen, er soll sie schicken.

Wiederholung der Frage! Machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund, Ihre Schilderung ist abstrakt und lässt Einzelheiten vermissen!

A: Vor 2013 hat mein Vater 5 Brüder gehabt, mein Großvater war zweimal verheiratet. Nach dem Tod meines Großvaters wurde das Grundstück aufgeteilt. Den schlechten Teil wollten sie meinem Vater geben, er war aber nicht einverstanden, da ist der Streit entstanden. Dadurch, dass dieser Streit so lange gegangen ist, hatte mein Vater kein Geld mehr, um weiter vor Gericht zu gehen. Danach sind wir nach Sheikhupura gegangen um den Streit zu vermeiden.

F: Mehr können Sie zu Ihrem Fluchtgrund nicht angeben?

A: Nein.

F: Wurden Sie persönlich bedroht oder verfolgt?

A: Ja, meine Cousins haben mich immer wieder auf der Straße aufgehalten und haben mich bedroht und beschimpft.

F: Wie oft wurden Sie bedroht oder verfolgt?

A: Drei- bis viermal. Meistens am Abend, wenn ich von der Arbeit nach Hause gekommen bin.

F: Wann fanden diese Vorfälle genau statt! Geben Sie mir einen zeitlichen Überblick.

A: Das war Ende 2013, die haben mich bedroht.

F: Können Sie ein genaueres Datum angeben?

A: Nein, ich kann mich nicht erinnern.

F: Machen Sie mir umfangreiche Angaben rund über die Bedroher/Verfolger. Was können Sie mir über diese Personen erzählen?

A: Die sind 5 Brüder, zwei leben im Ausland, 3 leben in Pakistan, die haben mich immer wieder bedroht.

Wiederholung der Frage, wer waren die Bedroher? Nennen Sie mir Details.

A: Die haben uns bedroht, dass wir mit dem Teil einverstanden sein sollen, den wir bekommen, sonst werden wir große Probleme haben. Auf Grund dieser Probleme haben wir das Dorf am Ende verlassen.

Wiederholung der Frage! Erzählen Sie mir Einzelheiten über die drei Cousins und die Probleme, die Sie mit ihnen hatten.

A: Diese ganzen Probleme haben im Juni 2013 angefangen, letztendlich haben wir das Dorf verlassen, um Streit zu vermeiden.

F: Mehr können Sie dazu nicht angeben?

A: Nein.

F: Was hat dazu geführt, dass Sie den Entschluss zur Ausreise gefasst haben?

A: Ich hatte in Sheikhupura Angst gehabt, denn die wussten, wo wir leben und hätten uns jederzeit bedrohen können.

F: Gab es Vorfälle in Sheikupura?

A: Nein, bis zu meiner Ausreise ist nichts passiert.

F: Also waren die Onkel und die Cousins nie in Sheikupura?

A: Nein.

F: Beschreiben Sie mir das Grundstück, das Ursprung des Streits ist.

A: Das ganze Grundstück war ca. 15 Kanal groß, davon hat mein Vater 4 Kanal bekommen. Der Onkel mit dem wir streiten, ist noch immer dort, die anderen haben ihre Anteile verkauft. Mein Vater besitzt jedoch noch 3 Kanal, aber es arbeitet niemand dort, wegen des Streits. Es wird nichts angebaut.

F: Können Sie eine Skizze davon anfertigen?

A: Ja.

F: Sind Sie in der Lage, das Grundstück auf GoogleMaps zu finden?

A: Ja.

Anm.: AW kann die Lage des Grundstücks umgehend aufzeigen - stimmt mit zuvor angerfertiger Skizze überein.

F: Machen Sie mir umfangreiche Angaben über den Onkel.

A: Mein Onkel war beim Staat angestellt, jetzt ist er in Pension, zwei Söhne arbeiten in den Arabischen Emiraten. Einer der Drei im Dorf arbeitet als Arzt. Einer der anderen beiden arbeitet bei einer Autovermietung, der andere arbeitet nur gelegentlich.

F: Wiederholung der Frage! Machen Sie mir konkrete Angeben (Beruf, Alter, wo lebt er)?

A: Er ist ca. 70 Jahre alt und hat bei einem Landvermessungsamt gearbeitet in der Stadt. Mehr weiß ich nicht.

F: Mehr können Sie über die Bedroher nicht angeben?

A: Sie setzten uns immer unter Druck und machten uns Angst.

F: Hat es jemals ein konkretes Ereignis gegeben, bei dem Sie persönlich und konkret bedroht wurden?

A: Ja, sie haben mich auch persönlich bedroht, sie haben auf dem Heimweg auf mich gewartet und geschlagen und immer wieder gesagt, ich soll das Dorf verlassen.

F: Schildern Sie eine dieser einschneidenden Situationen, als Sie geschlagen wurden.

A: Die haben mich insgesamt dreimal geschlagen, einmal waren es alle drei Brüder und zweimal waren es nur zwei Brüder.

F: Weiter.

A: Wir haben keine Anzeige erstattet, weil die anderen zuerst Anzeige erstattet haben.

F: Wiederholung der Frage, machen Sie umfangreiche Angaben über eine der Situationen, als Sie geschlagen wurden.

A: Es war im August 2013, spätabends, wenn ich von der Arbeit zurückgekommen bin.

F: Mehr können Sie nicht dazu angeben?

A: Nein.

F: Waren Sie jemals bei der Polizei deshalb?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Die haben bei ihrer Anzeige gesagt, dass sie Angst vor uns hätten und wir sie bedrohen würden.

F: Machen Sie mir umfangreiche Angaben zu den Gerichtsverfahren, die in diesem Zusammenhang geführt wurden.

A: Das weiß alles mein Vater, wo das war, ich kann keine Angaben dazu machen.

F: Aber Sie werden doch wissen, welches Urteil gefällt wurde?

A: Es ist noch nicht entschieden, es ist noch beim Gericht.

F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Pakistan? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Pakistan geschickt werden würden?

A: Ich bin der einzige Sohn meines Vaters, mein Onkel hat 5 Söhne, ich weiß nicht, was die mit mir machen können. Auf alle Fälle fürchte ich um mein Leben."

Der BF legte eine Kopie einer Anzeige vom 01.04.2013 bei der Polizei in SIALKOT in Urdu und Englisch vor.

1.7. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 17.04.2018 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Pakistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Pakistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Pakistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF aufgrund der vagen Schilderung nicht glaubhaft machen können. Aus dem Vorbringen ergebe sich weiter keine asylrelevante Verfolgung.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) finde.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Pakistan nicht drohe. Es sei dem BF zumutbar, in Pakistan selbstständig durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus eigenen Kräften für die Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse aufzukommen.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde den BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.8. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 10.04.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der BF nicht mit Schutz durch die Polizei rechnen könne, da das Polizeisystem in Pakistan ineffektiv und korrupt sei. Dazu wurden mehrere Berichte zitiert. Dem BF sei weiters zumindest subsidiärer Schutz aufgrund der Sicherheitslage in der Provinz Punjab zu gewähren. Hierzu wurden Anfragebeantwortungen aus dem Jahr 2013 und 2016 zitiert.

1.9. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 19.04.2018 beim BVwG ein.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 27.02.2016 und der Einvernahme vor dem BFA am 24.01.2018 sowie die Beschwerde vom 10.04.2018

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX. Er ist volljährig, Staatsangehöriger von Pakistan und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Er spricht Punjabi und Urdu.

Der BF ist ledig und stammt aus XXXX in der Provinz Punjab in Pakistan. Seine Eltern und eine Schwester leben weiterhin in Pakistan.

Der BF selbst hat zehn Jahre eine Schule und zwei Jahre ein College besucht und als Elektriker gearbeitet.

3.1.2. Der BF ist gesund, Hinweise auf lebensbedrohende oder schwerwiegende Krankheiten haben sich keine ergeben. Der BF ist im erwerbsfähigen Alter und verfügt über Schulbildung.

3.1.4. Der BF reiste über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn, wo er einen Asylantrag stellte, nach Österreich, bevor er am 26.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

3.1.5. Der BF hält sich seit Februar 2016 in Österreich auf und verfügt über keine Deutschkenntnisse. Er befindet sich in der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er hat keine Verwandten oder näheren Angehörigen im Bundesgebiet.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hat sein Vorbringen, wegen Grundstücksstreitigkeiten verfolgt zu werden, nicht glaubhaft gemacht. Aus seinem Vorbringen lässt sich weiters kein Asylgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ableiten. Dem BF droht im Fall einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgung aus politischen Gründen, religiösen Gründen, aus Gründen der Rasse, der Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

3.2.2. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme.

3.2.3. Grund für die Ausreise des BF aus seinem Herkunftsstaat war die Suche nach besseren - auch wirtschaftlichen - Lebensbedingungen im Ausland.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Der BF ist im erwerbsfähigen Alter und männlich. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst bekannt geworden.

3.3.3. Dem BF ist es möglich und zumutbar, sich in seinem Heimatort, Islamabad oder Lahore niederzulassen. Als gesunder und leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf liefe der BF auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

3.3.3. Eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF nach Pakistan würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen Konflikts mit sich bringen.

3.3.4. Der BF kann die Hauptstadt Islamabad von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

3.3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Auf Grundlage von aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF getroffen:

3.4.1. Auszug aus den Länderinformationen im angefochtenen Bescheid:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12.2016a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12.2016a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12.2016a).

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12.2016a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12.2016a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12.2016a).

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12.2016a).

Katastrophen

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 18.3.2017

-

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.13.2017.

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Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 29.10.2015

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IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf, Zugriff 28.11.2016.

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IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan's disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 18.3.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Pakistan Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638, Zugriff 18.3.2017

-

UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.1.2016): Humanitarian Bulletin Pakistan Issue 37, December 2015 - January 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian_bulletin_dec_jan_2016.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Pakistan Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf, Zugriff 18.3.2017

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DZ - Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Pakistan,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlagk, Zugriff 18.3.2017

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12.2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12.2016a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12.2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12.2016a).

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12.2016a).

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Pakistanischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die pakistanischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Pakistans, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in Karatschi, 13 im Punjab und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Pakistan in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Pakistans Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Pakistan ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

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AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.3.2017

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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

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Pakistan Security Report. Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2016

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USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.state.gov/j/ct/rls/crt/2015/257518.htm, Zugriff 12.11.2016

Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 20.3.2017) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karachi (AA 30.5.2016). Laut einem lokalen Experten in Pakistan, ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans, gefolgt von Sindh (allerdings sind Teile von Karachi durchaus unsicher). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

Wie auch im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan im Jahr 2015 aus Belutschistan gemeldet. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet und 329 verletzt. Am meisten Todesopfer allerdings verzeichneten die FATA mit 268 in 149 Anschlägen, worunter allerdings auch 70 Angreifer fallen. In der Provinz Sindh forderten 102 Terroranschläge insgesamt 251 Todesopfer in , davon allein in Karachi 150 Tote in 85 Anschlägen und 101 Tote in 17 Anschlägen im inneren Sindh. Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen. Islamabad war von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen, Gilgit Baltistan verzeichnete 4 Anschläge ohne Todesopfer (PIPS 3.1.2016).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von der FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurück, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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